Heiße Leidenschaft - Best of Baccara 2018

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Baccara-Romane aus 2018 - leidenschaftlich, aufregend und extravagant. Die kleine Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

DER MILLIARDÄR HINTER DER MASKE

Ihre Wangen glühen rot, wenn Emma an die hemmungslose Nacht mit dem maskierten Fremden denkt. Schuld war nur der Tequila auf der Faschingsparty. Wie gut, dass der Maskierte ihren Namen nicht kennt, und sie auch nicht seinen. Doch als sie den Auftrag für die Buchprüfung im Unternehmen des berüchtigten Milliardärs Jonah Flynn erhält, fällt sie aus allen Wolken: Er war der Mann mit der Maske! Jonah darf sie nicht erkennen - erst recht nicht, als sie in seiner Firma einem Betrug auf die Spur kommt …

DIE BLAUEN STERNE VON KASCHMIR

Achtzehn Monate ist die heiße Liebesnacht mit Jaeger Ballantyne her. Seitdem versucht Piper, seine stahlblauen Augen und seine sinnlichen Umarmungen zu vergessen. Doch jetzt geht kein Weg an einem Wiedersehen vorbei: Nach dem Tod ihres Vaters muss Piper zehn wertvolle Saphire aus ihrem Familienbesitz verkaufen - an das Juwelenimperium Ballantyne, und damit an Jaeger. Soll sie ihm gestehen, dass sie einen gemeinsamen kleinen Sohn haben? Ehe sie sich entscheiden kann, stellt sie schockiert fest, dass ihr Ex-Lover sie nicht einmal erkennt …

HEIßER ALS DIE GLUT

Kate Wells ist die attraktivste Frau, der Sean jemals begegnet ist - aber ein hitziger Streit ist immer nur ein Wort entfernt! Trotzdem muss Sean mit ihr zusammenarbeiten: Die selbstbewusste Bauunternehmerin soll ihm bei der Umgestaltung eines exklusiven Hotels helfen. Doch als sie das abgelegene Objekt besichtigen, stranden sie gemeinsam im Nirgendwo. Plötzlich sind sie allein, haben nur einander - und die Leidenschaft reißt sie fort. Mit Folgen, die Sean die Sprache verschlagen, als er Kate einige Monate später wiedersieht!


  • Erscheinungstag 03.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739164
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Andrea Laurence, Joss Wood, Maureen Child

Heiße Leidenschaft - Best of Baccara 2018

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Andrea Laurence
Originaltitel: „Little Secrets: Secretly Pregnant“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 2033 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Susann Rauhaus

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721978

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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PROLOG

Faschingsdienstag

Alle tanzten und amüsierten sich. Alle außer Emma. Das war allerdings nichts Ungewöhnliches, denn Emma Dempsey wusste schon seit geraumer Zeit nicht mehr, was es hieß, sich zu amüsieren.

Nach ihrer letzten Trennung fragte sie sich allmählich, was mit ihr nicht stimmte. David, ihr Ex-Freund, hatte behauptet, dass sie nicht nur im, sondern auch außerhalb des Bettes langweilig war. Sie hatte den Fehler gemacht, es Harper Drake zu erzählen, ihrer Freundin aus Studienzeiten. Und so fand sie sich plötzlich auf einer Mardi-Gras-Party in einem Loft in Tribeca wieder.

Emma hatte sich Mühe gegeben. Sie trug eine hübsche Schmetterlingsmaske und einen engen Rock, obwohl das alles wirklich nicht ihr Ding war. Vielleicht sollte sie sich ein Taxi rufen und nach Hause fahren, damit sie Harper nicht den Abend verdarb.

Gedankenverloren knabberte sie an einer Möhre, als ihr Blick auf die Tequila-Bar fiel, die auf der Kücheninsel aufgebaut worden war. Das war immer eine Alternative.

Sie wusste, dass sie eine Entscheidung treffen musste. Entweder fuhr sie nach Hause und flüchtete sich im reifen Alter von siebenundzwanzig Jahren vor den Fernseher, oder sie packte den Stier bei den Hörnern, um endlich ein bisschen Spaß zu haben.

Sie stellte ihren Teller ab und umkreiste mutig die Insel mit dem Alkohol. Verschieden große Pappbecher, Limettenscheiben, ein Salzstreuer und mehrere Flaschen Tequila standen bereit. Sie machte sich einen Shot zurecht und zögerte kurz, denn sie wusste, wenn sie jetzt diese Grenze überschritt, gab es kein Zurück mehr.

Mit dir zusammen zu sein ist, als würde ich meine Oma daten. Die Erinnerung an Davids schmerzhafte Worte gab den Ausschlag.

Ohne länger zu zögern, biss sie in die Limette und kippte den Inhalt des Drinks auf Ex herunter. Das Brennen in ihrer Kehle verlagerte sich in ihren Magen und verbreitete sofort ein sengendes Gefühl in ihrem ganzen Körper. Ein Effekt, den Bier nicht annähernd auslösen konnte.

Es schmeckte furchtbar, doch innerhalb weniger Sekunden fühlte sie sich total verändert. Fast so, als hätte sich etwas in ihr gelockert. Verführerisch. Wie eine Katze. Also, das war schon mal nicht schlecht. Mit einem zufriedenen Lächeln war sie gerade dabei, den zweiten Shot vorzubereiten, als jemand die Küche betrat. Ein kurzer Blick bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.

„Hallo, meine Schöne“, sagte ein schmieriger Typ mit einer Batman-Maske und lehnte sich gegen die improvisierte Bar.

Das Kompliment verpuffte, schließlich waren drei Viertel ihres Gesichts von der Maske bedeckt. Emma seufzte nur und kippte den zweiten Tequila ohne Salz und Limette runter. Das brauchte sie jetzt. Sie wollte auch noch einen dritten trinken und ignorierte den Eindringling einfach.

„Möchten Sie vielleicht tanzen? Ich bin der Beste auf dem Parkett.“

Das bezweifelte sie.

„Ich tanze nicht, tut mir leid.“

Batman runzelte die Stirn. „Okay, wollen Sie sich dann vielleicht mit mir in irgendeine dunkle Ecke verziehen, wo wir … äh, reden können?“

Ein Schauer lief Emma den Rücken hinunter. Mit ihm in der Küche allein zu sein war schon schlimm genug, aber allein in der Dunkelheit? Einfach furchterregend.

