Heirate niemals einen Playboy!

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die Braut, die sich nicht traut? Am liebsten würde Zara vor dem Altar umkehren! Wie konnte sie sich nur von ihrem Vater zu einer arrangierten Ehe mit dem Playboymilliardär Chase Whitaker überreden lassen? Doch dann senkt ihr umwerfend attraktiver Bräutigam zum ersten Mal seine Lippen auf ihre - und alle Zweifel sind wie weggezaubert. Nie zuvor hat Zara solch überwältigende Leidenschaft verspürt. Nichts scheint plötzlich mehr wichtig, als sinnliche Erfüllung in Chases Armen zu finden. Ein Fehler? Noch ahnt Zara nicht, dass er ein dunkles Geheimnis vor ihr verbirgt …


  • Erscheinungstag 24.11.2015
  • Bandnummer 2206
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702229
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zara Elliott war schon halbwegs das Mittelschiff der Kirche in dem hübschen Bilderbuchstädtchen in Connecticut, in dem ihre Familie seit den Gründerzeiten lebte, hinunter, als ihr mit einem Schlag das Ausmaß dessen, was sie hier tat, bewusst wurde.

Unter den Bahnen und Bahnen von weißem Tüll, in denen sie sich vorkam wie die Figur auf einer Hochzeitstorte, wurden ihr die Knie weich. Fast wäre sie stehen geblieben, vor den Augen der unzähligen Gäste, die ihr Vater zu dieser Zirkusvorstellung eingeladen hatte.

„Wage es nicht, einen Rückzieher zu machen“, zischte er ihr harsch zu, auch wenn sein für die Öffentlichkeit bestimmtes Lächeln keinen Moment wankte. „Ich trage dich auch den ganzen Weg bis zum Altar, wenn es sein muss. Aber glaube mir, begeistert werde ich dann nicht sein.“

Es war das Höchstmaß an väterlicher Liebe und Unterstützung, die Zara von Amos Elliott erwarten konnte, der Geld und Einfluss sammelte wie andere Väter Briefmarken. Und im Rebellieren war Zara noch nie sehr gut gewesen.

Rebellion war immer Ariella vorbehalten gewesen.

Was auch der Grund war, weshalb Zara sich jetzt in dieser Situation befand.

Sie zwang sich, weiterzugehen und nicht an ihre ältere Schwester zu denken. Dieses Kleid war nämlich viel zu eng. Erstens war Ariella fast zehn Zentimeter größer als Zara, und zweitens hatte sie im Gegensatz zu Zara die Oberweite eines präpubertären Teenagers. Wenn Zara sich jetzt aufregte, könnte es durchaus passieren, dass sie diese Tüll-Monstrosität sprengte, vor aller Augen, hier mitten in der Kirche, die ihre Vorfahren vor Jahrhunderten gebaut hatten.

Würde ihrem Vater recht geschehen! Aber der Preis, den sie dann dafür zahlen müsste, war es nicht wert. Außerdem tat Zara das hier für ihre Großmutter – Gott hab sie selig! –, die der festen Überzeugung gewesen war, Zara müsse ihrem Vater noch eine Chance geben. Letzten Sommer auf dem Sterbebett hatte sie Zara das Versprechen abgenommen – und hatte ihr aber gleichzeitig auch das Cottage auf Long Island vermacht, nur für den Fall, sollte besagte Chance nicht von Erfolg gekrönt sein.

So konzentrierte Zara sich lieber auf den berüchtigten Chase Whitaker, ihren Bräutigam. Er stand vorn am Altar, mit dem Rücken zu ihr, so als würde er die romantische Spannung erhöhen wollen, dabei wusste Zara, dass er nur die eigene Wut verbarg. Er hatte deutlich klargemacht, dass er diese Heirat nicht wollte, für die ihr hinterlistiger, manipulierender Vater verantwortlich war. Als vor ein paar Monaten Chases Vater, Eigner und CEO von Whitaker Industries, unerwartet gestorben war, hatte Amos die Schwäche im Vorstand sofort ausgenutzt.

