Heiß wie der Wind der Ägäis

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Auf der griechischen Insel Skopelos trifft Becky ihren Mann wieder, von dem sie seit zwei Jahren getrennt lebt. Im samtweichen Wind der Ägäis erwacht erneut der Traum vom Glück mit Matt. Doch schon einmal hat er sie im Stich gelassen, als sie ihn so dringend brauchte ...


  • Erscheinungstag 05.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747275
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Rebecca sah von der Terrasse des Restaurants hinunter und zitterte.

Er war es. Matt Hawke konnte man nicht so leicht verwechseln. Selbst von hier oben, geblendet von der Abendsonne und den violetten Schatten der Dämmerung auf den weißen Mauern, wusste sie, dass er es war. Zu allem Überfluss steuerte er genau auf sie zu. Groß, schlank und sonnengebräunt in einem lockeren weißen T-Shirt und abgeschnittenen Jeans, nahm er mit vertrauter Lässigkeit jeweils zwei Stufen der steilen Steintreppe.

Krampfhaft umklammerte Rebecca den Rand des Tabletts. In einem plötzlichen Anflug von Panik sah sie bereits die Teller mit Speiseresten auf dem Boden der gut besuchten Terrasse landen. Sie zwang sich, das Tablett festzuhalten, und verschwand in der Küche, um es auf einem der Arbeitstische abzustellen.

„Was ist los? Du siehst aus, als hättest du einen Schock bekommen.“ Sofie sah Rebecca verwundert an, während sie mit geübter Hand frische Estragonzweige auf vier Teller mit Hühnchen in Weißweinsoße verteilte. „Ich habe doch gesagt, dass du uns nicht helfen musst, Becky! Du sollst dich erholen und nicht auf der Terrasse der Alten Mühle Tabletts schleppen!“

Er ist hier“, flüsterte Becky. Ihre Stimme klang melodramatisch, und sie war selbst erschrocken über ihre nervöse Anspannung.

Er?“, stichelte ihre Schwester, aber es klang Neugier in ihrer Stimme mit. „Wer ist er? König Konstantin selbst? Der Aga Khan?“

„Matt.“

„Oh.“ Sofies Lippen formten eine tonlose Antwort. Mit einem Blick gen Himmel nahm sie das Tablett mit den Hühnchengerichten und bahnte sich einen Weg zu den wartenden Gästen. „Wenn es genauso wird wie damals, dann ist es wohl mit Ruhe und Frieden vorbei“, fügte sie trocken hinzu.

Wütend blieb Becky zurück und ballte frustriert die Fäuste. Sie liebte ihre Schwester über alles, aber manchmal hätte sie Sofie erwürgen können. Und in diesem Augenblick war es mal wieder so weit. Konnte sie sich nicht vorstellen, wie es für sie sein musste, nach zwei Jahren Matt wieder gegenüberzustehen?

Einer der Kellner drängte sich hinter Becky vorbei, und sie trat zögernd auf die Terrasse zurück. Wie war es nur möglich, dass Furcht ein derartiges körperliches Unwohlsein hervorrief?

Sie fühlte sich wie ein gehetztes Reh, als sie zu den Tischen hinübersah, die inzwischen fast alle besetzt waren. Der Abendhimmel hatte die samtig violette Farbe angenommen, die für die griechischen Inseln so typisch war. In einer Viertelstunde würde es stockfinster sein, und die Lichter der Cafés, Bars und Jachten im Hafen von Skopelos würden wie Glühwürmchen in der Dunkelheit leuchten.

Saß er hier oben? War er es wirklich gewesen? Vielleicht hatte sie nur halluziniert. Zugegeben, sie hatte in den letzten Monaten oft genug von ihm geträumt. Es waren bittersüße und verwirrende Träume gewesen, voller Verlangen und Hass, die sie aufwühlten und verstörten. Zitternd strich sie eine Strähne ihres honigblonden Haars hinters Ohr.

Eine plötzliche Berührung an ihrem Arm ließ Becky so heftig zusammenfahren, dass sie fast gefallen wäre.