„Nein, ich bin mit jemand anderem hier. Tut mir leid.“

Batman richtete sich auf. Seine Körperhaltung verriet seinen Ärger, den die Maske verbarg. „Mit wem denn?“

Sie öffnete den Mund, um zu antworten, als plötzlich jemand hinter sie trat und ihr seine warmen Hände auf die Schultern legte. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft auf die Wange. Endlich trat Batman einen Schritt zurück.

Eine tiefe männliche Stimme drang an ihr Ohr. „Hallo, Baby. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.“

Emma kämpfte gegen den Impuls an, sich von ihm zu lösen, denn sie wusste, dass er nur gekommen war, um sie von Batman zu befreien. Erleichtert drehte sie sich zu ihm herum und sagte Hallo.

Wow! Er war größer, als sie erwartet hatte, bestimmt eins neunzig, doch natürlich konnte sie ihre Überraschung nicht zeigen. Daher stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste den Teil seines Gesichts, der von der grüngoldenen venezianischen Maske nicht bedeckt war.

In dem Moment, als ihre Lippen sich berührten, wurde aus der einfachen Begrüßung etwas anderes. Die Elektrizität des Kusses ließ Emma nach hinten taumeln, und wenn er sie nicht festgehalten hätte, wäre sie bestimmt gefallen. Der Duft von Seife und einem würzigen Eau de Toilette stieg ihr in die Nase und benebelte ihre Sinne.

Sie hätte nicht sagen können, ob es der Tequila war oder der Kuss, doch plötzlich war sie sich ihres Körpers sehr bewusst. Die Nähe dieses Mannes brachte ihre Haut zum Prickeln, und ihr Atem ging schneller. Sie spürte, wie sie sich unwillkürlich an ihn schmiegte. Na klar, das musste der Tequila sein.

Im letzten Moment gelang es ihr, sich zurückzuziehen, doch er ließ sie nicht gleich los. Vielleicht beobachtete dieser Batman sie ja immer noch.

„Ich habe dich vermisst“, sagte Emma daher und schmiegte sich erneut an ihn.

Schweigend zog er sie in seine kräftigen Arme und flüsterte ihr ins Ohr: „Er ist weg, aber er kann uns immer noch sehen. Wenn Sie nicht wollen, dass er zurückkommt, müssen Sie weiter mitspielen.“

Emma nickte, hob die Hand und wischte etwas Lippenstift vom Mund ihres weißen Ritters ab. Mit ein bisschen Abstand konnte sie ihn nun auch besser sehen. Er war kräftig gebaut, trug enge Jeans und hatte ein unglaublich attraktives Lächeln.

„Trinken wir noch einen?“, fragte er.

„Ich glaube, ich habe genug.“

„Seien Sie keine Spielverderberin“, meinte er und bereitete sich einen Shot zu. Er hielt einen Moment inne und lächelte listig, bevor er sich vorbeugte und mit der Zunge über die nackte Haut ihres Dekolletés fuhr. Emma stockte der Atem. Obwohl ihr Verstand ihr befahl zurückzuweichen, blieb sie wie angewurzelt stehen.

Den Salzstreuer in der Hand, zögerte er einen Moment. Seine dunkelblauen Augen schauten sie an, als ob er auf ihre Erlaubnis wartete. Sollte sie es zulassen? Sie wollte es, immerhin hatte sie sich gerade für ein Abenteuer entschieden. Sie warf den Kopf zurück, damit er das Salz auf ihre befeuchtete Haut streuen und eine Limettenscheibe vorsichtig zwischen ihre Lippen schieben konnte.

Er kam näher und leckte langsam das Salz von ihrer Haut, bevor er sein Glas in einem Zug leerte und es abstellte. Endlich atmete Emma die angehaltene Luft aus.

Dann erstarrte sie. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, außer ganz still zu stehen. Im nächsten Moment spürte sie, wie der Mann seine Hand um ihren Nacken legte. Kurz berührten seine Lippen ihre, bevor er in die Limette zwischen ihren Lippen biss und der saure Saft ihren Mund füllte.

Als er schließlich einen Schritt zurücktrat, tat sie dasselbe. Sie spürte, wie sie vor Verlegenheit rot wurde und beschloss, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.

Sie strich sich über ihre Maske und merkte jetzt erst, dass er sie ja nicht sehen konnte und so auch nichts von ihrer Scham mitbekam. Heute Abend blieb sie anonym, und diese Erkenntnis ließ sie mutiger werden.

Er griff nach ihrem vollen Glas auf dem Tresen und hielt es ihr in stummer Aufforderung hin. Jetzt war sie an der Reihe.

Ein kurzer Blick nach hinten bestätigte ihr, dass Batman verschwunden war, es also keinen Grund mehr gab, mit der Show weiterzumachen, abgesehen davon, dass sie nicht aufhören wollte.

„Er ist weg“, sagte sie und gab dem Mann die Gelegenheit, sich zurückzuziehen.

„Ich weiß“, sagte er nur und reichte ihr den Salzstreuer.

Da er ein langärmeliges schwarzes Hemd trug, war ihre einzige Option sein Hals. Sie stellte sich erneut auf die Zehenspitzen und bedeckte seinen Adamsapfel mit kleinen Küssen. Dann fuhr sie mit der Zungenspitze über seinen Dreitagebart und merkte, wie sein Atem schneller ging. Genießerisch sog sie seinen männlichen Duft aus Salz und Moschus ein. Die Reaktion ihres Körpers auf ihn war teils archaisch und teils Sehnsucht, die immer größer wurde.

„Hier“, sagte er, als sie sich von ihm zurückzog, um das Salz auf seine befeuchtete Haut zu streuen. Er ging vor ihr auf die Knie und sah sie aus großen blauen Augen an. Dann legte er die Hände um ihre Taille.

Emma konnte nicht genug von seinem Gesicht sehen, um seinen Ausdruck zu erkennen. Doch die Intensität seines Blicks berührte sie tief. Wie er da so vor ihr kniete, kam es ihr fast vor, als würde er sie anbeten, was ihr ausnehmend gut gefiel.

Sie versuchte, sich auf den Shot zu konzentrieren, denn sie wollte ihm nicht zeigen, wie wenig Erfahrung sie mit so etwas hatte. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie gedacht, dass sie etwas so Sexuelles wie Body Shots machen würde. Das hätte sie sich selbst nicht zugetraut.

