Hat unser Glück eine Chance?

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Der Anblick ist atemberaubend: Langsam gleitet die bildhübsche junge Frau im Evaskostüm in das kühle Wasser. Hingerissen beobachtet Grant das faszinierende Schauspiel. Ist das wirklich Stephanie? Früher war sie die freche Kleine von nebenan, inzwischen leitet sie Grants Ranch, die er an diesem Tag seit Jahren zum ersten Mal wieder besucht. Stephanies Zauber nimmt ihn sofort gefangen. Stundenlang könnte Grant ihren Plänen lauschen, will sie küssen, umarmen - und vergisst beinahe, weshalb er gekommen ist: Die Ranch soll verkauft werden. Hat ihr Glück überhaupt eine Chance?


  • Erscheinungstag 30.05.2009
  • Bandnummer 1683
  • ISBN / Artikelnummer 9783862953622
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Grant Clifton hatte an diesem sonnigen Sonntagnachmittag nur die besten Absichten im Sinn. Er war fest entschlossen, Stephanie Julen und ihre Mutter Marie rechtzeitig in seine Pläne über den Ranchverkauf einzuweihen, damit sie sich an den Gedanken gewöhnen konnten. Und er wusste schon genau, wie er es ihnen so schonend wie möglich beibringen würde: Zunächst würde er sie daran erinnern, dass man sich nicht ewig an die Vergangenheit klammern konnte. Dass man manchmal einfach loslassen musste, um sich weiterzuentwickeln und um erfolgreich sein zu können.

Er selbst hielt sich an diese Devise, und es ging ihm wunderbar dabei. Er würde Steph und Marie zeigen, dass es auch für sie das Beste war.

Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war ein wunderschöner Tag. Da ihm vor der Aussprache noch Zeit blieb, rief er im Stall an und ließ sich von einem der Stallburschen seinen Wallach Titan satteln. In letzter Zeit war er nicht oft zum Ausreiten gekommen – schließlich hatte er jetzt einen Schreibtischjob. Seine Tage als Rancher waren vorbei. Mittlerweile wohnte er in einer komfortablen Privatsuite im Hotelgebäude des Thunder Canyon Resorts.

Als er in Jeans, Stiefeln und einem blauen Baumwollhemd in den Stall kam, stand Titan schon bereit. Der schwarze Wallach wieherte freudig und warf den Kopf hin und her, als könne er es gar nicht abwarten. Grant lieh sich vom Stallburschen einen Cowboyhut und saß auf.

Sein Vater wäre sehr entrüstet gewesen, dass er überhaupt ohne Hut im Stall erschienen war – früher war der Cowboyhut aus Stroh ein Erkennungszeichen der Clifton-Männer gewesen. Aber sein Vater hätte gegen seinen neuen Lebensstil sowieso eine Menge einzuwenden gehabt. Pech für ihn. Grant zog sich den Hut tiefer ins Gesicht und lenkte Titan vom Hof. Als sie das Hotelgelände verließen, galoppierte das Pferd sofort los.

Er ritt querfeldein. In der Ferne glitzerten auf den Berggipfeln noch Schneefelder, und das Gras auf den sanft gewellten Hügeln leuchtete frisch und grün. Wie immer in Montana wehte ein leichter Wind, der die Sommerhitze erträglich machte.

Während er es seinem Pferd überließ, den geeignetsten Weg zu suchen, überlegte er weiter, was er Steph und ihrer Mutter sagen wollte. Natürlich würden die beiden nicht begeistert sein, aber immerhin konnten sie sich auf ihn verlassen. Er würde dafür sorgen, dass sie außerhalb der Ranch Arbeit fanden.

Tief in Gedanken erreichte er das Gebiet der Clifton’s Pride Ranch. Er schlug mit Titan einen Feldweg ein und passierte nach einiger Zeit ein Viehgatter, das er sorgfältig wieder hinter sich schloss. Ein paar Kühe schauten ihn erwartungsvoll an. Er tippte an seinen geliehenen Hut und ritt weiter. Vor ihm lag der Cottonwood Creek, ein von Pappeln gesäumter Wasserlauf. Die Bäume kamen ihm höher und dichter vor als früher: Das Wasser war nicht mehr zu sehen. Grant schnalzte mit der Zunge und trieb Titan an. Er wollte die Sache schnellstens hinter sich bringen. Noch ein paar Minuten bis zum Ranchhaus, dann würde er Steph und ihrer Mutter die große Neuigkeit verkünden: dass er ein wunderbares Angebot bekommen hatte und die Clifton’s Pride Ranch verkaufen würde.

