Hast du mich nie geliebt?

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Seit Janine auf der herrlichen Insel Skarios den griechischen Tycoon Nikos Kiriakis kennen gelernt hat, scheint sich ihr Traum von wahrer Liebe zu erfüllen. Er umwirbt sie zärtlich. Allerdings ahnt sie nicht, dass Nikos ihr etwas Wichtiges verschweigt.


  • Erscheinungstag 20.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717018
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Nikos! Du musst unbedingt etwas unternehmen! Diese kleine Schlampe hat Stephanos total den Kopf verdreht. Er kann nicht mehr klar denken.“

Nikos Kiriakis betrachtete die Frau, die vor ihm in ihrem Krankenhausbett lag. Sie sah furchtbar aus. Der Anblick traf ihn mitten ins Herz. Sie wirkte blass und verhärmt, zehn Jahre älter als neununddreißig. Obwohl die Operation medizinisch gesehen nur eine Bagatelle gewesen war, war sie dadurch psychisch völlig aus der Bahn geworfen worden.

Und zu allem Übel hatte sich ihr Mann offensichtlich genau diesen Moment ausgesucht, um ihr untreu zu werden.

Nikos’ Augen nahmen einen harten Ausdruck an. Seine ältere Schwester war Stephanos Ephandrou immer eine gute Ehefrau gewesen. Das hatte sie einfach nicht verdient. Vor allem jetzt nicht.

Nicht nachdem ihr der Arzt gerade das Ergebnis des Eingriffs mitgeteilt hatte. Beide Eileiter waren offensichtlich beschädigt. Das bedeutete, all die Jahre, in denen sie so verzweifelt versucht hatte, Stephanos ein Kind zu schenken, waren umsonst gewesen.

Nachdem Demetria Nikos das Ergebnis der Operation mitgeteilt hatte, hatte er versucht, eine möglichst optimistische Haltung einzunehmen. Er erwiderte, dass die Ärzte ihr jetzt jedenfalls den Grund für ihre chronische Unfruchtbarkeit geliefert hätten und dass es immer noch viele Möglichkeiten gebe, schwanger zu werden. Künstliche Befruchtung sei eine davon, die selbst in ihrem Alter durchaus funktionieren könne. Bestimmt würde sie Stephanos eines Tages das Kind schenken, nach dem beide sich so sehnten. Sie dürfe die Hoffnung einfach nicht aufgeben.

Doch dann hatte Demetria plötzlich die Bombe platzen lassen.

„Ob du es glaubst oder nicht, er will gar kein Kind von mir! Er hat eine andere Frau!“

Ihre Stimme klang bitter. Sehr bitter.

Nikos war wie vom Donner gerührt. Von allen Männern, die er kannte, war Stephanos der letzte, dem er eine Geliebte zugetraut hätte. Er war Demetria stets treu ergeben gewesen. Bei ihrer Hochzeit hatte er laut und deutlich verkündet, er sei froh darüber, dass sie ihrem ersten Mann keine Kinder geschenkt habe. Damals hatten sie allerdings noch nicht gewusst, was sich jetzt herausgestellt hatte – dass mit den Zeugungsorganen seiner Frau etwas nicht in Ordnung war.

Stephanos hatte sie geheiratet, nachdem er alles getan hatte, um ihr die grausame Wahrheit vor Augen zu führen: dass ihr erster Mann ein notorischer Schürzenjäger war. Demetrias Vater hatte ihr diesen Bräutigam ausgesucht, der zwar aus derselben sozialen Schicht kam wie sie, aber auch nach der Hochzeit keinen Grund gesehen hatte, seinen sexuellen Appetit zu zügeln. Jetzt sah es tatsächlich so aus, als wäre Stephanos aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er. Sein Vergehen schien noch größer zu sein. Denn was sollte man von einem Mann halten, der sich eine Geliebte zulegte, während seine Frau einen verzweifelten Kampf gegen ihre Unfruchtbarkeit führte?

Seufzend ließ Nikos sich auf der Bettkante nieder. Behutsam griff er nach Demetrias Hand.

„Bist du sicher, dass du dir das Ganze nicht nur einbildest?“, fragte er besorgt. „Ich kann es einfach nicht glauben. Stephanos würde sich dir gegenüber doch nie so brutal verhalten.“

Seine Schwester drückte ihm die Hand, die Augen weit aufgerissen.

