Heiße Affäre mit dem spanischen Playboy

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Für Playboys wie Leo di Marquez hat die schüchterne Anna normalerweise wenig übrig. Doch als sie dem sexy Spanier auf der idyllischen Isla Marina begegnet, weckt seine Nähe ungeahnte Sehnsucht in ihr. Gegen jede Vernunft lässt Anna sich auf eine Affäre ein. Mit süßen Folgen …


  • Erscheinungstag 17.10.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535984
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Anna Gray umklammerte ihre Kaffeetasse mit beiden Händen und trat vorsichtig auf die knarrende Holzterrasse hinaus. Entsetzt sah sie sich um.

Das Inselresort hatte im Zwielicht der Dämmerung gestern Abend noch einen charmant robusten Eindruck gemacht, doch bei Tageslicht zeigte sich ein völlig anderes Bild. Die niedrigen weißen Bungalows – jeder einzelne mit einem kleinen Privatgarten drum herum – hätten für eine wunderschöne Atmosphäre gesorgt, wären sie in einem besseren Zustand gewesen. Aber nicht einmal die frühe Maisonne konnte La Isla Marina in schillernde Farben tauchen.

Von ihrem Aussichtspunkt aus konnte Anna sogar die Spitze der Insel erkennen. Dort befanden sich die Verwaltungsgebäude und auch das Haus ihrer Mutter, ganz in der Nähe der prunkvollen Villa, die gleichzeitig das Zentrum der Insel darstellte, zusammen mit den Swimmingpools, Tennisplätzen und Erholungsbereichen. Und überall dazwischen diese kleinen Bungalows …

Wenn Anna sich auf die Zehenspitzen stellte, sah sie das tiefblaue Meer und die sanft wippenden Palmen, die den weißen Badestrand umsäumten. Es war alles so herrlich idyllisch.

Fast alles! Wenn man die Umgebung genauer betrachtete und hinter die exotische Fassade blickte, fielen einem sofort die abblätternde Farbe, die herausgerissenen grünen Fensterläden und die vernachlässigten Gartenanlagen auf. La Isla Marina war zwar bekannt für ihre außergewöhnlich schöne Flora, doch dieser Bereich hier glich mittlerweile einem ungepflegten Dschungel.

Was war mit dem hochpreisigen Resort passiert? Zugegeben, alles hier war schon vor drei Jahren ziemlich heruntergekommen gewesen, als sie der Beerdigung ihres Großvaters beigewohnt hatte. Allerdings war damals das Hotel immer noch der ma­gische, idyllische Ort gewesen, an dem sie als Kind jeden Sommer verbracht hatte.

Das altbekannte Schuldgefühl ergriff sie wieder. Ihr war klar, wie unorganisiert ihre Mutter war, und man hätte diese Entwicklung vorhersehen müssen. Es hätte den tränenreichen Anruf nicht gebraucht, der sie hierher zitiert hatte, um zu helfen.

Das schlechte Gewissen wurde stärker. Es war nämlich nicht die ungewöhnlich Panik in der Stimme ihrer Mutter, die Anna überzeugt hatte, sondern ihr eigenes Bedürfnis, eine Auszeit zum Nachdenken zu nehmen. Wäre sie nicht selbst in einem Ausnahmezustand gewesen, wäre sie wohl in Oxford geblieben und hätte ihrer Mutter eine Absage erteilt.

Jedes Mal, wenn sie Kontakt hatten, fragte ihre Mutter, ob Anna bald zu Besuch kommen könnte. Und Anna hatte bisher immer eine Ausrede parat gehabt. La Isla Marina zu besuchen in dem Wissen, dass ihre Großeltern nicht mehr dort sein würden, war einfach ein zu deprimierender Gedanke gewesen.

Außerdem standen sie und Sancia sich nicht unbedingt nahe. Ihre Mutter hatte ihrerseits jedenfalls keine Anstrengungen unternommen, um sich mit ihr zu treffen.