Sie streute das Salz auf seine Kehle und steckte ihm eine Limettenscheibe zwischen die Lippen. Während sie nervös das Glas mit Tequila in der Hand hielt, beugte sie sich ein zweites Mal vor, um das Salz abzulecken. Sie hörte, wie er leise stöhnte, während ihre Zunge über seine Haut glitt. Dann lehnte sie sich zurück, kippte den Shot in einem Zug herunter und umfasste das Gesicht des Mannes mit beiden Händen. Noch bevor sie in die Frucht zwischen seinen Lippen beißen konnte, spuckte er die Limettenscheibe aus. Emma konnte sich nicht mehr bremsen, und ihre Münder berührten sich erneut.

Sie entzog sich ihm nicht, wie die alte Emma es getan hätte, denn unter ihrer Maske war sie jemand anderes.

Er vertiefte den Kuss und zog sie an sich. Ihre Münder verschmolzen, und Emma sank ebenfalls auf die Knie. Nur der Küchentresen bewahrte sie vor den Blicken der anderen Gäste. Emma schlang die Arme um seinen Nacken und erforschte seinen Mund mit ihrer Zunge.

Ja, das war eindeutig unanständig. In diesem Moment wollte sie seinen Kuss mehr als alles andere auf der Welt.

Als sie gerade das Gefühl hatte, dass der Kuss nie enden würde, löste sich der Mann von ihr. Schwer atmend legte er seine Wange an ihre und saß einfach nur da, bis er sich wieder erholt hatte. Noch immer hatten sie die Arme umeinandergeschlungen, und keiner von beiden lockerte den Griff. Sie spürte eine Leidenschaft in ihm, die sie unglaublich erregte und ihr zugleich Angst machte, doch sie passte zu ihrer eigenen.

„Komm mit mir!“ Er erhob sich und streckte ihr seine Hand hin.

Emma war nicht dumm. Sie wusste, was er ihr anbot, und mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich danach, dieses Angebot anzunehmen. Noch nie zuvor hatte sie so etwas getan. Trotzdem spürte sie, dass sie mit ihrem Helden mitgehen musste.

Und sie tat es auch.

1. KAPITEL

Drei Monate später

„Wo, zum Teufel, ist Noah?“, knurrte Jonah Flynn ins Telefon, während er mit seiner freien Hand einen Kaffeebecher festhielt.

„Er … er ist nicht da, Sir.“

Melody, die Assistentin seines Bruders, war offensichtlich eingeschüchtert von seinem rauen Ton, und er bemühte sich sofort um Beherrschung. Jonah schrie seine Angestellten nie an. Der einzige Mensch, den er je anschrie, war Noah. Und das würde er auch tun, sobald er den Mistkerl fand.

„Bitte entschuldigen Sie meinen Ton, Melody. Ich habe auch nicht erwartet, dass er da ist, schließlich ist er nie in seinem Büro. Eigentlich wollte ich Sie fragen, ob Sie wissen, wo er hingegangen ist. Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber ich erreiche nur seine Mailbox.“

Am anderen Ende der Leitung zögerte Melody einen Moment, und Jonah vernahm, wie sie auf ihre Tastatur hämmerte. „In seinem Kalender steht nichts. Aber bevor er gegangen ist, hat er gesagt, er würde nach Bangkok fliegen.“

Jonah hätte sich fast an seinem Latte verschluckt. Er stellte den Becher rasch auf seinen Schreibtisch. „Nach Thailand?“

„Ja, Sir.“

Er holte tief Luft, um sich ein bisschen zu beruhigen. Nein, er durfte seine Wut jetzt auf keinen Fall an Melody auslassen. Sie hatte ihn schon zweimal „Sir“ genannt, was sich nicht richtig anfühlte. Ja, er war der CEO, aber er trug schließlich auch Jeans und ein Monty-Python-T-Shirt. Und alle nannten ihn nur Jonah.

„Haben Sie eine Ahnung, wann er wieder zurück ist?“

„Nein, aber ich sehe, dass er mir die Nummer seines Hotels geschickt hat. Bestimmt können Sie ihn dort erreichen.“

„Das wäre super, danke, Melody.“ Sie nannte ihm die Nummer, und er kritzelte sie schnell auf ein Blatt Papier, bevor er das Gespräch beendete. Dann wählte er die Nummer und wurde auch gleich mit der Suite seines Bruders verbunden. Doch natürlich ging Noah nicht ans Telefon. Bestimmt turtelte er gerade mit einer exotischen Schönheit herum. Jonah überwand sich und hinterließ eine Nachricht, die nicht den wahren Grund für seinen Anruf verriet. Dann hängte er angewidert auf.

Thailand.

Wenn er bis jetzt noch Zweifel daran gehabt hatte, dass Noah etwas mit dem ganzen Schlamassel zu tun hatte, lösten sie sich in diesem Moment in Luft auf. Denn wenn der vorläufige Buchhaltungsbericht, den er gerade vor sich liegen hatte, stimmte, war sein kleiner Bruder gerade mit drei Millionen Dollar, die ihm nicht gehörten, nach Südostasien geflohen.

Jonah lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und rieb sich die die Schläfen. Das war nicht gut.

Natürlich war das Timing für Unterschlagung nie gut, aber es sah tatsächlich so aus, als hätte sein Bruder ihn in großem Maßstab reingelegt, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Noah verbrachte normalerweise nicht viel Zeit in seinem Büro. Seine Rolle in der Firma bestand nur darin, seiner Mutter zu gefallen. Aber er wusste – er wusste –, dass sie kurz davor waren, den Deal mit Game Town abzuschließen. Und der Rechnungsprüfer, den sie engagiert hatten, würde heute kommen. Heute!

Das hier konnte alles ruinieren. Gemessen am Gesamtumsatz der Firma handelte es sich zwar nicht um eine große Summe, aber sein Bruder war so dumm gewesen, den kompletten Betrag auf ein Offshore-Konto in der Karibik zu überweisen. Jeder, der sich mit solchen Dingen auskannte, würde es entdecken. Game Town wollte FlynnSoft engagieren, um ihren monatlichen Abonnementservice abzuwickeln. Aber wer würde eine Firma beauftragen, um Gelder zu überwachen, bei der solche Sachen abliefen? Jonah würde es jedenfalls nicht tun.

Das musste sofort bereinigt werden. Er konnte etwas von seinem Privatkapital flüssigmachen und die Verluste ausgleichen. Er würde sich die Summe später von seinem Bruder zurückholen. Vielleicht würde er dann endlich seinen überteuerten europäischen Sportwagen verkaufen. Oder er ließ sich dazu herab, ohne Bezahlung für die Firma zu arbeiten, bis seine Schulden abgetragen waren.

Eins stand jedoch fest: Noah würde dafür bezahlen. Wenn Jonah mit ihm fertig war, würde sein kleiner Bruder sich wünschen, Jonah hätte ihn einfach nur angezeigt.

