Guter Vorsatz fürs Neue Jahr: Die wahre Liebe finden

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DEIN KUSS BEIM ZWÖLFTEN GLOCKENSCHLAG von MAISEY YATES
Als der zwölfte Glockenschlag verklingt, verlangt Königin Tabitha von ihrem Mann die Scheidung. Sie weiß, dass König Kairos von Petras sie nicht liebt, und das Leben mit ihm schmerzt zu sehr. Dass er der Herrscher ihres Herzens ist, darf er dagegen nie erfahren …

ZUM KÜSSEN GEHÖREN ZWEI von KATE HARDY
Londons Straßen im Lichterglanz, ein romantischer Weihnachtsmarkt im Park, eine märchenhaft glitzernde Eislaufbahn: Carissa nimmt ihren neuen Nachbarn Quinn überallhin mit. Natürlich nur, um den einsamen Unternehmer vom Zauber der Weihnachtszeit zu überzeugen! Und nicht, weil sie sich wie magisch zu ihm hingezogen fühlt. Denn nach einer schweren Enttäuschung hat sie der Liebe abgeschworen. Da umarmt Quinn sie plötzlich voller Zärtlichkeit und küsst sie so innig, dass sie ungewollt dahinschmilzt. Aber kaum wagt sie es und lässt sich näher auf ihn ein, zieht er sich zurück …

EINGESCHNEIT MIT DEM SEXY MILLIARDÄR von SCARLET WILSON
Edle Stoffe, Designermöbel und ein Traummann: Die junge Innenarchitektin Phoebe richtet das Strandhaus des Milliardärs Matteo Bianchi in den Hamptons neu ein. Eng arbeitet sie mit dem attraktiven Italiener zusammen – und verbringt sogar die Silvesternacht mit ihm, weil ein Schneesturm sie überrascht. Schicksal? Noch zwei Sekunden: Matteo zieht sie an sich. Noch eine Sekunde: Er küsst sie. Mitternacht: heiße Hände auf nackter Haut! Aber kaum beginnt das neue Jahr, verlangt Matteo etwas, das Phoebes Glück in tausend Scherben zerspringen lässt …

UNSER SCHNEEPALAST DER LIEBE von REBECCA WINTERS
Seine Verbindung mit Prinzessin Lanza ist eine reine Zweckehe. Aber als sie mit zerzausten Haaren vor ihm im Schnee steht, will Prinz Stefano nur eins: ihre sinnlichen Lippen küssen. Solche Gefühle sind jedoch tabu – schließlich hat Lanza ihn nur aus Pflichtgefühl geheiratet, oder?


  • Erscheinungstag 29.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520959
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Dein Kuss beim zwölften Glockenschlag erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Maisey Yates
Originaltitel: „The Queen’s New Year Secret“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 441 - 2017 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Irene Andreadou

Umschlagsmotive: mauritius images / Hannah L | Lebendige Fotografie

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2022 .

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751521024

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Über die Bar hinweg betrachtete Kairos die Rothaarige, die mit den Fingerspitzen sanft über den Rand ihres Glases strich und den Blick unverwandt auf ihn gerichtet hatte. Blutrote Lippen deuteten ein Lächeln an – eine stumme, aber eindeutige Einladung.

Sie war schön und mit ihren üppigen Kurven unglaublich heiß. An ihr war nichts Schüchternes oder Zurückhaltendes. Sie strahlte unverhohlene Begierde und Verlangen aus.

Er konnte sie haben, wenn er wollte. Auf der privaten und exklusivsten Silvesterparty von Petras waren die Gäste sicherlich äußerst sorgfältig ausgewählt worden. Presse war keine zugegen. Und es gab niemanden, der nach einem Goldesel suchte. Er konnte sie verführen, ohne irgendwelche Konsequenzen zu riskieren.

Der Ehering an seinem Finger wäre ihr bestimmt egal.

Ihm war er nicht egal. Warum, war ihm schleierhaft. Mit seiner Frau verband ihn keine innige Beziehung. Seit Wochen hatte sie ihn nicht berührt. Monatelang sprach sie kaum ein Wort mit ihm. Ganz besonders kühl verhielt sie sich seit Weihnachten. Das war zum Teil sein Fehler, denn sie hatte zufällig mit angehört, wie er mit seinem jüngeren Bruder über ihre Beziehung gesprochen hatte.

Wie einfach wäre das Leben, wenn er eine Nacht mit der Rothaarigen verbringen und die Realität vergessen könnte. Aber er wollte sie nicht. Denn die Wahrheit war so einfach und glasklar wie lästig.

Sein Körper sehnte sich nach seiner kühlen blonden Frau Tabitha. Sie heizte als Einzige seine Fantasien an, entfachte seine Begierde.

Zu dumm, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

Nun erhob sich die rothaarige Frau, ließ ihren Drink stehen, durchquerte den Raum und schlenderte lächelnd zu ihm herüber. „Sind Sie heute Abend allein, König Kairos?“

Jeden Abend. „Die Königin war nicht in der Stimmung auszugehen.“

Die Rothaarige zog eine Schnute. „Tatsächlich?“

„Ja.“ Das war eine Lüge. Er hatte Tabitha nicht gesagt, wohin er heute Abend gehen würde. Einerseits wahrscheinlich, um sie zu reizen. Es hatte Zeiten gegeben, da hätten sie während der Feiertage einen öffentlichen Auftritt arrangiert. Der Presse eine Show geboten – und vielleicht auch ihnen selbst.

Doch heute war ihm nicht nach einer Inszenierung gewesen.

Die Rothaarige lehnte sich näher zu ihm, sodass die leicht aufdringliche Parfümwolke, die sie einhüllte, ihn zurück in die Gegenwart holte. Dabei streiften ihre Lippen den Hemdkragen und sein Ohr. „Ich weiß zufällig, dass unser Gastgeber ein Zimmer für Gäste reserviert hat, die etwas mehr … Privatsphäre wünschen.“

In dieser Aussage lag nichts Zweideutiges.

„Sie sind sehr direkt“, entgegnete er. „Aber Sie wissen sicher, dass ich verheiratet bin.“

„Stimmt. Aber darüber hört man so einiges.“

Ihre Worte trafen ihn tief in der Magengegend. Wenn die Risse in seiner Ehe nun schon für die Öffentlichkeit sichtbar waren …

„Ich habe Besseres zu tun, als in Boulevardzeitungen Klatschberichte über mein Privatleben zu lesen.“ Immerhin lebte er seine tragische Ehe und wollte in der Presse nicht auch noch damit konfrontiert werden.

Ihr Lachen klang heiser. „Ich nicht. Wenn Ihnen danach ist, den Alltag hinter sich zu lassen, stehe ich Ihnen gern für einige Stunden zur Verfügung. Wir könnten das neue Jahr gebührend einläuten.“

Den Alltag zurücklassen, das klang verlockend und führte ihn in Versuchung. Nicht körperlich, aber irgendwie kribbelte es in seinem Magen, und das machte ihn krank. Es berührte den Teil in ihm, der Tabitha erschüttern wollte. Sie zwingen wollte, ihn mit anderen Augen zu sehen. Nicht als festen Bestandteil ihres Lebens, den sie nach Belieben ignorieren konnte. Sondern als Mann. Als einen Mann, der sich nicht immer benahm. Der nicht immer seine Versprechen hielt. Der – womöglich – nicht immer da sein würde.

Nur um zu sehen, ob sie überhaupt reagieren würde. Ob es ihr etwas ausmachte.

Oder ob ihre Beziehung tatsächlich endgültig gestorben war.

Aber er tat nichts dergleichen. Stattdessen stand er auf und widerstand der Versuchung, die die Rothaarige für ihn darstellte. „Nicht heute Abend, fürchte ich.“

Sie zuckte die Schultern. „Schade, wir hätten Spaß haben können.“

Spaß. Er war nicht ganz sicher, ob er überhaupt wusste, was das war. „Ich habe keinen Spaß. Ich habe Verpflichtungen.“

Obwohl es noch nicht einmal Mitternacht war, wollte er gehen. Im Normalfall wäre Andres, sein Bruder, anwesend gewesen. Und darüber hinaus mehr als gewillt, die niedergeschlagene oder jede andere Frau zu trösten, die sich fürstlich amüsieren wollte.

Doch Andres war mittlerweile verheiratet. Mehr noch, Andres war verliebt. Niemals hätte Kairos gedacht, dass er das noch erleben würde. Sein jüngerer Bruder, mit Haut und Haaren an eine Frau gebunden.

Kairos brannte der Magen, als würde sich Säure daran zu schaffen machen. Schnell verließ er den Club, ging die Stufen hinunter und auf die Straße hinaus, wo sein Wagen auf ihn wartete. Nachdem er eingestiegen war, wies er den Fahrer an, ihn zurück zum Palast zu bringen. Auf engen Straßen wand sich das Auto aus der Stadt hinaus und nach Hause.

Wieder war ein Jahr vergangen. Ein weiteres Jahr ohne Erben. Deshalb hatte er Andres überhaupt angewiesen zu heiraten. Schließlich musste er sich mit der durchaus realen Möglichkeit auseinandersetzen, dass er und Tabitha nicht den Thronfolger Petras’ bekommen würden.

Diese Pflicht könnte auch Andres und seiner Frau Zara zufallen.

Fünf Jahre und noch kein Kind. Fünf Jahre mit einer Frau, von der ihn eine gähnende Kluft trennte, selbst wenn sie in einem Raum waren.

Das Auto passierte das massive Tor, das zum Palast führte, und rollte langsam in Richtung Haupteingang. Ohne darauf zu warten, dass der Fahrer ihm die Tür öffnete, stieg Kairos aus, stürmte hinein und die Treppe hinauf. Er könnte Tabitha in ihrem Zimmer besuchen. Ihr sagen, dass es Zeit war, noch einmal für ein Kind zu üben. Aber ob er ihre eisige Begrüßung ein weiteres Mal ertragen würde, dessen war er sich nicht sicher.

Wenn er sich in ihr bewegte, fest an sie gedrückt, Haut an Haut, hatte er das Gefühl, sie wäre Tausende Meilen von ihm entfernt.

Nein, er hatte keine Lust, sich auf diese Farce einzulassen, selbst wenn es für ihn in einem Orgasmus enden würde.

Andererseits wollte er auch noch nicht ins Bett.

So eilte er die geschwungene Treppe nach oben und den Flur entlang in sein Büro. Er würde sich einen Drink genehmigen. Allein.

Er drückte die Tür auf und hielt inne. Das Licht war aus, aber es prasselte ein Feuer im Kamin, das die Umgebung in einen orangefarbenen Schein tauchte. In einem Ohrensessel gegenüber seinem Schreibtisch saß seine Frau, die langen, schlanken Beine von ihrem eher züchtigen Kleid kaum bedeckt, die Hände ordentlich im Schoß verschränkt. Ihr Ausdruck war neutral und änderte sich nicht, als er näher trat. Sie lächelte nicht. Dass sie seine Anwesenheit überhaupt bemerkte, war ihr kaum anzusehen. Bis auf das Flackern in ihren blauen Augen und die kaum merklich hochgezogene Augenbraue.

Die Begierde, die bei den Avancen der Rothaarigen ausgeblieben war, loderte nun in seinen Adern wie das Feuer im Kamin. Züngelte glühend heiß an ihm.

Er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht die Kontrolle zu verlieren.

„Warst du aus?“, erkundigte sie sich spröde, kalt. Und kühlte damit die Glut ab, die er einen Augenblick lang gespürt hatte.

Während er zu der Bar an der gegenüberliegenden Wand ging, entgegnete er: „War ich hier, Tabitha?“

„Ich habe nicht das ganze Schloss nach dir abgesucht. Du kannst dich genauso gut in einem dieser zahlreichen Schlupfwinkel verkrochen haben.“

„Wenn ich nicht hier war oder in meinem Zimmer, kann man mit Sicherheit sagen, dass ich aus war.“ Er nahm die Flasche Scotch – die heute Abend eindeutig von seinem hübschen Eindringling benutzt worden war – und goss sich einen großzügigen Schluck ein.

„Ist dieser Sarkasmus wirklich nötig? Wenn du aus warst, kannst du das einfach sagen, Kairos.“ Da fiel ihr Blick auf seinen Kragen, und sie stockte. „Und was genau hast du gemacht ?“ Ihre Stimme klang nun stahlhart.

„Ich war auf einer Party. Es ist Silvester. Das macht man üblicherweise an diesem Feiertag.“

„Und seit wann gehst du auf Partys?“

„Ziemlich oft, und meist begleitest du mich.“

„Ich meinte, seit wann du auf Partys gehst, um dich zu amüsieren.“ Sie senkte den Blick, die Zähne zusammengebissen. „Du hast mich nicht eingeladen.“

„Es war kein offizieller Event.“

„Das sehe ich“, entgegnete sie. Abrupt erhob sie sich, streckte die Hand aus und griff nach einem Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch, der ihm bis zu diesem Augenblick entgangen war.