Selbst wenn sie diejenige gewesen wäre, die jetzt hier über den Gang hätte schreiten sollen, wäre Chase gegen die Hochzeit gewesen. Nur war Ariella heute Morgen schlicht nicht erschienen.

Zara hatte sich immer für einen pragmatischen Menschen gehalten, und sie war auch stolz darauf, aber sie musste zugeben, dass ein Teil von ihr sich neugierig fragte, wie es wohl sein würde, wäre das hier echt. Wäre sie nicht in allerletzter Minute für ihre schöne Schwester eingesprungen, die allgemein „das Juwel in der Elliott-Krone“ genannt wurde. Wie es wäre, wenn ein Mann wie Chase Whitaker, von dessen dunkelblauen Augen, breiten Schultern, dichtem dunklem Haar und vor allem charmanten britischen Akzent die gesamte Frauenwelt schwärmte, wirklich vor dem Altar auf sie warten würde.

Wenn das Wörtchen wenn nicht wär … Du bist eine Närrin.

Niemand wäre auf die Idee gekommen, Zara als „Juwel“ zu bezeichnen, obwohl ihre Großmutter sie ab und zu „solide wie ein Fels“ genannt hatte.

„Du bist so verlässlich“, hatte Ariella noch vor zwei Tagen mit diesem kleinen gönnerhaften Lächeln gesagt, das Zara für den größten Teil ihres sechsundzwanzigjährigen Lebens lieber ignoriert hatte. „Ich weiß nicht, wie du das immer schaffst.“

„Habe ich denn eine Wahl?“ Eine rhetorische Frage, noch dazu leicht säuerlich gestellt, denn dieses „verlässlich“, so, wie Ariella es betont hatte, war alles andere als ein Kompliment. „Hast du vor, irgendwann mal verlässlich zu werden?“

Ariella, die sich gerade für eine ihrer vielen Vor-Hochzeitsveranstaltungen zurechtmachte, hielt mitten im Schminken inne, den Lippenstift in der Hand, und sah im Spiegel zu ihrer Schwester. „Warum sollte ich?“, gab sie nach einem Moment mit ihrer leichtfertigen Art zurück. „Wenn du doch so viel besser darin bist als ich.“

Das hätte mir schon eine Warnung sein sollen, dachte Zara jetzt, während sie auf den Mann dort vorn am Altar zuging, der nicht auf sie wartete. Der gar nicht dort stehen würde, hätte er eine Wahl.

Sie war froh um diesen lächerlichen Schleier, der ihr Gesicht verdeckte. So konnte wenigstens niemand ihre Gedanken erraten, die deutlich auf ihrem Gesicht stehen mussten. Der Fluch der Rothaarigen, dachte sie. Sie wünschte, sie hätte schimmerndes kastanienbraunes Haar. Dunkler Glamour. Aber nein, ihr Haar war leuchtend rot, und sie hatte auch die empfindliche helle Haut, die typischerweise dazugehörte.

Inzwischen waren sie beim Altar angekommen, und Amos übergab „diese Frau“ mit geradezu beleidigendem väterlichem Eifer an Chase Whitaker, der sich jetzt ihr zugewandt hatte, aber seiner gelangweilten Miene nach zu urteilen meilenweit weg war.

Zara hob den Schleier nicht an. Ihr Vater hatte ihr noch im Vorraum der Kirche mindestens ein Dutzend Mal immer wieder eingetrichtert, dass Chase auf jeden Fall erst an die Familie gebunden sein musste, bevor dieses kleine Verwechslungsspiel auffiel.

„Wie romantisch. Die Hochzeit des Jahrhunderts“, hatte sie trocken darauf erwidert.

Und Amos hatte sie mit diesem vernichtenden Blick angesehen, den sie normalerweise unter allen Umständen zu vermeiden suchte. Nicht, dass irgendetwas an dieser Farce, die nötig geworden war, weil die eigentliche Braut am Morgen der arrangierten Heirat durch Abwesenheit geglänzt hatte, normal gewesen wäre.

