Glaub an die Liebe, Kit!

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Granatäpfel, Gewürzaromen und ein Hotel wie aus 1001 Nacht … Kit Fitzroys Besuch in Marrakesch ist ein Fest für die Sinne - besonders wegen seiner betörenden Verlobten. Fast lassen Sophies heiße Küsse Kit den Grund seiner Reise vergessen: Er soll seine Mutter treffen, die er seit Jahren nicht gesehen hat. Wird sie ihm endlich gestehen, wer sein Vater ist? Gebannt erwartet Kit das Wiedersehen - und erlebt ein böses Erwachen. Denn was er erfährt, kann all seine Zukunftsträume zunichtemachen. Soll er sich Sophie anvertrauen? Oder ihr gemeinsames Glück genießen, so lange es hält?


  • Erscheinungstag 16.04.2013
  • Bandnummer 2071
  • ISBN / Artikelnummer 9783954466238
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Es war nur ein kurzer Artikel im Immobilienteil der Sonntagszeitung. Während sie dick mit Erdbeermarmelade bestrichene Brioches im Bett aß, das in den vergangenen drei Wochen zu ihrer Welt geworden war, stieß Sophie einen spitzen Schrei aus.

„Hör dir das an!“

Unerwartete Wendung in der Erbschaftssache Fitzroy

Nach dem plötzlichen Tod von Ralph Fitzroy, dem achten Earl von Hawksworth und Eigentümer von Alnburgh, ist erst jetzt ans Licht gekommen, dass der erwartete Erbe gar nicht erbberechtigt ist. Eine anonyme Quelle, die der Familie nahestehen soll, hat bestätigt, dass sowohl Alnburgh Castle und die es umgebenden Ländereien in Northumberland, sowie ein größeres Grundstück in Chelsea in den Besitz von Jasper Fitzroy übergehen, den jüngeren Sohn des Earls aus zweiter Ehe, und nicht an seinen älteren Bruder, Major Kit Fitzroy.

Sie steckte den letzten Rest Brioche in den Mund und las kauend weiter.

Major Fitzroy ist Soldat im aktiven Dienst und wurde erst vor Kurzem mit der George Medaille für Tapferkeit ausgezeichnet. Den Einwohnern des Ortes zufolge wurde die Instandhaltung des Schlosses in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt, sodass auf den nächsten Besitzer eine große finanzielle Herausforderung zukommt. Gerüchte besagen, dass Kit Fitzroy zwar über ein nicht unerhebliches Vermögen verfügt, diese Rettungsmission jedoch vielleicht nicht übernehmen will …

Sophie warf die Zeitung beiseite und leckte Marmeladenreste von ihren Fingern. Dann sandte sie Kit einen überaus koketten Blick.

„Nicht unerhebliches Vermögen?“ Grinsend wand sie sich zwischen den Decken hindurch und küsste seine Schulter. „Klingt gut.“

„Das dachte ich mir“, seufzte er, drehte sich auf die Seite und blickte direkt in ihre funkelnden Augen. „Du bist nichts weiter als ein oberflächliches, zynisches, junges Ding, nur auf Geld aus und …“

„Stimmt.“ Sophie nickte ernst, musste dann jedoch die Lippen zusammenpressen, um nicht laut loszulachen. „Um ehrlich zu sein, bin ich wirklich nur an deinem Geld und deinem großartigen Haus in Chelsea interessiert.“ Sie machte eine ausladende Geste, die das gesamte Schlafzimmer mit dem Blick in den herrlichen Garten umfasste. „Nur deshalb ertrage ich deine langweilige Persönlichkeit und dein recht durchschnittliches Aussehen. Ganz zu schweigen von deiner miserablen Leistung im Bett …“

Sie stieß noch einen Schrei aus, als er mit der Hand unter die Laken fuhr und ihr Bein streichelte.