„Bist du böse, weil du gern mitgekommen wärst?“ Im Ernst, er hatte es aufgegeben, diese Frau verstehen zu wollen.

„Nein“, sagte sie abwehrend. „Aber der rote Lippenstiftfleck auf deinem Kragen stört mich ein wenig.“

Hätte er nicht schon jahrzehntelange Erfahrung darin, seine Reaktionen zu kontrollieren, hätte er vielleicht geflucht. Dass bei dem kurzen Kontakt mit der Rothaarigen ein blutroter Fleck zurückbleiben könnte, hatte er nicht bedacht. Stattdessen stand er mit ausdruckloser Miene auf. „Es ist nichts.“

„Da bin ich mir sicher“, sagte sie ruhig. „Und selbst wenn nicht , spielt es für mich keine Rolle.“

Die Wirkung dieser Aussage überraschte ihn doch, denn sie traf ihn tief. Er wusste ja, dass seine Frau so fühlte. Das sprach aus jeder Begegnung mit ihm. Wie sie sich von ihm abwandte, wenn er sie zu küssen versuchte. Wie sie zurückwich, wenn er ihr näherkam. Im günstigsten Fall war sie ihm gegenüber gleichgültig, im schlimmsten stieß er sie ab. Natürlich wäre es ihr egal, fände er Trost in den Armen einer anderen Frau. So lange er sie nicht damit behelligte. Er vermutete, dass sie seine Berührungen aus einem einzigen Grund so lange ertrug. Weil sie sich nach Kindern sehnte. Eine Hoffnung, die mit jedem Tag dahinschwand.

Vermutlich hatte sie sie mittlerweile ganz aufgegeben. Das hätte er erkennen müssen, schließlich hatte sie schon seit Monaten nicht mehr das Bett mit ihm geteilt.

Er würde sich nicht selbst verteidigen. Wenn es sie nicht kümmerte, war es sowieso zwecklos.

„Was genau machst du denn hier?“, erkundigte er sich. „Meinen Scotch trinken?“

„Ich habe mir etwas gegönnt“, antwortete sie und schwankte leicht. Ein kleiner Riss in ihrer Fassade. So etwas zu erleben war eine Seltenheit, denn normalerweise war Tabitha die Selbstbeherrschung in Person. Und das schon seit vielen Jahren – auch als sie noch seine persönliche Assistentin gewesen war.

„Du musst lediglich den Dienern Bescheid geben, dann bringt man dir den Alkohol in dein eigenes Zimmer.“

„Mein eigenes Zimmer.“ Sie lachte, und es klang unsicher. „Ja, nächstes Mal werde ich das tun. Aber eigentlich habe ich auf dich gewartet.“

„Du hättest mich anrufen können.“

„Wärst du denn rangegangen?“

Die ehrliche Antwort auf diese Frage war wenig schmeichelhaft. Die Wahrheit war, dass er ihre Anrufe oft ignorierte, wenn er beschäftigt war. Persönliche Unterhaltungen führten sie nicht. Sie rief nie an, nur um seine Stimme zu hören oder Ähnliches. Daher schien es ihm auch nichts Persönliches zu sein, sie zu ignorieren. „Ich weiß es nicht.“

Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Wahrscheinlich nicht.“

„Jetzt bin ich ja da. Was ist so wichtig, dass wir uns kurz vor Mitternacht damit befassen müssen?“

Da hielt sie ihm die Papiere hin. Zum ersten Mal seit Monaten sah er eine Regung in den Augen seiner Frau. „Juristische Dokumente.“

Er blickte auf den Stapel hinunter, den sie ihm reichte, dann wieder zu ihr. Wieso sie ihm ausgerechnet in der Silvesternacht irgendwelche Papiere entgegenhielt, wollte ihm nicht einleuchten. „Warum?“

„Darum. Ich will die Scheidung.“

2. KAPITEL

Es kam Tabitha so vor, als sie würde sie wie durch einen Nebel mit Kairos sprechen. Vermutlich hatte der Alkohol ihre Gefühle betäubt. Seit dem Augenblick, als sie mit den Papieren in der Hand das leere Büro betreten hatte, war alles irgendwie unwirklich. Nach einer Stunde vergeblichen Wartens entschied sie, eine Flasche seines Lieblingsscotchs zu öffnen und sich zu bedienen, und hatte über die vielen Stunden, die verstrichen, immer mehr getrunken.

Dann endlich kurz vor Mitternacht tauchte er auf, mit einem ziemlich eindeutigen Lippenstiftfleck am Kragen.

Da hatte sie den Alkohol gebraucht. Denn ohne ihn hätte dieser Schlag durchaus tödlich sein können. Sie war nicht dumm. Schließlich saß sie hier, um ihn von ihrer Absicht, sich scheiden zu lassen, zu informieren. Ihre Ehe war gescheitert. Unwiderruflich. Er hatte nur eine Sache von ihr gefordert, eine einzige. Und sie war nicht in der Lage gewesen, diese Aufgabe zu erfüllen.

Die Schmierenkomödie war zu Ende, eine Fortsetzung völlig sinnlos.

Das allerdings hatte sie nicht erwartet. Einen Beweis, dass ihr Eisklotz von einem Ehemann – pflichtbewusst, dienstbeflissen und niemals leidenschaftlich – mit jemand anderem zusammen gewesen war. Aus Spaß, reinem Vergnügen.

Glaubst du ernsthaft, er wartet auf dich, wenn du dich weigerst, ihn in dein Bett zu lassen?

Heute Abend klang ihre innere Stimme sehr scharfzüngig. Zu Recht, denn Tabitha hatte ernsthaft angenommen, dass er allen gegenüber so kalt war. Und sie hatte gedacht, dass er ein Ehrenmann war. Ja, sie war so weit, ihn von ihr zu befreien, sie beide zu befreien. Allerdings hätte sie nie geglaubt, dass er sich als Single gab, während er noch mit ihr verheiratet war.

Als ob eure Ehe jemals echt war. Als ob eure Gelübde gelten.

„Du willst die Scheidung?“ Sein scharfer Tonfall durchdrang den Nebel und katapultierte sie zurück in die Wirklichkeit.

„Du hast mich gehört.“

„Ich verstehe das nicht“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. In seinen dunklen Augen blitzten Gefühle auf, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.

„Du bist nicht dumm, Kairos“, entgegnete sie, ermutigt durch den Alkohol. „Ich denke, du weißt, was die Worte Ich will die Scheidung bedeuten.“

„Durchaus, nur nicht, wenn sie aus deinem Mund kommen, Tabitha“, erklärte er unmissverständlich. „Du bist meine Frau. Du hast mir etwas versprochen. Wir haben eine Vereinbarung.“

„Ja“, bestätigte sie. „In der Tat. Darin geht es nicht darum, sich zu lieben, zu ehren und einander treu zu sein, sondern das Land zu repräsentieren und Kinder zu zeugen. Wie du sehr wohl weißt, habe ich kein Kind empfangen können. Wozu also die Sache fortsetzen? Wir sind nicht glücklich.“

„Und seit wann spielt Glück eine Rolle?“

Sie hatte das Gefühl, als würde eine stählerne Faust nach ihrem Herz greifen. Fast so, als hätte er es in seine große Hand genommen und die Finger darum gelegt. „Manche Leute würden sagen, dass Glück eine ganze Menge mit dem Leben zu tun hat.“

„Diese Leute sind aber nicht König und Königin eines Landes. Du hast nicht das Recht, mich zu verlassen“, zischte er mit funkelnden Augen.

Das war zu viel für Tabitha. Die aufgeheizte Atmosphäre und der Alkohol ließen sie förmlich explodieren.

Blitzschnell griff sie nach dem Glas, aus dem sie den Scotch getrunken hatte, und schleuderte es ihm so heftig entgegen, wie sie nur konnte. Es verfehlte Kairos um einige Meter, krachte gegen die Wand und hinterließ Alkoholspritzer und Glasscherben.

Mit grimmigem Gesichtsausdruck trat er zur Seite. „Was, zum Teufel, soll das?“

Sie wusste es nicht. So etwas hatte sie noch nie getan. So ein emotionales, leidenschaftliches, lächerliches Verhalten verachtete sie. Selbstkontrolle – das schätzte sie. Und das war nur einer der Gründe, weshalb sie in die Ehe mit Kairos eingewilligt hatte. Um solche Dinge zu vermeiden. Sie respektiere ihn, und früher einmal hatte sie seine Gesellschaft genossen. Ihre Verbindung hatte auf gegenseitigem Respekt beruht – und ja, auch darauf, dass er rasch eine Frau finden musste. Sie hatten noch nie geschrien oder Dinge nach einander geworfen.

Nun geriet die Situation außer Kontrolle. Sie geriet außer Kontrolle.

„Oh“, höhnte sie gespielt überrascht. „Du hast mich wahrgenommen!“

Bevor sie reagieren konnte, verringerte er den Abstand zwischen ihnen, packte sie an den Handgelenken und drängte sie nach hinten, bis ihr Po die Kante seines Schreibtisches berührte. Er war wutentbrannt. In seiner Miene, normalerweise undurchdringlich, konnte sie mehr Emotionen als in den vergangenen fünf Jahren sehen.

„Du hast meine volle Aufmerksamkeit, wenn du das mit diesem Tobsuchtsanfall bezweckt hast.“

„Das war kein Anfall“, korrigierte sie ihn verärgert. „Eher das Ergebnis aus Vorbereitung, sorgfältiger Planung und einer nicht unerheblichen Menge an Ausreden. Ich war bei einem Anwalt. Die Papiere sind echt, keine leeren Drohungen. Meine Entscheidung steht.“

Er hob die Hand, fasste sie am Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen. „Mir war nicht bewusst, dass du die Befugnis hast, Entscheidungen zu fällen, die uns beide betreffen.“

„Kairos, das ist ja das Schöne an einer Scheidung. Sie bedeutet eine Trennung. Das heißt, mir steht frei, unabhängige Entscheidungen zu treffen.“

Wütend griff er in ihr Haar und bog leicht ihren Kopf zurück. „Verzeih mir, meine Königin, ich wusste nicht, dass deine Stellung in diesem Land bedeutender als meine ist.“

In diesem Ton hatte er noch nie mit ihr gesprochen, hatte sie noch nie auf diese Art berührt. Eigentlich sollte sie außer sich vor Wut sein. Doch sie spürte eine seltsam befremdliche Hitze. Bei ihren ersten Begegnungen war dieses Feuer hin und wieder aufgeflammt, hatte wie ein Versprechen zwischen ihnen gestanden. Mit den Jahren war es jedoch abgekühlt. Bis sie es für erloschen hielt, erstickt durch Gleichgültigkeit und Entfremdung. Nur hatte sie sich geirrt.

„Ich wusste nicht, dass du ein Diktator geworden bist.“

„Das ist doch mein Haus, und du bist meine Frau, oder?“

„Ja, bin ich das wirklich? Im wahrsten Sinne des Wortes?“ Heftig packte sie ihn am Kragen, sodass ihr Daumen auf dem roten Fleck zu liegen kam, der den weißen Stoff beschmutzte. „Das hier sagt mir etwas anderes.“ Sie zog so heftig daran, dass der oberste Knopf des Hemdes aufsprang und den Knoten seiner grauen Krawatte lockerte.

Er schürzte die Lippen und verstärkte seinen Griff. „Denkst du das von mir? Dass ich mit einer anderen Frau zusammen war?“

„Ihre Lippen haben dein Hemd berührt. Ich darf also getrost annehmen, dass sie auch andere Stellen deines Körpers angefasst hat.“

„Du meinst, ich würde mein Gelübde brechen?“, hakte er gefährlich leise nach.

„Woher soll ich das wissen? Ich kenne dich kaum.“

„Du kennst mich nicht?“ Jetzt klang er sanft und daher noch viel tödlicher. „Ich bin dein Ehemann.“

„Ach ja? Vergib mir. Ich hielt dich lediglich für einen Zuchthengst.“

Da ließ er ihre Haare los und schlang den Arm um ihre Taille, sodass er sie fest an seinen Körper pressen konnte. Er war heiß. Und hart. Überall. Als ihr das bewusst wurde, fing ihr Herz zu rasen an. Die Augen weit aufgerissen, suchte sie seinen Blick. Er war erregt. Von ihr. Ihren zurückhaltenden Ehemann, der kaum eine Falte in das Bettlaken machte, wenn er sie liebte, machte das hier an.

„Und wie das, agapi mou ? Wenn du mich seit fast drei Monaten nicht an dich ranlässt?“

„Warst nicht du derjenige, der sich nicht darum geschert hat, zu mir zu kommen?“

„Jeder Mann ist es irgendwann leid, mit einer Märtyrerin zu schlafen.“

„Das geht einer Frau nicht anders“, konterte sie und hielt an ihrer Wut fest, versuchte krampfhaft die Lust zu unterdrücken, die ihr den Atem nahm und sie zu übermannen drohte.