„Spare dir die geistreichen Bemerkungen für deinen Ehemann auf. Vielleicht ist er empfänglicher dafür“, hatte die Antwort ihres Vaters gelautet, wobei sein Gesichtsausdruck besagte, dass er das ernsthaft bezweifelte.

So hatte Zara beschlossen, dass ein Ausrutscher reichte, hatte das „Ich heirate einen Fremden“-Lächeln geübt und so getan, als wäre alles ganz wunderbar, selbst die Tatsache, dass Ariellas Kleid ihr nicht passte und mit einer Spitzenbordüre, die aussah, als hätte ihre Stiefmutter sie von den Gardinen abgerissen, noch schnell an ihrem Rücken weiter gemacht hatte werden müssen.

Ihr zukünftiger Ehemann nahm jetzt ihre Hände in seine, die erstaunlich warm und kräftig waren. Seltsam, irgendwie fühlte sie sich leicht schwindlig, wie berauscht. Sie hielt den Blick fest auf die weiße Nelke in seinem Knopfloch gerichtet und bemühte sich, nicht daran zu denken, dass ihr Vater offensichtlich der Überzeugung war, Chase Whitaker würde die Beine in die Hand nehmen, sollte er herausfinden, dass es Zara war, die er heiratete. Nicht die arrangierte Heirat war also das Problem, sondern die Tatsache, dass es sich bei der Braut um die weniger attraktive Elliott-Schwester handelte.

Der Priester schwadronierte über Liebe und Treue, über das gegenseitige „Ehren“ und „Respektieren“. Unter diesen Umständen war das fast Ketzerei. Zara hob den Blick zu Chase Whitakers attraktivem Gesicht, das schon so einige Titelseiten geschmückt hatte, und erinnerte sich daran, dass die Situation vielleicht extrem war, aber nicht neu. Zara war immer die Unscheinbare gewesen, die Schwester, die Bücher wilden Partys vorzog, die lieber mit ihrer Großmutter zusammensaß als mit einer gleichaltrigen Clique. Die graue Maus, deren akademische Ambitionen immer unter den Tisch gefallen waren, verblassten sie doch im Vergleich zu den diversen Skandalen in Ariellas Glitzerleben, Ariella, die mit „Modelling“ und „Schauspielerei“ und was sie angeblich sonst noch so tat um den Globus jettete und das Geld des Vaters mit vollen Händen ausgab.

Hör auf, ständig an Ariella zu denken, ermahnte Zara sich streng, als sie Chases düsteren Blick sah. Sie umklammerte viel zu verkrampft seine Finger, stellte sie fest. Bewusst lockerte sie ihren Griff.

Und dann wurde es Zeit, das Gelübde abzulegen. Sie rechnete damit, dass Chase ihr jeden Moment den Schleier vom Gesicht reißen und sie vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft bloßstellen würde, als der Priester ihren Namen statt Ariellas nannte, so hastig und leise, dass wohl niemand es wirklich mitbekommen hatte. Aber Chase starrte mit leerem Blick über ihre rechte Schulter auf einen fernen Punkt, was ihren Eindruck, dass er sich eisern beherrschte, erneut bestätigte. Es musste ihn seine gesamte Kraft kosten, denn mit dem gleichen Blick steckte er ihr den Ring an den Finger.

Entweder das, oder er war sturzbetrunken, worauf der leise Hauch von Whiskey, der ihn umgab, hinweisen könnte, und beherrschte sich so verkrampft, um nicht hier vor dem Altar torkelnd umzukippen.

Er legte sein Gelübde tonlos ab, und als Zara ihm seinen Ring angesteckt hatte, war ihr schwindlig vor Erleichterung, in die sich allerdings noch ein anderes Gefühl mischte, das sie nicht ganz genau einordnen konnte. War es wirklich so simpel? Hatte sie sich tatsächlich in ein zu enges Hochzeitskleid gezwängt und sich einen undurchsichtigen Schleier übers Gesicht gehängt, um den armen Mann in einer der Intrigen ihres Vaters zu verfangen? War das die Chance, von der ihre Großmutter immer gesagt hatte, sie solle sie ihrem Vater noch geben, bevor sie Amos endgültig abschrieb?

