Happy Hour um Mitternacht

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Oh, dieses Prickeln! Die hübsche Barkeeperin Tessa kapituliert: Sie verbringt mit Gabe O’Sullivan, ihrem besten Freund und Boss zugleich, eine sinnliche Nacht. Nur dieses eine Mal, schwört sie sich! Doch dann kommt die nächste Nacht. Und mit ihr erneut die Lust …


  • Erscheinungstag 30.05.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529631
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es war Sommeranfang, und die Sonne brannte heiß vom Himmel. In Manhattan wurde es schwül. Männer wünschten ihr Bier ausdrücklich kalt, und Frauen erwarteten die Martinis eisgekühlt. Eines Donnerstags, die glühende Sonne ging bereits unter, trat eine Frau mittleren Alters mit geröteten Wangen und einem verlegenen Lächeln an den langen Mahagonitresen der Bar im Prime.

Gabriel Cormac Silas O’Sullivan, Eigentümer des Lokals und zugleich Barkeeper, spürte Ärger auf sich zukommen.

„Es gibt ein Problem mit der Damentoilette“, begann die Frau. „Seit zehn Minuten ist die Tür verschlossen, und es ist … Stöhnen zu hören. Teils von einer Frau, teils von einem Mann. Ich finde, Sie sollten mal nach dem Rechten sehen.“

Tessa Hart, eine Angestellte, die Gabe bis zu diesem Moment für loyal gehalten hatte, drehte sich zu ihm um und unterdrückte ein Lachen. „Er ist dein Bruder.“

Ah ja, sein Bruder – so überflüssig wie ein Wurm im Tequila oder Bodensatz im Wein. Und diese Vergleiche waren noch schmeichelhaft.„Ich lege keinen Wert auf ihn. Wirklich nicht.“ Sie waren drei Brüder. Er und Daniel waren normal. Sean war es seiner Meinung nach nicht.

Tessa zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf ihn. „Du bist der Boss. Mach deinen Job.“

Seinen Bruder aus der Damentoilette zu holen, das gehörte nun also zu seinen Pflichten als Besitzer vom Prime, dieser traditionsreichen Bar in Manhattan, die seit fast achtzig Jahren im Besitz der Familie O’Sullivan war. Die alten Holzdielen knarrten, aber sie glänzten frisch poliert. Die drei dunklen Mahagonitresen mit Messingbeschlägen waren u-förmig angeordnet. Fotos von mehr oder weniger berühmten Persönlichkeiten, die im Laufe der Jahre eingekehrt waren, zierten die Wände. Hinter dem größten Tresen hingen Porträts der O’Sullivans der letzten vier Generationen. Sie hatten in diesen Räumen Präsidenten, Mafiabosse, Joe Di Maggio und Bob Dylan bewirtet – und jetzt missbrauchte ein gewisser Sean O’Sullivan dieses noble Lokal als Absteige.

Gabe schaute in die Runde und fragte sich, welches junge Ding Sean diesmal herumgekriegt haben mochte. Als er merkte, wer fehlte, musste er unwillkürlich grinsen. Ausgerechnet die Dame von der Gesundheitsbehörde. Vielleicht war Sean doch nicht so verkehrt. Trotzdem hätte er einen anderen Ort für sein Abenteuer wählen müssen.

Gabe ging die schmale Treppe hinunter und pochte laut an die Tür der Damentoilette.

„Aufmachen. Hier ist die Polizei. Gemäß Paragraf 1043 des New-York-City-Codes sind unsittliche Handlungen an öffentlichen Orten verboten.“

Hinter der Tür erklang Seans Stimme, heiser und gepresst. Gabe brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was dort ablief.

„Dies war kein öffentlicher Ort, bis du hier Alarm geschlagen hast. Und übrigens gibt es keinen Paragrafen 1043. Ich kenne das Gesetz. Jetzt verschwinde und gönn deinem Bruder noch gut sieben – ah, Darling, das ist perfekt – oder besser gleich fünfzehn Minuten.“

„Wir haben zahlende Gäste, die diese Örtlichkeit brauchen.“

Die Reaktion darauf war lediglich erregtes Stöhnen.

Gabe wartete, zählte bis drei und hämmerte erneut an die Tür.