Nein, Anna hatte der Bitte ihrer Mutter am Ende aus rein egoistischen Motiven nachgegeben. Ein paar entspannte Wochen in der Sonne, weit weg von Oxford, waren genau das, was sie jetzt brauchte.

Doch ihre Zuversicht schwand, während sie sich in dieser verwahrlosten Umgebung umsah. Hier konnte man sich unmöglich entspannen!

„Guten Morgen, querida, wie hast du geschlafen?“

Anna drehte sich zu ihrer Mutter um. „Großartig, danke. Ich war echt müde nach der langen Reise.“ Kritisch musterte sie die ältere Frau und bemerkte die neuen grauen Strähnen in ihrem dichten Haar und die feinen Linien in ihrem Gesicht, die drei Jahre zuvor noch nicht da gewesen waren. „Wie geht es dir?“

„Alles läuft super.“

Anna verkrampfte sich, als ihre Mutter die Arme um sie legte und sie an sich zog. „Ich bin froh, dass du da bist, querida. Es ist schon zu lange her.“

„Tja, nun …“ Vorsichtig trat Anna einen Schritt zurück und bemühte sich, dabei keinen Kaffee zu verschütten. „Ich war ziemlich beschäftigt, weißt du? Mit dem Buch und als Dozentin … Was ist hier eigentlich passiert, Mama?“

„Passiert?“

Während ihre Mutter recht unsicher wirkte, schluckte Anna ihren Frust herunter. Sancia Garcia lebte einfach in ihrer eigenen Welt. Sie hatte nie eingesehen, weshalb ihre Töchter beispielsweise pünktlich in der Schule sein sollten. Oder warum sie überhaupt zur Schule gehen mussten, wenn die Sonne schien. Wieso man ein Abendessen vorbereiten oder einen bestimmten Zeitplan einhalten sollte.

Als sie zehn wurde, begriff Anna allmählich, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen musste, wenn sie wie andere Familien sein wollten. Sie musste selbst Verantwortung übernehmen – für sich und für ihre Schwester Rosa.

Ihr Inneres zog sich zusammen. Es hatte sich absolut nichts geändert. Es würde sich nie etwas ändern …

Sancia war es sogar gelungen, sich derart verträumt und gleichgültig von ihrem Ehemann zu trennen, dass es fast den Anschein hatte, als wäre es unabsichtlich geschehen. Und sie geriet auch niemals in Panik, weshalb ihr Ruf nach Hilfe auch so ungewöhnlich war. Darum – und um dem Lehrstuhl in Oxford vorübergehend den Rücken kehren zu können – hatte Anna den nächstbesten Flug genommen, ihren Vater und ihre Pflichten hinter sich gelassen, und war in Richtung Spanien abgereist.

Doch im Augenblick schien Sancia nicht im Mindesten gestresst zu sein.

„Das Hotel, Mama. Es sieht nicht danach aus, als wäre es in letzter Zeit instandgehalten worden. Wie konnte es in diesen Zustand geraten?“

Sancia zuckte die Achseln. „Pedro hat nach dem Tod deines Großvaters gekündigt, genau wie Bonita kurz darauf, und die beiden hatten vorher eben alles im Griff. Es ist schwer, gutes Personal zu finden. Leute, die bleiben wollen. Irgendwie ist alles auf einmal passiert, querida. Zuerst fielen die Lampen aus, danach ein paar Toiletten und die Filteranlagen für die Pools. Und ich kann das alles nicht allein regeln.“

„Kein Wunder, dass die Buchungen zurückgehen. Wieso hast du nicht früher um Hilfe gebeten?“

„Du warst so beschäftigt und hast doch dein eigenes Leben, Anna, genau wie deine Schwester. Ich wollte euch nicht unter Druck setzen. Mir war völlig klar, dass sich irgendwann etwas ergibt, und das stimmt ja auch. Diese Hochzeit wird alles wieder ins rechte Lot bringen.“ Begeistert klatschte sie in die Hände. „Das ganze Geld und die Publicity! Der Glamour! Wir können La Isla Marina wieder zu altem Glanz verhelfen, genau wie in meiner Jugend, als deine Großeltern dieses Hotel aufgebaut haben.“