„Ich bin mir ganz sicher. Er hat sich eine fünfundzwanzigjährige blonde Freundin zugelegt und sie in einem seiner Hotels versteckt. Er hat sich total verändert, ist wie besessen von dieser Frau. Das spüre ich, Nikos. Du musst mir glauben, ich spreche die Wahrheit!“

Ihre Stimme klang schrill.

„Hilf mir bitte, ich flehe dich an!“

Nikos ließ ihre Hand los.

„Du sagst, er hat sie in einem seiner Hotels untergebracht? Erzähl mir mehr davon.“ Äußerlich wirkte er ganz ruhig. Tatsächlich war sein erster Impuls gewesen, seinen Schwager zusammenzuschlagen. Aber das würde er seiner Schwester natürlich nicht sagen.

Demetria schluckte und atmete tief durch.

„Ihr Name ist Janine Fareham. Sie hat Stephanos in London am Flughafen Heathrow kennengelernt. Er hat sie sofort mitgenommen und bei sich untergebracht.“

Nikos blickte sie starr an. „In Athen?“ Die Kleine schien ganz raffiniert zu sein. Sein Mund verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen.

Demetria schüttelte den Kopf.

„Nein, er hat sie in sein neues Hotel auf Skarios gebracht“, erwiderte sie mit einem bitteren Unterton. „Wahrscheinlich hat er gedacht, ich würde es nicht herausfinden.“

Nikos sah sie stirnrunzelnd an.

„Und wie hast du es herausgefunden?“

Demetria seufzte tief. „Durch Philip“, erklärte sie. „Er hat es mir gesagt. Stephanos verhielt sich so seltsam, da wusste ich, dass etwas nicht stimmte.“

Nikos überraschte diese Nachricht nicht. Philip war Stephanos’ rechte Hand. Normalerweise konnte man sich hundertprozentig auf seine Diskretion verlassen. Aber er hatte nun einmal eine Schwäche für Demetria. Wahrscheinlich war es für sie ein Leichtes gewesen, die Wahrheit aus ihm herauszukriegen. Im Stillen verfluchte er Philip. Für Demetria wäre es besser gewesen, er hätte geschwiegen.

Erneut griff sie nach seiner Hand.

„Du wirst etwas tun, nicht wahr? Bitte hilf mir, ich flehe dich an! Mit Stephanos kann ich nicht reden, das bringe ich einfach nicht übers Herz. Er versucht die ganze Zeit, mir gegenüber nett zu sein. Aber das funktioniert nicht. Er ist so merkwürdig, so distanziert. Er kann mir ja nicht einmal in die Augen schauen. Daran ist nur diese Frau schuld! Sie hat ihn fest in ihren Klauen. Bestimmt ist sie eine dieser Schlampen, die sich einem reichen Mann an den Hals werfen und denen es ganz egal ist, welchen Schaden sie damit anrichten.“

Ihre Stimme wurde wieder schriller, fast hysterisch.

„Sie hat ihm völlig den Kopf verdreht. Ich weiß es. Und ich kann es ihm nicht einmal übel nehmen.“ Sie schluchzte. „Sieh mich doch nur an – ich werde immer älter und kann keine Kinder bekommen. Ich bin zu nichts nütze, zu rein gar nichts. Kein Wunder, dass er mich nicht mehr will.“ Tränen glitzerten in ihren Augen.

Beruhigend drückte Nikos ihr die Hand. Dann beugte er sich vor und küsste seine Schwester auf die Wange.

„Jeder Mann könnte stolz sein, dich zur Frau zu haben“, versicherte er ihr. „Stephanos muss verrückt geworden sein.“ Er stand auf und sah auf sie hinab. „Vergiss nicht, Unfruchtbarkeit kann auch einem Mann schwer zu schaffen machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Anfall vorübergehen wird. Er kommt bestimmt wieder zu dir zurück.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte Demetria verzweifelt und sah ihren Bruder beschwörend an. „Du musst etwas tun, Nikos. Sorg dafür, dass wir sie wieder loswerden. Bitte! Tu, was getan werden muss! Lass dir etwas einfallen!“

Nikos blickte sie mit sorgenvoller Miene an. Seine Schwester schien ganz außer sich zu sein. Sie war alles, was ihm nach dem Tod seiner Eltern noch von seiner Familie geblieben war. Bisher hatte sie viel leiden müssen, und er hätte sich sehr gewünscht, dass ihr Leben von nun an leichter geworden wäre. Er hatte ihr beigestanden und sie die ganze Zeit unterstützt, seit sie die Scheidung eingereicht hatte. Stephanos war der richtige Mann für sie, davon war er überzeugt. Wenn er ihr dabei helfen konnte, ihre zweite Ehe zu retten, würde er es tun – egal, was es ihn kosten würde.