Über eine sanfte Steigung gelangten er und sein Pferd in das Pappelwäldchen. Auf dem weichen moosbedeckten Boden machten die Pferdehufe kein Geräusch. Einzig das leise Murmeln des Baches war zu hören. Als Titan den höchsten Punkt erreicht hatte, konnte Grant den kristallklaren Wasserlauf auch sehen.

Doch es war nicht der Anblick des Bachs, der ihm den Atem stocken ließ. Unwillkürlich zog er die Zügel an, und Titan blieb lautlos stehen.

Am Ufer stand eine Frau. Eine nackte Frau. Wassertropfen glitzerten auf ihrer gebräunten Haut. Aus ihrem feuchten Haar, das ihr auf die Schultern fiel, lief ein Rinnsal ihren schlanken Rücken hinunter.

Unfähig, sich zu rühren, beobachtete er sie. Als sie ihr Haar mit beiden Händen im Nacken zusammennahm, flossen weitere Rinnsale über ihren Rücken. Himmel! Je länger er den Anblick genoss, desto heißer wurde ihm. Wie erstarrt saß er im Sattel und spürte heftiges Verlangen in sich aufsteigen.

Was zum Teufel hatte eine nackte Frau allein am Cottonwood Creek zu suchen – noch dazu auf dem Land seiner Familie?

Nun ja, er würde sie sicher nicht fragen. Jedenfalls nicht gerade in diesem Augenblick. Aber das hieß nicht, dass er nicht herausfinden würde, wer diese badende Schönheit war. Er wollte sie unbedingt näher kennenlernen. Sehr nah sogar. Doch wenn er sich ihr ausgerechnet jetzt vorstellte, wäre sie wahrscheinlich nicht begeistert.

Ganz sacht legte er den linken Zügel an Titans Hals, um das Pferd zur Kehrtwendung zu bewegen. Titan wollte sofort reagieren, als die Frau zur selben Zeit die Arme über den Kopf hob und laut lachte. Es war ein wunderbarer Klang – frei und glücklich, völlig unbeschwert.

Grant zuckte zusammen. Dieses Lachen kannte er. So lachte nur Steph.

Verwirrt blinzelnd ließ er Titan erneut anhalten. Das war unmöglich. Diese atemberaubend schöne, nackte Frau sollte Steph sein?

Wie betäubt schüttelte er den Kopf. Stephanie Julen war praktisch noch ein Teenager und wie eine kleine Schwester für ihn. Schnell rechnete er nach. Sie war … einundzwanzig.

Verdammt. Nein, das war doch unmöglich!

Wieder lachte die Frau. Dann drehte sie sich ohne Vorwarnung um, erblickte ihn zu Pferd am Ufer – und bemerkte, dass er sie anstarrte. Ihre grünen Augen weiteten sich vor Schreck, und sie rief entsetzt: „Grant?“ Hektisch versuchte sie, mit den Händen ihre Blöße zu bedecken. „O Gott …“

Wenigstens war er nun so geistesgegenwärtig, das Pferd wirklich zu wenden. Mit dem Rücken zu Steph blieb er stehen. „Zieh dich an“, rief er ihr zu. Dabei gab er sich Mühe, seine Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, was angesichts seiner Erregung gar nicht so einfach war. „Du kannst mit mir zum Haus zurückreiten.“

Sie stöhnte nur leise und antwortete nicht.

„Na komm schon.“ Er zwang sich eisern, nach vorn zu schauen. „Ist doch nicht so schlimm. Tut mir leid, dass ich dich überrascht habe.“

Schließlich nahm er wahr, wie sie sich hastig anzog. Er nutzte die Gelegenheit, um ein paar Mal tief durchzuatmen. Wenn er sich beherrscht und unbeeindruckt gab, würde sie am schnellsten über diese Peinlichkeit hinwegkommen.