Stöhnend drängte er seine harte Männlichkeit an ihren Schoß. „Fühle ich mich wie ein Märtyrer an?“

„Ich dachte immer, du kriegst bei mir nur einen hoch, weil du die glänzende Zukunft Petras’ vor dir siehst.“

Er ballte die Hand auf ihrem Rücken zur Faust und erfasste dabei etwas von dem Stoff. Sie hörte das Gewebe reißen, und kurz darauf spürte sie den kalten Luftzug an ihrem nackten Rücken. „Ja“, höhnte er giftig. „Es ist wirklich eine Last. Denn der Anblick deines nackten Körpers macht mich überhaupt nicht an.“ Er zog ihr das Kleid herunter und entblößte damit ihre Brüste, die von einem zarten, durchsichtigen Spitzen-BH bedeckt wurden. „Was für eine Zumutung.“

Dann beugte er sich zu ihr herab, presste einen heißen, feuchten Kuss auf ihren Hals. Diese Berührung schockierte sie. Sie war so anders als alles, was sie bisher miteinander geteilt hatten, dass sie einen spitzen Schrei ausstieß – betroffen und lustvoll zugleich.

Die Hände auf seine Schultern gelegt, drückte sie ihn weg. „Mit wem hast du das heute Abend noch gemacht? Mit der Frau mit dem roten Lippenstift? Hast du sie auch so genommen? Oder setzt du mit mir nur fort, was du mit ihr angefangen hast?“

Er sagte kein Wort. Stattdessen blickte er sie mit dunklen, glänzenden Augen an. Ihr Magen revoltierte, Schmerz und Wut bemächtigten sich ihrer. Sie packte ihn am Krawattenknoten und zog so heftig daran, dass er sich löste. Nachdem sie das Stück Seide auf den Boden geworfen hatte, riss sie ihm das Hemd auf, sodass die Knöpfe über den Marmorboden kullerten.

Sie hielt inne, starrte ihn heftig atmend an. Er war attraktiv. Immer schon gewesen. Vom dem Moment an, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war sie von seiner schieren männlichen Perfektion beeindruckt gewesen. Sie war so jung, so dumm gewesen. Neunzehn Jahre alt, zum ersten Mal fort von Zuhause und völlig begeistert von ihrem neuen Boss.

Nie hätte sie gedacht, dass eine junge Amerikanerin, die an einem Auslandsstudienprogramm teilnahm, Chancen beim König des Landes haben könnte.

Seltsam, aber in diesem Augenblick war er beinahe noch unwiderstehlicher. Seit fünf Jahren schlief sie mit ihm, hatte ihn unzählige Male nackt gesehen, sodass die Magie zwischen ihnen hätte verflogen sein müssen. Dass sie die Laken nicht in Brand setzten, das wusste sie. So war es nie gewesen – woran sie sich die Schuld gab. Schließlich war er ihr einziger Liebhaber, sie hatte niemanden, mit dem sie ihn vergleichen konnte.

Wie es schien, ging er jedoch aus und traf Frauen, die einen roten Lippenstift trugen, und plötzlich war alles anders. Er war anders.

Wut und Erregung brachten sie völlig aus der Fassung.

Mit den Händen fuhr sie ihm über die Brust, und die Hitze seiner Muskeln, seiner Haut brannte auf ihren Handflächen. Eigentlich sollte sie angewidert von ihm sein. Sollte ihn nicht berühren wollen. Stattdessen sehnte sie sich hemmungslos nach ihm. Falls er eine andere gehabt hatte, würde sie sie aus seinem Gedächtnis tilgen. Ihre Berührungen durch ihre eigenen ersetzen. Sie würde das tun, was sie über die fünf Jahre, die ihre Ehe gedauert hatte, nicht geschafft hatte. Sie würde ihn dazu bringen, sich nach ihr zu sehnen, sie zu begehren.

Und dann würde sie gehen.

Die Lippen leicht geöffnet, beugte sie sich vor und ließ die Zähne über seine Haut gleiten. Er stöhnte, drückte sie erneut gegen den Schreibtisch und schob das Kleid weiter nach unten, bis es zu Boden fiel. In diesem Augenblick erkannte sie weder ihn noch sich selbst wieder.

„Hattest du eine andere?“, fragte sie leise, während sie sich an seinem Gürtel zu schaffen machte und dann den Reißverschluss seiner Anzughose öffnete.

Wieder eroberte er ihren Mund mit einem groben Kuss. Der ihr wehtat. Er zwang ihre Lippen auseinander, und mit seiner Zunge begegnete er ihrer, nahm sie heftig und rücksichtslos. Sie ließ den Ärger, den die unbeantwortete Frage auslöste, zwischen ihnen schwelen und heizte so die Glut ihrer Leidenschaft noch weiter an.

Mit einer Hand zog er ihren BH nach unten, entblößte ihre Brüste. Den Kopf gebeugt, nahm er eine harte Spitze in den Mund und sog kräftig daran. Sie keuchte, fuhr mit den Händen durch seine Haare, drückte ihn fest an sich. Sie wollte ihn bestrafen für den heutigen Abend, für die vergangenen fünf Jahre. Aber ihr fiel kein anderes Mittel ein als ihr Verlangen. Ihre Lust, die sie so lange verborgen gehalten hatte. Bis zu diesem Abend hatten sie einander nie angeschrien. Das zeugte von mehr Leidenschaft, als sie beide je gezeigt hatten.

Vielleicht sah er es wie sie. Als ein Ventil für seinen Ärger, eine Bestrafung. Die sie nur zu gern annehmen würde. Denn eines war klar: Sie würde zwar verletzt, ja geradezu vernichtet aus dieser Geschichte hervorgehen, aber er würde auch nicht unversehrt bleiben.

Kairos verlagerte das Gewicht und zog mit der Zunge und seinen Zähnen eine heiße Spur zwischen ihren Brüsten hinauf zu ihrem Hals, ihrem Kinn, bevor er erneut ihren Mund verschloss. Mit einer Hand griff er zwischen sie, befreite seine pulsierende Männlichkeit, die heiß und hart gegen ihre Haut drückte.

Mit beiden Händen fasste sie ihn bei den Schultern und kratzte mit den Fingernägeln sanft über seine Muskeln. Das raue Stöhnen, das sie ihm dabei entlockte, genoss sie unendlich. Kairos verstärkte den Griff, hob sie auf den Schreibtisch, stellte sich zwischen ihre geöffneten Beine und drängte sich an ihr feuchtes, empfindliches Zentrum, das nur noch von ihrem dünnen Slip bedeckt war. Seine verführerisch wiegenden Hüften sandten Wellen der Lust durch ihren Körper.

„Antworte mir“, forderte sie ihn auf und grub ihre Fingernägel tiefer in seine muskulösen Schultern.

Er bewegte sich, ließ einen Finger unter den Saum ihres Höschens gleiten und begann sie zu liebkosen. „Du willst wissen, ob ich das hier mit einer anderen gemacht habe?“ Seine Worte klangen heiser, atemlos. Ungeduldig zog er ihren Slip beiseite und presste den Beweis seiner Erregung an ihre sensibelste Stelle. „Du willst wissen, ob ich das mit einer anderen Frau gemacht habe?“

„Beantworte mir nur die Frage“, gab sie keuchend zurück.

„Ich glaube, du würdest mich in jedem Fall haben wollen.“

Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, wie das Gefühl der Erniedrigung sich ihrer bemächtigte. Er hatte recht. Es würde ihr schwerfallen, jetzt noch aufzuhören. „Sagst du es mir deshalb nicht? Weil du befürchtest, ich würde dich zurückweisen?“

„Ich bin daran gewöhnt, dass du das tust, Tabitha. Wieso sollte es mir also ausgerechnet jetzt etwas ausmachen?“

Langsam ließ Tabitha die Hände über seinen muskulösen Rücken gleiten und umschloss seinen Po. „Das hier würde dir etwas ausmachen.“ Mit kreisenden Hüften kam sie ihm entgegen, nahm ihn in sich auf, nur ein winziges bisschen. „Du würdest bedauern, das hier nicht zu Ende gebracht zu haben.“

„Nein.“

Einen Moment lang wurde ihr das Herz schwer. Denn sie dachte, es würde ihm nicht leidtun, auf so ein Erlebnis zu verzichten. Und dass sie allein war mit ihren Gefühlen.

„Ich habe keine andere Frau berührt. Sie hat sich mir angeboten, mir ins Ohr geflüstert, aber ich habe abgelehnt.“

Dann küsste er sie heiß, bevor er tief in sie eindrang. Sie keuchte, und er nutzte diesen Vorteil, um ihren Kuss zu intensivieren. Dabei zog er die Hüften zurück, nur um Tabitha anschließend erneut vollständig auszufüllen.

Ein heiseres Stöhnen entschlüpfte ihren Lippen, brennendes Verlangen durchströmte sie. Eng klammerte sie sich an ihn, schlang die Beine um seine Hüften und trieb ihn weiter an, sie härter, schneller zu nehmen. Ihre Geduld war erschöpft. Sie wollte die Dinge nicht langsam angehen. Für sie gab es nur noch Kairos und den wilden, ungezügelten Sex, den sie jetzt – nach jahrelanger Wut und Frustration – endlich miteinander teilten.

Ein Beben ging durch seinen Körper, und die Lust raubte ihm jede Kontrolle. Wie sehr sie das genoss! Aber es war ihr nicht genug. Ja, sie wollte ihm Lust bereiten. Wollte, dass er sich später erinnerte und all die Jahre bereute, in denen sie das verpasst hatten.

Aber sie wollte ihn auch bestrafen. Tief bohrte sie ihre Fingernägel in seine Haut, was ihn aufstöhnen ließ. Den Kopf zur Seite geneigt, biss er ihr in den Hals, und daran war nichts Sanftes. Es tat ihr weh. Unterdessen bewegte er seine Hüften, berührte ihre empfindlichste Stelle mit seinem Körper, und da wusste sie, dass er ihr dasselbe zufügen wollte. Als verdiene sie seine Wut und dieses verspätete, aus dem Zorn geborene Geschenk der Lust. Dabei war er derjenige, der ihnen das angetan hatte. Das hier war allein seine Schuld.

Sie klammerte sich noch fester an ihn, kam jedem seiner Stöße entgegen und stöhnte beinah ebenso heftig wie er. Zu lange war sie passiv gewesen. Die perfekte Frau, die doch nie perfekt genug sein konnte.

Mit geschlossenen Augen suchte sie seine Lippen und küsste ihn mit all der Rage, der Begierde und dem Bedauern, die sie in sich trug. Und das trieb sie beide zum Gipfel der Lust. Es war so lange her. Nicht nur, dass sie überhaupt mit ihm geschlafen, sondern dass sie in seinen Armen Spaß gehabt hatte. So viele Monate, in denen sie sich zum optimalen Zeitpunkt ihres Zyklus getroffen und oberflächlichen Sex gehabt hatten, der nichtssagend war und sich mies anfühlte.

Doch das hier war anders. Kairos hatte sie schon oft zum Höhepunkt gebracht, aber nie zuvor war ihr Orgasmus so überwältigend gewesen. So verändernd. So verheerend. Dieser Rausch stellte eine völlig neue Erfahrung dar. Sie fiel ins Nichts und hatte keine Ahnung, wann sie unten aufschlagen würde. Nur dass sie unten ankommen würde, das war sicher. Und es würde schmerzlicher sein als alles, was sie bisher erlebt hatte. Nun aber ließ sie sich fallen, gemeinsam mit ihm.

Ein letztes Mal. Den letzten Augenblick, den sie gemeinsam verbringen würden.

Tabitha war zum Heulen zumute, einem zerstörerischen und gleichzeitig triumphierenden Heulen. Das war’s – der letzte Sargnagel für ihre Ehe. So verzweifelt sie Kairos wollte, so sehr hasste sie ihn. Wie gern würde sie sich in die Zukunft katapultieren. In eine Zeit, in der die Wunden, die zweifellos durch ihre Trennung zurückbleiben würden, verheilt wären. Wenn sie gelernt haben würde, nur Tabitha zu sein und nicht länger die Königin von Petras, die Frau von Kairos. Tabitha, die auf eigenen Füßen stand.

Gleichzeitig sehnte sie sich danach, in diesem Moment zu verharren. Ewig wollte sie ihn festhalten.

Genau aus diesem Grund musste sie loslassen.