Doch das würde Jonah nicht tun. Nicht wegen seines nutzlosen Bruders, sondern wegen seiner Mutter. Denn Angelica Flynn litt an einem schwachen Herzen und konnte nicht viel Stress vertragen. Wenn Noah, ihr Baby und eindeutig ihr Lieblingssohn, im Gefängnis landete, würde sie bestimmt einen Herzanfall bekommen. Und wenn sie dann auch noch herausfand, dass Jonah dahintersteckte, würde sie wahrscheinlich tot umfallen. Am Ende wäre es wie immer seine Schuld gewesen, und er weigerte sich einfach, der Böse zu sein.

Nein, er würde mit seinem Bruder fertigwerden, ohne dass seine Mutter davon Wind bekam.

Denn als CEO eines privaten Softwareunternehmens konnte er sich diesen Luxus erlauben. Glücklicherweise war er nicht dem Rat einiger Leute gefolgt und an die Börse gegangen. Das hätte ihm zwar über Nacht ein Vermögen eingebracht, doch dann hätten ihm Aktionäre und ein Aufsichtsrat im Nacken gesessen, denen er Bericht hätte erstatten müssen. Man hätte ihn sogar entlassen können, und dann hätte er sein ganzes Imperium verloren.

Auf keinen Fall! FlynnSoft gehörte Jonah, und er war niemandem gegenüber verantwortlich. Schon gar nicht gegenüber irgendwelchen eingebildeten Anzugträgern, die glaubten, sie wüssten besser als er, wie man die Firma leitete. Irgendwie würde er das mit der Firma und seinem Bruder schon hinbiegen. Das schuldete er nicht zuletzt seinen Angestellten. Sie verdienten das Geld, das dieser neue Vertrag mit sich bringen würde. Wenn Noah das Ganze nicht vermasselt hatte.

Was für ein Durcheinander.

Jonah ließ sich wieder in seinen Sessel zurückfallen und betrachtete das gerahmte Foto auf seinem Schreibtisch. Darauf war ein blauer Schmetterling zu sehen, der sich auf gelben Blumen sonnte.

Er hatte mehr als einen komischen Blick geerntet, als er das Foto auf seinen Schreibtisch gestellt hatte. Jonah war nicht gerade ein Naturfreak. Er hatte seine ganze Jugend mit Videospielen und Mädchen verbracht, und mit beidem war er bequem in seinem klimatisierten Zimmer geblieben.

Natürlich konnte er niemandem erklären, warum das Foto hier stand. Wie hätte er eine solche Nacht beschreiben sollen? Das ging nicht. Und wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte er es selbst für eine durch Tequila ausgelöste Halluzination gehalten.

Sein Blick fiel auf seine rechte Hand und das Tattoo zwischen Daumen und Zeigefinger. Er strich sanft über das Bild, zeichnete es nach, wie er es an jenem Abend getan hatte, obwohl es sich damals auf der seidigen Haut ihrer Brust befunden hatte. Seine Hälfte des Herzens.

Die andere Hälfte war mit der Frau hinter der Schmetterlingsmaske verschwunden. Er hätte nie gedacht, dass eine Mardi-Gras-Party in seinem Loft zu Body Shots, anonymem Sex und Tätowierungen führen würde. Aber aus irgendwelchen Gründen war die Frau, wer auch immer sie gewesen sein mochte, ihm sofort unter die Haut gegangen. Und er konnte die Stunden mit ihr nicht vergessen.

Sie hatte ihn nur um diese einzige Nacht gebeten. Eine Nacht, in der sie keine Spiele spielen und keine persönlichen Details ausplaudern würden. Eine Nacht der Fantasien. Ihre Maske hatte alles verdeckt, bis auf ihren brünetten Pferdeschwanz, die vollen Lippen und das betörende Grün ihrer Augen.

Wie hatte er eigentlich glauben können, es wäre eine gute Idee, sie aus seinem Leben verschwinden zu lassen?

Jonah wusste, er war ein Idiot gewesen. Jahrelang hatte er sich mit schönen Frauen umgeben, die vor allem an seinem glamourösen Lebensstil interessiert waren. Den meisten Männern hätte das genügt, aber er gehörte leider nicht dazu. Irgendwann langweilten die Frauen ihn, und dann trennte er sich von ihnen. So hatte er sich den Ruf erworben, einer der begehrtesten, aber auch schwer zu fassenden Junggesellen Manhattans zu sein.

Nur seine Schmetterlingsdame interessierte ihn wirklich. Selbst drei Monate später musste er immer noch an sie denken. Und er fragte sich, wo sie jetzt wohl war, und vor allem, wer sie war. Und ob es die echte Frau überhaupt mit seiner Erinnerung an jene Nacht aufnehmen konnte. Sie hatte behauptet, dass er sich schon am nächsten Morgen nicht mehr für sie interessieren würde, als ob sie sich Schlag Mitternacht in einen Kürbis verwandeln würde. Sehnte er sich nur nach seiner Vorstellung von ihr? Er wusste es nicht.

Jonah strich sich durch sein braunes Haar und schüttelte den Kopf. Er musste das Ganze vergessen. Musste sie vergessen.

Seufzend wandte er sich wieder seinem Computer zu. Es musste sich jetzt unbedingt konzentrieren. Irgendwann würde Noah zurückkommen, und er würde für seine Taten büßen. Aber bis dahin musste er diesen Schlamassel beseitigen.

Er suchte in seinen Kontakten nach der Nummer seines Finanzexperten Paul. Bestimmt würde Paul es schaffen, seine Vermögenswerte zu durchleuchten und ihm das nötige Kapital zu besorgen. Schließlich hatte er in den letzten Jahren eine Menge lukrativer Investitionen getätigt – im Gegensatz zu seinem Bruder, der sein Geld für irgendwelche Spielereien verschleuderte.

Solange musste er die Buchprüfung durch Game Town irgendwie verhindern. Dazu blieb ihm nicht mehr viel Zeit, denn um zwei Uhr würde jemand von der Firma bei ihm auftauchen. Aber er kannte den Namen des Prüfers nicht und wusste auch nicht, was er zu erwarten hatte. Wahrscheinlich musste er irgendwie improvisieren, wie so oft.

Wenn der Prüfer ein Mann war, würde er mit ihm Golf spielen gehen. Und wenn es eine Frau war, würde er sie um den kleinen Finger wickeln. Schließlich wusste er, was Frauen sich wünschten. Ein bisschen Flirten, eine Einladung zum Dinner würden sicher genügen, um die Gefahr zu bannen.

