Happy End mit Dr. Costa?

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Wie gerne würde Susan Ja sagen, als der umwerfend gut aussehende Dr. Leo Costa ihr den ersehnten Heiratsantrag macht. Doch vergeblich wartet sie auf die magischen drei Worte. Anstelle von Liebe spricht ihr Traummann plötzlich nur von Pflicht …


  • Erscheinungstag 24.07.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507950
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Lampe verströmte eine so große Hitze, dass Dr. Susan McFarlane der Schweiß auf der Stirn stand. Angestrengt konzentrierte sie sich auf ihre Tätigkeit. Eine Haarsträhne löste sich unter ihrer Haube, doch Susan widerstand dem Drang, sich mit dem Arm über die Stirn zu wischen. Hygiene war eines der obersten Gebote im Operationssaal, das hatte sie schon damals während ihres Medizinstudiums gelernt.

Susan versuchte ihr Glück noch einmal. Ihre Hände, mit denen sie sonst so geschickt Operationswunden verschloss, wurden zu nutzlosen Werkzeugen, wenn es darum ging, Teig zu kneten. Abermals schlug sie darauf ein.

„Nicht so heftig, Dottore. Mit einem Brotteig muss man sanfter umgehen.“

Die junge Ärztin seufzte. „Der Teig klebt so schrecklich an meinen Fingern, dass ich überhaupt nichts damit machen kann, Maria.“

„Sie müssen mehr Mehl nehmen.“ Großzügig streute Maria Mehl auf die Arbeitsfläche und bearbeitete mit ihren alten, von Arthritis geplagten Händen Susans klebrige Masse so lange, bis ein elastischer Teig daraus entstanden war. Geübt formte sie ihn zu einem Ciabatta-Laib.

Susan bedeckte den Teig mit einem weißen Tuch. „Ich fürchte, ich bin ein hoffnungsloser Fall!“

Die alte Frau mit dem Kopftuch lächelte nachsichtig. „Ihnen fehlt nur die Übung. Ich dagegen mache das schon seit siebzig Jahren. Beim nächsten Mal wird es besser klappen. Sie kommen doch wieder?“

„Nur, wenn Sie mir versprechen, sich hinzulegen. Ihr Blutdruck ist immer noch zu hoch, und Ihre Familie macht sich Sorgen um Sie. Es dauert ein paar Tage, bis das neue Medikament wirkt. In dieser Zeit sollten Sie sich schonen.“

„Pah, ich fühle mich prächtig.“ Maria klopfte sich gegen die Brust. „Ich habe ein kräftiges Herz.“

Zwischen Susans Brauen erschien eine missbilligende Falte. „Wenn Sie nicht auf mich hören, werde ich Sie ins Krankenhaus stecken“, drohte sie.

Augenblicklich setzte Maria sich auf einen Stuhl. „Sie klingen wie mein Enkel“, klagte sie.

„Ihr Enkel scheint ein weiser Mann zu sein“, scherzte Susan und wusch sich die Hände. Es wurde Zeit, dass sie wieder in ihre Praxis zurückkehrte.

Ein listiger Ausdruck trat in die Augen ihrer achtzigjährigen Patientin. „Er ist ebenso allein wie Sie“, hob sie hervor.

„Dann hoffe ich, dass er ebenso glücklich und zufrieden ist wie ich“, gab Susan lächelnd zurück.

In den zwölf Monaten, die sie in Bandarra war, hatte sie schnell gelernt, allen Bemühungen der Einwohner, sie mit deren Brüdern, Söhnen, Cousins oder Enkeln zu verkuppeln, aus dem Weg zu gehen. Von Männern hatte sie die Nase voll. Ihre schlechten Erfahrungen hatten gezeigt, dass sie einfach keine glückliche Hand bei der Wahl ihrer Partner hatte. Bisher war sie jedes Mal an den Falschen geraten, da blieb sie in Zukunft lieber allein.

Susan nahm ihre Autoschlüssel an sich. „Sie werden also eine gehorsame Patientin sein?“

Überraschend kapitulierte Maria. „Jawohl, Dottore. Ich werde tun, was Sie sagen.“

„Wunderbar. Ich komme morgen wieder vorbei.“

„Dann zeige ich Ihnen, wie man Bruschetta macht.“

Susan lachte. „Geben Sie es auf, Maria. Bei mir sind Hopfen und Malz verloren.“

Die alte Frau schmunzelte nur.