„Entschuldigung. Wie war das?“

„Ich sagte …“, setzte sie an, „… ich bin nur interessiert an … deinem Geld.“ Er beobachtete, wie ihre Augen sich verdunkelten, als er seine Hand höher schob. „Ich wollte schon immer das Spielzeug eines reichen Mannes sein.“

Kit stützte seinen Kopf auf einem Ellenbogen auf, sodass er sie besser betrachten konnte. Ihr leuchtend rotes Haar hob sich in reizvollem Kontrast von dem Kissen ab. Sie trug kein Make-up. Nie hatte sie schöner ausgesehen.

„Nicht die Ehefrau eines reichen Mannes?“, fragte er gedehnt.

„Oh, nein. Heiraten würde ich nur, wenn auch ein Titel und ein wirklich großes Vermögen für mich herausspringen.“ Ihre Stimme nahm einen heiseren Klang an, als er ihren Hals, dann ihre Kehle küsste. „Und Ländereien natürlich auch …“

Kit lächelte. Er hatte alle Zeit der Welt. „Okay, das ist gut zu wissen. Da ich seit Kurzem weder über einen Titel noch Ländereien verfüge, hat es wohl keinen Sinn zu fragen.“

Er spürte, wie sie sich versteifte, hörte, wie sie vor Schock und Aufregung nach Luft schnappte. „Nun, es gibt da einen gewissen Verhandlungsspielraum“, erwiderte sie atemlos. „Und ich würde sagen, du befindest dich im Augenblick in einer verdammt guten Position …“

„Sophie Greenham“, sagte er. „Ich liebe dich, weil du wunderschön bist und clever und ehrlich und loyal …“

„Mit Schmeicheleien könnte das hier sehr lange dauern“, seufzte sie und schloss die Augen, als er seine Finger kreisend noch ein Stückchen höher schob. „Oh, du hast eine Abkürzung gefunden …“

Ihm wurde ganz eng um die Brust, als er sie jetzt betrachtete. „Ich liebe dich, weil du Unterwäsche für eine bessere Investition als Kleider hältst. Weil du mutig und lustig und sexy bist. Und da habe ich mich gefragt, ob du vielleicht in Betracht ziehen könntest, mich zu heiraten?“

Sie schlug die Augen auf und schaute ihn direkt an. Das Lächeln, das sich langsam auf ihren Lippen ausbreitete, bestand aus purem Glück. Es fühlte sich an, als würde er einen Sonnenaufgang beobachten.

„Ja“, flüsterte sie. „Ja, bitte.“

„Ich halte es allerdings für fair, dir zu sagen, dass meine Familie mich mittlerweile verleugnet …“

Sophie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. „Dann gründen wir eben unsere eigene.“

Stirnrunzelnd strich er eine vorwitzige Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück. Auf einmal fiel es ihm schwer zu sprechen, weil er von heftigen Glücksgefühlen überwältigt wurde. „Und ich besitze keinen Titel, kein Schloss und keine Ländereien …“

Lachend zog sie ihn in die Arme. „Glaub mir, anders würde ich es nicht haben wollen!“

1. KAPITEL

4 Monate später.

Britische Militärbasis.

Donnerstag, 6.15 Uhr.

Die aufgehende Sonne färbte den Himmel pink und den Sand golden. Kit rieb sich die schmerzenden Augen, ließ den Blick über die Wüste schweifen und fragte sich, ob er morgen noch leben würde.

Geschlafen hatte er eine Stunde, vielleicht zwei, und von Sophie geträumt. Beim Aufwachen pulsierte noch unerfülltes Verlangen durch seinen Körper. Seine Gedanken rasten, und fast meinte er, den Duft ihrer Haut riechen zu können.

Beinahe war ihm seine Schlaflosigkeit lieber.