Falls das alles nichts brachte, musste er Carl Bailey, dem CEO von Game Town, reinen Wein einschenken. Aber so weit war es noch nicht.

Jonah warf einen missmutigen Blick auf seinen Kaffee, der inzwischen kalt geworden war. Er würde sich einen neuen holen, nachdem er mit Paul gesprochen hatte. Er wählte die Nummer seines Finanzexperten.

Er hoffte wirklich sehr, dass es sich bei dem Prüfer um eine Frau handelte. Denn wenn er ehrlich war, hasste er Golf.

Bestimmt war ihr Boss ein heimlicher Sadist. Denn es gab keine andere Erklärung dafür, warum er Emma für zwei oder sogar drei Wochen zu FlynnSoft geschickt hatte, um deren Bücher zu prüfen. Tim hätte auch jeden anderen auswählen können, Mark oder Dee. Aber nein, es hatte unbedingt Emma sein müssen. Sie sei die Einzige, die sich in dieser Umgebung behaupten konnte, hatte er gemeint.

Emma hatte das Gefühl, dass er sie schon lange auf dem Kieker hatte, was wahrscheinlich damit zusammenhing, dass ihr Vater bei ihrer Einstellung bei Game Town seine Finger im Spiel gehabt hatte. Auch wenn sie gern geglaubt hätte, sie verdanke ihren Job ihrem guten Abschluss in Yale. Ihr Boss hatte eine Menge Vorurteile gegen Kinder aus reichem Hause, daher war sie auch so eisern entschlossen, einen guten Job zu machen. Nein, sie würde dem berüchtigten Charme von Jonah Flynn nicht zum Opfer fallen, das stand fest.

Wobei sie allerdings nicht damit rechnete, dass der CEO auch nur einen seiner heißen Blicke auf sie werfen würde. Dabei sah sie eigentlich gar nicht schlecht aus, aber Jonah Flynn war dafür bekannt, sich ausschließlich mit Models zu treffen. Und mit deren Silikonbrüsten konnte Emma nicht konkurrieren. Das wollte sie auch gar nicht.

Außerdem interessierte sie sich nicht für Männer wie Flynn. Denn er verkörperte alles, wovor ihre Mutter Pauline sie gewarnt hatte. Mach ja nicht denselben Fehler wie Cynthia, hatte sie immer gesagt. Ihre ältere Schwester war bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Nach ihrem Tod waren skandalöse Einzelheiten über ihr Leben herausgekommen, und ihre Familie war schockiert gewesen. Daraufhin wuchs Emma zum genauen Gegenteil ihrer Schwester heran.

Emma wäre jede Wette eingegangen, dass Tim sie aus genau diesem Grund zu FlynnSoft schickte: weil dessen Boss sie mit Sicherheit nicht zweimal anschauen würde.

Kritisch beäugte sie die Garderobe in ihrem Schrank. Okay, FlynnSoft war für seine lockere Kleiderordnung bekannt, aber sie dachte gar nicht daran, deswegen ihren Businessdress gegen eine Jeans zu tauschen. Kurz entschlossen griff sie nach dem hellgrauen Kostüm und einer hellblauen Bluse und lächelte zufrieden. Ja, das war genau das richtige Outfit für diesen Job.

Es war die Art von Panzer, die sie brauchte, um gegen Jonah Flynn in die Schlacht zu ziehen.

Wobei „Schlacht“ nicht das richtige Wort war, denn schließlich war er nicht ihr Feind, sondern ein möglicher Geschäftspartner. Die Firma hatte ein äußerst zuverlässiges Tool für die Abrechnung von Käufen bei Online-Computerspielen wie ihrem Hit Infinity Warriors entwickelt.

Emma wusste, dass sie dieses Tool auch anderen Unternehmen angeboten hatten, die es mit vielen Usern zu tun hatten. Damit konnten sich kleinere Start-ups auf die Spielentwicklung konzentrieren und anderen die Verwaltung der Kosten überlassen.

Doch bevor es zu einem Vertrag kam, musste ein Buchprüfer die Bilanzen des Anbieters überprüfen, um sicherzugehen, dass alles mit rechten Dingen zuging. Denn jemand wie Carl Bailey, der CEO von Game Town, hasste nun einmal Überraschungen.

Er war ein Geschäftsmann der alten Schule, der einer Firma misstraute, in der nicht jeder Anzug und Krawatte trug. Bailey hatte nicht vor, sich mit jemandem zusammenzutun, der seinen hohen Standards nicht genügte. Deshalb war es Emmas Aufgabe, die Bilanzen von FlynnSoft aufs Genaueste zu prüfen.

Man würde sie bestimmt freundlich aufnehmen, und trotzdem war niemand scharf darauf, jemandem die Interna der Firma zu zeigen. Denn wenn das Ergebnis ihrer Prüfung negativ war, würde der Deal nicht zustande kommen, und davon hingen eine Menge Arbeitsplätze ab.

Andererseits, wenn sie nichts zu verbergen hatten, konnte ja auch nichts schiefgehen. Erneut musste Emma an einen Spruch ihrer Mutter denken: Tu oder sag nie etwas, was nicht auch auf der ersten Seite der Zeitung stehen könnte.

Ihre Schwester Cynthia war mit dem Besitzer des New York Observer, Will Taylor, verlobt gewesen, der auch der Geschäftspartner ihres Vaters George war. Jeden Morgen wurde ihnen diese Zeitung ins Haus geliefert, und noch immer hatte Emma Angst davor, dass irgendetwas, was sie tun oder sagen könnte, dort erscheinen würde. Aber natürlich war ihr Leben bisher tadellos verlaufen, und sie hatte sich nichts vorzuwerfen.

Nach einem schnellen Blick auf die Uhr wusste sie, dass sie sich sputen musste. Denn um zwei Uhr war sie bei FlynnSoft mit Jonah Flynn persönlich verabredet.

Ein letzter Blick in den Spiegel versicherte ihr, dass sie für die Begegnung gewappnet war. Das Kostüm stand ihr ausgezeichnet, und sie hatte ihr mittellanges braunes Haar zu einem festen Knoten aufgesteckt. Auch ihr Make-up war perfekt – dezent, aber so, dass sie frisch aussah.

Das Kostüm saß recht locker, weil sie in letzter Zeit stressbedingt abgenommen hatte. Der helle Blauton der Bluse schmeichelte ihr, und, was noch viel wichtiger war, der Ausschnitt war hoch genug, um ihr Tattoo zu verdecken.