Ihre Ekstase hielt an, kam in immer wiederkehrenden Wellen über sie, sodass sie kaum Luft holen konnte. Außer an die Gefühle, die er in ihr weckte, konnte sie an nichts weiter denken. Wie unfair! Wieso jetzt? Sie war stets der Überzeugung gewesen, dass zwischen ihnen diese Spannung existierte, die irgendwie zu entfesseln war. Aber sie hatten nie den Zugang gefunden. Bis zu diesem allerletzten Moment.

Endlich ließ der Sturm der Leidenschaft nach, und sie war völlig erschöpft. Sie hatte nichts mehr zu geben, keine Rage, keine Leidenschaft. Sie fühlte sich nur unendlich traurig, dass ihr Leben sich so entwickelt hatte. Verstohlen betrachtete sie den Mann, der sie umschlungen hielt und immer noch in ihr war. Und dem sie ein Eheversprechen gegeben hatte.

Ein Mann, der selbst ein halbes Jahrzehnt nach ihrer ersten Liebesnacht im Grunde ein Fremder für sie war.

„Ich hasse dich“, erklärte sie. Ihre Worte, nur ein heiseres Flüstern, schockierten selbst sie. Eine Träne kullerte ihr dir Wange hinunter, doch sie machte sich nicht die Mühe, sie fortzuwischen. „Für jedes einzelne vergangene Jahr, das du verschwendet hast. Dafür, dass du nie wirklich mein Ehemann warst. Auch dafür hasse ich dich. Dass du mir kein Baby geschenkt hast. Dass du mich dazu bringst, dich zu begehren, wenn ich dich doch hasse.“

Mit einem düsteren Blick rückte er von ihr ab. „Lass mich raten, hierfür hasst du mich auch.“

„Ja, das Gute ist nur, dass wir uns ab morgen nicht mehr wiedersehen müssen.“

„Im Gegenteil, agapi mou . Wir werden uns sogar oft sehen. Eine royale Scheidung ist äußerst kompliziert. Denk nur an die Presse. Die endlosen Tage vor Gericht …“

„Wir haben einen Ehevertrag. Mir sind die Bedingungen also hinlänglich bekannt. Ich erhalte nichts. Was okay ist, denn ich habe genug von dir.“

Er machte keinerlei Anstalten, sich anzukleiden oder ihre Kleider aufzuheben, sah auch nicht weg, als sie sich vornüberbeugte, sie einsammelte und so schnell wie möglich überwarf.

Auf wackeligen Beinen ging sie zur Tür. Tief in ihr tobte ein Aufruhr.

„Tabitha“, sagte er rau. „Ich hasse dich nicht.“

„Nein?“ Sie wandte sich um, betrachtete sein undurchdringliches Gesicht.

Langsam schüttelte er den Kopf, wobei er ihren Blick festhielt. „Nein. Ich fühle …“ Kurz hielt er inne. „Ich fühle nichts.“

Tabitha hatte das Gefühl, als hätten seine Worte direkt in ihr Herz getroffen. Die Leidenschaft, die Befriedigung, die sie vor Kurzem noch gefühlt hatte, wurden ersetzt durch heftigen Schmerz. Er fühlte nichts . Selbst jetzt fühlte er nichts.

Zurück war die schiere Wut, feuerte sie an, hielt sie davon ab, zusammenzubrechen. „Du hast mich gerade auf deinem Schreibtisch genommen“, entgegnete sie, „ich hatte gedacht, dass du irgendetwas dabei gefühlt hast.“

Ihre Arroganz war nur gespielt, sonst wäre sie in Tränen ausgebrochen.

Sein Gesichtsausdruck blieb leer. „Du bist nicht die erste Frau, die ich auf einem Tisch gehabt habe.“

Sie schluckte hart und blinzelte die Tränen fort. Jetzt wusste sie, dass sie sich richtig entschieden hatte. Hätte er sie angeschrien, getobt oder gesagt, dass er sie ebenfalls hasste, hätte sie sich noch einmal hinterfragt. Aber diese schwarzen, stumpfen, seelenlosen Augen logen nicht. Er fühlte nichts.

„Ich wünsche Ihnen Glück bei Ihrer Suche nach einer passenderen Frau, Hoheit“, antwortete sie.

Dann ging sie aus der Tür, hinaus aus seinem Leben.

3. KAPITEL

„Wo ist deine Frau, Kairos?“

Prinz Andres, der geläuterte Schwerenöter und jüngere Bruder des Königs, betrat das Büro. Auf dem Boden lagen noch die Scherben des Glases, das Tabitha zwei Tage zuvor zerschmettert hatte. Und der dunkle Fleck, den der Scotch auf der Tapete hinterlassen hatte, war ebenfalls noch sichtbar.

All das schrie förmlich heraus, was in jener Nacht, als Tabitha ging, vorgefallen war. Zumindest schrie es Kairos an. Jedes Mal wenn er in das Zimmer kam.

Und zwar fast so laut wie sein verdammtes Gewissen.

Ich fühle nichts.

Was für eine Lüge. Tabitha hatte ihn in seine Einzelteile zerlegt, ihn reduziert auf reine Begierde – verzweifelte, alles verzehrende Begierde.

Noch eine Frau, die ihn verließ. Die ihn allein zurückließ. Leer. Nichts blieb ihm mehr, denn auch sein Stolz löste sich in Luft auf.

Das konnte er nicht zulassen. Also hatte er gesagt, er fühle nichts. Und jetzt war sie fort.

„Wieso? Was hast du gehört?“, erkundigte sich Kairos, der darauf verzichtete, die Scherben zu erklären, auch wenn Andres das Durcheinander genau in Augenschein nahm.

„Eigentlich nichts. Zara sagte, Tabitha hätte angerufen. Ich soll herausfinden, ob du in nächster Zeit das Penthouse nutzen willst. Und da habe ich mich gefragt, warum die Frau meines Bruders bei uns anruft, um zu erfahren, was ihr Mann vorhat.“

Den Blick auf die Scherben gerichtet, knirschte Kairos mit den Zähnen.

Ich fühle nichts.

Wenn das doch nur wahr wäre und er wüsste, wie er die Emotionen nennen sollte, die in ihm tobten. Für ihn waren Gefühle … schwach und zart. Doch das, was er empfand, war völlig anders.

Er war außer sich vor Wut. Und das ging über Tabithas Verrat hinaus. Sie war seine Frau. Aus bescheidenen Verhältnissen heraus hatte er sie zur Königin gemacht, und sie besaß die Dreistigkeit, ihn zu betrügen!

„Keine Erklärung, Kairos?“

Kairos sah zu seinem Bruder auf. „Sie will sicher gefahrlos shoppen gehen.“

„Sind Petras’ Schatzkammern so leer, dass sie fürchten muss, deinen Zorn auf sich zu ziehen?“

„Sie hat mich verlassen“, erklärte er kalt, und die Worte hinterließen einen ätzenden Geschmack in seinem Mund.

Andres besaß den Anstand, schockiert auszusehen. Was erstaunlich war, denn überraschen konnte man ihn nur selten, und noch seltener war er anständig. „Tabitha hat dich verlassen ?“

„Ja“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Tabitha, die in der Öffentlichkeit nicht mal die Stirn runzelt – aus Angst, das könnte einen Skandal verursachen?“

Kairos fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Ich kenne nur diese eine Tabitha.“

„Das glaube ich nicht.“

„Ich auch nicht.“ Kopfschüttelnd durchquerte er das Büro bis zu der Stelle mit den Überresten des Scotch-Glases.

Ich hasse dich.

Gequält schloss er die Augen, um dem Schmerz, den das hervorrief, zu entkommen. Was hatte er getan, dass seine Frau ihn hasste? Hatte er ihr nicht alles gegeben?

Ein Baby. Sie wünscht sich ein Baby.

Ja, dabei hatte er versagt. Aber verdammt noch mal, er hatte ihr einen Palast geboten. Manche Frauen konnte man einfach nicht zufriedenstellen.

„Was, zum Teufel, hast du getan?“

„Vielleicht war ich zu großzügig“, überlegte Kairos angestrengt. „Habe ihr zu viele Freiheiten gelassen. Womöglich war das Gewicht ihrer diamantenbesetzten Krone zu schwer.“

„Du weißt es nicht“, stellte Andres ungläubig fest.

„Natürlich nicht, verdammt noch mal. Mir war nicht klar, dass sie unglücklich ist.“ Diese Lüge nahm ihm fast die Luft zum Atmen.

Du wusstest es. Du hattest nur keine Ahnung, was du dagegen tun sollst.

„Ich bin zwar noch nicht so lange verheiratet …“

„Eine Woche, Andres. Wenn du Ehetipps zum Besten gibst, noch bevor die Tinte auf deiner Heiratsurkunde trocken ist, öffne ich extra für dich noch mal die Verliese.“

„Vielleicht hättest du die Verliese besser für Tabitha geöffnet, dann hätte sie dich nicht verlassen.“

„Ich werde nicht meine eigene Frau einsperren.“ Du lieber Himmel, verlockend war der Gedanke schon.

Andres hob eine Augenbraue. „Das meinte ich auch nicht.“

Heiß jagte es durch Kairos’ Adern, und wieder dachte er an jene letzte Nacht in diesem Büro. Wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte. Seine Eiskönigin hatte sich in eine alles verzehrende Flamme verwandelt …

Ich hasse dich.

„Die Art von Beziehung haben wir nicht“, erklärte Kairos kühl.

Andres lachte leise. Das Geräusch zerrte an Kairos’ Nerven. „Vielleicht ist das dein Problem?“

„Nicht alles dreht sich um Sex.“

Andres zuckte die Schultern. „Aber sicher tut es das. Allerdings kannst du gern deinen Illusionen nachhängen …“

„Was willst du, Andres?“

„Nachsehen, ob es dir gut geht.“

Kairos öffnete die Arme. „Bin ich tot oder beerdigt?“

„Nein, aber deine Frau ist weg“, gab sein Bruder zurück.

Kairos biss die Zähne zusammen. „Und?“

„Hast du vor, dir eine neue zu suchen?“

Das musste er wohl, daran führte kein Weg vorbei. Auch wenn ihm davor graute. Er wollte keine andere, nur Tabitha.

Und jetzt, da er von dieser Leidenschaft gekostet hatte, diesem brodelnden Versprechen …

Sie zu vergessen würde nicht leicht werden.

„Ich will keine andere“, erklärte er.

„Dann musst du die alte zurückerobern.“

Kairos warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. „Kümmere du dich um dein Leben, ja? Ich kümmere mich um meins.“ Nachdenklich betrachtete er den Scherbenhaufen, der alles war, was von seiner Ehe übrig blieb. „Ich werde sie nicht gefangen halten. Wenn Tabitha die Scheidung will, kann sie sie verdammt noch mal haben.“

Vier Wochen lang hatte Tabitha Kairos nicht gesehen. Vier Wochen, in denen sie leer vor sich hin gestarrt hatte, ohne auch nur eine Träne zu vergießen.

Wieso solltest du auch um einen Ehemann weinen, den du hasst? Der nichts für dich empfindet?

Ihr war das unlogisch vorgekommen, und wenn Tabitha eines war, dann vernünftig. Selbst bei dem Thema Scheidung.

Was andere Dinge anging, schien sie nicht ganz so vernünftig zu sein. Denn ihre Periode war schon eine volle Woche überfällig, bevor sie sich auf den Weg zum Arzt machte. Ihr blieb keine Wahl, sie musste sich ihrer bisherigen Ärztin anvertrauen, die in den Diensten der königlichen Familie stand. Zu einem Fremden zu gehen stand nicht zur Debatte – das hätte alles nur noch verschlimmert. Denn die Neuigkeiten über die Scheidung waren mittlerweile durchgesickert und füllten die Zeitungen mit Schlagzeilen. Während sie mit zitternden Händen auf der Untersuchungsliege saß, musste sie schwer schlucken. Blut war ihr schon abgenommen worden, nun wartete sie auf die Ergebnisse.

Eigentlich setzte ihre Regel oft verspätet ein. Einen regelmäßigen Zyklus kannte sie nicht, und so hatte sie sich, wenn ihre Periode ausblieb, jahrelang Hoffnungen gemacht, dass sie tatsächlich schwanger war.

Doch das war nie der Grund gewesen.

Dieses Mal jedoch war ihre Periode nicht einmal in Sicht. Und Kairos und sie hatten ungeschützten Sex gehabt.

Als die Ärztin mit undurchdringlicher Miene eintrat, wünschte Tabitha sich zum ersten Mal in ihrem Leben ein negatives Ergebnis. Sie durfte nicht schwanger sein, denn sie wusste, dass sie nicht mit Kairos zusammenleben konnte. Zwischen ihnen funktionierte es einfach nicht. Egal, was sie tat: Sie war ihm gleichgültig. Und sie … sie hegte zu viele Gefühle für ihn. Damit konnte sie einfach nicht leben.