„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Karen, cara!“ Am liebsten hätte Leo Costa seinem Frust lautstark Luft gemacht, doch er wusste, dass er mit Schmeicheleien mehr erreichen würde. So ließ er seinen ganzen Charme spielen, während er sein Handy ans Ohr presste.

„Letzte Woche beim Lunch haben wir doch alles besprochen. Nun brechen Sie mir nicht das Herz und erzählen mir, dass der Operationssaal aus Versehen doppelt belegt wurde und ich nicht mein benötigtes Zeitfenster bekommen kann!“

„Ich könnte höchstens versuchen, Dr. Trewellan zu einer Umbelegung zu überreden, nachdem wir ihm letzte Woche einen zusätzlichen Operationstermin eingeräumt haben“, gab sich die OP-Leiterin des Melbourne City Hospital kompromissbereit.

„Das klingt schon besser. Rufen Sie mich bitte zurück, sobald die Dinge geklärt sind.“ Ohne Abschiedswort klappte Leo sein Handy zu und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Mist! Jetzt kam er auch noch zu spät zur Visite. Er hasste es, wenn er sich schon am Morgen verspätete, besonders dann, wenn in seiner Praxis in der Collins Street obendrein noch jede Menge Patienten auf ihn warteten.

Er ging zu den Fahrstühlen und drückte auf den Knopf nach oben. Ungeduldig klopfte er mit der Schuhspitze auf den blank polierten PVC-Boden.

Gerade als der Lift hielt, ging das Handy in seiner Tasche los. Hoffentlich hatte Karen gute Nachrichten für ihn.

„Leo Costa“, meldete er sich.

„Gut, dass ich dich erreiche“, tönte ihm unerwartet die vertraute Stimme seiner Schwester entgegen.

„Anna?“ Es musste schon etwas sehr Wichtiges sein, denn normalerweise war sie um diese Zeit damit beschäftigt, die Kinder für die Schule fertig zu machen und die Bestellungen für ihr Restaurant aufzugeben. „Was gibt es?“

Seine Schwester ließ einen tiefen Seufzer hören. „Es geht um Nonna, Leo. Diesmal musst du einfach nach Bandarra kommen!“

Susan stellte ihren Jeep auf dem Krankenhausparkplatz ab und stieg aus. Endlich war die sengende Sonne am Horizont untergegangen. Der Tag heute hatte so ziemlich alles für sie bereitgehalten, einschließlich der Notfall-Evakuierung eines hundert Kilometer entfernten Aborigines-Reservates.

Jetzt sehnte sie sich nur noch danach, sich aus den Klamotten zu schälen, die sie seit siebzehn Stunden am Körper trug, unter der Dusche den roten Staub des Outback abzuwaschen und sich ins Bett zu kuscheln.

Die Eingangstür öffnete sich automatisch, und Susan betrat die klimatisierte Halle des Bandarra Base Hospital. Ah, das tat gut nach der mörderischen Hitze draußen, wo es selbst am Abend kaum abkühlte! Sie würde kurz nach Maria sehen und anschließend nach Hause fahren. Dann brauchte sie nur noch ihren Border Collie Murphy davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee war, heute Abend noch Gassi zu gehen.

Die Schwesternstation war verwaist, doch jemand hatte die Patientenakten für den Nachtdienst herausgelegt. Susan blätterte sie rasch durch und fand die Akte mit dem Namen „Rossi“.

„Es ist besser, wenn Sie Ihren Arzt holen“, hörte sie aus einem der Krankenzimmer eine tiefe Stimme, in der eine gewisse Schärfe lag. Dann fügte diese Stimme samtweich hinzu: „Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, Schwester Erin.“

Susan kannte diesen verräterischen Wechsel von Charme und Härte nur zu gut. Schon als Kind hatte sie darunter gelitten, und in ihrer katastrophalen Beziehung mit Greg hatte sie dieselben Erfahrungen gemacht wie mit ihrem Vater.