Damals, auf der Party, hatte Harper ihr gewünscht, dass sie sich amüsieren sollte. Und das hatte Emma getan – mehr, als sie sich hätte vorstellen können. Eigentlich hatte sie ja gar nicht so weit gehen wollen. Doch da war etwas an ihrem maskierten Helden gewesen, dem sie nicht widerstehen konnte. Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatten sie fantastischen Sex in der Wäschekammer gehabt. Und danach waren sie gemeinsam durch die nächtlichen Straßen New Yorks geschlendert.

Immer, wenn Emma ihre Sachen wusch und das kalte Metall der Waschmaschine auf ihrer Haut spürte, wurde sie rot vor Scham. Sie hatte sich bemüht, das Ganze zu vergessen, wobei der Tequila, den sie an jenem Abend in Mengen zu sich genommen hatte, das Erlebnis lediglich zu einer verschwommenen Erinnerung machte. Trotzdem musste sie von Zeit zu Zeit daran denken. Wenn sie nicht am nächsten Morgen das Pflaster auf ihrer Brust gesehen hätte, hätte sie glauben können, dass es nie passiert wäre.

Aber es war geschehen. Sie hatte sich endlich einmal erlaubt, alles zu tun, was sie wollte. Und einer der Gründe dafür war, dass sie Davids verletzende Worte hatte Lügen strafen wollen. Denn schließlich war nichts falsch an ihrem Leben. Sie verhielt sich genau so, wie man es von einer Lady der Upper East Side erwartete, und sie war stolz auf ihre beruflichen Leistungen. Okay, sie war kein Partygirl, doch dafür würden ihre Eskapaden auch nie in der Zeitung stehen.

Im Nachhinein betrachtet hatte es nur eine einzige wilde Nacht gebraucht, um ihr zu beweisen, dass an ihrem Lebensstil nichts verkehrt war. Sie musste nicht wie ihre ältere vergnügungssüchtige Schwester sein, die selbst nach ihrem Tod ihrer Familie noch einen Skandal beschert hatte. Trotzdem hoffte Emma natürlich, dass das, was in dieser Nacht passiert war, nicht an die Öffentlichkeit gelangte. Was jedoch eines Tages passieren würde.

Außerdem gab es noch dieses Tattoo. Sie hatte überlegt, es entfernen zu lassen, doch es war ihre persönliche Erinnerung daran, wie gefährlich falsche Entscheidungen sein konnten. Immer, wenn sie mit dem Gedanken spielte, ihre Fesseln abzustreifen, würde es ihr eine Mahnung sein. Nein, sie hatte nicht vor, dem Beispiel ihrer zügellosen älteren Schwester zu folgen. Sie würde nicht wie Cynthia werden und Schande über ihre Familie bringen. Egal, wie gut oder richtig es sich in dem Moment auch anfühlen mochte.

Sie musste die Tätowierung unbedingt verbergen, vor allem in einer professionellen Umgebung. Oder in der Nähe ihrer Mutter, deren Meinung nach Tattoos nur etwas für Biker oder Rocker waren. Was sie allerdings damit im Sommer machen sollte, wusste sie noch nicht. Aber jetzt musste sie sich ja auch erst einmal um den Job bei FlynnSoft kümmern.

Glücklicherweise befand sich ihr Tattoo an einer Stelle, die sie verdecken konnte, während ihr Held sich seins auf die Hand hatte stechen lassen. Es war unmöglich, das halbe Herz zu verstecken, und sie fragte sich, wie er das Tattoo erklärte. Da er ebenfalls auf der Party von FlynnSoft gewesen war, war er vielleicht dort angestellt, und vielleicht rümpfte in der Firma ja auch niemand über eine Tätowierung die Nase.

Bei der Vorstellung, dass sie sich dort wiedersehen könnten, wurde ihr ganz anders. Schließlich wusste Emma gar nichts über ihn. Natürlich hatte sie Harper von der Geschichte erzählt, und seitdem war ihre Freundin eifrig dabei, die Identität des anonymen Lovers herauszufinden.

Denn er hatte ihr nicht nur ein halbes Herz hinterlassen. Als sie ein paar Wochen später bei ihrer Familie zum Osterdinner gewesen war, war ihr plötzlich schlecht geworden. Und zwei Wochen später hatte sie schreckliche Gewissheit gehabt. Tatsächlich war sie in dieser Nacht schwanger geworden. Und sie hatte keine Möglichkeit, den Vater ihres Babys zu kontaktieren.

In den letzten drei Monaten hatte Harper weder in der Marketingabteilung noch in der Buchhaltung jemanden getroffen, der ein Tattoo auf der Hand trug. Selbst wenn der Mann im Februar noch für FlynnSoft gearbeitet haben mochte, war er jetzt anscheinend weg, denn sonst hätte Emmas Freundin ihn längst gefunden. Das bedeutete, sie war ganz allein mit ihrem Baby, ob ihr das nun gefiel oder nicht. Sie würde ihrer Familie wohl bald von der Schwangerschaft erzählen müssen … spätestens, wenn sie sie nicht mehr verbergen konnte.

Sie sah noch einmal auf die Uhr. Sie musste aufbrechen, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Sie strich sich noch einmal über das Haar und griff nach ihrer Tasche. Dann machte sie schnell noch den obersten Knopf ihrer Bluse zu.

Man wusste ja nie.

2. KAPITEL

Emma kannte den Weg zu FlynnSoft, weil sie sich dort schon oft mit Harper zum Lunch getroffen hatte. Die Firma hatte ihre Geschäftsräume in den obersten fünf Etagen eines Wolkenkratzers, der gar nicht weit weg von ihrem Apartment lag. In der großen, modern eingerichteten Lobby hingen mehrere Monitore, auf denen Werbefilme für die Computerspiele der Firma liefen. Nur die junge Frau hinter der Rezeption in ihren Khakishorts und dem Tank Top fiel etwas aus dem Rahmen, genau wie ihr kurzer Pferdeschwanz und die Piercings in ihrem Ohr.

Emma betrachtete sie mit gemischten Gefühlen. Die junge Angestellte überreichte ihr einen Besucherausweis und begleitete sie zu den Aufzügen. Dort zeigte sie ihr, wie sie den Ausweis über den Sensor halten musste, um in die fünfundzwanzigste Etage zu gelangen, wo die Firmenleitung saß.