„Hallo, Becky“, neckte eine verführerische Stimme. „Überempfindlich wie immer, wie ich sehe.“

Sie atmete tief durch. „Matt! Was um alles in der Welt machst du hier?“

„Ich hoffe, dass ich etwas zu essen bekomme. Was sonst? Das ist doch das berühmte Restaurant Alte Mühle, oder? Die beste französische Küche der nördlichen Sporaden.“

„Wir sind vollständig ausgebucht“, entgegnete sie heiser.

„Dann nehme ich einen Ouzo und warte“, antwortete er weich.

Sprachlos starrte sie ihn an, während er sie aus dunkelblauen Augen musterte. Um sie herum lachten und redeten die Restaurantgäste, Gläser klirrten und Bestecke klapperten. Eine Gruppe Deutscher alberte herum und schoss Erinnerungsfotos, eine englische Familie beklagte das Ende der Ferien. Sie machten Scherze darüber, dass sie vielleicht das Flugzeug verpassen sollten, um bleiben zu können …

Die entspannte Atmosphäre hätte wohltuend sein können. Aber Becky spürte eine solche Spannung zwischen sich und Matt, dass sie zu ersticken glaubte.

Sie wusste, dass sie mit ihren schwarzen Shorts, dem schwarzen T-Shirt und dem frisch gewaschenen Haar, das ihr weich auf die Schultern fiel, durchaus passabel aussah. Doch in Matts Augen sah sie, dass er bemerkt hatte, wie blass und dünn sie geworden war. Amüsierte Missbilligung blitzte darin auf.

„Ist das jetzt der letzte Schrei in der Modewelt – verhungertes Waisenkind?“, murmelte er. Sein Lächeln ließ ihren Puls in die Höhe schnellen. Doch hinter seiner Belustigung verbarg sich ein unterdrückter Zorn, der sie erschauern ließ. War er wütend auf sie? Warum? Was gab ihm das Recht dazu? Hatte sie ihm nicht einen Gefallen getan, indem sie diese zum Scheitern verurteilte Beziehung beendet hatte und ihm damit die Peinlichkeit ersparte, es selbst zu tun?

Eine Mischung aus Trotz, Stolz und Beschämung trieb ihr die Röte ins Gesicht. Entschlossen vergrub sie die Hände in den Hosentaschen. „Ich arbeite nicht mehr als Model.“

„Nein? Mit 22 bist du doch wohl nicht schon zu alt?“

„Du weißt genau, warum ich aufgehört habe.“

„Stimmt. Aber ich dachte, du hättest wieder angefangen.“

„Habe ich aber nicht.“ Sie starrte auf seine dunklen Bartstoppeln und das zerzauste schwarze Haar, das ihm in widerspenstigen Wellen bis tief in den Nacken fiel. Er sah aus wie einer dieser sonnenverbrannten Typen auf den Taucherbooten von Lemnos. Ein Pirat, geradewegs von seiner Galeone gesprungen … Der Anblick sandte ihr einen Schauer über den Rücken, und ihr Magen zog sich zusammen. Und trotzdem: Matt Hawkes fesselnde Ausstrahlung hatte nichts mit seinem großen, muskulösen Körper oder den markanten Gesichtszügen zu tun. Es waren seine dunkelblauen Augen, die sie ansahen und nicht mehr loszulassen schienen.

„Ist das der neueste Look des skrupellosen Unternehmenssanierers?“, fragte sie schroff. „T-Shirt, Jeans und Dreitagebart?“

„Ich mache Urlaub“, erklärte er lässig und schmunzelte über ihren scharfen Tonfall. „Gefällt dir der raue Anblick etwa nicht, Becky?“

Wenn es um dich geht, ist mir jeder Anblick zuwider, wollte sie sagen. Stattdessen presste sie die Lippen zusammen und wandte sich zu Vangelis, einem der jungen griechischen Kellner. „Würdest du diesem Gentleman hier bitte einen Ouzo bringen?“

Nichts als frostige Herablassung lag in ihren Worten. Leider wurde dieser Effekt sofort wieder von Sofie zunichtegemacht, die mit einem leeren Tablett auf die beiden zugeeilt kam.