Die Hochzeit. Dieses magische Ereignis, an das ihre Mutter all ihre Hoffnungen knüpfte. In einem Monat sollte die Feier stattfinden, obwohl die Insel ganz und gar nicht darauf vorbereitet war. Schlimm genug für eine gewöhnliche Trauung, aber hier ging es um die Vermählung eines Supermodels mit einem berühmten Millionär. Diese Menschen erwarteten Fünf-Sterne-Luxus, und momentan brachte es die Insel mit Mühe vielleicht auf zwei Sterne!

„Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Niemand würde hier eine Traumhochzeit feiern wollen, schon gar nicht Leute, die jedes einzelne Detail ihres Lebens im Internet posten“, kommentierte Anna trocken.

Beruflich verbrachte sie ihre Zeit hauptsächlich in Bibliotheken und Büros, und obendrein war sie ein geschultes Organisationstalent. Ihre Mutter benötigte dringend einen Businessplan, eine verlässliche Kostenaufstellung, Marketing und tägliche Arbeitspläne – genau das entsprach Annas Kernkompetenz.

Obendrein mussten die zweiundfünfzig Bungalows grundgereinigt, renoviert und neu gestrichen werden. Anna blieb nur zu hoffen, dass sie sich dafür ihre Hände nicht schmutzig machen musste. Aber glücklicherweise war ihre Schwester wesentlich praktischer veranlagt als sie. „Wann kommt Rosa denn her?“

Mit gemischten Gefühlen wartete Anna auf eine Antwort von ihrer Mutter. Sie hatte ihre Schwester seit Jahren nicht mehr gesehen, es hatte auch keine Telefonate oder Nachrichten gegeben. Anna hatte nicht vergessen, wie sie vor drei Jahren auseinandergegangen waren.

„Sobald sie kann. Du musst wissen, sie hat gerade ein wichtiges Projekt im Gange. Das könnte noch zwei Wochen dauern, aber danach ist sie da.“

Genervt presste Anna die Lippen aufeinander. Natürlich! Für ihre Mutter war alles unendlich wichtig, was Rosa zu tun hatte. Sie war schon immer von Rosas sorglosem, unkonventionellem Lebensstil beeindruckt gewesen.

Viel mehr als von meiner Qualifikation und Leistung.

Mit ihren achtundzwanzig Jahren sollte Anna eigentlich alt genug sein, diesen Umstand nicht mehr allzu persönlich zu nehmen, doch sie konnte die Tatsache nicht verdrängen, dass im Apartment ihrer Mutter zahlreiche Fotos von Rosa hingen, sich aber kein einziges Exemplar ihres Buches dort befand.

„Zwei Wochen?“ Entgeistert ließ Anna ihren Blick schweifen. Es war unmöglich, mit den notwendigen Renovierungen noch so lange zu warten. Also blieb ihr keine Wahl: Sie musste über sich hinauswachsen, und zwar sofort.

„Packen wir’s an!“, murmelte Anna, nachdem sie eine zweite Tasse vom exzellenten Kaffee ihrer Mutter getrunken hatte.

Als Erstes brauchten sie eine Liste. Mehrere Listen. Eine für die nötigen Reparaturen, eine für die notwendigen Materialien. Das bedeutete, die Bungalows mussten gründlich in Augenschein genommen werden, genauso wie jeder Weg, jeder Stuhl und Tisch, die Strandbars, Tennisplätze … Sie brauchte eine Extra-Liste für all diese Listen!

Also ließ sie Sancia in der Küche zurück, um sich einen Überblick zu verschaffen, und genoss die Stille um sich herum, nachdem sie schon den ganzen Morgen mit ihrer Mutter verbracht hatte.