Nikos wusste genau, worum seine Schwester ihn bat. Seine Gesichtszüge verhärteten sich.

„Du schaffst es! Wenn es überhaupt jemand fertig bringt, uns von dieser Plage zu befreien, dann bist du es!“ Sie atmete tief durch. „Frauen sind leichte Beute für dich. Sorg dafür, dass dieses Mädchen sich in dich verliebt. Dass sie sich Stephanos aus dem Kopf schlägt.“

„Vielleicht sollte ich einmal mit Stephanos reden“, meinte Nikos nachdenklich.

Demetria schüttelte den Kopf. „Nein, nur das nicht! Ich könnte es nicht ertragen, wenn er erfährt, dass ich es weiß. Es gibt nur einen Weg. Ich habe lange darüber nachgedacht. Du musst dafür sorgen, dass sie sich in dich verliebt. Wenn ich schwanger würde, wäre alles wieder gut. Aber solange diese kleine Schlampe an ihm hängt, wird er nie zu mir zurückkommen. Nie!“

Nikos wurde schlagartig klar, wie schlecht es um seine Schwester bestellt war. Sie hatte sich immer wieder an die Hoffnung geklammert, doch noch schwanger werden zu können. Aber anscheinend waren die Chancen sehr gering. Sie durfte sich nicht so aufregen, das war bestimmt nicht gut für sie.

Worum sie ihn bat, war allerdings auch keine Kleinigkeit. Sie hoffte, er könnte ihre Ehe retten. War das realistisch?

Ein Blick auf die verzweifelte Frau genügte, um ihn zu einer Entscheidung zu bewegen. Sein Entschluss stand fest.

„Ich werde tun, was ich kann“, versprach er ihr.

Demetria stieß einen tiefen Seufzer aus und entspannte sich ein wenig.

„Danke, Nikos!“, sagte sie erleichtert. „Ich habe gewusst, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du darfst keine Zeit verlieren, hörst du? Mach dich gleich an die Arbeit! Sorg dafür, dass sie Stephanos in Ruhe lässt.“

„Gut, wie du meinst. Aber nur unter einer Bedingung – du musst sofort mit der Behandlung anfangen. Die Ärzte haben dir gesagt, was zu tun ist. Es gibt Hoffnung, dass deine Eileiter wieder geheilt werden können. Aber so etwas braucht Zeit. Vielleicht solltest du noch andere Ärzte konsultieren. Bestimmt gibt es auch im Ausland Experten für künstliche Befruchtung. In Amerika zum Beispiel. Flieg nach Amerika, und sorg dafür, dass Stephanos dich begleitet. Diese Bitte wird er dir nicht abschlagen können. Ich brauche Zeit, um diesen Plan in die Tat umzusetzen. Verstehst du mich?“

Ihre Augen leuchteten auf, sie schien wieder Hoffnung zu fassen. „Sophias Tochter heiratet demnächst in den USA“, sagte sie. „Ich war mir nicht sicher, ob das in Stephanos’ Terminplanung passt. Aber vielleicht klappt es ja. Ich könnte einen Spezialisten in New York aufsuchen, und danach könnten wir gemeinsam nach Long Island fahren.“

Die Röte war aus ihrem Gesicht verschwunden, sie wirkte ruhiger. Auch ihre Stimme klang nicht mehr so schrill.

Nikos nickte erleichtert.