„Selbstverständlich, Mr Costa. Ich werde es über den Pager versuchen.“

Susan ging das heute nichts mehr an. Sie hatte keinen Patienten namens Costa auf der Station liegen. Justin, ihre derzeitige Vertretung aus England, würde sich darum kümmern müssen. Sie nahm die Krankenakte an sich und ging zu Marias Zimmer.

An der Türschwelle verlangsamte sie den Schritt. Ein Mann war bei ihrer Patientin, dessen Gegenwart den Raum mit einer knisternden Energie zu füllen schien.

Susan spürte, wie ihr ein heißer Schauer durch den Körper lief, etwas, das ihr schon lange nicht mehr passiert war. Unwillkürlich packte sie die Krankenakte fester, als wollte sie sich daran festhalten.

„Oh, hier kommt Dr. McFarlane, Mr Costa!“ Erin strahlte. „Ich hole Ihnen schnell den versprochenen Kaffee.“

Grazie, Schwester Erin.“ Lächelnd neigte er den Kopf.

Susan holte tief Luft. Im selben Augenblick richtete Marias unbekannter Besucher den Blick auf sie. Sein Lächeln verschwand. Er hob eine schwarze Augenbraue und musterte sie eingehend, von ihren zerzausten Locken über das zerknitterte Poloshirt bis hin zu ihren verstaubten Shorts und den noch staubigeren derben Schuhen.

Der Ausdruck in seinen Augen sagte ihr unmissverständlich, was er von ihrer Erscheinung hielt. Sie hob herausfordernd den Kopf. Wenn dieser Mann die Frechheit besaß, sie einer derartigen Musterung zu unterziehen, würde sie bei ihm das Gleiche tun.

Ungeniert ließ sie ihren Blick über seine klassischen römischen Gesichtszüge wandern, die kräftige, gerade Nase, die hohen Wangenknochen und die vollen Lippen. Trotz der hellen Narbe an seinem kantigen Kinn hätte er einem Modemagazin entstiegen sein können.

Vom Scheitel seines glänzenden schwarzen Haares bis zur Sohle seiner italienischen Lederschuhe strahlte er eine weltmännische Eleganz aus. Ein schwarzes, eng sitzendes Baumwoll-Shirt mit V-Ausschnitt betonte seine breiten Schultern und den flachen, muskulösen Bauch. Sandfarbene Leinenhosen schmiegten sich um seine langen Beine.

Hätte Susan nicht vor ihm gestanden und seinen frischen Duft nach Minze und Orange eingeatmet, dann hätte sie ihn für ein göttliches Wesen gehalten, mit dem kein Sterblicher sich jemals messen konnte.

Sie sind die behandelnde Ärztin meiner Großmutter?“, fragte er ungläubig, bevor sie sich vorstellen konnte.

Unwillkürlich straffte sie den Rücken. Was machte es schon, wenn sie verschwitzt und schmutzig war, während er Mr Saubermann aus der Stadt verkörperte? Er war ja nicht derjenige gewesen, der den Nachmittag irgendwo draußen im Busch damit verbringen musste, einen kleinen Jungen am Leben zu erhalten, bis die Flying Doctors eingetroffen waren!

Seinen makellos manikürten Fingernägeln nach zu schließen, mochte er ein Steuerberater sein, und die einzige Katastrophe, in die er jemals geraten war, war eine Bilanz, die nicht aufging.

Es war nicht einfach, herablassend zu erscheinen, wenn er sie mit ihren eins fünfundfünfzig um einen Kopf überragte. So reichte sie ihm nur kühl die Hand. „Susan McFarlane, Fachärztin für Allgemeinmedizin. Und Sie sind …?“

Ganz unerwartet lächelte er, wobei sich zwei Grübchen in seinem blauschwarzen Bartschatten bildeten. „Leo Costa, Marias Enkel“, sagte er und drückte ihr die Hand.

Seine Berührung war wie eine Myriade erotischer Funken. Hastig zog Susan ihre Hand wieder zurück. „Richtig, sie hat von Ihnen gesprochen, als ich gestern einen Hausbesuch bei ihr machte“, erwiderte sie, während sie versuchte, das plötzliche Verlangen in ihrem Körper wieder so unter Kontrolle zu bekommen, wie es ihr in den letzten drei Jahren mühelos gelungen war.