„Du bringst die arme Frau in Verlegenheit“, rief Sean. „Sei ein Gentleman und verschwinde.“

Gabe schüttelte den Kopf. „Na schön, nur glaub ja nicht, dass ich das vergessen werde.“

„Anstatt dich damit zu belasten, solltest du dich lieber um Tessa kümmern.“

Typisch Sean, auf diese Weise von sich abzulenken. Gabe wusste, er sollte diese Bemerkung einfach übergehen, doch er brachte es nicht fertig.

„Was ist mit Tessa?“, fragte er.

„Die Angestellten kommen nicht zu dir, um dir ihr Herz auszuschütten? So etwas aber auch.“

„Was ist mit Tessa?“, wiederholte Gabe ungeduldig. Er hatte nicht übel Lust, die Tür einzutreten.

„Gib mir noch sechs Minuten, und ich erzähle dir die ganze Geschichte, da Tessa offensichtlich Geheimnisse vor dir hat.“

Resigniert seufzend hängte Gabe das Schild „Außer Betrieb“ an die Tür und ging wieder nach oben. Donnerstags war nicht so viel Betrieb wie am Wochenende, doch wenn ein Spiel der Yankees im Fernsehen übertragen wurde, ging es bei Bier und Wetten dennoch hoch her. Den fröhlichen Gesichtern nach zu urteilen, mussten die Yankees wohl in Führung liegen.

Nur zwei Minuten später kam Sean in Begleitung einer großen Brünetten mit Nickelbrille die Treppe hoch. Oben angekommen führte er galant ihre Hände an seine Lippen. Gabe hätte beinahe die Augen verdreht.

„Ich nehme an, wir haben die Inspektion bestanden?“, fragte er bewusst höflich. Nicht dass er Zweifel daran hatte. Das entrückte Lächeln der jungen Frau sprach Bände.

„Mit Bravour“, hauchte sie.

Sean lächelte selbstgefällig. Manchmal hätte Gabe ihn umbringen können, doch als Anwalt hatte sein Bruder weitreichende Beziehungen, und die Bar hatte noch nie Schwierigkeiten mit der Gesundheitsbehörde bekommen. Also beschloss Gabe, ihm auch diesmal zu verzeihen. Im Moment interessierte ihn ohnehin viel mehr, was für Kummer Tessa hatte.

Er warf ihr kurz einen prüfenden Blick zu. Alles schien in Ordnung zu sein. Lässig mixte sie Drinks und wirbelte zur Freude der männlichen Gäste Gläser durch die Luft. Ihm fiel jedoch auf, wie sie zwischendurch an der Locke zupfte, die ihr ständig ins Gesicht fiel. Eine Geste, die bei ihr innere Anspannung verriet.

Tessa zog Probleme geradezu an. Gabe kannte das bereits, doch es machte ihm nichts aus. Wenn seine Angestellten ihn brauchten, war er für sie da. Besonders für Tessa.

Tessa hatte ein untrügliches Gespür für Ärger, und dieser Vorschlag würde definitiv welchen verursachen. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Ich ziehe nicht bei dir ein, Gabe. Du bist mein Boss, unter anderem. Und glaub nicht, dass du mich mit deinen schönen blauen Augen umstimmen kannst. Ich habe gelernt, bei Männern Nein zu sagen. Nein. Non. Nyet. No. Ich kann es auch auf Navajo sagen. Dooda. Siehst du, ich habe kein Problem damit, Nein zu sagen.“

Wie zur Bekräftigung ihres Standpunkts zündete sie den Alkohol im Jägerbomb Shooter an, den sie nebenbei gemixt hatte.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Gabe, der aus einem Eimer Eis in einen Kübel schüttete. Dabei traten vor Anstrengung seine Armmuskeln hervor. Der perfekte Barkeeper, fand Tessa. Verständnisvoll, aufmerksam und ungeheuer sexy.

„Es ist nicht so, wie du denkst, Tess“, sagte er und warf ihr dabei einen ernsten Blick zu. Vier Frauen am Tresen seufzten hingerissen, während sie ihn beobachteten.