„Eine gute Idee! Ich brauche mindestens zwei Wochen, um das Mädchen herumzukriegen. Du musst dafür sorgen, dass Stephanos mir in dieser Zeit nicht in die Quere kommt.“

„Zwei Wochen, ich verspreche es dir“, erwiderte Demetria erleichtert. „Du bist wirklich ein Schatz! Ich wusste, du würdest mir helfen! Ich danke dir so sehr!“

Nachdem Nikos sich davon überzeugt hatte, dass Demetria bei den Schwestern in guten Händen war, verließ er sie. Er konnte noch immer nicht fassen, dass sein Schwager ein solcher Narr war. Sich mit zweiundfünfzig in eine Fünfundzwanzigjährige zu verlieben, war zwar nicht ungewöhnlich, aber er hatte solche Männer persönlich stets bedauert. Sie schienen ihrer eigenen Jugend hinterherlaufen zu wollen.

Andererseits gehörten zu einer solchen Beziehung immer zwei. Und seine Verachtung für bedauernswerte alte Narren war nichts im Vergleich zu der Verachtung, die er für jüngere Frauen empfand, denen es nur ums Geld ging. Stephanos Ephandrou war ein reicher Mann. Das machte ihn für Frauen dieses Schlags offensichtlich sehr attraktiv.

Nun, die Kleine würde sich wundern! Er lächelte grimmig beim Gedanken an seinen Plan, sie nach Strich und Faden zu verführen. Nikos zweifelte nicht einen Moment daran, dass es ihm gelingen würde, das Mädchen zu umgarnen. Was das Geld anging, so war er mindestens so reich wie sein Schwager. Aber er sah wesentlich besser aus, und er hatte keine Ehefrau, die an ihm hing. Außerdem war er zwanzig Jahre jünger. Bisher hatte es noch keine Frau gegeben, die ihm ernsthaft widerstanden hätte.

Demetria hatte sich den Richtigen für ihren Plan ausgesucht. Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Bisher hatte sie seine zahlreichen Affären immer verurteilt und sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass er sich endlich niederlassen und heiraten würde. Doch nun schien sein unsteter Lebenswandel gut in ihr Konzept zu passen.

Nun, er hatte sich seinen schlechten Ruf als Casanova nicht umsonst erworben – jetzt konnte er dadurch wenigstens seiner Schwester einen Dienst erweisen.

Mit schnellen Schritten überquerte er den Parkplatz und ließ sich hinter das Steuer seines Sportwagens gleiten. Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Lippen.

Er würde tun, was er seiner Schwester versprochen hatte. Es war an der Zeit, Miss Janine Fareham einen Besuch abzustatten. Einen Besuch, den sie so schnell nicht vergessen sollte. Er würde dafür sorgen, dass sie diese Affäre mit seinem Schwager beendete – ein für alle Mal.

1. KAPITEL

Janine drehte sich auf den Bauch und stieß einen langen, genüsslichen Seufzer aus. Vor ihr tanzten die Sonnenstrahlen auf dem türkisfarbenen Wasser des Pools. Dahinter reckten sich Zypressen in den tiefblauen Himmel.

Von ferne drang der Lärm spielender Kinder an ihr Ohr. Ansonsten war es ganz ruhig. Sie spürte die Wärme der Sonne wie eine Liebkosung auf ihrer nackten Haut.

Das Hotel war eine Oase des Luxus. Es war gerade erst als das letzte Glied in der Kette von Stephanos’ Immobilienbesitz eröffnet worden. Voller Stolz hatte er es ihr vorgeführt, als er sie hierher gebracht hatte.

Sie lächelte verträumt.

Stephanos! Noch immer konnte sie ihre Begegnung kaum fassen. Als er sie auf dem Flughafen zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sie wie eine Erscheinung angestarrt. Danach war es um ihn geschehen gewesen. Ohne zu zögern, hatte er sie aus ihrem gewohnten Leben gerissen und sie hierher nach Griechenland gebracht. Und nichts war mehr so gewesen wie vorher.

Ein Schatten fiel auf ihr Gesicht. Schade war nur, dass er so wenig Zeit für sie hatte. Oh, er war von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen, und sie verstand, dass er ihre Existenz vorläufig geheim halten musste. Sie würden zunächst nur wenig Zeit füreinander haben. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum er sie nach Griechenland gebracht hatte.

„Selbst wenn ich nicht immer bei dir sein kann, mein Liebling, sollst du doch alles haben, was du brauchst“, hatte er zu ihr gesagt.