Ihr Blick fiel auf ihre schlafende Patientin. Rasch trat sie auf den Korridor hinaus. „Wir sollten Ihre Großmutter nicht aufwecken.“

Mit den geschmeidigen Bewegungen einer Raubkatze folgte er ihr, was bei Susan ein erneutes Prickeln auslöste.

„Wie lange behandeln Sie meine Großmutter schon?“, fragte er in einem beiläufigen Plauderton, der sie unwillkürlich auf der Hut sein ließ.

„Ein paar Wochen.“

„Und gestern haben Sie noch nach ihr gesehen?“ Der Plauderton verschärfte sich leicht.

„Ja. Sie wollte mir das Brotbacken beibringen, aber …“

„Sie lassen sich von einer kranken Frau zeigen, wie man Brot backt, statt sie ins Krankenhaus einzuweisen, was dringend erforderlich gewesen wäre?“ Seine herbe Kritik stand in einem sonderbaren Kontrast zu dem gewinnenden Lächeln.

Die Alarmglocken in ihrem Kopf läuteten Sturm. „Verzeihung – wie meinen Sie das?“

„Hätten Sie meine Großmutter gestern ins Krankenhaus bringen lassen und sie unter Beobachtung gestellt, hätte sie sicher keinen Schlaganfall erlitten.“

Susan zog die Luft scharf ein. Nur Ruhe bewahren! „Ich verstehe Ihre Aufregung, Mr Costa, und ich war ebenso geschockt, als ich davon erfuhr. Doch Ihre Großmutter leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Hypertonie. Dass ihr Blutdruck gestern etwas erhöht war, war für mich kein Grund, sie ins Krankenhaus einzuweisen. Noch dazu, wo sie ein sehr eigensinniger Mensch ist, wie Sie sicher selbst wissen.“

Lässig verkreuzte er die Arme vor der Brust. „Sie haben ihr Medikamente verschrieben?“

„Ja. Ich habe sie auf ein neues Mittel umgestellt und ihr eindringlich ans Herz gelegt, dass sie sich schonen soll.“

„Dann nehme ich an, dass die Dosis zu hoch war und ihr Blutdruck somit drastisch sank, was eine fokale zerebrale Ischämie zur Folge hatte.“

Fokale zerebrale Ischämie? Marias Enkel war mit Sicherheit kein Steuerberater, das stand fest. Er schien selbst Arzt zu sein, was auch sein herrisches Auftreten erklären würde. Susan fand es nur seltsam, dass Maria nichts davon erwähnt hatte.

„Dr. Costa“, begann sie, wobei sie seinen Titel mit Betonung aussprach, „ich nehme an, Ihre Kapazität liegt eher im chirurgischen als im geriatrischen Bereich.“

In seinen dunklen Augen blitzte es kurz auf, bevor er die Lippen zu einem leichten Lächeln verzog. „Ich bin Unfallchirurg am Melbourne City Hospital und besitze darüber hinaus eine Praxis für allgemeine Chirurgie. Im Übrigen denke ich, dass Sie ebenso wenig Geriaterin sind.“

Touché. Seine forsche Bemerkung verriet eine gewisse Autorität. Susan konnte sich bestens vorstellen, dass dieser Mann mit seinem Charme und seinem unverschämt guten Aussehen alles erreichte, was er wollte. Sie jedoch würde gewiss nicht auf ihn hereinfallen. So etwas würde ihr nie wieder passieren.

„Ihre Großmutter ist seit mehr als zwei Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen“, teilte sie ihm kühl und sachlich mit. „Ihre Hypertonie habe ich erst vor einigen Tagen festgestellt. Gut, es kann möglich sein, dass das neue Medikament den Blutdruck etwas zu rasch gesenkt hat, aber ich halte es für weitaus wahrscheinlicher, dass die Ursache für ihren Schlaganfall ein jahrelang unbehandelter hoher Blutdruck war.