Kurz überlegte Emma, ob sie schon im vierundzwanzigsten Stock aussteigen sollte, um Harper zu besuchen, aber sie hatte keine Zeit. Außerdem würden sie hinterher ja noch die Möglichkeit haben, über alles zu sprechen. Daher drückte sie die Taste für den fünfundzwanzigsten und schloss ergeben die Augen. Je höher sie fuhr, desto unwohler fühlte sie sich, obwohl sie nicht wusste, warum. Denn schließlich war sie eine ausgezeichnete Buchprüferin und mehr als qualifiziert für diesen Job. Bestimmt würde alles gut laufen.

Oben ging Emma den rechten Flur hinunter, wie die Dame am Empfang es ihr gesagt hatte. Dabei kam sie an einem großen Raum vorbei, in dem einige Mitarbeiter Tischfußball spielten. Um einen großen Fernseher herum waren ein paar Sitzsäcke platziert worden.

Als sie vorbeiging, hörten die Spieler einen Moment lang auf und starrten sie an, als käme sie vom Mars. Emma steigerte ihr Tempo, denn die Blicke waren ihr unangenehm. Was fiel den Leuten ein, über sie zu urteilen, nur weil sie keine Sneaker und Piercings trug?

Schließlich erreichte sie einen großen Schreibtisch am Ende des Flurs, hinter dem eine Frau in einem kurzen Kleid mit rotblonden Haaren saß, die gerade in ein Headset sprach. Sie warf Emma einen kurzen Blick zu und beendete dann ihr Gespräch.

„Ich nehme an, Sie sind die Buchprüferin von Game Town, richtig?“, fragte sie, erhob sich und streckte Emma ihre Hand hin.

Emma ergriff die Hand und nickte. „Ja, ich bin Emma Dempsey. Woher wussten Sie das?“

Die Frau lachte nur und betrachtete amüsiert ihr Businesskostüm. „Ich bin Pam, Jonahs Assistentin. Er ist gerade nicht da, sollte aber gleich wieder zurück sein. Kann ich Ihnen irgendetwas zu trinken holen, während Sie warten? Einen Caffè Latte vielleicht?“

Emma hob verwirrt die Brauen und schüttelte dann den Kopf. „Nein, danke.“

„Okay, aber wenn Sie es sich anders überlegen, sagen Sie mir einfach Bescheid. Wir haben eine Kaffeebar im dreiundzwanzigsten Stock, und im Erdgeschoss gibt es einen Starbucks. Bestimmt wird Jonah Ihnen noch unsere Geschäftsräume zeigen, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie während Ihrer Arbeit bei uns alle Einrichtungen nutzen können, die wir für unsere Angestellten bereitstellen. Wir haben ein Fitnesstudio, mehrere Räume zum Computerspielen und eine ziemlich gute Cafeteria mit einer Salatbar, wo die Mitarbeiter kostenlos essen können. Auch die Snackautomaten sind unentgeltlich, damit unsere Programmierer den ganzen Tag über wach und produktiv bleiben.“

„Wow!“ Dafür gab es einfach kein anderes Wort. Emma hatte schon in den Fachzeitschriften gelesen, dass Jonah Flynn eine Art Pionier der Geschäftswelt war, der vieles anders machte als seine Konkurrenten. Er wollte eine Umgebung schaffen, in der sich die Leute wohlfühlten.

„Die Firma ist wirklich etwas ganz Besonderes“, erklärte Pam. „Ich hoffe, Sie genießen Ihre Zeit bei uns.“ Sie ging um ihren Schreibtisch herum, und Emma sah, dass sie barfuß war, ihre Zehennägel pink lackiert. Was sie gar nicht mehr überraschte.

Pam ging über den dicken Teppich und führte Emma zu einer Doppeltür aus schwerem Eichenholz. Sie öffnete die Tür und bedeutete Emma einzutreten. „Bitte setzen Sie sich doch. Jonah wird bestimmt gleich da sein.“

Dann verließ sie das Büro des Chefs.

Emma nahm in einem der schwarzen Ledersessel Platz, verschränkte die Beine und holte ihr Notebook aus der Tasche. Es ließ sich nicht leugnen, sie wurde von Minute zu Minute nervöser.

In dem geräumigen Büro herrschten Glas, Stahl und schwarzes Leder vor, außerdem gab es Regale mit Preisen und vielen Büchern, die wahrscheinlich noch nie gelesen worden waren. Am Ende des Raums stand ein großer Konferenztisch, und die bodentiefen Fenster boten einen wunderbaren Ausblick auf die Skyline von Manhattan.

Emma war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber der Raum entsprach ihrer Vorstellung von dem Büro eines Vorstandsvorsitzenden – bis auf den großen Cartoon an einer Wand, der den Helden eines der Computerspiele der Firma zeigte. Er sah aus wie eine Art blauer Troll in einer dunklen Rüstung.

Doch es gab auch ein paar überraschende Details, wie zum Beispiel das Foto eines Schmetterlings auf dem Schreibtisch sowie eine Trophäe für „den besten Boss der Welt“ auf dem Regal dahinter. Und eine Kinderzeichnung an der Pinnwand. Soweit Emma wusste, hatte Jonah Flynn keine Kinder, sie war sich aber nicht ganz sicher.

„Miss Dempsey, es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen“, erklang in diesem Moment eine männliche Stimme hinter ihr.

Sie erhob sich mit einem nervösen Lächeln und drehte sich zu ihm um. Er füllte die Tür ganz aus und trug ein enges T-Shirt mit ein paar Zeichentrick-Rittern darauf. Dazu eine ziemlich weite Jeans mit einem Riss am Knie und Chucks, außerdem eine Rolex mit kleinen Diamanten auf dem Zifferblatt. In der Hand hielt er einen Kaffee.

Was für ein Widerspruch. Software. Tischfußball. Jeans. Diamanten. Einen solchen CEO traf man wahrlich nicht alle Tage.

Als er näher kam, hatte sie nur einen Moment, um das Bild wiederzuerkennen, das sie jetzt schon in so vielen Magazinen gesehen hatte: sein dunkelbraunes Haar mit dem Undercut, die dunkelblauen Augen und das schiefe Lächeln, das gleichermaßen liebenswert wie erregend war.

Automatisch streckte sie ihm die Hand entgegen. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mr. Flynn“, sagte sie.

Jonah ergriff ihre Hand und schüttelte sie, dabei ließ er den Blick auf ihrem Gesicht ruhen. Wenn Emma es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, ihm würde gefallen, was er sah.

„Bitte nennen Sie mich Jonah“, sagte er mit seiner tiefen, volltönenden Stimme. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.“

„Emma“, stieß sie hervor und wurde immer nervöser. Im Raum schien es auch heißer geworden zu sein. Der würzig männliche Duft seines Eau de Cologne stieg ihr in die Nase: Er gefiel ihr sehr und kam ihr irgendwie vertraut vor.