Tessa zapfte ein Bier und schob es einem wartenden Gast hin. Tief im Innern wusste sie, dass Gabe es nur gut meinte. Gabriel O’Sullivan war nicht irgendein Barkeeper. Er war ihr Rettungsanker. Er hatte ihr einen Job gegeben, als sie nach dem bitteren Ende ihrer Beziehung mit Denny in Manhattan aufgetaucht war. Obwohl sie damals ziemlich naiv war und sich so verhalten hatte, als könnte man in so einer Situation nichts Gescheiteres tun, als seinen gesamten Besitz in Florida zurückzulassen und nur mit einem Highschool-Zeugnis und umfassendem Wissen über Cocktails ins sündhaft teure New York zu ziehen.

Nicht ein einziges Mal hatte er über sie gelacht. Dafür verdiente er ihre Loyalität, aber das bedeutete nicht, dass sie bei ihm einziehen würde. Da blieb sie fest. Leider hatte sie nur fünf Tage Zeit, eine neue Bleibe zu finden.

„Du brauchst eine Unterkunft“, fuhr er unbeirrt fort. „Ich habe ein leer stehendes Zimmer. Es ist die perfekte Lösung.“

„Ich suche eine Unterkunft“, mischte sich eine unechte Blondine ein, die viel zu viel Eyeliner trug.

„Hatten Sie eben einen Drink bestellt?“, funkte Tessa sofort dazwischen. Die falsche Blondine würde es überleben, zumal der Typ hinter ihr bereits ein Auge auf sie geworfen hatte. Tessa wandte sich wieder Gabe zu. „Musst du nicht woanders mit anfassen? Sieh dir den armen Cain an, er hat alle Hände voll zu tun.“ Sie schaute genauer hin und stellte fest, dass Sean inzwischen sein Jackett und seine Krawatte abgelegt hatte und Cain tatkräftig am anderen Tresen unterstützte. Konnte sie nicht wenigstens einmal in ihrem Leben recht behalten?

„Ich helfe dir hier ein bisschen“, erwiderte Gabe. In dem Moment erschien die Kellnerin Lindy mit einem Bündel Bestellungen. Für Geplauder war nun keine Zeit mehr.

„Meyer’s“, rief Gabe.

„Kommt“, antwortete Tessa und warf ihm die Flasche zu. Gabe fing sie auf, drehte die Flasche hinter seinem Rücken um, goss den Rum in ein Glas und hatte in null Komma nichts einen hübsch verzierten Mai Tai gezaubert.

Tessa, die sich nicht gern die Show stehlen ließ, runzelte die Stirn und warf ein Glas in die Luft, wobei es sich mindestens viermal drehte, bevor sie es wieder auffing. Die Gäste am Tresen applaudierten begeistert. Tessa strahlte Gabe vielsagend an. Ja, sie war gut. Sagenhaft gut. Eine sagenhaft gute Barkeeperin, die demnächst obdachlos sein würde.

Es sei denn, sie nähme das Angebot ihres Chefs an.

Gabe schien ihre momentane Schwäche zu spüren und lehnte sich mit einem entwaffnenden Lächeln zu ihr herüber. „Du brauchst eine Bleibe, Tessa. Zieh zu mir. Das ist die beste Lösung.“

Sie hätte auf dieses Gespräch verzichten können, aber da es offensichtlich sein musste, würde sie ihm jeden einzelnen Grund, weshalb sie nicht bei ihm einziehen konnte, aufzählen. Angefangen mit dem offensichtlichsten.

„Du bist ein Mann.“

„Stimmt.“

Gabe ging so leicht über ihren Einwand hinweg, als wären seine körperlichen Attribute nicht der Rede wert. Doch gerade seine Bescheidenheit machte ihn in ihren Augen unwiderstehlich. Er hatte dunkelbraunes Haar, das sich im Nacken lockte, blaue Augen umkränzt von Lachfältchen und einen sinnlichen Mund. Er war nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zu kräftig und nicht zu schlank. Er selbst nannte sich durchschnittlich. Verglichen mit der starken animalischen Ausstrahlung von Sean war er das auch, dennoch lagen die Frauen ihm reihenweise zu Füßen.

Tessa warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ich bin eine Frau.“

Er stellte Lindy drei Cocktails aufs Tablett. „Auch richtig.“

„Wir können nicht wie Bruder und Schwester zusammenleben.“ Tessa hatte bisher immer nur mit Frauen zusammengewohnt. Vielleicht hätte sie bei einem weniger attraktiven Mann eine Ausnahme gemacht – aber Gabe? Nein. Da war Ärger vorprogrammiert.