Früher, als ihre Großeltern noch lebten, war die Hotelanlage aufregend lebendig gewesen, und überall hatten sich Besucher, Gäste und Personal getummelt. Jetzt wirkte das Gelände wie eine Geisterstadt. Es gab nur eine Putzfrau, einen Verwalter, einen Koch und ein paar Aushilfskräfte, die vom Festland herüberpendelten. Gäste? Fehlanzeige!

Anna unterdrückte ein Schaudern. Es war schlicht zu ruhig. Vielleicht würde sie heute selbst die Insel verlassen, nur für ein Mittagessen unter fremden Menschen.

Die Insel war nicht sehr groß, und Anna brauchte nicht lange, um den Strand zu erreichen, von dem aus man das Festland sehen konnte. Palmen umgaben den weißen Sandstrand, und sie machte eine Pause, um tief durchzuatmen. Dabei nahm sie die salzige Seeluft und das Zitrusaroma der kleinen Plantage in der Nähe auf.

Das Meer war tiefblau und türkis, und es lockte Anna zu sich. Schnell streifte sie die Schuhe ab und vergrub die Zehen im weichen Sand. Wann war sie eigentlich zum letzten Mal barfuß draußen herumgelaufen?

Instinktiv breitete sie die Arme aus und ließ sich von der Sonne wärmen. Von ihrer Mutter hatte sie die schwarzen Haare und die olivgetönte Haut geerbt, und wenn sie ehrlich sein wollte, war es in Oxford niemals warm genug für ihren Geschmack. Die mediterrane Sonne hatte ihr gefehlt, auch wenn es erst Mai war.

Das Geräusch eines Staubsaugers in der Ferne brachte sie in die Realität zurück. Sie war nicht allein auf dieser Insel und machte auch keine Ferien. Nein, sie war hier, um ihrer Mutter zu helfen und dabei ihre eigenen Sorgen zu vergessen. Einen ganzen Monat fern von ihrem Kurs, ihrer Forschung, fern von allen Erwartungen, das brachte ihr hoffentlich die Erholung, die sie so dringend benötigte.

Sie zückte ihr Notebook und nahm sich vor, die Boote auf ihre Seetüchtigkeit zu überprüfen. Der kleine Hafen befand sich links von ihr und trennte den Badestrand von den eher felsigen Buchten dahinter. An einem weitläufigen Holzsteg dümpelten all die Kajaks und Ruderboote, die den Gästen zur Verfügung standen, um den ruhigeren Teil der See zu erkunden.

Seufzend schob sie ihre Füße wieder in ihre Sneaker und folgte dem schmalen Pfad, der um die Ecke und an den Bäumen entlang führte, bis sie sich durch einen besonders überwucherten Teil des Weges auf den Holzsteg drängte. Dann blinzelte sie verwundert. Was war das?

Sie blieb stehen und starrte ungläubig auf den Steg. Neben mehreren Kajaks und Booten, die zum großen Teil hoch auf den Kiesstrand gezogen worden waren, befand sich ein schneeweißes Boot, das stolz im tieferen Wasser trieb. Es war groß genug, um ein Hochseeschiff zu sein, und war mit glänzenden Schienen verziert. Die Größe, die schneeweißen Segel … all das wies auf das Spielzeug eines reichen Mannes hin.

Ein ebenso modernes Schlauchboot war am Steg befestigt, ein deutliches Zeichen dafür, dass jemand an Land gekommen sein musste. Die Insel war Privateigentum, aber gelegentlich legten Tagesausflügler oder vorbeifahrende Boote an. Und wenn sie Geld mitbrachten, waren sie normalerweise herzlich willkommen.

Anna sah sich um. Sie hatte niemanden auf dem Hauptweg gesehen. „Hallo?“, rief sie. „Hallo? Ist da jemand? Kann ich Ihnen helfen?“

Keine Antwort.