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Ja, offensichtlich.

Sie hörte Chase seufzen und glaubte schon, er würde ablehnen. Konnte er das? Hier vor all den Leuten? Das würde auch bestätigen, wie ungeliebt und unattraktiv sie sich immer gefühlt hatte.

Wollte sie, dass er sie küsste? Was war schlimmer? Von jemandem geküsst zu werden, der es nicht tun wollte, aber sich verpflichtet fühlte? Oder nicht geküsst zu werden und somit vor der versammelten Gesellschaft erniedrigt zu werden? Aber dann rührte er sich und schritt zur Tat, um die Situation zu retten.

Er hob den Schleier von ihrem Gesicht, und Zara hielt den Atem an. Sie schloss die Augen, rechnete sie doch mit einem Ausbruch von ihm. Irgendwo in den ersten Reihen der Sitzbänke schnappte jemand geräuschvoll nach Luft. Aha. Endlich hatte man also erkannt, dass die große, schlanke Ariella Elliott wesentlich kleiner und rundlicher war. Doch Chase Whitaker, ihr frischgebackener Ehemann, gab keinen Ton von sich.

So öffnete Zara also wieder die Augen und sah ihn an.

Für einen Moment verschwand alles andere aus ihrem Sichtfeld.

Zara hatte Hunderte von Fotos von dem Mann gesehen, sie hatte sich sogar schon einmal im selben Raum mit ihm aufgehalten, aber noch nie war sie ihm derart nahe gewesen.

Der Mann war schön. Nicht einfach nur gut aussehend oder attraktiv, so wie die Fotos ihn zeigten, auch nicht nur markant oder erdig männlich auf eine raue Art, obwohl er unbestreitbar extrem männlich war. Nein, er war schlicht … schön. Das Gesicht wie von einem Bildhauer gemeißelt, die Augen von einem dunklen Blau wie der Himmel kurz vor Einbruch der Nacht, das schwarze Haar wie schimmernde Rohseide. Sein großzügiger Mund ließ Wärme in ihr aufsteigen, obwohl die vollen Lippen im Moment eher schmal wirkten.

Es dauerte einen Moment, bevor sie merkte, dass er sie ungläubig mit diesen fantastischen blauen Augen anstarrte. Und dann spürte sie auch die Wut, die von ihm ausstrahlte.

Sie hatte nicht das geringste Interesse daran, im Fokus von so viel aufschäumendem Temperament zu stehen, und wollte zurückweichen, doch ihr frischgebackener Ehemann verhinderte das, indem er eine Hand an ihren Nacken legte und sie festhielt. Für die anderen musste es wohl wie eine zärtliche Geste aussehen, doch sie wusste genau, was es ausdrückte.

Drohung. Zorn. Rage.

Völlig egal, dass sich Hitze von der Stelle, wo er sie berührte, rasant in ihrem ganzen Körper ausbreitete, ganz gleich, dass plötzlich all ihre Sinne zu jähem Leben erwachten. Ihre Lungen wollten keinen Sauerstoff mehr aufnehmen, wie auch, wenn ihre Kehle wie zugeschnürt war? Ihre Beine schienen ihr den Dienst versagen zu wollen, doch aus einem ganz anderen Grund als vorhin noch auf dem Weg zum Altar.

Und dann presste Chase Whitaker, der Mann, der immer unmissverständlich klargemacht hatte, dass er nie heiraten wollte – und wenn er hätte heiraten wollen, dann ganz bestimmt nicht sie –, seinen Mund auf ihre Lippen.