Sean schlängelte sich zu ihnen durch und ergatterte einen Platz neben einer hübschen Brünetten.

„Ich dachte, du arbeitest“, sagte Gabe zu ihm.

„Ich habe dir nur einen Gefallen getan. Doch jetzt habe ich die Telefonnummer, auf die ich scharf war, und höre lieber dieser interessanten Unterhaltung zu. Ein Mann und eine Frau unter einem Dach – das wäre ein riesiger Fehler.“

Gabe schüttelte einen Wodka mit Martini. „Bei Tessa habe ich keine Bedenken.“

Tessa hätte sich fast verschluckt und musste husten. „Ich weiß nicht, wie ich es überhaupt mit euch aushalte.“

Lässig warf Gabe ihr ein Lächeln zu. Für eine Sekunde war die Ähnlichkeit zwischen den Brüdern unübersehbar. „Du hältst es mit uns aus, weil wir dich mögen und du die schnellste Mojito-Mixerin an der Atlantikküste bist“, erwiderte er. „Sean, sag ihr, dass sie bei mir einziehen soll.“

Sean stützte sein Kinn in die Handfläche. „Warum sollte ich zu dem Verlust unserer besten Kraft beitragen? Oh nein, Gabe. Wenn sie bei dir einzöge, würdet ihr zwei nicht mehr voneinander loskommen, sondern nur noch grabbeln, fummeln …“ Sean illustrierte es mit anschaulichen Gesten. „Ich würde viel Geld darauf wetten.“

Tessa vermied es, Gabe anzusehen. „Ich sollte euch beide verklagen. Das grenzt ja an sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.“

„Komm schon, Tess“, drängte Gabe beharrlich. „Du weißt, dass es die ideale Lösung wäre. Zumindest vorübergehend.“

„Dann müsstest du vorübergehend auf Damenbesuch verzichten“, merkte Sean trocken an. „Mit der ehrbaren Tessa als Mitbewohnerin kannst du das vergessen. Ein weiterer Grund, weshalb ich davon abraten würde.“

„Ich mische mich nie in das Privatleben meiner Mitbewohner ein“, verteidigte sich Tessa.

Seans Miene wurde streng. „Stell dir vor, du kommst nach Hause, und Gabe ist mit einem hübschen Mädchen auf dem Sofa beschäftigt. Was tust du?“

„Wie spät ist es?“, fragte Tessa, während sie einen Jack Daniels einschenkte.

„Was spielt das für eine Rolle?“, wunderte sich Gabe.

„Es ist wichtig. Wenn es noch Tag ist, sollte ich mich ohnehin auf meine Bücher stürzen. Dann wäre es mir egal, was im Wohnzimmer vor sich geht. Ich würde mich zurückziehen und lernen, sonst klappt es nie mit meinen Abschluss.“

„Das nenne ich abgebrüht.“

„Du hast nicht in so vielen Wohngemeinschaften gelebt wie ich. Man muss Regeln beachten, sonst wird man verrückt. Ihr beide habt eine eigene Wohnung. Nicht mehr lange, und auch ich werde eine haben.“

Tessa seufzte und stellte sich vor, wie sie die mächtigen Steinstufen des Gebäudekomplexes Hudson Towers hochschritt und Rodney, dem Doorman, zuwinkte. Sie sah sich in den altertümlichen Lift steigen, der anfing zu ruckeln, wenn er über den dritten Stock hinausfuhr. Oben angekommen würde sie die Tür zu ihrem kleinen Paradies aufstoßen, eine CD von Cher einschieben und sich dann auf einen hübschen blauen Chintzsessel fallen lassen. Eine große Tigerkatze würde sich auf ihrem Schoß zusammenrollen, schnurrend wie ein Vibrator, den sie sich kaufen würde, sobald sie allein lebte.

Allein zu wohnen hatte viele Vorteile. Die meisten Leute nahmen sie als selbstverständlich hin. Tessa, die immer eine Mitbewohnerin gehabt hatte, die die letzte Milch ausgetrunken hatte, träumte davon, wie andere Frauen von teuren Schuhen träumen mochten. Bald würde sie sich die Miete für eine Zweizimmerwohnung ganz für sich allein leisten können. Ihre Ersparnisse waren mittlerweile recht ansehnlich, und sobald sie ihre Prüfung zur Buchhalterin bestanden hatte, würde sie einziehen können.