Fünf Monate. Zweiundzwanzig Wochen. Einhundertundvierundfünfzig Tage. Eigentlich hätte seine Sehnsucht mittlerweile verblassen müssen, aber sie schien sogar noch stärker geworden zu sein. Angerufen hatte er Sophie nie, obwohl der Wunsch, ihre Stimme zu hören, heiß wie Feuer in ihm brannte. Doch er wusste genau, dass mit dem ersten Wort aus ihrem Mund, die Flammen nur noch höher emporlodern würden. Und gleichzeitig wusste er, dass es nichts gab, was sie einander mit sechstausend Meilen zwischen sich sagen konnten, um sein Leid zu lindern.

Nur noch ein Tag.

In vierundzwanzig Stunden würde er nach Hause fliegen. Unter den Männern seiner Einheit herrschte eine gewisse Aufregung, eine Mischung aus Erleichterung und Hochgefühl.

Kit teilte diese Gefühle nicht.

Seit vielen Jahren arbeitete er bei der Bombenentschärfung. Nie hatte er es für etwas anderes als einen Job gehalten – einen schmutzigen, unangenehmen, herausfordernden, anstrengenden, aber notwendigen Job. Allerdings stammte diese Einschätzung noch aus der Zeit, als er mehr gedacht als gefühlt hatte. Damals hatte er seine Emotionen so tief in sich vergraben, dass er gar nicht mehr wusste, ob er überhaupt noch etwas empfand.

Nun hatte sich alles geändert. Er hatte keine Ahnung, wer er war – diesen Umstand hatte er vor allem den Lügen des Mannes zu verdanken, den er sein bisheriges Leben für seinen Vater gehalten hatte. Dazugewonnen hingegen hatte er die Liebe zu Sophie. Dank ihr hatte er Teile von sich kennengelernt, von deren Existenz er nichts gewusst hatte. Und jetzt kam ihm sein Job viel schmutziger vor, viel mehr schien auf dem Spiel zu stehen – und die Chance zu überleben schien viel geringer zu sein. Sehr viel geringer.

Noch ein Tag. Würde sein Glück anhalten?

„Major Fitzroy … Kaffee, Sir. In wenigen Minuten sind wir marschbereit.“

Kit wandte sich um. Gefreiter Lewis kam mit einem Kaffeebecher in den Händen auf ihn zu, ein ernster, ein wenig unbeholfener Junge von neunzehn Jahren. In seiner Gegenwart fühlte Kit sich uralt. Er nahm die Tasse entgegen, trank einen Schluck und verzog das Gesicht.

„Danke, Lewis“, murmelte er. „Andere Männer bekommen ihren Kaffee von kurvigen Sekretärinnen gebracht. Ich hingegen habe Sie, der mir etwas anschleppt, was wie frisch aufgebrühter Schlamm schmeckt.“

Lewis grinste. „Sie werden mich vermissen, wenn Sie nach Hause kommen.“

„Das bezweifle ich.“ Kit nahm noch einen Schluck und schüttete den restlichen Kaffee auf den Boden. Dann setzte er sich in Bewegung. „Glücklicherweise sind Sie ein besserer Infanterist als ein Barista. Vergessen Sie das nicht, wenn Sie nach Hause kommen“, rief er dem jungen Mann über die Schulter hinweg zu.

„Ja, Sir!“ Lewis eilte ihm nach. „Ich möchte Ihnen noch sagen, wie großartig es war, mit Ihnen zu arbeiten, Sir. Ich habe so viel gelernt. Bevor ich zu Ihrer Einheit kam, war ich nicht sicher, ob ich überhaupt in der Armee bleiben möchte. Jetzt habe ich mich entschieden, mich bei der Bombenentschärfung zu verpflichten.“

Kit blieb stehen. „Haben Sie eine Freundin, Gefreiter?“

Von einem Fuß auf den anderen trippelnd, schwankte Lewis’ Miene zwischen Stolz und Verlegenheit. „Ja. Sie heißt Kelly. In zwei Monaten kommt unser Kind zur Welt. Sobald wir uns wiedersehen, werde ich ihr einen Heiratsantrag machen.“