Sie zögerte. Das Schild an der Anlegestelle wies die Besucher in sechs verschiedenen Sprachen eindeutig an, sich bei der Rezeption zu melden. Nicht, dass dort tatsächlich jemand auf Besucher wartete …

Als hätte ich nicht genug zu tun, dachte sie ärgerlich. Was erwartete ihre Mutter eigentlich von ihr? Wie konnte sie davon ausgehen, dass eine vierköpfige Mannschaft genügte, um diese Insel für die Saison in Form zu bringen, geschweige denn, sie auf die Hochzeit des Jahres vorzubereiten? Sancias optimistische Zusicherungen, dass bald genug Saisonpersonal anreisen würde, klangen unglaubwürdig.

Erschrocken schnappte Anna nach Luft, als sie eine große, breite Gestalt lässig am nächstgelegenen Bungalow stehen sah. Der Mann spähte durch die Fensterläden, als hätte er das Recht, genau dort zu sein. Sie schob ihre Schultern zurück, und Empörung verschaffte ihr zusätzliches Adrenalin. Dieser Kerl bewegte sich auf Privatbesitz. Ohne zu überlegen, marschierte sie auf ihn zu und schob sich dabei geschickt durch die wuchernden Bäume und Sträucher.

„Entschuldigen Sie!“ Ihr Spanisch klang sogar für ihre eigenen Ohren fremd und schrill, als sie den Bungalow erreichte. „Was, um alles in der Welt, machen Sie da?“

Die Wut hatte ihr Mut verliehen, doch der verabschiedete sich wieder, als sie den Eindringling direkt vor sich sah. Dies war kein dekadenter, übergewichtiger Geschäftsmann, wie sie erwartet hatte. Sondern ein Pirat.

Groß und stark, kein Gramm Fett am Leib, und sein nackter Oberkörper war durch sein offenes weißes Hemd freigelegt. Er hätte Michelangelos David als Vorlage dienen können. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, und seine noch dunkleren Augen musterten sie mit einer Arroganz, die sie vor Scham erzittern ließ.

Ihr wurde bewusst, wie schmuddelig sie aussah: kein Make-up, ein zerknittertes altes T-Shirt, das Haar hastig hochgebunden. Sie widerstand dem Drang, ihr Oberteil zurechtzuzupfen und tat ihr Bestes, streng und souverän zu wirken.

„Was ich hier mache?“, entgegnete er mit einem schweren englischen Akzent. „Ich frage mich, ob ich im Set eines Katastrophenfilms gelandet bin.“

„Wir sind noch nicht auf die kommende Saison vorbereitet“, antwortete sie ausweichend und wurde rot bei dieser Ausrede.

„Wie es aussieht, haben Sie noch nicht einmal mit den Vorbereitungen angefangen. Keine Ahnung, was Sie hier für ein Theater abziehen, aber ich sage Ihnen gleich, meine Schwester wird da nicht mitspielen.“

„Ihre Schwester?“

„Keine Sorge, sie wird eine andere Location für ihre Hochzeit finden.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und lief den Steg entlang.

Annas Hirn versuchte fieberhaft, das Gehörte zu verarbeiten. Die Megahochzeit, das Model, die Veranstaltung, wegen der ihre Mutter ihre beiden Töchter zur Hilfe gerufen hatte. Ein Event, das dem alten Hotel zu neuem Glanz verhelfen sollte.

Der Zustand dieser Insel mochte dem Missmanagement ihrer Mutter geschuldet sein, aber sie empfand dennoch Stolz für das Erbe ihrer Großeltern. Und wer immer dieser Mann war, sie durfte nicht zulassen, dass er diesen Ort einfach aufgab.

„Dann sind Sie der Bruder der Braut?“, hakte sie nach.