„Königin Tabitha“, begrüßte Dr. Anderson sie nun bedächtig. „Ich hatte gehofft, dass König Kairos Sie heute begleitet.“

„Wenn Sie Zeitung gelesen haben, wissen Sie, dass wir uns scheiden lassen. Ich sehe keinen Grund, ihn zu diesem Termin mitzubringen.“

Die Ärztin senkte den Blick, und Tabitha wurde übel. Ein Nein war leicht zu sagen. Ein Nein machte Kairos’ Anwesenheit sicher nicht erforderlich.

„Ja, ich weiß davon“, erklärte die Ärztin. „Und selbstverständlich wurden alle Mitglieder des königlichen Stabes instruiert.“

„Dann wissen Sie, weshalb er nicht hier ist.“

„Verzeihen Sie, wenn ich Sie das frage, Hoheit“, setzte die Ärztin an. „Falls Sie tatsächlich schwanger sein sollten … Wäre es sein Kind?“

„Falls? Sie kennen die Ergebnisse. Treiben Sie keine Spielchen mit mir. Ich habe genug davon!“

„Es ist nur, weil …“

„Das ist mein Test. Mit ihm hat das nichts zu tun. Er ist nicht der Mittelpunkt meines Lebens.“ Tabitha wusste, dass sie langsam hysterisch wurde. „Ich habe ihn verlassen, damit sich mein Leben nicht allein um ihn dreht. Also, wie lautet das Ergebnis?“

„Der Test ist positiv, Hoheit. Unter anderen Umständen wären sicherlich Glückwünsche angebracht“, sagte Dr. Anderson ausdruckslos.

Früher war Dr. Anderson stets freundlich und herzlich gewesen. Jetzt verhielt sie sich ausgesprochen kühl ihr gegenüber.

Offensichtlich war sie eine treue Anhängerin des Königs. Sie musste aber auch nicht mit ihm zusammenleben.

„Oh.“ Tabitha fühlte sich ganz benommen, so als würde sie zusammenbrechen. Doch zum Glück saß sie auf dieser Liege.

„Aufgrund der Daten, die Sie mir genannt haben, würde ich schätzen, dass Sie in der …“

„Ich weiß genau, wie weit ich bin“, unterbrach Tabitha sie.

Erinnerungsfetzen von jener Nacht blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Kairos, der sie auf den Schreibtisch hob, sie hart und schnell nahm. Sich in ihr ergoss, als sie beide sich in ihrer heißen Lust verloren. Ja, den Tag der Empfängnis kannte sie genau: Es war der erste Januar.

Neujahr. An dem ihr Neuanfang hätte beginnen sollen.

Und nun, da sie sich entschieden hatte, zu gehen und frei zu sein, fesselte sie eine Kette an Kairos.

Natürlich geschah das jetzt, nachdem sie ihre Selbstkontrolle aufgegeben und die Hemmungen verloren hatte. So viele Jahre hatte sie sich bewusst an der kurzen Leine gehalten. Und hatte immer vermutet, dass man ihr nicht über den Weg trauen konnte. Dass sie zerstörerisch wäre, wenn man ihr gestattete, kopf- und rücksichtlos zu handeln.

Zu Fäusten geballt presste sie ihre Hände an die Augen.

„Geht es Ihnen gut?“, erkundigte sich Dr. Anderson.

„Sieht es danach aus?“, konterte Tabitha.

„Es ist nur … Ist es das Baby des Königs?“

Heiße Wut erfasste Tabitha. „Es ist mein Baby. Mehr kann ich im Moment nicht verarbeiten.“

Dr. Anderson zögerte. „Ich möchte nur sicher sein, dass ich nicht zu weit gegangen bin.“

Kaum hatte die Ärztin diese Worte ausgesprochen, wurde die Tür des Untersuchungszimmers aufgerissen. Tabitha sah auf. Ihr Herz hämmert heftig gegen ihren Brustkorb. Kairos stand in der Tür und sah, wütend wie er war, wie ein Racheengel aus.

„Lassen Sie uns allein“, befahl er Dr. Anderson.

„Natürlich, Hoheit.“

Eifrig kam die Medizinerin Kairos’ Aufforderung nach und hastete aus dem Raum. Tabitha rührte sich nicht vom Fleck, war verwirrt. So etwas wie eine Schweigepflicht existierte wohl nicht, wenn ihr Zustand den König betraf.

Sie wandte sich ihrem Fast-Exmann zu, der sie betrachtete, als wäre sie die niederste und mieseste Kreatur. Als hätte er das Recht, über sie zu urteilen. Nach allem, was er gesagt und getan hatte.

„Was gibt’s, Kairos?“, fragte sie und setzte dabei einen Ausdruck absoluter Gelassenheit und Ruhe auf. Das war ihre Spezialität, schließlich hatte sie ihre Gefühle jahrelang hinter einer Maske verborgen und war darin zu einer wahren Meisterin geworden.

„Es scheint, als würde ich Vater werden.“ Mit brennendem Blick näherte er sich ihr.

„Das ist eine ziemlich gewagte Annahme.“

Mit Wucht schlug er seine Hände auf den Tresen neben der Untersuchungsliege. „Spiel keine Spielchen mit mir, Tabitha. Wir wissen beide, dass es mein Kind ist.“

„Und was macht dich da so sicher? Du hast mich seit Wochen nicht gesehen, und vor unserem letzten Mal haben wir monatelang nicht miteinander geschlafen.“ Ihr gebrochenes Herz machte sie erbarmungslos.

„Du warst außer mit mir mit keinem anderen Mann zusammen. Du warst Jungfrau bei unserem ersten Mal. Ich bezweifle ernsthaft, dass du dir direkt einen neuen Liebhaber gesucht hast.“

Sie schluckte schwer, ihre Hände zitterten, als sie sagte: „Du tust, als würdest du mich kennen. Aber das stimmt nicht. Du fühlst nichts für mich.“

„Doch, jetzt gerade sogar eine ganze Menge.“

„Ich habe es eben erst erfahren. Was genau gibt dir das Recht, hier reinzuplatzen und dich wie ein Höhlenmensch aufzuführen?“

„Du wolltest es mir verschweigen. Die Ärztin hat mich angerufen. Warum wolltest du mir nichts von dem Schwangerschaftstest sagen?“

„Weil das“, begann sie und richtete den Blick auf die Wand hinter ihm, „das Tolle an einer Scheidung ist. Ich muss dich nicht in mein Leben einbeziehen. Ich bin mein eigener Herr. Nicht nur die eine Hälfte des gestörtesten Paares der Welt. Ich hätte es dir gesagt. Irgendwann. Allein schon die Presse hätte mich dazu gezwungen.“

„Wie überaus ehrenwert. Du hättest mich darüber informiert, dass ich Vater werde, weil die Presse dir keine Geheimnisse zugesteht? Dann hätte ich das Ganze also auch aus den Schlagzeilen erfahren können?“

„Passt doch super zu unserer bisherigen Kommunikationsbasis. Mal ehrlich, ich habe deine Abwesenheit in den vergangenen vier Wochen kaum bemerkt. Und so war es unsere gesamte Ehe über. Sex einmal im Monat, keine Gespräche in der Zeit dazwischen.“

„Halte deine giftige Zunge im Zaum, Königin. Wir müssen uns mit einer ernsthaften Angelegenheit befassen.“

„Es gibt keine Angelegenheit “, entgegnete sie und legte sich schützend die Hand auf den Bauch. „Und befassen tun wir uns damit erst recht nicht. Geschehen ist geschehen.“

„Was denkst du eigentlich, was ich damit sagen wollte?“ Seine Gesichtszüge verzogen sich vor Entsetzen, vor Wut. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde vorschlagen, dass du unser Kind loswirst. Nur weil wir beide gerade schwierige Zeiten durchleben …“

„Nein. Das habe ich nicht angenommen. Was meinst du mit ‚schwierige Zeiten‘? Wir machen keine schwierige Zeit durch. Wenn überhaupt, dann erleben wir die beste Zeit seit Jahren. Wir sind getrennt, Kairos. Und genau das brauchen wir beide.“

„Nicht jetzt. Keine Diskussion.“

Sie erhob sich, fühlte sich schwindelig. „Zum Teufel mit dir! Ich bin nicht dein Besitz. Ich kann mich von dir scheiden lassen, wenn ich das möchte. Diskussion hin oder her.“

„Kannst du? Ich bin der König von Petras.“

„Und ich amerikanische Staatsbürgerin.“

„Und Staatsbürgerin von Petras.“

„Den petrischen Pass werfe ich nur zu gern in den Fluss, wenn du mich dann in Ruhe lässt!“

„Diese Diskussion führen wir nicht hier“, zischte er. „Zieh dich an. Wir gehen.“

„Ich habe einen Wagen.“

„Mit meinem Fahrer, den du noch gerne nutzt. Der zu meinem Haus gehört, in dem du aktuell wohnst.“

„Diese Dinge kläre ich später“, bemerkte sie mit hochrotem Gesicht.

„Ich habe deinen Fahrer nach Hause geschickt. Du kommst mit mir. Jetzt.“

Er stand da, die Arme über der breiten Brust verschränkt, den Blick auf sie gerichtet.

„Guck weg. Ich muss mich anziehen.“

„Hab ich alles schon gesehen, agapi .“

Sie bedachte ihn mit ihrem eisigsten Blick. „Selten.“

Diese bissige Antwort hing zwischen ihnen, und sie fühlte sich etwas schuldig. Denn zum großen Teil lag ihr mangelndes Sexleben an ihr. Aber dass er sie aus Pflichtbewusstsein berührte … Das hatte an ihr zu nagen begonnen.

Irgendwann hatte sie sich entschieden, nur an Petras zu denken. Die Augen zu schließen und sich selbst zu verwehren, eine Bindung zu Kairos aufzubauen. Eine Mauer um ihr Herz zu errichten und um ihren Körper. Je weniger sie während des Sex fühlte, desto geringer war der Schmerz, wenn es vorbei war. Desto geringer die Enttäuschung, wenn Kairos aufstand und verschwand oder wenn der Schwangerschaftstest negativ war. Desto weniger litt sie darunter, dass die Intimität zwischen ihnen lediglich dem Zweck diente, einen Erben zu zeugen. Dass zwischen ihnen keine Gefühle existierten.

„Wie du wünschst, meine Königin.“ Er wandte sich um. Und – verdammt – sie fühlte sich mies. Schuldig. Dabei verdiente er das nicht .

Während sie den Krankenhausumhang auszog, ließ sie ihren Mann nicht aus den Augen. Betrachtete, wie sich der perfekt geschnittene Anzug an seinen Körper schmiegte. Er war ein attraktiver Mann. Da gab es nichts zu deuteln. Allerdings war er auch ein Bastard.

Als sie fertig angezogen war, räusperte sie sich.

Kairos wandte sich ihr zu, und für einen kurzen Moment erhaschte sie den aufgebrachten Ausdruck auf seinem Gesicht. Eine Regung, die sie nicht benennen konnte.

„Lass uns gehen“, sagte er.

„Wo bringst du mich hin?“

„In den Palast.“ Er zögerte. „Wir haben einiges zu besprechen.“

„Ich will nichts besprechen. Ich habe gerade erfahren, dass ich schwanger bin. Du wusstest es sicher vor mir.“

„Du hattest wenigstens eine Ahnung.“

„Und das macht es leichter? Glaubst du, dadurch wird das alles hier …“ Ihre Stimme erstarb, sie zitterte am ganzen Körper. „In diesem Augenblick sollte ich mich freuen und nicht am Boden zerstört sein. Dafür hasse ich dich. Du hast mir diese Freude genommen.“

„Ich, Tabitha? Ich habe nicht die Scheidung eingereicht.“

„Das nicht. Aber deine Gefühle für mich hast du sehr deutlich gemacht. Dieses Gift pulsiert nun durch meinen Körper. Das kann man nicht wiedergutmachen.“

Darauf erwiderte er nichts. Sie verließen das Untersuchungszimmer und gingen den langen, menschenleeren Flur entlang zur Hintertür. Dort wartete sein Auto, eins, das ohne Chauffeur auskam. Einer seiner Sportwagen, die er zu gern fuhr.

Eigentlich war ihr Mann zurückhaltend. Verantwortungsbewusst, sachlich. Ernsthaft.

Aber er mochte Autos. Er fuhr gern und für ihren Geschmack viel zu schnell.

„Ich bin nicht in Stimmung, deine Formel-1-Ambitionen zu ertragen“, meinte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf, während sie ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.

„Witzig. Und ich bin nicht in der Stimmung, dein Verhalten zu tolerieren. Und doch stehen wir hier.“

„Du hast jede Facette meines Verhaltens verdient, Majestät.“

„So wütend, Tabitha? Dabei hattest du so viele Jahre kaum etwas zu sagen.“

„Was habe ich denn gesagt, Exzellenz?“

Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Exzellenz! Als wärst du je so respektvoll gewesen.“

„Als hättest du es je verdient“, konterte sie mit hochgezogener Augenbraue, rauschte an ihm vorbei, setzte sich ins Auto und schlug die Tür zu. Gerade als sie sich anschnallte, stieg er ein und ließ den Motor an.