„Nun, bis es so weit ist, komm zu mir“, schlug Gabe abermals vor.

Sie schüttelte den Kopf. „Musst du denn immer versuchen, den edlen Ritter zu spielen?“

„Denk wenigstens darüber nach“, bat er. „Und falls du mit dem Gedanken spielen solltest, dich hier im Lager einzuquartieren, bis du eine Wohnung findest, warne ich dich, Tessa. Es verstößt gegen das Gesetz.“

„In welchem Staat?“

„In meinem Staat. Meine Bar. Mein Staat. Meine Regeln.“

Die Lage war ziemlich klar. Fünf Tage vor ihrem Auszugstermin blieb ihr wohl kaum eine andere Wahl, als Gabes Angebot anzunehmen.

Die ganze Nacht schenkte Gabe Drinks aus an Scharen von Frauen, die alle darauf hofften, endlich Mr. Right zu treffen, und an Scharen von Männern, die in ihrem Kielwasser schwammen. Der Job war hart, doch war dies genau das Leben, von dem er immer geträumt hatte.

Schon als Kind hatte er in der Bar seines Großvaters ausgeholfen, illegal, was es nur umso reizvoller gemacht hatte. Später hatte er die Nachfolge seines Onkels angetreten, der den Betrieb zuletzt geleitet hatte, da Gabes Vater schon mit sechsundfünfzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war.

Trotz mancher finanzieller Schwierigkeiten hatte er es geschafft. Er hatte die Innenausstattung modernisiert, den Namen von O’Sullivan’s in Prime geändert und plante als Nächstes, die Wand zum Nachbarraum einzureißen, um die Bar zu vergrößern.

Er zwinkerte einer besonders hübschen Frau mit kohlschwarzem Haar und bernsteinfarbenen Augen zu, die ihn verheißungsvoll anfunkelten. Jasmine, erinnerte er sich. Er schob ihr ein Glas Wein hin. „Du siehst heute wieder bezaubernd aus. Warum lungern nicht fünf Typen um dich rum, um dich auf einen Drink einzuladen?“ Es war nicht der originellste Spruch, doch er wollte ja auch nichts mit ihr anfangen, er wollte nur, dass sie sich in seiner Bar wohlfühlte.

Tessa gab ihm im Vorbeigehen einen Klaps auf den Po. Gabe drehte sich nicht einmal um, sondern unterhielt sich weiter mit Jasmine. „Kümmre dich nicht um sie. Sie ist wahnsinnig verknallt in mich, aber ich lasse sie immer wieder abblitzen.“

Tessa murmelte etwas Unverständliches und arbeitete am anderen Ende des Tresens weiter.

Irgendwann zog Jasmine von dannen, und nacheinander nahmen Cosmopolitan-Amy, Banana-Daiquiri-Lauren, Kamikaze-Rachel und, für einen kurzen Moment, Wild-Turkey-Todd auf ihrem Hocker Platz. Die Stunden vergingen wie im Flug, wie immer, wenn viel Betrieb herrschte, doch Gabe geriet nicht einmal ins Schwitzen.

Gegen Mitternacht flaute der Andrang etwas ab. Gabe beobachtete, wie Cain am hinteren Tresen Seth einen Zwanziger reichte, was nur eins bedeuten konnte: Es lief eine neue Wette unter den Kollegen.

Er ging nach unten, wo sich Küche, Büro, Lager und Badezimmer befanden. Am Schwarzen Brett hing wie erwartet ein Blatt Papier mit einem Gitter voller Zahlen und Buchstaben. Allerdings war nicht zu erkennen, um was für eine Wette es sich handelte.

Gabe genoss die Ruhe und begann, Getränkekartons zu zerlegen. Bald nach ihm kam Cain herunter und fügte dem Gitter auf dem Zettel ein neues Quadrat hinzu. Cain war ein ruhiger, kräftiger Typ, ein schlecht bezahlter Feuerwehrmann, der am Wochenende als Barkeeper jobbte, um über die Runden zu kommen. Da er, Gabe, jeden Mann danach beurteilte, wie schnell er einen Martini mixen konnte, konnte ihm das nur recht sein. Cain war fast so gut wie Tessa. Fast.