Es folgte eine kurze Pause. „Si.“

Hilflos sah Anna sich um. Er durfte seine Schwester nicht davon überzeugen, die Buchung zurückzuziehen. Eilig folgte sie ihm auf den Steg. „Hören Sie mal! Ich weiß, die Insel befindet sich momentan nicht im besten Zustand. Aber ich verspreche Ihnen, zur Hochzeit wird hier alles perfekt sein.“

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Wie wollen Sie das denn schaffen? Mit einer Armee von Heinzelmännchen?“

„Nein, keine Armee“, keuchte sie. „Ich gebe zu, wir liegen ein bisschen hinter dem Zeitplan, aber bisher habe ich meine Projekte immer fristgerecht abgeschlossen. Und dieses hier bildet keine Ausnahme.“ Ihr drehte sich der Magen um. Wie immer, wenn sie an die ungeduldigen E-Mails ihres Agenten dachte. Trotzdem hob sie mutig den Kopf und ignorierte das Kribbeln, das der Fremde in ihr auslöste. „Bitte geben Sie mir die Chance, es Ihnen zu beweisen!“

Die Frau vor ihm machte einen verzweifelten Eindruck. Leo musterte sie. Mit ihrem dichten schwarzen Haar und der gebräunten Haut sah sie aus wie eine mediterrane Nymphe. Hypnotische tiefblaue Augen, die von langen, dunklen Wimpern umrahmt waren … und der hübsche Kussmund leuchtete in verführerischem Rosa.

„Sind Sie hier die Besitzerin?“, wollte er wissen. Nicht, dass es einen Unterschied machte. Er musste dringend zum Boot zurück und Valentina telefonisch mitteilen, dass diese Location ein absoluter Reinfall war.

Es war ja nicht so, als hätte seine Halbschwester keine andere Wahl für den Ort ihrer Hochzeit. Die Mutter ihres Verlobten hatte dem Jubelpaar ihr viktorianisches Haus auf Martha’s Vineyard angeboten, aber seine Schwester hatte diesen Vorschlag rigoros abgelehnt. „Sie möchte die Hochzeit geschmackvoller gestalten“, hatte sie sich mit Verachtung in der Stimme beschwert.

Valentina selbst neigte dagegen zur Überschwänglichkeit und Übertreibung, was sich bei ihrer Hochzeit natürlich widerspiegeln würde. Und wenn Valentina etwas wollte, dann bekam sie es normalerweise auch.

Mithilfe dieser Entschlossenheit hatte sie sich vom Teilzeit­model und It-Girl zur erfolgreichen Online-Königin mit Supermodelvertrag hochgearbeitet. Ihre Bereitschaft, jeden Augenblick ihres Lebens mit dem perfekten Filter und dem treffenden Hashtag viral zu teilen, unterschied sie vom Großteil anderer hübscher Möchtegern-Sternchen. Harte Arbeit und ein genialer Geschäftssinn machten sie zu einer erfolgreichen globalen Marke.

Leo verstand nicht, wie Valentina es ertragen konnte, ihr Leben auf Millionen von Bildschirmen zu sehen – aber das musste er auch nicht verstehen. Vielleicht holte sie ja auf diese Weise ein Stück ihrer Kindheit nach und verschaffte sich die Aufmerksamkeit, die ihre Familie ihr nie hatte zuteilwerden lassen. Er wollte sie nur glücklich sehen.

Deshalb hatte er ihr auch seine Hilfe angeboten, nachdem er hörte, dass ihre erste Hochzeitslocation durch ein Feuer zerstört worden war. Er war nach La Isla Marina gefahren, um nachzusehen, ob sie dort wirklich kurzfristig eine opulente Hochzeit ausrichten konnten.

Es hatte ungefähr fünf Sekunden gedauert, eine Antwort darauf zu finden. Die Insel war komplett ungeeignet … und doch war er hier. Den Blick immer noch auf die Meeresnymphe gerichtet, fragte er sich, wie ihre rosafarbenen weichen Lippen wohl schmeckten.