„Matt, wie schön, dich wiederzusehen!“ Wütend beobachtete Becky, wie ihre Schwester sich auf die Zehenspitzen stellte, um Matt voll übersprudelnder Herzlichkeit auf die dunkle Wange zu küssen. Ihre kurzen aschblonden Locken wippten dabei, und sie lachte. „Wo hast du dich die letzten zwei Jahre versteckt? Richard und ich haben dich vermisst!“

„Schön, das wenigstens von euch zu hören.“ Sein Lächeln war schwer zu deuten. „Ich war die meiste Zeit in Hongkong.“

„Um ein paar überschuldete Unternehmen vor dem Untergang zu retten?“, erkundigte sich Sofie.

„So ungefähr.“

„Wohl eher, um sie in den Abgrund zu stoßen und den Gewinn einzustreichen“, korrigierte Becky süß.

„Vielleicht ist das die genauere Beschreibung“, räumte Matt ohne Umschweife ein.

„Also, wenn ihr beiden euch streiten wollt, tut es bitte nicht hier“, bat Sofie, die schon wieder in Richtung Küche eilen wollte. „Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist ein Kleinkrieg zwischen den Tischen.“

Sofie!“ Becky hätte am liebsten vor Wut laut aufgeschrien.

„Sie hat recht.“ Matt nickte kurz. Sein Humor war plötzlich verschwunden. „Es gibt eine Menge zu besprechen, Becky. Kommst du auf einen Drink mit mir runter zum Hafen?“

„Lieber verdurste ich.“

„Sei nicht kindisch.“

„Ich arbeite heute Abend hier“, fügte sie schnell hinzu und errötete leicht unter dem scharfen, prüfenden Blick ihrer Schwester. „Ich habe also keine Zeit …“

„Nimm den Rest des Abends frei“, bemerkte Sofie leise. Auch ihre Fröhlichkeit war geschwunden. Die Spannung zwischen ihnen schien fast greifbar. „Geh und rede mit Matt, Becky. Er ist immerhin noch dein Ehemann.“

Es entstand eine beklemmende Pause.

„Das bin ich.“ Matts lässiger Tonfall wirkte fast provozierend.

Becky spürte, wie ihre Kehle trocken und die Handflächen feucht wurden. Ein untrügliches Zeichen von Panik.

Matt schien ihren aufgewühlten Zustand sofort zu erfassen, als hätte es die lange Trennung zwischen ihnen gar nicht gegeben. Sein Blick war jetzt eine Spur weicher, als er die Hand ausstreckte und ihre Wange berührte.

„Komm schon, Becky.“

Seine Worte rissen sie aus ihrer Angststarre.

„Fass mich nicht an“, zischte sie. „Und spar dir deine Bevormundungen. Ich komme seit unserer Trennung ganz gut allein zurecht.“

„Vielleicht – vielleicht aber auch nicht“, sinnierte er und sah sie nachdenklich an. In seinen Augen lag etwas Rätselhaftes, doch in dem tiefen, schattigen Blau ahnte sie einen Schimmer von Gefühl, der ihr Herz höher schlagen ließ. Genau davor hatte sie sich gefürchtet. Deshalb hatte sie es immer wieder vor sich hergeschoben, den Brief zu schreiben und eine Entscheidung zu treffen. Der Grund war das quälende Wissen, dass er in der Lage war, sie auf diese Weise zu berühren.

Schweigend folgte sie ihm die lange gewundene Steintreppe hinunter. Der violette Abendhimmel hatte sich inzwischen in ein tiefes Blaurot verwandelt. Als sie die letzte Stufe erreichte, wurde ihr plötzlich schwindlig, und sie musste sich an der Mauer festhalten.

„Ist alles in Ordnung?“ In seiner kühlen, tiefen Stimme schwang ein Hauch von Anteilnahme mit. Sie biss die Zähne zusammen und nickte stumm.

„Alles bestens, danke. Ich hatte eine Viruserkrankung, das ist alles …“

Nur aus diesem Grund bin ich hier, wollte sie hinzufügen. Ansonsten wäre sie noch am anderen Ende der Welt geblieben, an einem Ort, wo selbst der allmächtige Matt Hawke sie nicht finden konnte …

„Ein Virus! Wann war das?“

Sie hatten inzwischen die endlose Reihe von Straßencafés am Hafen erreicht. Die Lokale lagen so dicht nebeneinander, dass man unmöglich erkennen konnte, wo das eine aufhörte und das nächste anfing.