„Lieben Sie sie?“

„Ja, Sir. Wir kennen uns noch nicht lange, aber … ja, ich liebe sie wirklich.“

„Dann lassen Sie mich Ihnen einen guten Rat geben. Lernen Sie, einen anständigen Kaffee zu kochen und suchen Sie sich einen Job bei Starbucks, denn Liebe und das Entschärfen von Bomben passen nicht gut zusammen.“ Lächelnd reichte Kit dem jungen Mann die leere Tasse. „Schön, rücken wir aus und bringen es hinter uns.“

„Tut mir leid, dass ich so spät komme.“

Grinsend bahnte Sophie sich ihren Weg zwischen den Tischen hindurch und ließ sich Jasper gegenüber auf einen Stuhl fallen.

Misstrauisch beäugte er ihre Einkaufstüten. „Wie ich sehe, warst du leider unabkömmlich …“ Er zog die Augenbrauen hoch, als sein Blick auf das diskrete Logo eines bekannten Geschäfts für erotische Dessous fiel. „Kit steht eine angenehme Überraschung bevor.“

Hastig schob sie ihre Tüten unter den Tisch und bemühte sich, endlich aufzuhören, wie ein verschossener Teenager zu grinsen.

„Zumindest habe ich eine ziemlich unanständige Summe ausgegeben“, gab sie zu, schob die Sonnenbrille in ihr Haar und griff nach der Karte. Der Tisch, den Jasper ausgewählt hatte, stand im Schatten einer roten Markise, die seiner poetischen Blässe ein gesundes Leuchten verlieh. Er und Kit waren so verschieden, es war unglaublich, dass sie so lange geglaubt hatten, Brüder zu sein.

„Für ziemlich unanständige Klamotten, ich kenne den Laden.“ Jasper schielte in die Tüte.

„Es ist nur ein Nachthemd“, erwiderte Sophie rasch und hoffte, er würde nicht den dazu passenden winzigen Slip aus silber-grauer Seide herausholen und den Gästen im Restaurant präsentieren. „Ich kam zufällig an dem Geschäft vorbei und habe gerade die Gage für diesen Vampirfilm bekommen, und Kit kommt morgen nach Hause, und da dachte ich … Was soll’s? Eigentlich war es viel zu teuer.“

„Unsinn. Die Tage, in denen du Klamotten auf Flohmärkten und Brot vom Vortag kaufen musstest, sind vorbei.“ Er blickte sich nach einem Kellner um. „In ein paar Stunden ist dein Leben als Single wieder vorbei, und du verwandelst dich in eine hauptberufliche Verlobte. Planst du noch ein paar wilde Partys?“

„Die spare ich mir für Kit auf, wenn er in …“ Sie schaute auf ihre Armbanduhr. „… in achtundzwanzig Stunden nach Hause kommt. Mal sehen … dort drüben sind sie uns fünf Stunden voraus, also sollte er seine Schicht ungefähr jetzt beenden.“

Jasper musste den ängstlichen Unterton in ihrer Stimme gehört haben, denn er nahm tröstend ihre Hand. „Denk nicht daran“, sagte er. „Du hast dich fantastisch gehalten. Ich wäre vor Sorge verrückt geworden, wenn Sergio Kits Job hätte. Du bist sehr tapfer.“

„Nicht im Vergleich zu Kit.“ Plötzlich fühlte ihr Mund sich ganz trocken an. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Kit jetzt aussah: verschwitzt, schmutzig, erschöpft. Fünf Monate hatte er sich um ein Bataillon Männer gekümmert, hatte ihre Bedürfnisse über seine gestellt. Sie wollte nur noch, dass er nach Hause kam, damit sie sich endlich um ihn kümmern durfte.