Sie hat noch eine leichte Lähmung an der rechten Seite, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das mit der entsprechenden Physiotherapie wieder geben wird.“

„Wie schön, dass wenigstens Sie diese Zuversicht haben.“

Seine offene Kritik ärgerte sie. Trotzdem begegnete sie dem Blick seiner dunklen Augen, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich bin sogar sehr zuversichtlich.“

„Sie haben sicher Ihr Bestes getan, aber Sie werden es verstehen, wenn ich einen anderen Arzt mit der Behandlung meiner Nonna beauftrage.“

Sie werden es verstehen

Susans Ärger schlug in heillose Wut um. Am liebsten hätte sie dem Mann in das arrogante Gesicht geschlagen. Greg hatte ähnliche Worte benutzt, ebenso ihr Vater, bevor er aus ihrem Leben verschwunden war. „Das ist allein Marias Entscheidung“, gab sie so beherrscht wie möglich zurück.

Leo Costa bewegte leicht den Kopf, wobei sein schwarzes Haar im Lichtschein glänzte. „Nonna hat bisher immer auf meinen Rat gehört.“

„Wir werden sehen.“ Susan zwang sich zu einem Lächeln. „Da Maria bereits schläft und ihre Gesundheit für mich an erster Stelle steht, wird die Entscheidung ohnehin bis morgen früh warten müssen.“ Mit einer unmissverständlichen Geste deutete sie zum Ausgang. „Gute Nacht, Mr Costa.“

Im ersten Moment schien er verblüfft, dann nickte er und ließ sich sogar zu einem flüchtigen Lächeln herab. „Also bis morgen früh, Susan.“

Mit langen Schritten strebte er dem Ausgang zu.

Susan schaute ihm noch nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Wand. Ihre Knie waren weich, in ihrem Magen flatterten Schmetterlinge, und sie hasste sich für die Hitzewelle, die ihren Körper überflutete.

Männer wie Leo Costa waren ihr größter Albtraum. Auf keinen Fall wollte sie so etwas noch einmal durchleben. Sie würde diesem Mann aus dem Weg gehen, wo immer sie nur konnte, und an diesem Entschluss war nicht zu rütteln.

2. KAPITEL

„Bist du verrückt geworden?“ Anna schob ihrem Bruder eine Tasse schaumigen Cappuccino über den rustikalen Küchentisch zu, an dem die Familie das Frühstück einnahm.

„Das war wirklich nicht sehr klug von dir, Leo“, fiel auch Rosa, seine Mutter, ein, während sie ihm zwei Brioches auf den Teller legte.

Leo seufzte. Jedes Mal, wenn er nach Bandarra kam, wurden seine Nerven auf eine harte Probe gestellt. Am besten ließ er die beiden Frauen reden, dann kam er noch am schnellsten von hier weg. Er würde sich rasch um Nonnas weitere Behandlung kümmern und dann mit der Nachmittagsmaschine in den sicheren Hafen von Melbourne zurückfliegen.

Rosa rührte Zucker in ihren Kaffee. „Ich wollte, du wärst erst nach Hause gekommen, statt direkt vom Flughafen zum Krankenhaus zu fahren. Dann hätte das alles vermieden werden können.“

Eine ungewohnte Schärfe lag in seiner sonst so ruhigen Stimme. „Es geht um Nonna, von der wir hier reden! Selbstverständlich bin ich sofort zum Krankenhaus gefahren, nachdem ich euer Schluchzen am Telefon gehört habe.“

Wieder überkam ihn diese dumpfe Angst, die er gestern Abend schon verspürt hatte, als er am Krankenbett seiner geliebten Nonna stand. Zeit ihres Lebens war sie ein Energiebündel gewesen, doch jetzt sah sie erschreckend schmal und gebrechlich aus.