„Als ob dich das kümmern würde!“, konterte sie herausfordernd. Sie blieben vor einem Café mit niedrigen Glastischen, gepolsterten Korbsesseln und einer golden leuchtenden Markise stehen.

„Becky …“ Der vernünftige Ton, den er anschlug, verhieß nichts Gutes. Inzwischen hatten sie sich für einen Tisch nahe am Wasser entschieden, und er setzte sich ihr gegenüber. „Langsam bin ich irritiert. Vor zwei Jahren hast du mich verlassen. Seitdem bist du im Nichts verschwunden und hast jeden Kontakt zu mir gemieden. Wie in Teufels Namen willst du also wissen, ob es mich kümmert oder nicht?“

Für einen Moment, der ihr endlos vorkam, trafen sich ihre Blicke. Ein gefährliches Funkeln trat in Matts Augen.

„Ich möchte nicht darüber sprechen“, sagte sie fest. „Ich wusste, dass es so kommen würde. Die Art, wie du – wie du alles unter Kontrolle behalten und verhandeln willst, als ginge es hier um einen von deinen verwünschten Geschäftsdeals …“

„Becky.“

„Nein, das stimmt nicht“, fügte sie hinzu, unfähig, ihre Verbitterung zu verbergen. „Deine Geschäftsangelegenheiten waren dir immer weitaus wichtiger als jede persönliche Beziehung, nicht wahr, Matt?“

Ein junger Kellner war aufgetaucht und fragte höflich nach ihren Wünschen, nicht ohne seine dunklen Augen anerkennend über Beckys gebräunte schlanke Beine wandern zu lassen.

„Für mich Wasser, bitte.“

Matt zog spöttisch eine Braue hoch. „Bringen Sie uns bitte eine Flasche Mineralwasser und zwei Ouzos“, wies er den Kellner an.

„Arrogant wie eh und je!“, bemerkte sie kalt, nachdem der junge Grieche sich entfernt hatte.

„Selbstverständlich.“ Matts breiter Mund wirkte grimmig. Die Linien zwischen seiner Nase und seinen Mundwinkeln hatten sich tiefer eingegraben, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie unterstrichen den Anschein von zynischer Erfahrenheit, den er sich gab. Eine Flut von Erinnerungen überkam sie – die verschlingende, ungehemmte Leidenschaft seines Mundes auf ihren Lippen, die dunkle Kraft seiner sexuellen Ausstrahlung, die all ihre Widerstände hinwegfegte und ihre Sinne gefangen nahm …

Trotz der warmen Temperatur schlang sie fröstelnd die Arme um sich.

„Du wirfst mir vor, im Nichts verschwunden zu sein“, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf und spürte, wie sie sich von ihm dazu aufstacheln ließ, sich zu verteidigen. „Aber behaupte nicht, dass du mich nicht hättest finden können, wenn du gewollt hättest. Es hat dich einfach nicht interessiert, wo ich war!“

„Hättest du denn gewollt, dass ich dich finde?“ Seine kühle Reaktion schockierte sie.

„Nein“, gab sie beherrscht zurück. „Warum auch?“

Matt schwieg. Trotzig starrte sie ihn an. Der Kellner brachte die Getränke, und während er sie servierte, dehnte sich das Schweigen. Becky konnte die Augen nicht von Matt abwenden.

Das weiße T-Shirt betonte die breiten, muskulösen Konturen seiner Schultern und seiner Brust und verschwand unter dem flachen, festen Bauch im Bund der Jeansbermudas. Deren ausgewaschener Stoff schmiegte sich eng um die männliche Wölbung und die festen Oberschenkel. Darunter ließen sich muskulöse und von der Sonne braun gebrannte lange Beine sehen. Schwarze Segeltuchschuhe komplettierten sein Outfit. Über sein Schienbein zog sich eine fast verheilte Schnittwunde.