„Sophie?“

„Was? Tut mir leid.“ Sie blickte auf und sah einen Kellner mit gezücktem Stift an ihrem Tisch stehen. Eilig bestellte sie einen Salat Niçoise, weil er an erster Stelle auf der Karte stand.

„Kit versteht sein Handwerk“, murmelte Jasper abwesend, während er dem Kellner verträumt nachschaute. „Seit Jahren tut er nichts anderes. Wie geht es ihm denn?“

„Oh … weißt du … er klingt okay“, flunkerte sie. „Aber jetzt möchte ich alles über dich hören. Habt ihr alles für die Reise nach Hollywood gepackt?“

Jasper lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Wir sind noch nicht ganz fertig, aber ich habe mich noch nie in meinem Leben zu etwas bereiter gefühlt. Nach allem, was in den vergangenen sechs Monaten passiert ist … Dad ist gestorben, ich hatte mein Coming-out, Alnburgh gehört mir und nicht Kit … ich kann es kaum erwarten, in ein Flugzeug zu steigen und alles hinter mir zu lassen. Die nächsten drei Monate werde ich nichts anderes tun, als am Pool zu liegen und Cocktails zu schlürfen, während Sergio arbeitet.“

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du versuchst, mich eifersüchtig zu machen!“

„Ertappt.“ Jasper schenkte dem Kellner ein Lächeln, der sich gerade wieder mit einem Tablett ihrem Tisch näherte. „Funktioniert es?“

„Nein.“ Der Kellner stellte ein hohes Glas mit Gin Tonic vor sie, in dem leise Eiswürfel klirrten. „Pool und Cocktails klingen großartig, aber zum ersten Mal in meinem Leben verspüre ich nicht den Wunsch, woanders zu sein. Na ja, nicht direkt hier.“ Sie nickte und meinte damit das Restaurant. „Aber zu Hause. Mit Kit.“

Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, musterte Jasper sie und tippte mit einem Finger nachdenklich auf seine Unterlippe. „Entführung durch Außerirdische – das muss die Ursache für diese Veränderung sein! Früher wolltest du nicht einmal ein Handy mit Vertrag, weil das zu viele Verpflichtungen mit sich brachte. Jetzt bist du eine Frau, der es Spaß macht, Wäsche zu waschen! Mir fällt einfach kein anderer Grund ein.“

„Liebe“, erwiderte Sophie. „Und vielleicht auch die Tatsache, dass ich mein Leben lang unterwegs war. Ich habe das Gefühl, angekommen zu sein. Ich stöbere sogar schon durch Möbelgeschäfte“, bekannte sie mit einem schuldbewussten Blick. „Und ich stehe total auf diese Farbkarten. Wahrscheinlich sehne ich mich einfach nach einem Zuhause.“

„Tja, Kits Bude in Chelseas begehrtestem Gartenviertel ist kein schlechter Anfang“, meinte Jasper und türmte Krabbenpâte auf eine Scheibe Roggenbrot. „Zumindest besser als Alnburgh. Dem Schloss bist du knapp entkommen.“

„Das kannst du laut sagen. Was ist mit euch? Plant ihr, nach eurer Rückkehr aus L. A. dort einzuziehen?“

Jasper verzog das Gesicht. „Um Gottes willen, nein. Northumberland ist nicht gerade das Zentrum der Filmindustrie. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Sergio Mrs Watts nach Foie gras oder der neusten Ausgabe des Empire Magazins fragt.“

Sophie nippte an ihrem Drink, um ihr Grinsen zu verbergen. Als Sergio bei der Beerdigung von Jaspers Vater in Alnburgh aufgetaucht war, war er aufgefallen wie ein bunter Hund. „Was wird dann aus dem Schloss?“

Jetzt, da nicht länger die Möglichkeit bestand, selbst dort wohnen zu müssen, interessierte sie, was mit dem alten Gemäuer geschah.