Janine lächelte bei dem Gedanken an seine Fürsorge. Dann wurde sie wieder ernst. Erst gestern Abend hatte er sie angerufen, und er hatte keine guten Nachrichten für sie gehabt. Aber sie hatte ihr Bestes getan, um ihn zu beruhigen.

„Mach dir um mich keine Sorgen“, hatte sie gesagt. „Fahr ruhig nach Amerika. Mir geht es hier prima, ich bin mit allem versorgt.“

Doch er schien über den Plan nicht glücklich gewesen zu sein. Wie fürsorglich er ist, dachte sie gerührt. Dabei war es wirklich nicht nötig, dass er sich ihretwegen Gedanken machte. Sie war so froh, ihn in ihrem Leben zu haben. Nichts und niemand würde sie auseinanderbringen. Für immer wollte sie ein Teil von ihm sein, auch wenn dies bedeutete, dass sie zunächst im Verborgenen bleiben musste.

Janine schloss die Augen. Die Hitze machte sie müde. Sie beschloss, nicht mehr an die Zukunft zu denken, sondern nur noch diese traumhafte Gegenwart zu genießen.

Ein stärkerer Kontrast zu ihrem normalen Leben ließ sich kaum denken …

Nikos stand auf der Terrasse und betrachtete den Pool. Der Ausdruck seiner Augen hinter der Sonnenbrille war kalt. Das war also das Mädchen, das seinem Schwager den Kopf verdreht hatte. Die Frau, die die Ehe seiner Schwester zerstören wollte.

Glücklicherweise stand er im Schatten und hatte Gelegenheit, sie in aller Ruhe zu beobachten.

Seine Gefühle waren sehr zwiespältig. Zuerst fühlte er Wut – bittere Wut darüber, dass dieses Geschöpf die Macht hatte, seine Schwester zur Verzweiflung zu bringen.

Doch dann spürte er noch etwas ganz anderes.

Es ließ sich nicht leugnen, das Mädchen sah einfach hinreißend aus.

Er hatte viel Erfahrung auf dem Gebiet, und diese Frau gehörte eindeutig zur Spitzenklasse. Sie hatte ihm ihr Profil zugewandt und hielt die Augen geschlossen. Dennoch konnte er selbst aus der Entfernung sehen, wie schön sie war. Das lange blonde Haar fiel ihr auf den leicht gebräunten Rücken.

Mit Kennermiene betrachtete Nikos sie. Bis auf den knappen Bikini war sie nackt. Sie schien nicht besonders groß zu sein, aber ihre Kurven waren atemberaubend.

Sie war anmutig und sexy. Sehr, sehr sexy.

Er verstand sofort, warum Stephanos ihr nicht hatte widerstehen können.

Rasch zwang er sich wieder zur Vernunft. Sein Schwager war verheiratet und hätte ihr widerstehen müssen. Er hingegen brauchte in dieser Hinsicht keinerlei Skrupel zu haben. Im Gegenteil, er hatte seiner Schwester sogar in die Hand versprechen müssen, das Mädchen zu verführen.

Seine Mission war klar. Er würde alles tun, um Janine Fareham dazu zu bringen, sich von Stephanos zu trennen.

Erleichtert stellte er fest, dass ihn dies keine allzu große Überwindung kosten würde. Im Gegenteil, es würde ihm ein Vergnügen sein, es der jungen Frau mit gleicher Münze heimzuzahlen. Sie hatte seiner Schwester das Herz gebrochen. Nun sollte sie am eigenen Leib erfahren, wie es war, anderen Kummer zuzufügen.

Er gönnte es sich, ein paar Minuten lang den Anblick der schönen Blondine in aller Ruhe zu genießen. Doch bevor er sich allzu lang in seinen sexuellen Fantasien ergehen konnte, tauchte plötzlich das verhärmte Gesicht seiner Schwester vor ihm auf, die ihn anflehte, ihr zu helfen.

Seine Züge wurden hart, und er setzte sich in Bewegung.

Janine wäre fast eingeschlafen. Sie befand sich noch immer im Zustand zwischen Schlafen und Wachen und hatte daher zunächst gar nicht gehört, dass sich ihr jemand näherte. Plötzlich vernahm sie Schritte und öffnete die Augen.

Vor ihr stand ein ihr unbekannter Mann. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig. Was wollte er von ihr? Gehörte er zum Personal?