Fragte sich nur, ob er das auch schaffte.

Nach ein paar Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, hörte er hinter sich ein Pferd schnauben. Steph gesellte sich auf dem Rücken ihrer Lieblingsstute Trixiebelle zu ihm.

Einfach unglaublich. Er hatte die nackte Frau so intensiv angestarrt und darüber nachgedacht, wie er sie verführen konnte, dass er das Pferd etwas weiter oben am Ufer völlig übersehen hatte.

Während die beiden Pferde sich begrüßten, lächelte Grant Steph gelassen an. Doch allein ihr Anblick ließ sofort wieder das Verlangen in ihm aufsteigen.

Ihre Kleider waren ebenso nass wie sie selbst. Das Hemd klebte an ihrem Oberkörper und betonte ihre wunderbaren Kurven. Kurven, die er bis vor ein paar Augenblicken nie bemerkt hatte – und die er so bald nicht wieder vergessen würde.

Aber davon zu träumen, Steph zu verführen? Das ging nun wirklich nicht. War das nicht sogar illegal? Zumindest war es höchst unmoralisch. Oder?

Das nasse Haar umrahmte ihr süßes Gesicht, das jetzt flammend rot war. „Wie lange hast du …“ Sie schluckte, bevor sie fortfuhr: „… mich beobachtet?“

„Gar nicht“, schwindelte er und lächelte weiter. „Ich war gerade oben angekommen und wollte wieder umdrehen, als du mich gesehen hast.“

Ein weiteres Mal wendete er das Pferd und ritt zum Bachbett hinunter. Steph folgte ihm. Doch da er sicher war, dass sie die beste Stelle zum Überqueren kannte, ließ er sie am Ufer an sich vorbei. Er bedeutete ihr, die Führung zu übernehmen.

Steph war sich des Mannes hinter sich nur allzu bewusst, als sie Trixiebelle ins flache Wasser lenkte und den Bach durchquerte. Auf der anderen Seite nahmen sie die Steigung am Ufer und gelangten durch das Pappelwäldchen auf das offene Weideland. Grant schloss zu ihr auf und ritt neben ihr.

Sie blickte ihn nicht an. Im Moment brachte sie es einfach nicht fertig, ihm in die Augen zu schauen. Wenn sie wenigstens nicht noch immer deutlich spüren würde, dass sie knallrot war. So schlimm war die ganze Situation auch wieder nicht gewesen.

Na ja, aber eben peinlich. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, dass Grant ausgerechnet dann auftauchen würde, wenn sie sich gerade ein kurzes Bad gönnte. Schließlich kam er mittlerweile selten zur Ranch. Seit er ihr vor sechs Monaten die Leitung übertragen hatte, war dies das erste Mal. Und vorher war er stets mit seinem schwarzen Geländewagen vorgefahren.

Seit er im Hotel arbeitete, hatte Grant eben keine Zeit mehr für die Ranch. Innerhalb von zwei Jahren war er vom Vertriebsassistenten zum Teilhaber aufgestiegen. Und er genoss seine Freizeit genauso wie seine Arbeit. Die meisten Abende verbrachte er in Gesellschaft der wechselnden Schönheiten, die im Hotel Urlaub machten. Die Frauen lagen ihm zu Füßen. Immerhin war er zweiunddreißig, Single und verdiente gut.

Steph warf ihm einen Seitenblick zu, doch er starrte weiterhin geradeaus. Zu allem Überfluss sah er verboten gut aus, wie ihr erneut auffiel, als sie versonnen sein Profil betrachtete – die ebenmäßig geformte Nase, der sinnliche Mund, das markante Kinn … Außerdem war Grant eins neunzig groß, gut gebaut und durchtrainiert.

Der Anblick einer nackten Frau war für ihn nichts Neues, das wusste sie. Wahrscheinlich bekam er jede Nacht eine andere zu sehen.