Es hätte peinlich sein müssen, unbehaglich, doch stattdessen … Überall in ihrem Körper begann es zu prickeln, ihre Lippen schienen in Flammen zu stehen, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Sie fühlte diesen leichten Druck seiner Lippen überall – in ihrer Kehle, auf ihrer Brust, an den plötzlich überempfindlichen Brustwarzen, die sich aufrichteten, in ihrem Magen, plötzlich hart wie Stein, und – viel schlimmer – in ihrem Unterleib. Chase hob den Kopf, und seine fantastischen Augen wurden noch dunkler. Da wusste sie, dass ihm ihre glühenden Wangen nicht entgangen waren.

Er wusste auch, was es bedeutete.

Die Luft schien plötzlich zu vibrieren, Funken sprühten und brannten sich in ihr Fleisch. Alarmsirenen schrillten in ihrem Kopf los, und sie hatte das Gefühl, als würde sie zum ersten Mal im Leben tatsächlich in Ohnmacht fallen, genau wie die altmodische schüchterne Braut, die sie heute spielte. Vielleicht wäre das ja der perfekte Ausweg. Einfach eine Weile bewusstlos bleiben und alles vergessen …

Dann wandte er den Blick ab, und die Welt begann sich wieder zu drehen.

Applaus, Orgelmusik, dann schockiertes Geraune, als auch die restlichen Gäste endlich merkten, dass Chase Whitaker, Präsident und CEO von Whitaker Industries, die falsche Elliott geheiratet hatte.

Nun, Zara fand es ebenso unglaublich wie der Rest der Anwesenden, aber ihr blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Chase nahm ihren Arm und führte sie energisch auf den Ausgang zu. Zara sah das triumphierende Lächeln ihres Vaters, als sie an ihm vorbeikamen. Ihre Stiefmutter tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Augen, und verblüfft registrierte Zara, dass die überspannte Melissa wahrscheinlich die Einzige hier war, die die Zeremonie tatsächlich angerührt hatte. Die Gute. Zara sah auch Nachbarn und alte Familienfreunde und die fragenden Gesichter von Hunderten von Fremden, doch wirklich wahr nahm sie nur den Arm, der besitzergreifend um ihre Taille lag.

Und dann wurde es stiller, als Chase sie zur Kirche hinaus in den kalten Dezembernachmittag führte und unzeremoniös auf den Rücksitz der wartenden Limousine schob.

„Nach Hause“, befahl er dem Chauffeur knurrend.

„Der Empfang findet hier in der Stadt statt und nicht in Ihrem Zuhause, wo immer das sein mag“, ließ Zara sich vernehmen.

In die Lederpolster zurückgelehnt, drehte Chase sich halb zu ihr und sah sie an, und prompt fühlte sie sich, als würde dieser wütende Blick sie versengen. Momente vergingen, vielleicht auch Jahre. Vielleicht war ja inzwischen sogar die Welt da draußen untergegangen. Nichts außer diesen mitternachtsblauen Augen existierte mehr für Zara.

Dann hielt der Wagen vor einer roten Ampel, Chase blinzelte und wandte den Blick ab, und Zara entschied, dass sie sich dieses In-Flammen-Stehen nur eingebildet hatte. Das lag alles nur an der Situation. An Ariellas zu engem Kleid, in dem sie kaum Luft holen konnte. Es gab keinen Grund, weshalb sie sich hier auf der Rückbank zusammen mit einem wütenden, schönen Fremden lebendiger denn je fühlen sollte.

„Oh, Sie müssen entschuldigen. Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.“ Lächelnd streckte sie ihrem Ehemann die Hand hin. „Ich bin Zara.“

Ein Albtraum, etwas anderes konnte es nicht sein.

Mit zorniger Ungläubigkeit starrte Chase auf die Hand vor sich. „Ich weiß, wer Sie sind.“ Ihre Hand nahm er nicht, und sie ließ sie wieder auf ihren Schoß sinken, völlig ungerührt. Genauso ungerührt wie in der Kirche, als er sie vernichtend angestarrt hatte.

Außer, als du sie geküsst hast.