„Worum geht die Wette?“, fragte Gabe.

„Das willst du nicht wissen“, antwortete Cain, während er den Geschirrspüler mit Gläsern belud.

„Doch, das möchte ich.“

„Es war Seans Idee.“

Das klang nicht beruhigend. „Worum geht es?“

„Wie lange ihr, du und Tessa, es aushalten werdet.“

„Als Zimmernachbarn?“

„Bis ihr Sex miteinander habt.“

Gabe war völlig perplex. „Du nimmst mich auf den Arm, nicht wahr?“

Cain sah ihn mit einem ironischen Grinsen an. „Nein. Möchtest du auch etwas Geld setzen?“

Gabe schluckte. Es gab Frauen, mit denen er Sex hatte, und es gab Frauen, mit denen er keinen Sex hatte. Tessa hatte er in Gedanken auf diesem Gebiet schon lange für tabu erklärt. Vor vier Jahren war sie traumatisiert von ihrer letzten Beziehung nach New York gekommen. Die meisten Frauen wären bald zur Tagesordnung übergegangen, aber Tessa war anders. Sie hatte sich klare Ziele gesetzt. Männer hatten seitdem in ihrem Leben keinen Platz. Nur deshalb konnte er sie sich überhaupt als Mitbewohnerin vorstellen, und auch nur, weil er sich grundsätzlich jeden erotischen Gedanken an sie verbot.

Er überspielte seine Verwirrung mit einem Lächeln. „Ihr habt hoffentlich nichts zu Tessa gesagt, oder?“

„Soll das ein Witz sein? Sie hat sich gleich an der Wette beteiligt.“

Oh Gott. Gabe lächelte tapfer weiter. „Armes Ding. Ich werde ihr mein Nein behutsam beibringen. Wie lange glaubt sie, es aushalten zu können?“

„Bis die Hölle zufriert. Letzter Eintrag, gleich hier.“ Cain deutete auf die Tafel.

„Das hat sie gesagt?“

„Ihre genauen Worte will ich lieber nicht wiederholen. Also, willst du etwas setzen? Es ist schon ein fetter Einsatz im Topf.“

Gabe drückte die Pappkartons mit unnötig viel Kraft zusammen. „Halt den Mund, Cain.“

„Ich muss sowieso wieder nach oben. Lindy kann nicht alle Tresen allein betreuen.“

„Tessa ist schon weg? Ich wollte noch mit ihr reden, bevor sie nach Hause geht.“

Cain zuckte mit den Schultern. „Ihre Schicht ist vorbei. Wenn du dich beeilst, holst du sie vielleicht noch ein, bevor ihre U-Bahn kommt.“

Gabe unterdrückte einen Fluch und stürmte hinaus in die Dunkelheit. Die Luft war kühl und nach all den Stunden in der Bar herrlich erfrischend.

Er fing an zu laufen. Der U-Bahnhof lag zwei Treppen tiefer gleich um die Ecke. Er war bevölkert vom üblichen Publikum. Eine Gruppe Partygänger, die den Weg zurück nach Jersey zu finden versuchte. Ein mittelmäßiger Saxofonspieler, ein paar Kids auf dem Nachhauseweg. Eine Gruppe ausländischer Touristen, die Fotos machte. Und da stand Tessa, ganz allein, und wartete auf den Zug.

„Warum machst du das? Du weißt, dass einer von uns dich hierher begleiten soll.“

„Man braucht keinen Schutz nach Einbruch der Dunkelheit mehr, seit Bürgermeister Giuliani die Dinge in die Hand genommen hat, Gabe. Außerdem habe ich mein Pfefferspray dabei.“

„Trotzdem.“

„Weshalb bist du wirklich hier?“, fragte sie ihn ruhig.

Das war Tessa. Stets kontrolliert. Prüfend musterte er sie, aber sie zeigte kein Anzeichen von Schwäche, was ihn immer wieder überraschte.

Nicht dass sie hart war. Oh nein, Tessa war immer freundlich, doch sie blieb reserviert und achtete darauf, dass kein Mann ihr zu nahe kam.