Eifersucht stieg heiß in ihr auf. Sie war in Grant Clifton verliebt, seit sie fünf war. Und natürlich war ihr klar, dass er ihre Gefühle niemals erwidern würde. Er mochte sie. Sehr sogar. Aber eben nicht auf diese Art.

Und damit konnte sie gut leben. Das redete sie sich zumindest ein.

Wenigstens spürte sie, wie ihre Wangen sich allmählich abkühlten und ihr Herz nicht mehr wie verrückt klopfte. Grant hatte sie also nackt gesehen. Na und?

Anstatt einfach den Mund zu halten, lieferte sie überstürzt eine völlig unnötige Erklärung ab: „Rufus und ich haben eine Kuh aus dem Teich auf der hinteren Weide gezogen …“

Rufus Dale war der beste Arbeiter auf Clifton’s Pride gewesen, solange Steph zurückdenken konnte. Als Grant den Job im Hotel bekommen hatte, war Rufus für ihn eingesprungen. Doch seine zunehmende Arthritis hatte ihm zu schaffen gemacht, sodass schließlich Steph die Leitung der Ranch übernommen hatte.

„Er war genauso nass wie ich, und ich habe ihn zur Ranch zurückgeschickt. Du weißt ja, wie er drauf ist. Es ärgert ihn, dass er viele Dinge, die früher so leicht für ihn waren, nicht mehr machen kann.“

Grant antwortete nicht und sah sie auch nicht an. War er etwa sauer auf sie, weil sie an einer Stelle nackt gebadet hatte, wo jeder, der zufällig vorbeikam, sie sehen konnte?

Nervös fuhr sie fort: „Ich war von oben bis unten voll Schlamm. Und als ich zum Bach kam, konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich bin mitsamt den Kleidern reingesprungen, damit alles ausgewaschen wird, aber dann war ich klatschnass … so wie jetzt.“ Sie schaute an sich herunter. „Und da dachte ich mir, dass es herrlich sein müsste, das Wasser ohne Kleider … Na ja, du weißt schon.“

Als er darauf nur ein Brummen verlauten ließ, hörte es sich für sie fragend und beinahe vorwurfsvoll an. „Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass jemand vorbeikommt“, sagte sie hastig.

„Steph.“

Sie schluckte. „Ja?“

Schweigen. Unruhig rutschte sie im Sattel hin und her. War er sauer? Belustigt? Was? Sie hatte keine Ahnung.

Endlich schaute er zu ihr herüber und lächelte breit. „Mach dir keine Gedanken, okay? Ich kenne das Gefühl.“

Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln. „Ehrlich?“ Liebe Güte. Sie hörte sich an wie ein naives Gör.

Zumindest tat er so, als ob er davon nichts gemerkt hatte. „O ja. Nichts geht über ein Bad in einem kalten, klaren Bach an einem heißen Tag.“

„Na dann …“ Leider fiel ihr nichts Schlaueres ein. Lahm setzte sie hinzu: „Gut.“

Den Rest des Weges ritten sie, ohne ein weiteres Wort zu wechseln. Steph versuchte, den Anblick der grünen, hügeligen Landschaft zu genießen. Angestrengt bemühte sie sich, nicht darüber zu grübeln, ob Grant vielleicht doch sauer auf sie war. Warum sonst redete er nicht mit ihr und schaute sie kaum an?

Beim Ranchhaus begrüßte der alte Jagdhund Bart sie stürmisch, als er seinen früheren Herrn erkannte. Grant stieg ab und kraulte ihm die Ohren. „Guter Junge.“

Sie führten die Pferde zum Stall, als Rufus ihnen entgegenkam. Nachdem er Grant die Hand geschüttelt hatte, übernahm er gleich das Kommando. „Geht ins Haus, ihr zwei. Um die Pferde kümmere ich mich schon. Ich kann mich hier noch immer nützlich machen, wisst ihr?“

Sie dankten ihm und schlenderten über den Hof zu dem schlichten, zweistöckigen, mit weißen Holzschindeln verkleideten Haus. Auf der vorderen Veranda blieb Steph stehen, um ihre matschverkrusteten Stiefel auszuziehen.