Den Gedanken verdrängte er schnellstens, zusammen mit der Erinnerung an ihre reizenden hochroten Wangen nach dem Kuss. Er konnte noch immer nicht sagen, warum er sie überhaupt geküsst hatte. Natürlich war ihm aufgefallen, wie sie von ihrem Vater quasi zum Altar geschleift worden war, aber er konnte sich nicht daran erinnern, ihr jemals begegnet zu sein. Und er hatte auch ihren Namen nicht gekannt. Nur wusste er nicht, weshalb er deshalb so etwas wie Verlegenheit verspüren sollte. Obwohl … jetzt stieg ein verschwommenes Bild vor ihm auf. Irgendwo hatte er sie schon einmal gesehen … in einem schwarzen Kleid, das ihr wesentlich besser gepasst hatte als dieses weiße Tüll-Ungetüm hier. Auch meinte er, sich an einen leuchtend roten Schopf erinnern zu können, aber mehr nicht.

Jegliche Interaktion mit ihrer Familie hatte sich auf den Kontakt mit ihrem widerwärtigen Vater und der blonden, gertenschlanken Ariella beschränkt, die offensichtlich noch unzuverlässiger war, als er schon vermutet hatte. Was genau zu der ausgesprochen schlechten Meinung passte, die er sich über Ariella gebildet hatte.

„Sie haben mich übertölpelt.“ Schon seit Längerem versuchte er, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Seit Big Bart vor einem halben Jahr gestorben war und ihm ein Durcheinander hinterlassen hatte, das mit jedem Tag größer zu werden schien. Seit er aus London in die USA hatte zurückkehren müssen, um den Platz als CEO von Whitaker Industries einzunehmen. Seither prallte er praktisch jeden Tag mit Amos Elliott zusammen, der Kopf seiner Gegenspieler im Aufsichtsrat. Und jetzt sein Schwiegervater. „Ich könnte Sie wegen Betrugs vor Gericht ziehen.“

Zara Elliott schien keineswegs beunruhigt. Die Massen des unvorteilhaften weißen Stoffs wirkten, als wäre ein Riesenmarshmellow in ihr explodiert, aber ihr feines Gesicht mit den aristokratischen Zügen blieb völlig ernst. Und ihre Augen … ihre Augen waren von einem warmen Gold. Wie ein später Sommernachmittag …

Woher, zum Teufel, war das jetzt gekommen? Er musste heute Morgen wohl mehr Whiskey getrunken haben, als gut für ihn war.

„Ich bin einen halben Kopf kleiner und brauche, vorsichtig geschätzt, zwei Kleidergrößen mehr als Ariella.“

Ihre Stimme war warm und weich wie süßer Honig. Sie klang, wenn schon nicht glücklich, so doch zufrieden. Chase war nicht einmal klar, wie er den Unterschied erkennen sollte, bedachte man, dass er solche Gefühle in seinem Leben nie erfahren hatte. „Ich verstehe nicht ganz.“

„Wenn es mir gelungen ist, Sie zu täuschen, dann wohl nur, weil Sie nicht sonderlich gut aufgepasst haben, oder? Sie hätten es schon erkennen müssen, als ich in das Mittelschiff trat.“ Sie lächelte, als er die Stirn runzelte. „Ich denke, in einem Prozess wird jeder Richter diese berechtigte Frage stellen.“

„Der Richter wird wohl mehr Augenmerk auf die Heiratslizenz legen“, hielt Chase dagegen. „Da stand nämlich nicht Ihr Name drauf, als ich gezwungenermaßen unterschrieben habe.“

Ihr Lächeln wurde nur noch sonniger. „Ja, mein Vater dachte sich schon, dass Sie sich deswegen Sorgen machen würden. Und er versicherte mir, dass ich Sie da völlig beruhigen kann. Er meinte, ich solle Sie daran erinnern, dass die Lizenz hier in diesem County ausgestellt wurde, wo er schon seit Dekaden mehr oder weniger das Sagen hat, so wie sein Vater vor ihm, und davor sein Großvater und davor dessen Vater und Großvater. Noch bevor der Tag zu Ende ist, wird der richtige Name auf der Lizenz stehen, da können Sie wirklich ganz beruhigt sein.“