„Was ist nur mit uns geschehen, Tabitha?“

„Nichts. Und damit kann ich nicht mehr leben.“

„Du trägst mein Baby in dir. Du hast keine Wahl. Die Scheidung ist vom Tisch.“

Der Motor heulte auf, er stieg aufs Gas und raste los.

„Mitnichten“, sagte sie und fühlte Panik in sich aufsteigen. „Die Scheidung läuft. Du magst zwar der König sein, aber mich kannst du nicht einfach manipulieren. Ich bin nicht irgendein Untertan in deinem Land. Ich habe Rechte.“

„Ja? Und mit welchem Geld willst du den Anwalt bezahlen, der deine Rechte verteidigt? Alles, was du hast, gehört mir, Tabitha.“

„Ich werde einen Weg finden.“ Wobei sie sich dessen nicht so sicher war. Es stimmte, sie hatte nichts, war ein Niemand. Von ganz unten hatte sie sich hochgekämpft. Aus dem Armenviertel, mit Eltern, die sich jede Nacht anschrien und mit Gegenständen bewarfen.

Bevor alles schlimm ausging.

Sie hatten kein Geld, kaum zu essen. Aber die Wut, die war allgegenwärtig, sprudelte aus einer nicht versiegenden Quelle. Die ihre Eltern bei jeder Gelegenheit anzapften. Das war ihr Vermächtnis. Das war alles, was sie hatte. Aus diesem Grund hatte sie geschworen, ihr würde es anders ergehen. Besser.

Allerdings hatte sie die Erfahrung gemacht, dass Ungesagtes manchmal schneidender, schmerzhafter war als ein Teller, der einem an den Kopf flog.

Kairos erwiderte nichts, fuhr einfach weiter. Bis sie bemerkte, dass sie nicht zum Schloss fuhren, dauerte es eine Weile. Und ihr wurde angst und bange, denn sie konnte nicht voraussagen, was er tun würde. Weil sie ihn auch nach fünf Jahren nicht kannte.

Bevor sie heirateten, war sie drei Jahre lang seine persönliche Assistentin gewesen. In dieser Zeit hatte sie eine kindliche Schwärmerei für ihn entwickelt. Damals hatte er öfter gelächelt, manchmal sogar mit ihr gelacht.

Das war jedoch vor dem Tod seines Vaters gewesen. Bevor das Gewicht der Krone ihn niedergedrückt hatte. Bevor die arrangierte Verlobung durch seinen Bruder zerstört worden war. Wodurch er gezwungen war, sich eine Frau zu nehmen, die er nie gewollt, geschweige denn geliebt hatte.

„Du hast doch nicht vor, uns mit dem Auto im Fluss zu versenken oder etwas derart Dramatisches?“, fragte sie halb scherzend.

„Sei nicht albern. Seit Jahren versuchen wir es mit einem Erben, da werde ich doch jetzt, wo es geklappt hat, nichts aufs Spiel setzen.“

„Ach, aber ansonsten würdest du auf eine Klippe zusteuern? Gut zu wissen.“

„Und Andres den Thron überlassen? Red keinen Unsinn.“

Da erst begriff sie, wohin er fuhr, und wurde von einem kribbelnden Unbehagen erfasst. „Was hast du vor?“

„Ich? Gar nichts. Ich folge einer spontanen Idee.“

„Das glaube ich nicht.“

„Du sagst, ich kenne dich nicht, und doch meinst du, du würdest mich kennen, agapi ?“

Das tat sie ganz und gar nicht, was sie ihm aber nicht auf die Nase binden würde. „Du bist ein Mann, Kairos. Und ein ausgesprochen durchschaubarer noch dazu.“

„Läge mir etwas an deiner Meinung, würde ich mich verletzt fühlen. Aber das tut es nicht.“

Damit bog er auf den privaten Flugplatz der Königsfamilie, und ihr wurde mulmig, denn sie sah ihre Befürchtungen bestätigt. „Was genau soll das werden?“

„Die Sache ist die, mein Schatz: Entweder du kommst jetzt mit, oder wir erledigen das hier in Petras.“

„Was genau?“

„Wir einigen uns, wie wir vorgehen werden, schließlich werden wir Eltern. Und mit einigen meine ich, dass ich bestimme. Ich bin der König. Egal, welche Gesetze für die anderen gelten, für mich gelten sie nicht.“

Heiße Wut kochte in ihr hoch. „Seit wann? Du warst zwar nie sehr nachgiebig, aber auch kein Diktator.“

„Ich war auch noch nie Vater. Und auch nicht in der Situation, dass meine Frau mir droht, mich zu verlassen.“

„Ich habe dir nicht gedroht, Kairos. Ich habe dich verlassen. Das ist ein kleiner Unterschied.“

„Komm mit, und wir reden darüber. Weigerst du dich, werde ich sicherstellen, dass ich das alleinige Sorgerecht für unser Kind bekomme, und du wirst es nie zu Gesicht kriegen. Das schwöre ich dir. Und im Gegensatz zu dir halte ich meine Versprechen.“

4. KAPITEL

Kairos betrachtete seine Frau, die ihm gegenüber in seinem Privatflugzeug saß. Irgendwie hatte er den Eindruck, sie plane seinen Tod. Zum Glück war Tabitha zierlich, sonst hätte er sich ernsthaft Sorgen darüber machen müssen, dass Besteck vor ihr lag. Er bezweifelte, ob sie gerade jetzt zögern würde, ihm mit ihrer Gabel den Garaus zu machen. Zwar könnte er es ihr nicht mal verdenken, aber er musste schließlich seine Interessen wahren.

In dieser Angelegenheit schwach zu sein, konnte er sich nicht leisten.

Sie war schwanger. Mit seinem Erben. Endlich.

Kaum hatte er es erfahren, beherrschte ihn der Gedanke, wie er sie bei sich behalten könnte. Immerhin hatte er sie in den Flieger bekommen, wenn auch nur unter Drohungen. Und nun befanden sie sich auf dem Weg zu einer Privatinsel vor der Küste Griechenlands, die die königliche Familie von Petras für Urlaubszwecke nutzte. Mit Tabitha war Kairos noch nie dort gewesen.

Freilich war das kein Urlaub. Manche mochten Entführung dazu sagen. Gewiss könnte er es als einen politischen Arrest deklarieren. Immerhin trug sie den Thronerben von Petras unter dem Herzen. Falls sie also ging, würde sie die Entführung begehen.

Während sie aus dem Fenster blickte, wirkte sie so sanft und gelassen wie immer, wütend eher nicht. Die Hände im Schoß gefaltet, die Beine überschlagen, ihr wunderbarer Hals gestreckt. Dabei schaffte sie es, gleichzeitig neutral und hochmütig zu wirken. Das brachte nur Tabitha fertig.

Jahrelange Routine in einer Ehe, die so langweilig war, dass er sie tagelang nicht angesehen hatte. Manchmal war eine Woche vergangen, ohne dass sie ein Wort miteinander wechselten. Aber all das hatte sich geändert. Sie hatte die Scheidung gefordert, er ihr die Kleider vom Leib gerissen und sie wie ein Tier genommen. Und jetzt erwartete sie ein Baby.

Das alles zu verstehen bereitete ihm Schwierigkeiten. Er hatte sich vorgestellt, ein Leben lang mit ihr verheiratet zu sein. Niemals hätte er gedacht, dass sie es beenden würde.

„Hast du es bequem?“, fragte er, weil ihm nichts anderes einfiel und ihm seine Rolle als unzivilisiertes Biest allmählich auf die Nerven ging.

Er war verantwortungsbewusst, hatte sich zu keiner Zeit gehen lassen. Früh hatte ihm sein Vater das Gewicht der Krone auferlegt, was Kairos stets ernst genommen hatte. Traditionen, Ehre und Pflichtbewusstsein waren tief in ihm verwurzelt.

Daher überraschte es ihn, wie leicht er all seine Prinzipien über Bord geworfen hatte, als seine Frau ihm die Scheidungspapiere überreichte.

Jetzt wollte er sie zurück.

Indem du sie entführst. Ausgezeichnete Idee.

„Ja“, antwortete sie brüsk. „Sehr. Aber dir muss ich nicht sagen, dass dein Privatjet luxuriös ausgestattet ist.“

„In der Tat.“

„Wie lange habe ich schon für dich gearbeitet, als wir erstmals mit diesem Flugzeug gereist sind?“

„Ein paar Monate sicher“, entgegnete er vage. Dabei erinnerte er sich genau an diesen Tag. Denn ihre Reaktion war so bezaubernd und unschuldig gewesen. Und sie stand in krassem Gegensatz zum Verhalten seiner damaligen Verlobten Francesca.

Als er die beiden Frauen damals miteinander verglich, schnitt Francesca schlecht ab. Ohne Frage war sie für die Rolle der königlichen Braut überaus geeignet. Deshalb hatte er sie gewählt. Liebe gehörte nicht dazu. In einer adligen Familie aufgewachsen, war sie von Jugend an dazu erzogen worden, die Frau eines Politikers zu werden.

Dann hatte sie mit seinem Bruder geschlafen. Womöglich hätte es ihn nicht allzu sehr gestört, wären sie diskreter vorgegangen. Nicht, dass sie vorgehabt hatte, es derart publik zu machen. Ihre Chancen zu ruinieren, Königin von Petras zu werden, war nicht Teil des Plans gewesen. Da war er sicher. Nachdem jedoch ein Video der beiden aufgetaucht war, hatte sich das Thema Hochzeit erledigt.

Für die schon geplanten Feierlichkeiten hatte er eine Frau finden müssen, und zwar schnell. Deshalb wählte er Tabitha, was er damals für die einzig richtige und logische Entscheidung hielt.

Ob es einen Punkt im Leben von Frauen gab, an dem sie verrückt wurden? Bei seiner Mutter war es jedenfalls so gewesen. Mitten in der Nacht hatte sie ihren Mann und ihre Kinder verlassen und war nie mehr aufgetaucht. Und bei Francesca auch: Sie hatte ihre Stellung als künftige Königin für ein paar schöne Stunden mit Andres aufgegeben. Und offensichtlich war Tabitha das neueste Opfer dieses Wahnsinns.

Oder bist du es selbst?

Kairos biss die Zähne zusammen.

„Damals hat es mich beeindruckt“, gestand sie. „Und ich bin es noch. Allerdings weniger von der Tatsache, dass du mich entführt hast.“

„Das war mehr eine knallharte Verhandlung als eine Entführung. Den Unterschied erkennst sicher auch du.“

„Das Ergebnis ist das gleiche. Wozu also diese Haarspalterei?“

„Das Flugzeug hat dich damals sehr beeindruckt“, lenkte er ab.

„Sag nicht, du erinnerst dich daran.“

„Du warst sehr jung. Mit großen Augen hast du alles betrachtet, was dir in Petras begegnet ist. Vor allem in Bezug auf die Königsfamilie und den Palast. Ich wusste über deinen Hintergrund ziemlich gut Bescheid, denn ich ließ dich überprüfen, bevor ich dich einstellte. Ich wusste, du stammst aus bescheidenen Verhältnissen.“

„Das ist aber sehr wohlwollend ausgedrückt.“

„Okay, dann also verarmt. Aber du warst intelligent und die Beste für den Job. Du warst motiviert, auch wegen deiner Vergangenheit. Ich hielt dich obendrein für zielstrebiger als die anderen Kandidaten.“

„Hattest du dieselben Gedanken, als du mich als deine zukünftige Frau ausgewählt hast?“

Anstatt zu antworten, fuhr er einfach fort: „Außerdem kannte ich dich.“

Sie stieß einen verächtlichen Laut aus, und er konnte ihre Verärgerung beinahe spüren. „Ach, du kanntest mich! Im Sinne einer Bekanntschaft. Wie überaus romantisch.“

„Habe ich dir je Romantik versprochen, Tabitha?“

Sie sagte nichts, doch ihr Blick wurde eisig.

„Nein“, ergänzte er. „Ich sagte, ich würde dir treu sein, und das war ich. Ich habe geschworen, ich würde dir gegenüber loyal sein, und auch das war ich. Dass ich Gott, dem Land und dir gegenüber meine Pflicht erfüllen würde. Das alles habe ich getan. Du warst diejenige, die entschieden hat, dass das nicht reicht.“

Und wieder brodelte es in ihm. Er hatte sie nicht belogen oder ihr falsche Versprechungen gemacht.

Doch sie schien das nicht zu begreifen. Niemals hätte er sie für so treulos gehalten. Er hatte angenommen, sie sei wie er. Dass sie logisch denke. Dass sie wisse, was ein Opfer bedeutet. Dass sie Pflicht und Ehre vor die eigenen Gefühle stelle.