Drinnen gingen sie direkt in die Küche. Dort war Stephs Mutter Marie Julen gerade damit beschäftigt, ein Blech frisch gebackener Kekse zum Abkühlen auf einen Rost zu legen. Dann drehte sie sich um und strahlte Grant an. „Na schau mal, wer da ist.“

Grant lachte. „Der Duft hat mich hergeführt.“

„Komm her, du.“

Mit zwei Schritten durchquerte Grant die Küche und umarmte Stephs Mutter. Als er sich wieder von ihr löste, hielt er sie an den Schultern fest. „Hast du die Kekse etwa nur für mich gebacken?“

„Na klar – obwohl ich gar nicht wusste, dass du heute kommst“, gab Marie zurück und wandte sich ihrer Tochter zu. „Die Kuh ist jetzt wohl wieder im Trockenen?“

Steph nickte. „Und ich brauche dringend eine Dusche. Hey!“ Sie warf Grant einen gespielt entrüsteten Blick zu, als er sich mit Keksen bediente. „Lass mir auch noch welche übrig!“

„Kann ich nicht versprechen.“ Er zwinkerte ihr dabei zu, und sie hoffte, dass das peinliche Schweigen zwischen ihnen damit endgültig vorbei war.

Auf dem Weg nach oben hörte sie, wie ihre Mutter Grant mit ihren Kochkünsten zum Bleiben verführte. „Zum Abendessen gibt es Schmorbraten.“

Ihr Herz schlug höher, als sie seine Antwort vernahm: „Den lass ich mir auf keinen Fall entgehen.“

Grant war geradezu erleichtert, als Steph nach oben verschwand. Er brauchte ein paar Minuten ohne sie. Langsam musste er sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie praktisch direkt vor seiner Nase zu einer wunderschönen jungen Frau geworden war.

Wieso hatte er das bisher nie bemerkt?

Aber darüber wollte er gar nicht nachdenken. Schließlich war er aus einem bestimmten Grund hergekommen, und den durfte er nicht aus den Augen verlieren. Es würde ihm nicht leichtfallen, den beiden vom Verkauf der Ranch zu erzählen. Aber da er zum Abendessen blieb, hatte es damit keine Eile. Er würde das Thema einfach bei Tisch anschneiden, denn dann würden Rufus und der andere Rancharbeiter Jim Baylis auch gleich davon erfahren. Und er könnte sämtliche Fragen sofort beantworten und ihnen versichern, dass er allen einen neuen Arbeitsplatz besorgen würde.

Steph gab ja bereits Reitstunden im Hotel. Bisher tat sie das nur nach Vereinbarung, aber bestimmt ließ sich in den Ställen eine Vollzeitbeschäftigung für sie finden. Und Marie würde vielleicht ein Job Spaß machen, bei dem sie kochen konnte. Nicht im Hotel, sondern irgendwo in der Stadt.

Nachdem er sich die Hände gewaschen hatte, setzte er sich an den Küchentisch.

„Ein Bier?“, fragte Marie.

„Gern.“

Sie stellte die Flasche vor ihm ab und schaute im Ofen nach dem zweiten Blech Kekse. Für das Leben auf der Ranch war Marie wie geboren. Sie liebte es, den Haushalt zu führen und die Arbeiter mit ihren Kochkünsten satt und glücklich zu machen. Und wenn es nötig war, stieg sie auch selbst aufs Pferd und half den anderen, die Herde auf die Sommerweiden zu treiben.

Während er ihr zuschaute, verglich er unwillkürlich die Mutter und die Tochter. Steph hatte Maries helles Haar und ihre grünen Augen geerbt. Die hochgewachsene Gestalt und schlanke Figur hatte sie jedoch von ihrem Vater, denn Marie war klein und pummelig.

Als Grant ein Kind gewesen war, hatte den Julens die Nachbarranch Triple J gehört. Marie und Grants Mutter Helen waren beste Freundinnen gewesen, Stephs und Grants Väter ein eingeschworenes Team. Grants Schwester Elise und Steph hatten miteinander gespielt. Sowohl Helen als auch Elise lebten inzwischen in der Großstadt Billings. Sie hatten Grant die Leitung der Ranch überschrieben, besaßen jedoch Anteile am Gewinn – einschließlich des hohen Verkaufspreises, den er jetzt erzielen würde.