„Miss Fareham?“ Die Stimme war tief und männlich. Sein makelloses Englisch verriet ihr, dass er nicht zu den dienstbaren Geistern gehörte. Dieser Mann war es gewohnt, Befehle zu erteilen, und nicht, sie entgegenzunehmen.

Auch hatte sie nicht den Eindruck, er wäre ein Hotelgast. Denn alle Gäste trugen Freizeitkleidung. Dieser Mann hingegen war wie ein Geschäftsmann gekleidet.

Janines Herz schlug plötzlich schneller.

Seine Augen waren hinter einer dunklen Brille verborgen, aber sie spürte seinen intensiven Blick auf sich gerichtet. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie fast nackt war, während er einen Anzug trug. Dieser formale Unterschied gab ihr das Gefühl, ihm schutzlos ausgeliefert zu sein.

Schnell richtete sie sich auf und griff nach dem Sarong, der neben ihr auf dem Boden lag. Noch immer fühlte sie sich im Nachteil, da er sie um vieles überragte. Für einen Griechen war er sehr groß – knapp zwei Meter, schätzte sie.

Sie stand auf und knotete sich hastig das Tuch um die Hüften.

Der Fremde ließ sie nicht aus den Augen. Das machte sie nervös, und der Grund dafür war offensichtlich.

Vor ihr stand der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte.

Von Natur aus schon gut ausgestattet, schien er dazu auch noch sehr wohlhabend zu sein. Sein Anzug war eindeutig nicht von der Stange. Wenn es ein passendes Wort für seine Erscheinung gab, so hätte Janine wohl „exklusiv“ gewählt. Er wirkte, als wäre Geld für ihn kein Problem. Sein Haar war nach der neuesten Mode kurz geschnitten, und seine Sonnenbrille trug das Logo eines Top-Designers.

Seine Nase war klassisch gerade und kräftig, und der Mund …

Der Mund … kein Bildhauer hätte diese vollen, geschwungenen Lippen schöner formen können. „Sinnlich“ war das Wort, das Janine dazu einfiel. Nur mit Mühe riss sie sich von seinem Anblick los.

Wieso hatte ein Fremder eine solche Wirkung auf sie? Weil sie noch nicht richtig wach war und er sie aus dem Schlummer gerissen hatte? Es kam ihr vor, als würde sich die Erde mit einem Mal schneller drehen. Träumte sie diese ganze Szene vielleicht nur?

Was war anders als vorher?

Janine zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren. Denn etwas war merkwürdig an dieser Begegnung. Dieser Fremde schien genau zu wissen, wer sie war. Woher?

„Darf ich fragen, wer Sie sind?“, erkundigte sie sich. Wenn er nicht zum Personal oder zu den Gästen gehörte, was hatte er hier verloren? Ob es etwas mit Stephanos zu tun hatte?

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und sah ihn aufmerksam an.

Oh Mann, dachte Nikos bei sich, sie ist perfekt. Einfach perfekt. Das Idealbild einer sexy Blondine.

Das Merkwürdige war nur, sie kam ihm nicht billig oder gewöhnlich vor. Es gab nur ein Wort, um sie zu beschreiben. Sie war schön im klassischen Sinne. Ihr Gesicht war oval, ihre Augen waren von einem tiefen Braun, ihre Lippen sanft geschwungen. Ihre Nase war klein und perfekt geformt. Eine leichte Bräune verlieh ihrer Haut einen goldenen Schimmer. Das blonde Haar fiel ihr wie ein Schleier bis zur Hüfte.

Sofort regte sich in ihm das Verlangen nach ihr. Es traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Damit hatte er nicht gerechnet. Überrascht registrierte er die verräterische Reaktion seines Körpers. Doch schließlich war er ein Meister der Selbstbeherrschung. Nach ein paar Sekunden hatte er sich wieder völlig im Griff.

Es war gut, dass sie ihm gefiel. Das würde ihm die Aufgabe erleichtern. Aber er musste es in der richtigen Perspektive sehen. Hier ging es nicht nur um sein persönliches Vergnügen, sondern um Rache für seine Schwester. Diese Begegnung hatte nur einen einzigen Zweck – dafür zu sorgen, dass das Mädchen seinen Schwager ein für alle Mal in Ruhe ließ.