Chase fluchte unflätig unter angehaltenem Atem, aber auch das tat ihrer Haltung keinen Abbruch. Er beugte sich vor und öffnete die kleine Bar, holte die Whiskeyflasche hervor und genehmigte sich einen großen Schluck, ohne sich Mühe mit einem Glas zu machen. Nach einem zweiten Schluck hielt er ihr die Flasche hin. Unter den gegebenen Umständen schien ihm das die Höflichkeit zu gebieten.

„Nein, danke“, lehnte sie ab. Ebenso makellos gefasst.

„Trinken Sie überhaupt Alkohol?“ Er wusste nicht, was ihn das interessieren sollte.

„Ab und zu trinke ich gern ein Glas Wein“, antwortete sie, als wäre es das Wichtigste auf der Welt. „Wobei ich den roten dem weißen vorziehe. Ich muss zugeben, dass Bier ein Mysterium für mich bleibt. Ich finde, es schmeckt nach alten Socken.“

„Das hier ist Whiskey, der schmeckt nicht nach alten Socken, sondern nach Torf und Feuer und der brennenden Vorahnung von Reue.“

„Verlockend.“ Es zuckte um ihre Mundwinkel, und Chase dachte, dass er bereits zu viel Whiskey gehabt hatte, so fasziniert, wie er von diesem kleinen Zucken ihrer Lippen war. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihn der Mund einer Frau je so gefesselt hätte. „Wie viel Whiskey haben Sie vor der Trauung schon getrunken?“

Er sah von ihr auf die Flasche. „Die Hälfte.“

„Ah.“ Sie nickte weise. „Ich dachte mir schon, dass Sie betrunken sind.“

„Wieso sind Sie nicht betrunken?“ Ihm war gleich, dass seine raue Stimme vieles von dem preisgab, was er eigentlich verheimlichen wollte.

„Das stand leider nicht auf der Liste meiner Optionen, als ich heute Morgen aufwachte und mir mitgeteilt wurde, dass Ariella desertiert ist.“ In ihren goldenen Augen schimmerte etwas Gequältes durch, aber ihre Stimme blieb heiter und ungetrübt. Es ergab keinen Sinn für Chase. „In der ganzen Panik musste ich schon um eine Tasse Kaffee kämpfen. Hätte ich um Alkohol gebeten, wäre ein Krieg ausgebrochen.“

Und schon wieder empfand er so etwas wie Scham. Ihm war bisher nie in den Sinn gekommen, dass diese Ehe für sie ebenso unangenehm sein musste wie für ihn. Aber wollte er das jetzt wirklich ausdiskutieren? Als ob es einen Unterschied machen würde! Sie saßen beide fest, oder nicht? Genau so, wie ihr Vater es geplant hatte.

Ihm war gleich, an welche Elliott-Schwester Amos’ Plan ihn gebunden hatte. Auch wenn Zaras Mund seinen Seelenfrieden aufwühlte.

Da war ein weiterer Schluck Whiskey doch viel angebrachter. Versinken in Vergessen war dieser Tage die beste Option. Um genau zu sein, die Vorstellung, auf ewig dem Alkohol zuzusprechen, besaß durchaus Reiz.

Aber das konnte er nicht, denn eine Tatsache blieb unabänderlich: Das Einzige, was von seinem Vater, seinen Eltern und dem Whitaker-Erbe noch übrig war, war Whitaker Industries. Und er konnte das Unternehmen unmöglich in Amos Elliotts Hände fallen lassen. Er war schon Kompromisse eingegangen und hatte mit der Firma des Mannes fusioniert, den sein Vater als besseren Sohn als den eigenen angesehen hatte. Er konnte jetzt weder verkaufen noch seinen Posten als CEO aufgeben.

Ihm war keine andere Wahl als diese Heirat geblieben.