Helen und Elise fühlten sich in der Stadt wohl. Für Marie und Steph hingegen war es eine Katastrophe gewesen, als sie vor sechs Jahren ihre Ranch verkaufen mussten. Schon immer waren sie Rancher aus Leidenschaft gewesen, und nur der Tod von Stephs Vater hatte sie dazu gezwungen.

„Wie ich höre, ist dein Hotel zum Feiertag am vierten Juli komplett ausgebucht“, bemerkte Marie, die am Herd stand.

Grant prostete ihr mit der Bierflasche zu. „Allerdings. Könnte nicht besser laufen. Immer mehr Wintersportgäste finden auch im Sommer her und lassen sich vom Wellnessangebot im Hotel und der herrlichen Landschaft hier verführen. Klar, nach dem Unabhängigkeitstag wird’s wieder ruhiger, aber wir sind zufrieden.“ Er lächelte breit. „Du solltest es aber nicht immer mein Hotel nennen.“

Zwar war er mittlerweile Teilhaber, aber die Idee und das Kapital zum Aufbau der Ferienanlage hatte die einflussreichste Familie der Gegend, die Familie Douglas, gehabt.

„Jedenfalls können sie froh sein, dass du für sie arbeitest“, erklärte Marie stolz.

Wieder dachte er daran, was er ihr und den anderen beim Abendessen mitteilen wollte, und hasste sich fast dafür. Aber der Verkauf war eine logische Entscheidung. Er würde nie mehr auf der Ranch arbeiten, und auch seine Mutter und Schwester hatten kein Interesse daran. Im Andenken an seinen Vater hatte er es zumindest versucht, aber er war einfach kein Rancher und würde auch nie einer werden. Wieso sollte er das großzügige Verkaufsangebot also nicht annehmen?

„Jeder weiß doch, dass es deine Idee war, das Hotel ganzjährig zu öffnen“, fügte Marie hinzu. „Noch ein Bier?“

Nachdem Grant dankend abgelehnt hatte, entschuldigte er sich, um Rufus zu suchen und mit ihm zu reden. Er verließ das Haus und betrat den Stall. Dort saß der grauhaarige Cowboy mit einer Zigarette in der Hand auf einem Heuballen.

„Versuch wenigstens, nicht die Scheune abzufackeln, wenn du dich schon mit den Dingern umbringen musst“, bemerkte Grant.

Rufus gab nur einen Knurrlaut von sich, steckte die noch nicht angezündete Zigarette hinters Ohr und erhob sich steif. „Willst du schon wieder los? Ich habe Titan gerade abgesattelt.“

„Setz dich hin. Ich bleibe zum Abendessen.“

„Kluge Entscheidung. Marie kocht nämlich einfach fantastisch.“ Langsam ließ Rufus sich wieder auf den Heuballen sinken. „Heute soll es Schmorbraten geben.“

„Ja, habe ich auch gehört.“

Der alte Cowboy tastete nach der Zigarette, hielt dann aber inne und sah Grant an. „Sie macht sich gut, falls du das wissen willst.“

Grant wusste genau, wen er mit sie meinte. Aus Gründen, über die er nicht näher nachdenken wollte, gab Grant sich jedoch ahnungslos. „Wer? Marie?“

„Nein“, erwiderte Rufus geduldig. „Nicht Marie. Ich meine die kleine Stephanie – die nicht mehr so klein ist wie früher, falls dir das noch nicht aufgefallen ist.“

Betont gleichgültig zuckte Grant die Schultern und versuchte gleichzeitig, das Bild der nackten Schönen am Bach aus seinem Kopf zu verdrängen. „Doch, doch. Dabei kommt es mir wie gestern vor, dass sie mit Zöpfen und kurzen Hosen auf dem Hof rumgerannt ist.“

„Das Mädel ist die geborene Rancherin. Sie arbeitet hart und genießt jede Minute dabei. Und clever ist sie außerdem. Wenn du sie als Leiterin behältst, wird sie uns noch alle überraschen und mit der Ranch wieder Gewinn machen.“

Clifton’s Pride zum finanziellen Erfolg führen? Das wäre wirklich eine reife Leistung. Selbst seinem Vater, der niemals aufgegeben hatte, war das nicht gelungen. Zwar waren sie immer irgendwie zurechtgekommen, aber reich geworden waren sie dabei nicht.