„Eine Ehe auf dem Papier unterscheidet sich sehr von einer echten Ehe. Du kannst dich nicht auf Annahmen berufen, die ich getroffen habe, noch bevor ich überhaupt eine … Beziehung hatte.“

„Aber natürlich. Alle legen Gelübde ab, bevor sie heiraten. Und die meisten haben Derartiges noch nie zuvor geschworen.“

„Und manchmal enden Ehen eben – nämlich dann, wenn sich die Dinge trotz bester Absichten aller Beteiligten nicht so entwickeln, wie man es gedacht hat.“

„Da ich kein Wahrsager bin, verstehe ich nicht, wie du mich dafür verantwortlich machen kannst, dass ich nicht deine Bedürfnisse befriedige. Du hast sie nie erwähnt. Ich kann nicht in die Zukunft sehen, und Gedanken lesen kann ich auch nicht.“

„Und selbst wenn, würdest du sie für zu unwürdig halten.“

„Wann genau hast du dich eigentlich zu so einer Nervensäge entwickelt?“, wollte er wissen und machte sich keine Mühe, seinen Ärger zu zügeln. „So warst du doch früher nicht.“

„Du hast mich bezahlt, deine Assistentin zu sein. Eine Assistentin ist keine Ehefrau.“

„Als ich dir einen Antrag gemacht habe, sagte ich deutlich, dass dies keine herkömmliche Ehe werden würde. Dass sie auch einige der Pflichten mit einschließen würde, die du als meine Assistentin übernommen hast.“

„Dann ist ja alles beim Alten. Nur ich nicht.“ Sie verschränkte die Arme und verschloss sich jeder weiteren Diskussion, bevor sie sich von ihm abwandte.

Zähneknirschend entschied er, sie erst wieder nach der Landung anzusprechen. Sobald sie auf der Insel waren … Er wusste nicht, was dann. Aber entkommen würde sie ihm nicht. Bis er es ihr gestattete.

Wenn das Kidnapping war, bitte schön. Aber kampflos würde er das Ende seiner Ehe nicht hinnehmen. Je früher Tabitha das begriff, desto besser.

5. KAPITEL

Seltsam war es schon, auf der Privatinsel des eigenen Mannes zu landen. Tabitha kannte diesen Ort und die dazugehörige Villa nicht. Dabei war sie unbeschreiblich schön, so wie alle Anwesen, die die Familie Demetriou besaß.

Doch dieser Besitz war etwas ganz Besonderes: weiße Sandstrände inmitten des blau glitzernden Meeres, ein Haus mit weißen Wänden und einem roten Dach. Es glich einem makellosen Schmuckstück, passend zu den Kronjuwelen. Hier war es einsam, anders als im Palast, in dem es vor Mitarbeitern, Reisegruppen und politischen Führern nur so wimmelte. Oder im Penthouse, das mitten im geschäftigen Treiben der Stadt lag.

Die Sonne ließ sie blinzeln und tauchte alles um sie herum in blasses Licht.

„Wieso kommst du nicht rein?“

Sie sah Kairos an, und plötzlich überkam sie das Gefühl eines Déjà-vu.

„Kommen Sie, setzen Sie sich.“

Unbehaglich verlagerte Tabitha das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Konnte sich nicht entscheiden, was genau sie anstarren sollte. Das schönste opulenteste Umfeld, das sie je gesehen hatte, oder den bestaussehenden Mann, der ihr je unter die Augen gekommen war.

Sie durchquerte den Raum und nahm ihm gegenüber an seinem Schreibtisch Platz.

Der Gedanke an den Schreibtisch holte sie jäh zurück in die Gegenwart. Als sie an jenem Tag in sein Büro gegangen war, hätte sie sich nicht träumen lassen, dass sie acht Jahre später darauf eine Nummer mit ihm schieben würde, und das, unmittelbar nachdem sie ihm die Scheidungspapiere überreicht hatte.

Ihr brannten die Augen, und sie blinzelte. Aber für einen Mann, der nichts für sie empfand, würde sie sicher keine Tränen vergießen.

Sie folgte ihm in die Villa. Nach einem knappen Jahrzehnt im königlichen Palast sollte sie eigentlich an einen derartigen Luxus gewöhnt sein, war aber dennoch beeindruckt.

Ein kleiner Teil von ihr war noch immer das Mädchen aus dem Wohnwagen, das kaum glauben konnte, dass man ihm Zugang zu solch exquisiten Orten gewährte.

Das – ihr Faible für Luxus – war die einzige Schwachstelle in ihrer Rüstung und gleichsam der Zugang zu vielen ihrer anderen Schwächen.

Das Zimmer war ganz in Weiß gehalten, große Fensterfronten gaben den Blick frei auf einen üppigen Garten und einen Pool. Dahinter sorgte das Meer für den einzigen Farbtupfer.

„Mein Zimmer liegt oben am Ende des Flurs. Du kannst dir aussuchen, welche Räumlichkeiten dir angenehm sind. Soll ich dich begleiten?“

Tabitha schüttelte den Kopf. „Nein. Du kannst meine Sachen später nach oben schicken. Du hast sie doch packen lassen?“

„Nein“, erwiderte er. „Dennoch sollte dein Zimmer mit allem ausgestattet sein, was du benötigst.“

„Und jetzt noch mal so übersetzt, dass ich es verstehe.“

„Ich habe telefoniert: Kleidung, Make-up und sonstige Toilettenartikel sollten in Kürze geliefert werden. In das Zimmer deiner Wahl. In diesem Haus gibt es keine festen Bediensteten, gerade das macht den Reiz aus.“

„Das kann ich nicht wissen, ich bin zum ersten Mal hier.“

„Ich war seit unserer Hochzeit auch nicht mehr hier. Ich hatte genug damit zu tun, das Land zu führen.“

„Stimmt, das weiß ich wohl.“

Sie wandte sich von ihm ab, stieg die Treppen hinauf und wusste, dass sein dunkler Blick jeder Bewegung folgte. Warum Kairos das tat, war ihr schleierhaft. Schließlich hatte er sie zuvor meist ignoriert.

Die Schultern gestrafft, setzte sie ihren Weg fort und tat, als merke sie nichts. Darin war sie geübt, denn sie hatte lange vorgegeben, zu ignorieren, wie wenig er sie wahrnahm.

Als sie den Treppenabsatz erreichte und den ausladenden Korridor entlangblickte, stieß sie einen verächtlichen Laut aus. Mindestens ein Dutzend Räume waren auf diesem Stockwerk. Bei Kairos hatte es anders geklungen, als er darüber sprach, dass sein Zimmer am Ende des Ganges lag und es keine Bediensteten gab. Allerdings hätte sie wissen müssen, dass seine Familie keine bescheidenen Unterkünfte besaß.

Sie wählte die erste Tür, auch weil diese am weitesten von Kairos’ Zimmer entfernt war.

Wie in den restlichen Räumen des Hauses war auch hier alles in Weiß gehalten. Ein Himmelbett stand in der Mitte, hauchzarte, helle Stoffe waren über die geschnitzten Holzspitzen drapiert. Den marmornen Boden bedeckte ein üppiger Teppich. Das einzig Farbige war eine Jade-Vase, die auf einem Tischset an der gegenüberliegenden Wand platziert und mit fröhlichen, strahlend roten Blumen bestückt war. Am liebsten hätte sie die Vase mitsamt den Blumen auf den Boden geschleudert.

Ihre bloße Anwesenheit machte sie wütend. Als wolle sie ihr sagen, sie solle froh sein, hier zu sein. An diesem wundervollen, wunderschönen Ort.

Rasend machte sie allerdings, dass sie sich fragen musste, ob es nur in diesem Zimmer Blumen gab. Oder ob ihr Ehemann gewusst hatte, dass sie dieses Zimmer auswählen würde?

Mit einem Mal überkam sie eine Welle der Erschöpfung. Sie war schwanger. Kairos hatte sie gekidnappt und auf eine Insel gebracht. Er wollte verhandeln oder ihr das Sorgerecht wegnehmen.

Sie stolperte hinüber zu dem noblen Bett und ließ sich darauf nieder. Die Verzweiflung lastete schwer auf ihr, als wäre ihre Kleidung aus bleiernem Garn gewoben. Sie schloss die Augen und sank auf das Bett nieder. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander – wirre, gegenwärtige und weit entfernte. Während sie allmählich einschlief, dachte sie in erster Linie an Kairos.

„Tabitha, ist alles in Ordnung?“

Der Klang von Kairos’ Stimme schreckte Tabitha auf. Nur selten weckte er sie. Um genau zu sein, konnte sie sich nicht daran erinnern, dass das jemals der Fall gewesen war. Er verbrachte die Nächte niemals bei ihr.

Langsam öffnete sie die Augen und bemerkte das helle Nachmittagslicht. Da fiel ihr wieder ein, wo sie sich befand. Sie trug sein Baby unter dem Herzen und wollte die Scheidung.

„Nicht so ganz“, antwortete sie, setzte sich auf und rieb sich die Augen.

Plötzlich fühlte sie sich befangen wegen dieser Geste. Für gewöhnlich wachte sie nicht in seiner Gegenwart auf. Trotz ihrer körperlichen Beziehung hatten sie kein vertrautes Verhältnis.

Sie ließ die Hände sinken und ballte sie zu Fäusten.

„Ich habe deine Kleidung hochgebracht. Und alles andere.“

„Hast du …“ Sie sah sich in dem Zimmer um. „Hast du alles eingeräumt?“

„Ja. Dich hätte ich kaum darum bitten können. Wie gesagt, hier gibt es keine Angestellten.“

„Du wirst hier gar nicht bedient?“

„Gelegentlich nehme ich die Dienste eines Kochs in Anspruch. Für diese Reise habe ich allerdings einige vorbereitete Mahlzeiten liefern lassen.“

„Dann sind wir allein?“

Er nickte, sein Blick war undurchdringlich. „Ja.“

„Auf der ganzen Insel?“

„Auf der ganzen Insel“, bestätigte er.

„Oh.“

„Was?“

„Ich glaube, wir waren noch nie zuvor wirklich allein.“

„Wir sind sehr oft allein“, korrigierte er sie stirnrunzelnd.

„In einem Palast mit Hunderten von Menschen, in einem Gebäude, in dem auch andere wohnen.“

„Ich habe dich noch nie zuvor gekidnappt. Du warst auch noch nie schwanger mit meinem Baby. Oh ja, und wir standen auch noch nie am Rande einer Scheidung. Das ist eine ganze Reihe von ersten Malen. Wie schön, dass wir das noch auf die Liste setzen können.“

Sie erhob sich und dehnte ihre schmerzenden Muskeln. „Wieso genau bist du sauer auf mich? Wir sind deinetwegen hier!“

„Ich bin sauer, weil du die Scheidung willst.“

„Hätte ich nicht die Scheidung eingereicht, wäre ich jetzt nicht schwanger.“

„Hättest du mich nicht mit deiner Kälte aus deinem Bett gejagt, wärst du vielleicht ein paar Monate früher schwanger gewesen.“

Sie biss die Zähne zusammen, während grenzenlose Wut durch ihre Adern pulsierte. „Wie kannst du es wagen!“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie näher. „Nicht.“

Ihr Protest wurde unterbrochen, als er seinen Mund auf ihren presste, heiß, kompromisslos. Seine Zunge machte seinen Anspruch damit geltend, dass er sie hart und eindringlich küsste. Woher diese Küsse so plötzlich kamen, wusste sie nicht. Oder wer dieser Mann war, der sie wie ein Ertrinkender küsste, weil ihre Lippen seine Rettung waren.

Wie anders war der Kuss in ihrer Hochzeitsnacht gewesen. Als sie zum ersten Mal allein in einem Schlafzimmer wie diesem gewesen waren. Damals war sein Kuss sanft gewesen. Kühl. Diesen Moment hatte sie herbeigesehnt. Dass die Leidenschaft zwischen ihnen explodierte. Weil sie es fühlte, es immer schon gefühlt hatte. Das Prickeln war da seit dem Moment, da sie zum ersten Mal sein Büro betreten hatte, sosehr sie es auch zu leugnen versuchte.

Aber alles, was er getan hatte, war so irrsinnig vorsichtig gewesen, so unheimlich kontrolliert. Sie hatte innerlich gezittert. Vor flatternden Nerven, vor Lust. Er war behutsam gewesen. Umsichtig.

Doch dieser Kuss hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem, was in jener Nacht vorgefallen war. Ihr hatte er vorgeworfen, sich verändert zu haben. Aber auch er war nicht mehr derselbe.

Er küsste ihren Hals, liebkoste ihre zarte Haut mit der Zungenspitze. Mit wild pochendem Herzen riss sie an seinem Shirt. Jede Faser in ihr sehnte sich verzweifelt danach, ihn zu besitzen. Ihn wieder in sich zu spüren. Wie in der Nacht in seinem Büro, als die schwelende Leidenschaft sich endlich Bahn gebrochen hatte.