„Hier.“ Sein Blick hatte etwas Herausforderndes, als er sich vorbeugte, um den Ouzo mit Wasser aufzufüllen. „Wenn du damit fertig bist, meinen modischen Geschmack zu begutachten, nimm einen Schluck und entspann dich einfach.“

Sie funkelte ihn an, dann sah sie auf den milchigen Anisdrink vor sich. Sicherlich würde er wirken wie ein K.-o.-Schlag. Zitternd vor Wut griff sie nach dem Glas und nahm einen Schluck.

„Ich warne dich. Wenn ich mich entspanne, sage ich vielleicht etwas, das ich später bereue.“

„Hört sich interessant an. Ich nehme an, etwas zu meinen Gunsten?“

Sie beschloss, diese Frage zu ignorieren, und lehnte sich in dem Korbsessel zurück. Während sie die Beine übereinanderschlug, sah sie ihn verunsichert über den Rand ihres Glases hinweg an.

„Was ist mit deinem Bein passiert?“ Die Frage war ihr so herausgerutscht. Seine Augen starrten einen Moment ins Leere, bevor er an sich hinabblickte. Dann schien er sich zu erinnern.

„Ich bin vor drei Wochen bei Sturm an Deck ausgerutscht. Der Meltemi-Wind hatte mich überrascht. Normalerweise kommt er erst einen Monat später –“

„Du bist drei Wochen lang um die Inseln gesegelt?“, fiel sie ihm ins Wort und runzelte fassungslos die Stirn.

„Ein bisschen länger“, entgegnete Matt ruhig. Er lehnte sich zurück, und das Zucken in seinem Mundwinkel verriet ihr, dass er ihre Verwirrung bemerkt hatte.

„Aber ich dachte –“ Sie hielt inne. Was hatte sie eigentlich gedacht? Dass er aufgrund des Briefes gekommen war? Das hatte sie zunächst angenommen, obwohl das Schreiben einfach, geradeheraus und unmissverständlich gewesen war – und mit Sicherheit nicht um einen persönlichen Besuch bat …

Aber wenn er die ganze Zeit mit dem Segelboot unterwegs gewesen war, hatte er den Brief vielleicht noch gar nicht bekommen.

„Ja?“, fragte er sanft nach. „Was dachtest du?“

„Ich – ich dachte, du machst nie Urlaub!“, erklärte sie wenig überzeugend.

Matt verengte die Augen, aber er schien ihr die Entgegnung zu glauben.

„Als ich dich vor drei Jahren kennenlernte, habe ich mir auch freigenommen“, erinnerte er sie ruhig. „Oder hast du das schon vergessen?“

„Das ist keine Erinnerung, an der ich besonders hänge“, log sie und bemühte sich, gelassen zu klingen.

„Nein? Das kann ich mir vorstellen.“ Eine Spur Bitterkeit lag in seiner Stimme. Oder irrte sie sich?

Verzweifelt nahm sie einen weiteren großen Schluck Ouzo und schloss die Augen. Der Alkohol brannte ihr in der Kehle und hinterließ eine Feuerspur bis zu ihrem Magen.

„Warum bist du hier, Matt?“, wagte sie schließlich zu fragen. „Warum wolltest du mich sehen?“

Es entstand eine kurze Pause.

„Es gab keinen besonderen Grund“, entgegnete er rundweg. „Ich hatte geschäftlich in Athen zu tun. Während ich hier auf den Sporaden war, habe ich beschlossen, Sofie und Richard zu besuchen. Und wen sehe ich da auf der Terrasse Kellnerin spielen? Meine kleine entflohene Ehefrau!“

„Mach dich nicht lustig über mich, Matt.“

Sein Lächeln war nur ein weißes Blitzen in seinem dunklen Gesicht, ohne eine Spur von Humor.

„In Ordnung. Ich werde mich nicht über dich lustig machen. Wo hast du dich in den letzten zwei Jahren versteckt, Becky?“

„Ich habe mich nicht versteckt“, erwiderte sie steif. „Ich – ich habe im Ausland gearbeitet.“

„Aber nicht als Model?“

Sie schüttelte den Kopf und sah, wie er fieberhaft darüber nachdachte, was sie wohl sonst gemacht haben könnte. Für ihn war sie immer das dumme kleine Häschen gewesen, und er hatte sie wie ein Kind behandelt, das man als intelligenter Erwachsener nicht ernst nehmen musste.