Keine Chance – das sagte ihm seine eigene Erfahrung. Schließlich hatte er es nach dem tragischen Tod seines Vaters selbst sieben Jahre lang versucht. Er hatte es geschafft, keine Schulden zu machen – aber es war nie wirklich vorangegangen.

Als der alte Rufus sein Nachfolger geworden war, hatte sich gezeigt, dass es nicht an ihm gelegen hatte. Mittlerweile war die Ranch zwar nicht pleite, aber sie hatte auch nie Gewinn abgeworfen.

Misstrauisch sah er Rufus an. „Als ich sie eingestellt habe, um dich abzulösen, warst du nicht gerade begeistert. Und jetzt bist du plötzlich ihr größter Fan?“

„Na ja, stimmt schon. Ich hatte meine Zweifel, ob sie’s packt. Aber ich habe Augen im Kopf. Das Mädchen hat Grips und Ausdauer. Sie weiß, was sie tut, und sie hat gute Ideen.“

„Verdammt, ich krieg langsam Angst. So eine Lobeshymne hab ich von dir noch nie gehört, seit du hier arbeitest.“

Rufus grinste. Doch die Antwort des alten Mannes bekam Grant nicht mehr mit, weil er in dem Moment durch die offene Stalltür auf den Hof hinausschaute und Steph sah.

Steph trug frische Jeans, saubere Stiefel und eine tailliert geschnittene, rote Bluse, die ihre zauberhaften Kurven betonte. Ihr goldblondes Haar war wieder trocken und fiel ihr glänzend auf die Schultern.

Mit schwingenden Hüften kam sie auf ihn zu, und er konnte nur sprachlos zuschauen. Sie war so schön! Es nahm ihm den Atem und ließ sein Herz schneller schlagen. Heißes Verlangen schoss durch seinen Körper. Verdammt, er benahm sich wie ein Idiot. Wenn Rufus ihn jetzt genau beobachtete, würde er schnell mitbekommen, wie die süße, unschuldige, clevere Stephanie auf den Boss wirkte.

Und dabei war sie weiß Gott nicht die einzige schöne Frau, mit der Grant je zu tun gehabt hatte. Wie zum Teufel konnte ihm nur so was passieren?

Als sie durch die Stalltür kam, tauchte die Sonne von draußen ihr Haar in gleißendes Licht und ihr Gesicht in Schatten. Grant schaffte es endlich, sich wieder zu bewegen, doch da stand sie schon vor ihm.

„Hey, ihr zwei. Mom hat gesagt, dass du hier bist.“ Sie streckte die Hand aus, ergriff seine und lächelte ihn an. „Komm mit. Ich muss dir was zeigen.“

Sein ganzer Arm begann zu kribbeln, und ihr verführerischer Duft nach Shampoo, Sonne und Weiblichkeit stieg ihm in die Nase. Es kostete ihn seine ganze Willensstärke, sie nicht einfach an sich zu ziehen und zu küssen. Ganz egal, ob Rufus danebensaß oder nicht.

Verdammt, das ist nicht gut, dachte er. Das sieht mir gar nicht ähnlich.

Ganz im Gegenteil. Sicher, in der Gegend war er als Frauenheld bekannt. Ihm gefiel eben die Gesellschaft schöner Frauen. Welchem Mann ging das nicht so? Aber er machte sich nie länger Gedanken über sie. Und benahm sich sonst nie wie ein Teenager.

Heute passierte ihm das zum ersten Mal.

Und von allen Frauen auf der Welt …

Wie durch ein Wunder fand er seine Stimme wieder. „Was willst du mir zeigen?“

„Das siehst du dann schon. Komm“, entgegnete sie und zog an seiner Hand.