Leo hasste das Gefühl der Hilflosigkeit ebenso wie die Erinnerungen an dieses Wasserloch und daran, wie kläglich er damals bei Dom versagt hatte. „Ich wollte erst mit Nonnas Arzt sprechen und dachte, ihr hättet das sowieso von mir erwartet.“

Seine Mutter lächelte. „Wenn man bedenkt, wie eigensinnig Nonna sein kann, ist Susan McFarlane ein wahrer Geduldsengel gewesen. Als ich ihr sagte, welche Sorgen ich mir um deine Großmutter mache, hat sie Hausbesuche gemacht und es mit allen von Nonnas Tricks aufgenommen, bis sie ihr endlich erlaubte, sie zu untersuchen.“

Anna lachte. „Stimmt. Aber nicht einmal Nonna hat es geschafft, Susan das Kochen beizubringen. Sie ist ein hoffnungsloser Fall.“

Eine unwillige Falte bildete sich zwischen Leos Brauen, als er im Geist einen hellbraunen Lockenkopf und ein grünes Augenpaar vor sich sah. Er ärgerte sich immer noch, dass er in diesen Augen nicht einmal einen Funken von Interesse hatte wecken können, wie er es von anderen Frauen gewohnt war, denen er zum ersten Mal begegnete.

Nicht, dass Frauen wie Susan McFarlane ihn wirklich interessiert hätten. Seit seiner Scheidung von Christina umgab er sich vorzugsweise mit hochgewachsenen und modisch gestylten Frauen, deren Garderobe der Haute Couture entstammte.

„Es ist mir völlig egal, ob sie kochen kann oder nicht“, versetzte er schroff. „Ich war jedenfalls nicht von ihren medizinischen Kenntnissen beeindruckt.“

Anna musterte ihn in seinen makellosen dunkelblauen Designer-Shorts und dem kurzärmligen Chambray-Hemd. „Mein lieber Bruder, du hast dich in der Stadt zu einem richtigen Snob entwickelt. Susan mag sich vielleicht wie ein weiblicher Krokodiljäger kleiden, aber als Ärztin ist sie hervorragend. Sie hat in zwölf Monaten mehr für die Einwohner von Bandarra getan als der gute alte Dr. Renton in zwölf Jahren.“

Neuer Ärger stieg in ihm hoch. „Was heißt das schon?“

Sein Vater, Stefano, der sich bisher schweigend hinter der neuesten Ausgabe von Vintner’s Monthly verschanzt hatte, ließ die Zeitschrift sinken und sah Leo durch seine randlose Brille an. „Du scheinst vergessen zu haben, dass Bandarra nicht Melbourne ist und man hier einen großen Mangel an Ärzten hat.“

Rosa seufzte. „Deine Nonna wird alt, figlio mio.“

Leo erschrak. Nein! Er war drauf und dran, sich die Ohren zuzuhalten, wie er es als kleiner Junge immer getan hatte, wenn er etwas nicht hören wollte. Auch jetzt mochte er nicht wahrhaben, dass seine Nonna alt war und bald sterben konnte.

Seine Großmutter war immer ein wichtiger Mensch in seinem Leben gewesen. Sie war für ihn da gewesen, hatte ihn in die Arme genommen und getröstet, wenn seine Eltern in den Weinbergen beschäftigt waren und keine Zeit für ihn hatten, hatte ihn auch mal am Ohr gezogen, wenn er zu frech geworden war, und ihn mit den größten Leckerbissen verwöhnt.

Und nach dem Unfall damals hatte sie ihn ganz fest im Arm gehalten.

Sein Ärger über seine Familie wuchs. „Genug damit. Ich bin hier der Arzt, und ich werde bei meiner Entscheidung bleiben.“ Damit stieß er seinen Stuhl so heftig zurück, dass es ein lautes schrammendes Geräusch gab, und stand auf.

„Nonna braucht mehr als einen Arzt.“ Auch sein Vater erhob sich. Sein entschiedener Tonfall hinderte Leo daran, aus der Tür zu gehen. „In erster Linie braucht sie dich als Enkel. Widme ihr mehr Zeit. Ihr und deiner Familie.“

Leo spürte, wie sich jeder Nerv in seinem Körper anspannte. Er musste weg von hier, sofort. Seit Jahren flog er zwischen Melbourne und Bandarra hin und her, doch er war nie länger als achtundvierzig Stunden geblieben, meistens weniger. „Das geht nicht, Dad. Ich bin beruflich zu sehr eingespannt.“

„Du bist beruflich immer eingespannt.“ Stefano trank seinen restlichen Kaffee aus. „Seit deinem achtzehnten Lebensjahr bist du nicht mehr für längere Zeit nach Hause gekommen. Aber nun bist du da, und diesmal musst du bleiben. Tu es für Nonna und den Rest der Familie.“ Er legte Rosa die Hand auf die Schulter und drückte sie kurz.