„Hier bist du jedenfalls nicht gewesen – ich habe von Zeit zu Zeit bei Sofie nachgefragt.“

„Warum?“ Ihre Frage schien ihn zu verärgern.

„Warum?“, wiederholte er abrupt. „Weil du meine Frau bist, Becky!“

„Und du möchtest gerne wissen, wo sich dein Besitz befindet?“

Sein Mund wurde schmal, und seine Miene verdüsterte sich. „Genau“, stimmte er ausdruckslos zu.

„Sag mal“, begann sie mit zitternder Stimme, „bist du ganz allein um die Inseln gesegelt?“

„Nicht die ganze Zeit.“

„Hattest du männliche oder weibliche Begleitung?“

„Beides. Was nicht bedeutet, dass ich plötzlich bisexuell geworden bin“, stichelte er spöttisch. Ihre Wangen erglühten, obwohl sie sich bemühte, gelassen und ruhig zu bleiben. Der Ausdruck seiner Augen rührte etwas in ihr an, und sehnsüchtige Erinnerungen wurden wach.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einen ganzen Monat auf See verbringst, ohne dass eine liebestolle Frau mit dir die Koje teilt“, entgegnete sie beißend.

„Wenn du nicht wolltest, dass ich bei einer anderen Trost suche, warum hast du mich dann verlassen, Becky?“

„Du weißt, warum ich gegangen bin!“ Sie kochte plötzlich vor Wut. Wie konnte er es wagen, hier einfach so aufzutauchen, sie zu verspotten und ihr solche Fragen zu stellen?

„Ich weiß, wir hatten ein lächerliches Telefongespräch. Du hast mir mindestens zwei Dutzend Anschuldigungen entgegengeschleudert, nur wegen des verwirrten Geschreibsels irgendeiner idiotischen Frau, mit der ich kaum ein Wort gewechselt hatte …“

Becky schüttelte wütend den Kopf und schloss die Augen.

„Hör auf – hör auf! Hör auf, alles wieder aufzuwärmen, als ob … als ob es sich im Nachhinein erklären lässt, nur weil zwei Jahre vergangen sind! Du weißt, dass du in Hongkong gefeiert und geflirtet hast … das weißt du ganz genau! Du und Su-Lin, ihr wolltet heiraten, bevor ich aufgetaucht bin. Ich war nur ein unglücklicher … Ausrutscher!“

Matt sah sie einen langen Moment an, sein gebräuntes Gesicht zeigte keine Regung. Schließlich schüttelte er langsam den Kopf.

„Was soll man noch sagen, wenn man mit so überzeugter Eifersucht konfrontiert wird?“

Zitternd vor Wut funkelte sie ihn an.

„Hör zu, Matt. Ich weiß nicht, was du willst. Ich verstehe nicht, warum du hierhergekommen bist –“

„Und ich habe nie verstanden, was du eigentlich möchtest“, schnitt er ihr kühl das Wort ab. „Was geht in deinem kleinen, wankelmütigen Kopf vor sich, Rebecca?“

Sie ertappte sich dabei, wie sie nervös eine ihrer honigbraunen Locken um den Finger zwirbelte.

„Nichts natürlich“, erinnerte sie ihn mit großen, unschuldigen Augen. „Hast du vergessen, dass du ein hirnloses Dummchen geheiratet hast, das töricht genug war, schwanger zu werden, als die heiße Affäre in Langeweile umschlug?“

„Warum tust du das immer?“, fragte er sanft. Der Ton seiner Stimme täuschte, das wusste sie. Er strafte seinen harten, angespannten Ausdruck um den Mund Lügen.