Er hörte noch, wie Rufus leise lachte, als er sich wegführen ließ. Schließlich gingen sie über den Hof zum Haupthaus und traten dort ins Büro. Sie schob ihn zum Schreibtisch und drückte ihn in den alten Ledersessel, auf dem früher sein Vater gesessen hatte.

„Um was geht es denn?“, fragte er vorsichtig.

„Wirst du gleich sehen“, erwiderte sie. Damit schaltete sie den neuen Computer ein, den er auf ihre Bitte hin gekauft hatte, als sie die Leitung übernommen hatte. Während der Computer hochfuhr, beugte sie sich über ihn und schaute auf den Bildschirm. Ihr Gesicht war ganz nah an seinem, und das lange Haar fiel über ihre Schulter nach vorn. Fasziniert sah er zu, wie sie es sich hinters Ohr strich. Am liebsten hätte er ihren Hals gestreichelt, hätte sich eine der seidigen goldenen Strähnen um den Finger gewickelt.

„Hier“, sagte sie stolz, eine Hand auf der Maus. „Schau dir das an.“

Widerwillig ließ er den Blick von ihrem Profil zum Bildschirm wandern. „Ja und? Eine Tabellenkalkulation.“

Sie lachte. „Tu doch nicht so. Wer von uns beiden hat denn Betriebswirtschaft studiert? Also ich war’s nicht. Schau dir diese Spalte an. Das sind eine Menge Kälber, oder? Und hier die Jährlinge, auch eine ganze Menge. Es wird ein gutes Jahr.“

Stirnrunzelnd betrachtete er die Aufstellung genauer. Tatsächlich, die Zahlen sahen gut aus.

„Nicht schlecht“, murmelte er.

„Für den Verkauf sollen sie alle ein höheres Gewicht haben als sonst. Dazu habe ich eine neue Futtermischung entwickelt. Wenn wir sie nächstes Jahr verkaufen, werden sie im Durchschnitt dreihundertfünfzig Kilo wiegen. Aber das ist nur ein erster kleiner Erfolg – wie du weißt, ist die Winterfütterung teuer. Vor allem die trächtigen Kühe brauchen viel, um gesund zu bleiben. Deshalb will ich eine größere Änderung einführen.“

Sie machte eine kleine Pause und strahlte ihn an. „Die Branche wandelt sich allmählich. Mehr und mehr Rancher sehen ein, dass die traditionellen Vorgehensweisen nicht immer die besten und einträglichsten sind. Viele stellen vom Kalben im Frühjahr auf das Kalben im Sommer um. Und weißt du, was?“

Er räusperte sich. „Äh, was?“

„Es funktioniert. Wenn die trächtigen Kühe sich im Frühjahr ihr Futter auf der Weide selbst suchen, senkt das die Kosten enorm und erhöht den Gewinn um …“ Sie hielt inne und sah ihn an. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Ja.“

„Du wirkst etwas abwesend.“

„Nein, nein, ich bin ganz Ohr.“

Als sie sich weiter vorbeugte, bemerkte er eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen. „Ist es wegen …“, begann sie leise und klang dabei unsicher. Statt der selbstbewussten Rancherin stand ein nervöses junges Mädchen neben ihm. „… wegen vorhin?“

Ihre Nähe, ihr intensiver und verführerischer Duft ließen ihn keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Äh, was war denn vorhin?“

Eine zarte Röte stieg ihr ins Gesicht. „Du weißt schon. Am Bach …“ Sie senkte die Lider – und fluchte. Herzhaft.

Es überraschte ihn so, dass er lachen musste. „Steph. Schäm dich.“

Mit einem leisen Stöhnen richtete sie sich auf. Als sie einen Schritt zurücktrat, war er gleichzeitig enttäuscht und erleichtert. Zwar konnte er so die Versuchung leichter unterdrücken, sie einfach zu küssen. Andererseits vermisste er ihre Wärme sofort.

„Verdammt“, sagte sie. „Ich bin so blöd. So kindisch und unglaublich blöd.“

„Äh, Steph?“

„Was?“, fauchte sie.

„Wovon redest du überhaupt?“

„Ach, komm schon. Du weißt genau, wovon ich rede.“

„Ach ja?“

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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