Leo wurde die Brust immer enger. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg, um nicht bleiben zu müssen. Allerlei Ausreden fielen ihm ein, doch bei der Miene seines Vaters vergaß er sie sofort wieder. Stefano hätte ihn sofort durchschaut. Aber er wollte sich von den Familienbanden auch nicht an einen Ort zurückziehen lassen, an dem er nicht mehr sein wollte.

Anna zwinkerte ihm aufmunternd zu. „Nun komm schon, Bruderherz. Bleib für eine Weile bei uns. Es wird wieder wie in alten Zeiten sein, und wir werden eine Menge Spaß haben.“

Spaß? Das war das Letzte, was er in Bandarra jemals wieder haben würde.

Obwohl es noch nicht einmal neun Uhr morgens war, drang bereits eine unangenehme Hitze durch die ungetönten Scheiben von Leos Leihwagen. Es würde wieder ein heißer Tag werden.

Leo setzte seine Sonnenbrille auf und klappte den Sonnenschutz herunter. Seit siebzehn Jahren hatte sein Vater nicht mehr so hart mit ihm gesprochen. Außerdem ärgerte Leo sich über die Haltung seiner Familie, wenn es um Nonnas medizinische Betreuung ging. Glaubten sie wirklich, Susan McFarlane war die beste Ärztin für sie?

Er selbst war keinesfalls davon überzeugt. Diese Frau mit ihrer zerknitterten und verschmutzten Kleidung und dem sommersprossigen Gesicht schien eine wandelnde Katastrophe zu sein. Sie sah aus wie einundzwanzig, aber natürlich musste sie älter sein.

Auf Leo machte sie den Eindruck einer Chaotin, die nicht einmal für sich selbst sorgen konnte, geschweige denn für ihre Patienten. Nonna brauchte einen erfahrenen Arzt, keine Praktikantin. Er nahm sich vor, mit dem Chefarzt zu sprechen.

Weinberge und Obstgärten zogen an ihm vorbei, als er in den Ort fuhr. Die fruchtbare rote Erde bot einen farbreichen Kontrast zu dem grünen Laubwerk der Trauben. Bald würde die Weinlese beginnen.

Leos Unbehagen wuchs, und der Ring um seine Brust wurde wieder enger, wie jedes Mal, wenn er Bandarra und die endlosen Weiten des Outback vor sich liegen sah. Er packte das Lenkrad fester und versuchte, die Dämonen der Vergangenheit zu vertreiben, die ihm die Luft zum Atmen nehmen wollten.

Entschlossen bog er links ab, statt die Straße zu nehmen, die am Murray River entlangführte, was wesentlich kürzer gewesen wäre. Wenn er einen drei- bis vierwöchigen Aufenthalt in Bandarra überstehen wollte, musste er den Fluss unter allen Umständen meiden.

Zehn Minuten später betrat Leo das Krankenhaus. Sein erster Blick fiel auf den breiten Rücken eines Mannes im weißen Mantel, der an der Anmeldung stand. Leo lächelte zufrieden. Dieser Kollege sah schon gleich viel vertrauenserweckender aus.

„Entschuldigen Sie bitte …“

Der Arzt wandte sich ihm zu. „Kann ich Ihnen helfen?“

Sein britischer Akzent irritierte ihn etwas. Er reichte ihm die Hand. „Leo Costa, Chirurg. Sind Sie hier der leitende Arzt?“

„Nein, aber ich mache Sie gern bekannt.“ Er drückte Leos Hand. „Justin Willoughby. Super, dass Sie hier arbeiten werden.“

Autor

Fiona Lowe
Fiona Lowe liebt es zu lesen. Als sie ein Kind war, war es noch nicht üblich, Wissen über das Fernsehen vermittelt zu bekommen und so verschlang sie all die Bücher, die ihr in die Hände kamen. Doch schnell holte sie die Realität ein und sie war gezwungen, sich von den...
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