„Nein, ich bin nicht die Besitzerin, sondern ihre Tochter. Hören Sie, ich weiß, es sieht nicht danach aus, aber wir haben hier alles unter Kontrolle.“

Doch sie schaffte es nicht, ihm direkt in die Augen zu schauen, während sie diese Worte sagte. Leo verschränkte die Arme und betrachtete sie kritisch. Er bemerkte, dass sich eine tiefe Röte auf ihren Wangen ausbreitete. „Dann sind Sie bestimmt eine erfahrene Hochzeitsplanerin? Oder vielleicht Eventmanagerin? Hotel­fachfrau? Vielleicht sogar im handwerklichen Bereich tätig?“

Sie blinzelte. „Nun, nein.“

„Nein? Was dann?“

„Ich bin Dozentin, nur finde ich keine …“

„Dozentin? Für ein bestimmtes Handwerk?“

Ihre Wangen färbten sich noch dunkler. „Für europäische Geschichte. Also, ich betrachte die Geschichte hauptsächlich aus feministischer Perspektive und …“ Sie sah ihn an und brach sofort ab.

„Das wird sicherlich sehr nützlich sein, da bin ich mir sicher“, kommentierte er ironisch. „Ich glaube nicht, dass ich noch mehr sehen muss.“ Es ergab keinen Sinn, länger zu bleiben, egal, wie hübsch diese hilfsbereite Nymphe war. Plötzlich summte sein Telefon, und er zog es aus der Hosentasche. Valentina. „Hallo?“

„Ist es herrlich dort? Ach, ich wünschte, ich könnte bei dir sein. Aber ich muss morgen nach Japan fliegen, und danach bin ich für eine Woche in Australien, ehe ich zu einem superwichtigen Shooting nach New York hetze. Darum ist es für mich unmöglich, vor der Hochzeit noch auf die Insel zu kommen. Aber ich bin dir so dankbar, dass du da bist und alles vorbereitest. Es ist doch perfekt, oder? So wie in meiner Erinnerung?“

„Valentina …“, unterbrach er sie, aber seine Schwester plapperte munter weiter.

„Das fühlt sich richtig an, Leo. Es ist zwar eine Schande wegen der Villa, in der wir heiraten wollten, aber ich habe die glücklichsten Sommer auf La Isla Marina verbracht. Und das muss doch ein gutes Omen sein, nicht wahr? Für mich wird es, als würde ich nach Hause kommen, wenn ich hinfliege. Todd ist bestimmt auch begeistert“, fügte sie zuversichtlich hinzu. „Ich weiß, auf Vineyard ist es schön. Aber ich möchte, dass diese Hochzeit mich widerspiegelt, und dafür soll sie so wenig wie möglich mit New York zu tun haben.“

Leo seufzte innerlich. Valentina war inzwischen extrem wohlhabend und heiratete in alten New Yorker Geldadel ein. Allerdings stammte sie aus ärmlichen Verhältnissen, weil ihr Vater die üble Angewohnheit hatte, seine Mätressen und die gemeinsamen Sprösslinge abzuschieben, sobald ihm ihre Forderungen zu unbequem wurden.

Während Leo im einsamen, strengen Luxus des Castillos erzogen worden war, hatte Valentina ihre Kindheit in einer winzigen Wohnung im schlechteren Teil der Stadt verbracht. Wer könnte ihr vorwerfen, ein Märchen leben zu wollen, wenn sich diese Gelegenheit bot? Sie hatte es verdient. Immerhin war sie die Tochter eines Conde, auch wenn der berühmte Graf sich weigerte, sie offiziell anzuerkennen.

Leo sah sich um und betrachtete die Insel mit neuen Augen. Sie wirkte heruntergekommen, sicher, aber es würde kein Vermögen verschlingen, sie wieder auf Vordermann zu bringen. Dafür brauchte es nur etwas Zeit und Sorgfalt. Leo könnte das leicht organisieren, sozusagen als Hochzeitsgeschenk für seine Schwester, die viele Jahre zu spät in sein Leben getreten war. „Es braucht natürlich noch etwas Arbeit, ist aber alles machbar. Nichts, was nicht problemlos repariert werden kann. Keine Panik.“