„Ich weiß es nicht“, seufzte Jasper. „Die rechtliche Situation ist verworren, und die Finanzlage sieht noch schlimmer aus. Alles ist ein einziges Chaos. Ich kann Dad immer noch nicht verzeihen, dass er eine solche Bombe in seinem Testament platzen lassen musste. Die Tatsache, dass Kit nicht sein leiblicher Sohn ist, ist eigentlich nur eine Formalität – schließlich ist er in Alnburgh aufgewachsen und hat in den vergangenen fünfzehn Jahren die Verantwortung für das Schloss übernommen. Ich will gar nicht wissen, wie es ihm bei der ganzen Sache geht. Hat er irgendetwas in diese Richtung in seinen Briefen erwähnt?“

Ohne ihren Freund anzuschauen, schüttelte Sophie den Kopf. „Nein, er hat nichts geschrieben.“

Tatsächlich stand kaum etwas in seinen wenigen Nachrichten. Vor seinem Abflug hatte er sie gewarnt, wie frustrierend Anrufe sein konnten. Deshalb hatte sie auch nicht mit einem gerechnet. Also schrieb sie ihm mehrere Briefe pro Woche, in denen sie ihm alle Neuigkeiten und Anekdoten aus ihrem Alltag erzählte und wie sehr sie ihn vermisste. Seine seltenen Antworten bestanden in kurzen unpersönlichen Zeilen, nach denen sie sich noch einsamer fühlte.

„Ich hoffe nur, er hasst mich nicht zu sehr“, murmelte Jasper unglücklich. „Alnburgh hat ihm so viel bedeutet.“

„Unsinn. Es ist nicht deine Schuld, dass Kits Mutter mit einem anderen Mann durchgebrannt ist, als er ein kleiner Junge war, oder? Außerdem ist das alles schon lange her. Und, wie meine verrückte Mutter sagen würde, nichts geschieht ohne Grund. Wenn Kit das Schloss geerbt hätte, würde ich ihn auf gar keinen Fall heiraten. Dann würde er nämlich eine adelige Ehefrau brauchen – komplett ausgerüstet mit kostbarem Familienschmuck, diamantenbesetztem Diadem inklusive, und einer dreijährigen Garantie, einen Sohn zu gebären. Ich versage in allen Punkten.“

Sie sagte das in einem fröhlichen Tonfall, aber ihr Lächeln gefror ein wenig, als sie zu dem Teil mit dem Kind kam. Jasper schien davon nichts mitzubekommen.

„Du schneidest immer noch besser als Sergio ab. Ihr seht zwar beide gut mit einem Diadem aus, aber du gewinnst, was die Kinderfrage angeht.“

„Darauf würde ich nicht wetten.“ Mehr ertrug sie nicht, ihre Stimme brach. Hastig presste sie die Hand vor den Mund.

„Sophie?“, fragte Jasper besorgt. „Was ist los?“

Sie griff nach ihrem Glas und trank einen Schluck. Der Gin schmeckte kalt, bitter und gut. Er schien ihren Kopf zu klären, was wahrscheinlich eine ironische Illusion war.

„Alles in Ordnung. Ich bin nur endlich wegen der grauenhaften Krämpfe, die jeden Monat meine Periode begleiten, zu einem Arzt gegangen.“

Jaspers Augen weiteten sich. „Oh, Sophie, Liebes … es ist doch nichts …?“

„Nein, nein, nichts Ernstes. Wie ich schon vermutet habe, leide ich an Endometriose. Die gute Nachricht lautet, das ist nichts Lebensbedrohliches – die schlechte, es gibt nicht viel, was man dagegen machen kann. Aber es könnte ein Problem sein, schwanger zu werden.“

„Oh, mein Engel, ich wusste nicht, dass es dir so viel bedeutet, Kinder zu haben.“

„Ich auch nicht. Bis ich Kit getroffen habe.“ Sie seufzte. „Der Arzt meinte, es sei nicht unmöglich, aber es könne länger dauern, und ich solle am besten keine Zeit verschwenden.“