„Wo ist Ihre Schwester überhaupt?“, fragte er nach einem kräftigen Schluck aus der Flasche.

Die goldenen Augen wurden kalt und leblos. „Eine sehr gute Frage.“

„Die Sie aber nicht beantworten werden, richtig?“ Es faszinierte ihn, dass ihre Stimme ruhig und höflich blieb, während ihre Augen eine ganz andere Geschichte erzählten. Und ja, ihr Mund störte ihn, entschied er. Viel zu voll und verlockend, vor allem, wenn sie lächelte. „Ist das Ihre Taktik?“

„Chase“, hob sie an, zögerte. „Ich darf Sie doch Chase nennen? Oder wünschen Sie eine andere Anrede von Ihren arrangierten Bräuten?“

Er lachte trocken auf und erstaunte sich selbst damit. „Chase ist in Ordnung.“

„Chase“, sagte sie also noch einmal, fester. Und ein seltsames Gefühl durchzuckte ihn, so als wäre es echte Intimität, wenn sie seinen Namen nutzte. „Wüsste ich, wo Ariella sich aufhält, hätte ich mich ganz bestimmt nicht in dieses Kleid gezwängt und Sie vor dreihundert Zeugen geheiratet.“ Sie lächelte, während sie es sagte, aber in ihren Augen loderten Flammen. Chase begriff, dass die Wahrheit bei dieser Frau in den Augen abzulesen war, ganz gleich, wie geübt ihr Lächeln war und wie gefasst und höflich sie sich gab. Goldene Augen, echt und wahr wie der Sonnenuntergang. „Dann wäre ich losgezogen und hätte sie gefunden, hätte sie selbst zur Kirche geschleift. Schließlich ist sie die Elliott-Schwester, die sich einverstanden erklärt hat, Sie zu heiraten, nicht ich!“

Neugierig studierte er sie über die Whiskeyflasche hinweg. Er konnte den genauen Moment bestimmen, in dem ihr klar wurde, dass sie sich in Wut geredet hatte. Die verräterische Röte schoss ihr wieder in die Wangen, kroch an ihrem Hals hinunter und tiefer in den Ausschnitt des weißen Kleids hinein, und schon wieder musste er sich eingestehen, dass er völlig hingerissen war.

„Beruhigen Sie sich wieder“, sagte er, bevor sie die Entschuldigung vorbringen konnte, die ihr offensichtlich auf der Zunge lag. „Ich wollte keinen von Ihnen beiden heiraten. Es war eine Bedingung Ihres Vaters.“

„Ich weiß. Damit er Sie und Ihren neuen COO, der auch Ihr Schwager ist, unterstützt, nicht wahr?“

„Nicodemus Stathis und ich haben unsere Unternehmen zusammengelegt, ja“, bestätigte er tonlos. „Und unsere Familien. Meine Schwester schwärmt mir ständig vor, wie überglücklich sie ist.“ Er fragte sich, ob Zara die Lüge erkannte, so, wie sie abwägend den Kopf leicht zur Seite neigte. Ob sie wusste, wie sporadisch der Kontakt zwischen ihm und seiner Schwester war, seit ihre Mutter ums Leben gekommen war. „Ihr Vater ist der letzte Stachel in meiner Seite. Sie … diese Heirat … das ist so etwas wie das Entfernen des Stachels, mehr nicht.“ Zu grob ausgedrückt, begehrte der Teil in ihm auf, der noch nicht vom Whiskey benebelt war.

„Natürlich, ich verstehe vollkommen“, erwiderte sie munter. „Ich bin immer froh, wenn ich zu Diensten sein kann.“

„Ich weiß, warum Ariella zugestimmt hat“, fuhr er dumpf fort. „Sie hat gerne ein dickes Bankkonto im Rücken, ohne sich Kritik anhören zu müssen, auf welche Art sie es leert. Liegt das in der Familie? Ist es das Geld, das Sie reizt?“ Bildete er sich das nur ein, oder versteifte sie sich?

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
Mehr erfahren