Was tue ich immer?“, entgegnete sie süß. „Mit meinen Haaren herumspielen, was du mir ja immer verboten hast?“

„Nein. Ich meine, dich so kleinzumachen und so zu tun, als wärst du ein einfältiges Püppchen. Du weißt genau, dass du intelligent bist und beinahe unbegrenztes Potenzial hast.“

„Spar dir deine gönnerhaften Komplimente!“, fauchte sie und nahm einen weiteren Schluck Ouzo, bevor sie das Glas auf den Tisch zurückstellte und es weit von sich schob. Seit der schlimmen Virusattacke und der darauf folgenden langwierigen Genesung hatte sie kaum Alkohol getrunken. Nun spürte sie seine Wirkung dreimal so stark.

Ähnlich war es ihr am Anfang ihrer Schwangerschaft ergangen, als sie nicht wusste, warum ihr Hormonsystem so durcheinander war. „Entschuldige mich“, fügte sie fest hinzu, schob ihren Stuhl zurück und stand auf. „Ich werde früh müde und muss ins Bett.“

„Becky …“ Sie spürte seinen unterdrückten Zorn, während er ein paar Münzen auf den Tisch warf und polternd seinen Stuhl zurückstieß, um ihr zu folgen.

Im Seitenspiegel eines geparkten Autos sah sie flüchtig ihr angespanntes Gesicht. Es war blass geworden, und die vielen Sommersprossen auf ihrer Nase stachen aus dem Weiß hervor. Ihre braunen Augen wirkten groß – wie dunkle Seen über den hohen Wangenknochen, die ihr als Model immer viel Bewunderung eingetragen hatten.

„Becky, warte.“ Matt ergriff ihren nackten Arm und zwang sie, stehen zu bleiben. Seine Stimme klang rau und ungeduldig. Abrupt drehte er sie zu sich um, und sie blickten sich einen Moment lang starr an, während um sie herum gut gelaunte Menschen in Grüppchen am Hafen entlangspazierten. Becky versuchte, ihren Arm zu befreien, aber seine Finger drückten nur noch fester zu und bohrten sich in das weiche Fleisch. Sie biss sich auf die Unterlippe und holte tief Luft.

„Lauf mir nicht davon“, fuhr er sie an, als sie sich verärgert losriss.

„Hör auf, mich herumzukommandieren“, gelang es ihr zu kontern. Nur ihre heisere Stimme verriet, wie sehr ihre Nerven blank lagen.

Er stand so dicht neben ihr, dass sie seine Hitze fühlen und den leichten Moschusduft seiner Seife riechen konnte. Auch er schien angespannt zu sein, das sah sie an der pochenden Halsschlagader.

Ihre Blicke trafen sich für einen langen Augenblick. Ein Schauer lief Becky über den Rücken, als sein Blick langsam nach unten glitt und über ihren schlanken Hals, die schmalen Schultern und die sanfte Wölbung ihrer Brust unter dem T-Shirt wanderte. In Matts Miene zeigte sich keine Regung. Ihr stockte der Atem. Fast meinte sie, den Blick spüren zu können wie kühne, männliche Hände, die in Besitz nahmen, was ihnen so lange verwehrt worden war. Ihr wurde plötzlich heiß, und die widerstreitenden Gefühle in ihr ließen sie zittern.

„Ich werde dich begleiten“, sagte er knapp. „Ich nehme an, du wohnst bei Sofie und Richard?“

„Ich finde den Weg schon allein zurück“, erklärte sie beißend. Er ignorierte ihren Einwand und lief neben ihr her. Als er ihr locker den Arm um die Schulter legte und auf ihren ungläubigen Blick hin nur spöttisch die Mundwinkel verzog, wäre sie fast explodiert. Der Mann an ihrer Seite, der sie um mehr als zehn Zentimeter überragte und sie besitzergreifend umfasst hielt, weckte schmerzhafte Erinnerungen. Erinnerungen, die ihr die Kehle zuschnürten.

Autor

Rosalie Ash
Sie hat bisher 21 erfolgreiche Romances geschrieben, wobei sie erst jetzt wieder richtig aktiv geworden ist, nachdem sie eine längere Pause vom Schreiben romantischer Stories gemacht hat. Rosalie Ash ist Mitglied der Society of Authors und der Romantic Novelists Association. Gelegentlich bewohnt sie auch ein Paralleluniversum in ihrer Fantasie, wo...
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