Ich fühle nichts.

Die Erinnerung an seine Worte traf sie wie eine Ohrfeige.

Schwer atmend schob sie ihn von sich. „Lass das.“

„Du willst es doch“, sagte er begierig, und seine Worte waren nur allzu wahr.

„Und? Wir müssen nicht alles tun, was wir wollen.“ Gerade sie sollte das nicht. „Wie dem auch sei, aus Erfahrung weiß ich, dass ich den Sex mit dir hinterher immer bedauere.“

„Bereust du es, schwanger zu sein?“

„Du etwa nicht? Du wirst dir eine neue Frau suchen müssen.“ Sie löste sich aus seinen Armen, ging hinüber zum Fenster und sah hinaus auf das Meer. „Dass dein Erbe von der falschen Frau zur Welt gebracht wird, ist sicher sehr unangenehm für ich.“

„Nicht besonders, nein. Ich habe nicht vor, mich von dir scheiden zu lassen.“

„Warum?“

„Du bekommst mein Kind. Es besteht kein Grund, eine andere Frau zu heiraten.“

„Willst du mir damit sagen, wir sollen unsere Ehe … ignorieren?“

„Wenn du es vorziehst? Ich würde gern eine Vereinbarung mit dir treffen. In letzter Zeit warst du ziemlich unvernünftig.“

„Und du in den letzten fünf Jahren ein kalter Fisch.“

Unvermittelt fand sie sich an ihn gedrückt wieder, seine Lippen hart auf ihre gepresst. Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und sah sie mit blitzenden dunklen Augen an. „Hat sich das für dich kalt angefühlt?“, stieß er hervor, nachdem er sich von ihr gelöst hatte.

„Du bist so widersprüchlich: Wieso willst du etwas nur haben, wenn es dir weggenommen wurde?“

Er wich zurück, als hätte sie ihn geschlagen. „Ich …“

„Du kannst es nicht abstreiten. Und du hast keine Antwort darauf.“

Ausdruckslos sah Kairos sie an. „Wenn du die Schwangerschaft bedauerst, solltest du das Sorgerecht für das Kind an mich abtreten.“

Alles in ihr sträubte sich gegen diesen Gedanken. „Du hast mich missverstanden“, gab sie bissig zurück. „Ich bereue es nicht, ein Kind zu bekommen, sondern dein Kind zu bekommen. Für mich wäre es besser gewesen, erst schwanger zu werden, wenn ich einen Mann gefunden habe, mit dem ich tatsächlich mein Leben verbringen möchte.“

Er trat einen Schritt zurück, seine Augen funkelten vor Zorn. Sein Gesicht, das sonst so kontrolliert war und einen vorsichtigen, neutralen Ausdruck trug, war wutverzerrt. „Wie schade, dass es mein Kind ist, das du unter dem Herzen trägst. In einer Stunde wird das Abendessen serviert. Wenn du dich nicht zu mir gesellst, kannst du gern hungern.“

„Willst du die Küche abschließen?“

„Vielleicht? Führe mich nicht in Versuchung, Tabitha, denn das Ergebnis wird dir nicht gefallen.“ Damit drehte er sich um, verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

Sie sollte ihn also nicht in Versuchung führen? Okay, dann würde sie genau das jetzt tun.

6. KAPITEL

Sein Verhalten war Kairos selbst ein Rätsel. Aber auch Tabitha verstand er nicht. Er hatte ihr mehr zugetraut, hatte sie gewählt, weil sie clever, treu und besonnen war. Als er mit Francesca verlobt war, dachte er, er könne eine emotionale Verbindung zu ihr aufbauen. Doch sein Vertrauen war unangebracht gewesen: Francesca hatte ihn mit Andres betrogen.

Andres hatte sich seine Wut durchaus verdient. Eigentlich beide. Und doch hatte Kairos nie sehr viel davon aufbringen können. Er war nur dankbar, dass er Francescas doppeltes Spiel vor der Hochzeit bemerkt hatte.

Seiner Erfahrung nach wurde man irgendwann von jeder Frau betrogen.

Nicht man, du ganz speziell.

Scharf atmete er ein und blickte hinaus auf die Terrasse und auf den zum Abendessen eingedeckten Tisch. Wenn Tabitha nicht herunterkam …

Zähneknirschend versuchte er die erotischen Bilder zurückzudrängen, die sich vor seinem inneren Auge entfalteten. Sie drohten, seine Selbstkontrolle zu zermalmen. Ihretwegen hatte er sich entsetzlich verhalten, noch mehr wollte er nicht falsch machen.

Wieso? Sie hat dich verlassen. Dabei hat sie versprochen, genau das nicht zu tun.

„Hier bin ich.“ Tabithas Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit auf die oberste Stufe. Tatsächlich, da war sie, und sie sah schöner aus als je zuvor. Das blonde offene Haar fiel ihr locker über die Schultern. Es war so anders als der straff zusammengebundene Knoten, den sie oft trug.

Auch das Kleid stand in völligem Gegensatz zu dem, was sie im Palast angezogen hätte. Die Anweisungen an den Einkäufer, der mit der Zusammenstellung einer kleinen Garderobe für sie betraut worden war, waren allerdings sehr spärlich gewesen. Er hatte ihm nur ihre Größe genannt.

Das Kleid hatte dünne Träger und ein tiefes V-förmiges Dekolleté, was den Anschein erweckte, als würde es gleich über ihre vollen Brüste rutschen, als würde der kleinste Zug diese Träger reißen und das Kleid bis auf ihre Hüften hinuntergleiten lassen. Sie trug nur wenig Make-up – etwas rosa Lipgloss, ein Hauch von Gold auf den Lidern – und wirkte entspannt und gelöst.

Sein Körper reagierte sofort auf sie.

„Ich bin froh, dass du gekommen bist.“

„Zumindest musst du die Speisekammer nicht abschließen.“

Damit kam sie die Treppe herunter, ihre zarte Hand auf dem Geländer ruhend. Wie magisch wurde sein Blick von ihren eleganten Fingernägeln angezogen, die in einem zarten Korallenrot lackiert waren und farblich zu ihrem Kleid passten.

„Ich freue mich, das zu hören, agapi .“

„Nenn mich nicht so“, zischte sie.

„Bitte?“

Liebes. So ein lächerliches Kosewort, und im Moment quält es mich besonders.“

Sie rauschte an ihm vorbei hinaus zum gedeckten Tisch. Bedächtig folgte er ihr. Wie schaffte sie das nur? Er regierte ein ganzes Land, und das sehr gut. Sie jedoch vermittelte ihm das Gefühl, ein unbeholfener Schuljunge zu sein.

„Verzeih, ich werde mich bemühen, keine netten Dinge mehr zu dir zu sagen“, stieß er hervor.

Sie blieb stehen, warf ihm einen Blick über die Schulter zu, eine Augenbraue hochgezogen. „Sag einfach nichts, was du nicht meinst.“

Wie sollte er darauf reagieren? Er liebte sie nicht. Ja, sicher, er hatte sie gern. Aber er hatte nie so getan, als hege er tiefere Gefühle. Von Anfang an hatte er beschrieben, wie die Beziehung zwischen ihnen aussehen würde und dass sie auf gegenseitigem Respekt fußen sollte.

Dass er ehrlich gewesen war und sie dem zugestimmt hatte, befeuerte seine Wut von Neuem. Darüber vergaß er, nach einer diplomatischen Antwort zu suchen.

„Ja, Hoheit“, entgegnete er. „Ich könnte dich standesgemäß anreden: nicht als Königin, sondern als die Frau, die weit über ihre Verhältnisse geheiratet hat.“

„Willst du mich jetzt demütigen? Nachdem du deine königlichen Gene mit meinen vermischt hast? Daran hättest du besser vorher gedacht, bevor du mich geschwängert und deinen heiligen Erben gezeugt hast.“

Mit gestrafften Schultern ging sie weiter und nahm Platz, ohne darauf zu warten, dass er ihr den Stuhl zurechtrückte. Aus irgendeinem Grund störte ihn das. Womöglich weil es noch ein Beleg für die Verwandlung seiner perfekten Ehefrau in dieses Geschöpf war.

Eure Ehe war nie perfekt, und das weißt du.

Dieser Gedanke schmeckte ihm nicht. Denn er zerstörte das Bild, das er sich machte. Das ihn von jedem Fehlverhalten freisprach. Und das ihr allein die Schuld gab.

Er setzte sich ihr gegenüber und hob ein Glas Wasser an seine Lippen. Kurz bereute er, aus Rücksicht auf ihren Zustand keinen Alkohol eingeschenkt zu haben. Sie verdiente seine Rücksichtnahme nicht.

„Wieso denkst du, wir könnten hier, abgeschnitten von der Zivilisation, besser miteinander reden?“

„Zunächst einmal“, setzte er an und lehnte sich zurück, „gefällt es mir ganz gut, dich gefangen zu halten.“

„Und wie soll ich mich dabei fühlen?“

„Och, um deine Gefühle mache ich mir keine Sorgen.“

„Natürlich nicht, wieso solltest du auch jetzt damit beginnen?“

Schwungvoll stellte er das Glas ab, sodass ein wenig von dem Wasser überschwappte. „Verzeih, habe ich etwas getan, das im Widerspruch zu unserer ursprünglichen Vereinbarung stand?“

„Du bist …“ Sie sah nach oben, als hielte der klare mediterrane Himmel Antworten für sie parat. „Du bist distanziert. Kalt.“

„Das könnte man auch über dich sagen, agapi .“

„Nenn mich nicht so“, gab sie mit blitzenden Augen zurück.

„Dein Verbot habe ich nicht akzeptiert, Tabitha.“

„Willst du, dass ich aufzähle, was du alles getan hast? Ich arbeite daran“, fuhr sie fort und ignorierte seine Worte. „In fünf Jahren warst du nur einmal wütend auf mich: als ich dir sagte, ich würde dich verlassen.“

„Du willst , dass ich wütend auf dich bin?“

„Ich will, dass du irgendetwas fühlst. Wut wäre mal ein Anfang.“

„Dein Wunsch ist mir Befehl. Ich bin ausgesprochen wütend auf dich.“

„Du sprichst kaum mit mir. Du berührst mich nur, wenn wir Sex nach Plan haben. Im Grunde bin ich für dich wie ein Möbelstück. Gäbe es eine Kommode mit gebärfreudigem Becken, würdest du sicher mit ihr einen Erben zeugen.“

„Dasselbe könnte man über dich sagen. Außerdem habe ich dir nie etwas versprochen, oder?“

Sie wurde rot. „Eine Frau erwartet eine bestimmte Behandlung von ihrem Ehemann.“

„Ach ja? Selbst wenn besagter Ehemann sie informiert hat, wie es werden würde? Wenn deine Erwartungen von der Realität abweichen, sehe ich nicht, wie das mein Fehler sein kann.“

„Niemand erwartet, dass die Ehe eine Eiswüste wird.“

„Aber genau das habe ich dir prophezeit“, sagte er bissig. „Hätte ich dir versprochen, dich zu lieben und zu ehren, hättest du jedes Recht, dich betrogen zu fühlen. Ich habe dir Respekt und Treue gelobt und dass ich dich wie eine Gleichgestellte behandeln würde. Wenn ich dagegen verstoßen haben sollte, dann erst nachdem du deine Versprechen mir gegenüber gebrochen hast.“

„Ich weiß, was wir gesagt haben … Aber Dinge ändern sich.“

„Verstehe. Wolltest du mir das je sagen? Oder wolltest du mich mit deiner Kälte abschrecken, damit ich die Ehe beende?“

Die Hände zu Fäusten geballt, wandte sie den Blick ab. „Das ist nicht …“

„Es gefällt dir nicht, für das Ende unserer Ehe verantwortlich zu sein? Denkst du, mir sei nicht aufgefallen, dass du dich verschlossen hast? Dass es mich nicht stört?“

„Ja, Kairos, das habe ich tatsächlich. Wieso sollte ich auch annehmen, dass du dir Nähe zwischen uns wünschst?“

„Weil es mal eine Zeit gab, in der ich dich als Freundin betrachtet habe.“

Fragend zog sie die Augenbrauen in die Höhe. „Hast du das? Siehst du mich als eine Freundin?“

„Das weißt du. Du erinnerst dich sicher an den Tag, als ich dir den Antrag gemacht habe.“

„Meinst du den Tag, an dem du ein Video gesehen hast, in dem deine Zukünftige mit deinem Bruder rummacht? An dem du mir – betrunken – mitgeteilt hast, du wärst der Ansicht, ich sei die bessere Wahl? Es fällt mir schwer, den Dingen, die du damals gesagt hast, Bedeutung beizumessen.“

Autor

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<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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