Jasper griff nach ihrer Hand. „Wann willst du anfangen?“

Sophie betrachtete das Display ihres Handys, dann breitete sich ein entschlossenes Lächeln auf ihren Lippen aus. „In ungefähr siebenundzwanzigeinhalb Stunden.“

Zitternd vollendete der Minutenzeiger seine Runde. Auf einem Plastikstuhl im Flur der Intensivstation sitzend, beobachtete Kit müde die Uhr. Die nächste Runde, dachte er, würde der Zeiger nicht mehr schaffen.

Er kannte das Gefühl.

Seit dem späten Nachmittag englischer Zeit saß er bereits hier. Seit der Rettungshubschrauber gelandet und Kyle Lewis nach Hause gebracht hatte. Ins künstliche Koma versetzt, mit Kugeln in Kopf und Brust, entsprach es wohl kaum der Heimkehr, auf die der junge Mann sich gefreut hatte.

Kit ließ den Kopf in die Hände sinken. Wieder verspürte er das nun bereits vertraute Gefühl der Taubheit, das seine Fingerspitzen kribbeln ließ.

„Kaffee, Major Fitzroy?“

Abrupt richtete er sich auf. Die vor ihm stehende Krankenschwester lächelte freundlich. Natürlich hatte sie keine Ahnung, welche seelische Qual ihre Frage in ihm auslöste.

„Nein, danke.“

„Kann ich Ihnen etwas gegen die Schmerzen bringen?“

Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Wusste sie, dass er der Grund war, weshalb Lewis an eine Beatmungsmaschine angeschlossen in dem Zimmer dort drüben lag, während seine Mutter leise weinend seine Hand hielt und seine Freundin, von der er so stolz erzählt hatte, mit gesenktem Blick danebensaß?

„Ihr Gesicht“, fuhr die Schwester fort. „Die Medikamente, die Sie im Militärhospital bekommen haben, müssen allmählich aufhören zu wirken.“ Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn mitfühlend. „Auch wenn es nur oberflächliche Verletzungen sind, Schrapnellwunden sind oft sehr schmerzhaft.“

„Es sieht schlimmer aus, als es ist.“ Er hatte sein Gesicht im Spiegel des Waschraums gesehen. Mit dumpfer Überraschung hatte er die Wunden auf seinen Wangen und um die Augen herum betrachtet. „Ein großer Whiskey reicht als Medizin.“

„Ich fürchte, damit kann ich Ihnen hier nicht dienen. Aber wenn Sie möchten, können Sie nach Hause gehen.“ Sie deutete auf die Tür zu Lewis’ Zimmer. „Seine Familie ist jetzt hier. Fünf Monate haben Sie auf Ihre Männer achtgegeben, Major“, meinte sie dann einfühlsam. „Es ist Zeit, dass Sie sich auch um sich selbst kümmern.“

Kit konnte einen kurzen Blick auf die Gestalt im Bett werfen, als die Krankenschwester das Zimmer betrat. Schuldgefühle nagten an seinem Gewissen.

Nach Hause.

Zu Sophie.

Der Gedanke an sie raubte ihm beinahe das letzte bisschen Selbstkontrolle. Wieder wanderte sein Blick zu der Uhr. Obwohl er seit Stunden auf das Zifferblatt starrte, hatte er keine Ahnung, wie spät es war.

Es war sechs Uhr abends, und er befand sich fast dreihundert Meilen von London entfernt. Sein Herz klopfte wie wild, als er stolpernd auf die Füße kam. Plötzlich verspürte er nur noch den Wunsch, bei Sophie zu sein. Sie in die Arme zu schließen, sich in ihr zu verlieren und zu vergessen …

Unvermittelt öffnete sich hinter ihm eine Tür und holte ihn in die Gegenwart zurück. Er wirbelte herum. Lewis’ hochschwangere Freundin kam aus dem Krankenzimmer. Sie ließ sich gegen die Wand sinken und wirkte dabei unglaublich jung.