„Wie könnte ich in Panik geraten, wenn du dort bist und dich um alles kümmerst, mi hermano? Auf dich kann ich mich doch verlassen! Ich will keine perfekte Umgebung für Leute, die sich nur um Oberflächlichkeiten scheren. Ich möchte nur, dass es perfekt für mich ist. Und für Todd.“

„Das wird es sein“, versprach Leo. Damit legte er sein Handy beiseite. Seine Optionen waren klar: Entweder fand er für seine Schwester eine andere verwunschene spanische Insel als Veranstaltungsort, die in der Lage war, in einem Monat mehr als hundert Hochzeitsgäste unterzubringen, oder … er musste dafür sorgen, dass sich dieses Eiland in einen Ort der Träume verwandelte. Zum Glück hatte er momentan auch nichts Besseres zu tun!

Er fixierte die Nymphe mit hartem Blick. „Geben Sie mir dieses Notizbuch“, verlangte er. „Wir haben viel zu tun!“

2. KAPITEL

Die junge Frau klammerte sich fest an ihr Buch und funkelte ihn an. „Wir?“

„Ja, wir“, bestätigte Leo. „Im Moment wäre dieses Hotel höchstens für eine Halloweenparty geeignet. Ich bin mir sicher, dass Ihr Wissen über die Geschichte der europäischen Feministinnen sehr nützlich sein wird, wenn es darum geht, die tropfenden Duschen zu reparieren. Aber für den Fall, dass dem nicht so ist, beabsichtige ich, hier zu bleiben und den Renovierungsfortschritt zu beaufsichtigen.“

„Wirklich?“ Die strahlend blauen Augen waren eisig. „Und Sie wissen genau, wie man einen tropfenden Wasserhahn repariert, nehme ich an?“

„Ich kann einen Wasserhahn reparieren, eine Wand kacheln oder Schreinerarbeiten erledigen. Können Sie das?“

Was er sagte, stimmte alles, auch wenn die meisten Leute das nicht wussten. Es würde sein sorgfältig gepflegtes Playboy-Image ruinieren, wenn jemand wüsste, wie begabt und geschickt er in handwerklichen Dingen war. Genauso wie niemand wusste, dass er jeden einzelnen Penny, den er scheinbar achtlos ausgab, mit harter Arbeit selbst verdient hatte.

Sein Vater hatte ihm mit achtzehn Jahren sämtliche finanziellen Mittel gestrichen und erwartet, dass irgendwann ein reumütiger und gehorsamer Sohn zu ihm gekrochen kam und um Geld bettelte.

Nun, der alte Mann wartete bis heute. Und es machte ihn wahnsinnig, dass er keine Kontrolle über seinen Sohn hatte und auch nicht wusste, woher Leo das Geld für seinen extravaganten Lebensstil bezog. Genau diese Lebensart seines Sohnes – ständig neue Partys, neue Casinos, neue Supermodels – trieb den alten Mann zur puren Verzweiflung. Immerhin war Leo sein einziger Sohn und der zukünftige Conde de Olvares, da schickte es sich nicht, mit seinen Lastern hausieren zu gehen.

Leo kannte die strengen Regeln seines Vaters und hielt sich absichtlich nicht daran. Im Gegenteil, er kehrte seine vermeintlichen Schwächen gut sichtbar nach außen und verbarg seine Tugenden vor den Augen der Welt. In Wahrheit besuchte er kaum noch irgendwelche Partys, und wenn, dann blieb er normalerweise nur lange genug, um dort offiziell fotografiert zu werden.

Valentina hatte ihm diesbezüglich viel beigebracht. Die allgemeine Wahrnehmung war alles, was zählte, und die ließ sich kinderleicht steuern.

Die Schönheit vor ihm reckte trotzig das Kinn vor. „Ich bin sicher, dass ich es schnell lernen kann. Schließlich kann ich Anweisungen folgen und …“

„Gut zu wissen“, sagte Leo leise, und ihre Wangen wurden rot.

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