Dennoch wirkte sie seltsam verletzlich mit ihrem wilden braunen Haar, das noch nie einen ordentlichen Schnitt bekommen hatte, und dem feinen Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Ihre grünen Augen sahen müde aus, aber sie wippte immer noch voller Energie auf den Sohlen ihrer Laufschuhe vor und zurück, auf dem Nachhauseweg zu einem Apartment, aus dem sie in fünf Tagen ausziehen musste.

„Ich wollte noch einmal mit dir über den Umzug sprechen. Daniel wird mich am Montag vertreten, sodass wir den ganzen Tag Zeit haben.“ In Wirklichkeit war er ihr nur nachgegangen, um zu sehen, ob die Sache mit der Wette sie beunruhigte. Das schien allerdings nicht der Fall zu sein. Und wenn sie nicht besorgt war, dann war er es auch nicht.

„Du weißt, dass das für mich nur eine Übergangslösung ist.“

„Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest. Ich benutze den Raum sowieso nur selten. Ich kann die paar Sachen darin im Lager unterbringen.“

„Kommt nicht infrage. Ich werde nicht viel Platz brauchen. Außerdem habe ich bereits ein paar Anschläge auf dem Campus verteilt und eine Suchanzeige auf einer Internetseite aufgegeben, also wird sich hoffentlich bald etwas Geeignetes für mich finden. In spätestens drei Wochen bist du mich los.“

„Es spielt keine Rolle, wie lange du bleibst. Das weißt du.“

„Ja, das weiß ich, und du bist sehr süß, aber ich muss selbst für mich sorgen.“

„Ich bin nicht süß.“

„Ach, du willst, dass ich den Umzug ganz allein bewerkstellige, du ganz und gar nicht süßer Mann?“

Gabe schob die Hände in die Taschen. „Wie viele Möbel hast du?“

„Ein Bett und einen Nachtschrank. Dann sind da noch ein paar Bücher“, antwortete sie mit einem liebenswerten Lächeln.

„Ach du meine Güte, ich schätze, es wird sieben Minuten dauern, das alles einzuladen. Ich leihe mir Cains Truck und bin um zehn bei dir.“

Die Lichter des Zugs tauchten im Tunnel auf. Tessa stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Gabe einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. „Du bist wirklich süß.“

„Ich bin nicht süß.“

Tessa deutete aufgeregt über den Bahnsteig. „Sieh mal, die alte Lady da – sie wird gerade beraubt!“

Gabe rannte sofort los, doch Tessas Lachen stoppte ihn.

„Reingefallen!“

Er kehrte um und gab ihr einen Klaps auf den Arm. „Ich wollte eigentlich noch das Zimmer für dich sauber machen, aber jetzt nicht mehr.“

Die Türen des Zugs glitten auf. Tessa winkte, bevor sie in den Waggon einstieg.

Gabe machte sich nicht die Mühe zurückzuwinken. Süß fand sie ihn. Na vielen Dank.

2. KAPITEL

Der Umzug war ein Kinderspiel. Kein Wunder, wenn das gesamte persönliche Eigentum in drei Umzugskartons passte. Bis auf das altersschwache Bett, das Gabe jetzt abschätzig musterte.

Er baute sich vor dem dünnen Metallgestell auf und drückte skeptisch mit einem Finger auf die Matratze. „Das ist dein Bett?“

Es war dumm, sich wegen einer Matratze, die in den Müll gehörte, zu ereifern, aber Gabes Widerwillen angesichts ihres spärlichen Besitzes erinnerte Tessa daran, wie viel sie noch erreichen wollte.

„Eine federleichte Matratze lässt sich einfacher transportieren.“ Sie warf sie sich über die Schulter, um es zu demonstrieren. „Siehst du?“

Er rührte sich nicht. „Das kommt nicht in meine Wohnung.“

„Dies ist mein Bett. Worauf soll ich denn schlafen?“

Autor

Kathleen Oreilly
<p>Kathleen schrieb ihren ersten Liebesroman im Alter von 11, welcher, zu ihrem ungebrochenen Erstaunen, laut in ihrer Klasse in der Schule vorgelesen wurde. Nach 20 Jahren ist sie jetzt stolz Karriere als Romanautorin gemacht zu haben. Kathleen lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in Texas.</p>
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