„Sie sagen mir nichts. Ich will doch nur wissen, ob er wieder gesund wird.“ Ihr Tonfall klang trotzig, doch Kit konnte die Angst in ihren Augen sehen.

„Commander Randall ist der zuständige Arzt hier. Ihm zufolge hat Lewis das Schlimmste überstanden“, erwiderte Kit knapp. „Wenn ein Soldat den Transport übersteht, betragen seine Überlebenschancen bereits neunundsiebzig Prozent.“

Die Miene des Mädchens verfinsterte sich. „Ich will nicht wissen, ob er überlebt. Ich meine, wird er wieder gesund? Wieder normal? Wie früher? Weil ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, wenn …“ Sie verstummte, und wandte den Kopf ab. Dann schluckte sie mehrmals, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. „Wir kennen uns noch gar nicht so lange, als das hier passiert ist.“ Sie deutete auf ihren gerundeten Bauch. „Wir haben es nicht geplant, aber jetzt muss ich irgendwie damit zurechtkommen.“ Mit ausdruckslosem Blick wandte sie sich wieder an Kit, Tränen liefen ihr über die Wangen. „Aber wenn er … verletzt bleibt, dann … ich weiß nicht … sitze ich wirklich in der Klemme, oder? Und wessen Schuld ist das?“

Meine, hätte Kit am liebsten geantwortet. Ganz allein meine.

Welches Recht hatte er, das auch nur eine Sekunde zu vergessen?

Abrupt schlug Sophie die Augen auf.

Ganz still lag sie im Bett und starrte in die Dunkelheit, während sie darauf wartete, das Geräusch noch einmal zu hören, das sie geweckt hatte.

Vielleicht hatte sie gar nichts gehört? Vielleicht hatte sie nur geträumt?

Sie setzte sich auf. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Von draußen drang nur die üblichen Klangkulisse der nächtlichen Stadt zu ihr hinein: der Verkehr auf der King’s Road, eine weit entfernte Sirene, ein Wagen auf dem Platz vor dem Haus …

Doch da war noch etwas anderes. Und zwar im Haus. Ein gedämpfter Laut, als würde etwas Großes fallen gelassen, gefolgt von leisen Schritten, als schliche jemand die Treppe hinauf.

Sophie erstarrte.

Dann flüsterte sie eine Verwünschung, hastete aus dem Bett und blickte sich verzweifelt nach einer Waffe um. Auf einmal wünschte sie sich, sie würde Kricket oder Baseball spielen. Ihr Herz raste. Es hatte keinen Sinn, im Schlafzimmer gab es keinen Gegenstand, mit dem sie sich wirkungsvoll gegen einen Eindringling verteidigen konnte. Zu spät wurde ihr klar, dass sie sich am besten unter dem Bett versteckt hätte.

Ein Schatten erschien auf der Türschwelle. Jetzt half nur noch pure Unverfrorenheit.

„Nicht bewegen!“, krächzte sie. „Ich habe eine Waffe.“

Der Unbekannte gab so etwas wie ein Seufzen von sich und machte einen Schritt ins Zimmer.

„Wo ich herkomme, nennt man das keine Waffe, sondern eine Fernbedienung.“

Seine Stimme klang müde, sexy wie die Hölle und unglaublich vertraut.

Autor

India Grey
<p>India Grey liebte schon als kleines Mädchen romantische Liebesgeschichten. Mit 13 Jahren schrieb sie deshalb das erste Mal an den englischen Verlag Mills &amp; Boon, um die Writer's Guidelines anzufordern. Wie einen Schatz hütete sie diese in den nächsten zehn Jahren, begann zu studieren … und nahm sich jedes Jahr...
Mehr erfahren