Bis dahin war es noch ein weiter Weg. Ein Weg, der ihm großes Vergnügen bereiten würde, das wusste er schon jetzt. Mit Befriedigung stellte er fest, dass seine Erscheinung ihre Wirkung auf Janine nicht verfehlt hatte. Sie reagierte auf ihn wie alle Frauen, mit unverhüllter Begierde.

Janine hatte den Eindruck, als könnte er ihre Gedanken lesen. Sie errötete tief, unfähig, sich von seinem intensiven Blick zu lösen.

Er gefiel ihr, daran bestand kein Zweifel. Nicht nur sein Aussehen faszinierte sie. Natürlich strahlte er Sex-Appeal aus. Aber es war mehr als das, etwas fast schon

Animalisches.

Es berührte sie dort, wo noch kein Mann sie bisher berührt hatte.

Janine war über sich selbst schockiert.

Wie konnte sie so stark auf einen Mann reagieren, den sie gerade erst getroffen hatte? Dessen Augen hinter der Brille verborgen blieben? Ihr Körper reagierte auf ihn mit allen Zeichen lustvoller Begierde. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss und ihre Brustspitzen sich aufrichteten.

Nikos blieb ihre Reaktion nicht verborgen. Sie passte perfekt zu seinem Plan. Genau das hatte er gewollt – dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte.

Es würde kein Problem sein, sie zu verführen, dessen war er sich sicher.

Frauen reagierten immer so auf ihn. Seit er im richtigen Alter war, hatten sie ihn geradezu verfolgt. Mit zwanzig Jahren hatte er dies auch weidlich ausgenutzt, sehr zum Kummer seiner Schwester. Inzwischen war er über dreißig und viel wählerischer geworden. Er zog Frauen vor, die sich in seiner Welt bewegen konnten. Frauen, die geistreich und diskret waren. Vor allem aber Frauen, die wieder aus seinem Leben verschwanden, wenn er sie verließ, was am Ende immer geschah.

Auch diese Frau vor ihm würde seinen Verführungskünsten nicht widerstehen können, dessen war er sich sicher. Er lächelte siegesgewiss.

„Wir haben einen gemeinsamen Bekannten“, sagte Nikos. „Stephanos Ephandrou.“ Er merkte, wie sie bei der Erwähnung dieses Namens zusammenzuckte.

„Ach ja?“, sagte Janine. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste, dass Stephanos sehr auf Diskretion bedacht war. Eigentlich sollte ihre Bekanntschaft ein Geheimnis bleiben. Doch dieser Fremde schien von ihrer Beziehung zu wissen. Das verunsicherte sie.

Nikos spürte, was in ihr vorging, und erneut stieg Ärger in ihm auf. Falls er bisher noch Zweifel an der Richtigkeit von Demetrias Behauptungen gehabt hatte, verschwanden sie jetzt. Ganz klar, das Mädchen hatte eine Affäre mit Stephanos. Am liebsten hätte er sie geschüttelt und ihr gesagt, wie schändlich er ihr Benehmen fand.

Aber er zwang sich zur Vernunft. Es wäre falsch, ihr jetzt seine Wut zu zeigen. Janine Fareham durfte nicht wissen, wer er war. Sonst würde es ihm nie gelingen, sie zu verführen. Und dazu musste er ihre Freundschaft gewinnen.

Deshalb lächelte er beruhigend. Er hatte vorher lange überlegt, wie er sich ihr nähern sollte, und zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen. Er hätte es so einrichten können, dass sie sich als völlig Fremde begegnet wären. Dabei hätte er sich nicht zu verstellen brauchen. Er hätte sie verführt, und das wäre es dann gewesen. Aber schließlich hatte er sich dagegen entschieden. Denn er durfte nicht vergessen, mit wem er es hier zu tun hatte. Eine junge Frau, die ihr Geld mit älteren, reichen Männern verdiente, musste ziemlich raffiniert sein. Sie würde nicht auf jeden Casanova hereinfallen, der ihre Beziehung zu ihrem Beschützer gefährden könnte. Wenn Nikos sich aber stattdessen als ein Freund von Stephanos ausgab, würde sie ihm viel eher vertrauen.

„Hätten Sie Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?“, schlug er vor. „Dann können wir in Ruhe über alles sprechen.“ Er zeigte auf die kleine Bar unter den Olivenbäumen am Ende des Pools.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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