Sie versuchte zu schlucken, doch ein dicker Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet. Sie konnte nicht sprechen und fragte sich, ob er auf jede Frau diesen Eindruck machte, oder ob sich ihre Schwangerschaftshormone gegen sie verschworen hatten.

Jonah Flynn war so, wie sie erwartet hatte, und noch mehr. Die Fotos waren ihm nicht gerecht geworden. Denn er sah gut aus, ohne dabei hübsch zu sein, mit klaren Kanten und durchtrainierten Muskeln, die sie unter dem T-Shirt erkennen konnte. Er strahlte Kraft und Selbstvertrauen aus, selbst in seiner lässigen Kleidung.

Sie spürte, wie sie errötete. Gott, wie peinlich! Sie musste sich unbedingt zusammenreißen! Sie konnte ihn doch nicht anstarren wie ein schwärmender Teenager.

Sie brach den Augenkontakt ab und senkte den Blick. Sie sah etwas Rotes und erkannte die andere Hälfte ihres Tattoos auf Jonah Flynns Hand.

Emma begann zu würgen.

Perfekt! Er würde diesen Deal mit Game Town nie abschließen, wenn er schon am ersten Tag die Buchprüferin killte.

Jonah geleitete die Frau zu einem Sessel. Dann rief er Pam an und bat sie, eine Flasche Wasser zu bringen. Er war sich nicht sicher, was gerade passiert war. Zuerst hatte seine Besucherin noch gelächelt und sich ganz normal verhalten, doch im nächsten Moment hatte sie zu hyperventilieren begonnen und war knallrot geworden. Vielleicht eine allergische Reaktion?

Sie beruhigte sich schließlich, nachdem sie sich gesetzt hatte, und er überlegte, ob sie vielleicht ihr Kaugummi verschluckt hatte. Aber nein, ein Blick auf ihre Perlenohrringe genügte. Das war nicht die Art Frau, die Kaugummi kaute.

Im nächsten Moment erschien Pam mit dem Wasser, das Emma dankbar entgegennahm. Jonah blieb an ihrer Seite, bis er davon überzeugt war, dass sie sich erholt hatte.

Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass ihr Atem sich wieder normalisierte und die Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte.

Bis dahin hatte er Zeit, sie zu betrachten, und musste zugeben, dass sie eigentlich recht hübsch war. Sie hatte seidiges braunes Haar, das offen getragen bestimmt besser ausgesehen hätte. Außerdem faszinierten ihn ihr ovales Gesicht, die vollen Lippen und ihre weiche Haut sowie die Tatsache, dass sie nur dezent geschminkt war.

Was ihre Figur anging, so schien sie eine Menge weiblicher Rundungen zu haben, soweit er das unter dem Kostüm erkennen konnte. Auch wenn man ihn zumeist mit Models sah, schätzte Jonah sportliche Frauen.

Er nahm zur Kenntnis, dass sie keinen Ring trug, also nicht gebunden war. Das würde sie für seinen Charme hoffentlich noch empfänglicher machen.

Er nahm sich vor, die Zeit in seiner Firma für sie so angenehm wie möglich zu gestalten.

„Alles wieder in Ordnung?“, fragte er besorgt, nachdem sie die Wasserflasche zur Hälfte geleert hatte.

Sie schluckte und nickte. „Ja. Bitte entschuldigen Sie!“

„Es gibt nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssten“, versicherte er ihr. „Also gut, dann sollten wir vielleicht mal loslegen.“ Er ging um seinen Schreibtisch herum und ließ sich dahinter nieder. „Ihre Kollegen von Game Town meinten, dass Sie ein paar Wochen brauchen würden, um durch alle Bücher zu gehen. Deckt sich das mit Ihrer Einschätzung?“

Sie nickte. „Ja, das denke ich auch. Vielleicht geht es ein bisschen schneller, wenn ich Zugang zu allen Unterlagen bekomme und es jemanden gibt, der mir meine Fragen beantworten kann.“

Jonah nickte ebenfalls. „Natürlich, das ist gar kein Problem. Ich werde jemanden aus der Finanzabteilung dafür abstellen. Sie können gewiss sein, dass wir voll kooperieren werden. Wir sind hier alle sehr begeistert von der möglichen Partnerschaft mit Ihrer Firma.“

„Freut mich zu hören. Von mir aus können wir dann auch gleich anfangen.“

Er hob die Brauen und sah sie an. Warum die Eile? „Wie wär’s, wenn wir zuerst eine kleine Tour durch unsere Geschäftsräume machen?“

„Oh, das wird nicht nötig sein“, erwiderte sie, fast zu schnell für seinen Geschmack. „Bestimmt haben Sie Wichtigeres zu tun. Wenn Pam mir zeigt, wo mein Schreibtisch steht, genügt mir das vollkommen.“

Komisch – wenn Jonah es nicht besser gewusst hätte, hätte er fast denken können, sie wollte so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Aber Frauen schickten ihn nicht weg, und er würde es ihr bestimmt nicht erlauben, die erste zu sein.

„Unsinn“, erwiderte er entschieden. „Ich habe gerade ein bisschen Zeit und möchte alles dafür tun, damit Sie sich hier gut einleben.“

Emma stand auf und ging vor ihm aus dem Büro – offenbar ein wenig widerwillig. Trotz ihrer abwehrenden Haltung bewegte sie sich geschmeidig und anmutig, und besonders ihr Hüftschwung hatte es Jonah angetan. Vielleicht war das Kostüm doch gar nicht so schlecht. Der Rock schmiegte sich jedenfalls eng an ihre Hüften, und ihm gefiel, was er sah.

Er holte tief Luft, um diese Gedanken zu verbannen, und eilte an Emmas Seite, während sie den Flur entlanggingen.

„Ich nehme an, Sie haben unsere Gaming Lounge gesehen, als Sie hereingekommen sind“, sagte er. „Jedes Stockwerk hat eine.“ Sie blieben in der Tür stehen, und er strahlte vor Stolz. Das war eine der Innovationen, die er eingeführt hatte, und er verbrachte selbst viel Zeit in der Lounge. Es war gut für den Geist und das Arbeitsklima. Hier konnte man gut ein bisschen auftanken.

„Wirklich sehr nett.“ Emmas Stimme war höflich und kühl.

Sie schien eindeutig desinteressiert, und das ärgerte Jonah. Sie hätte davon beeindruckt sein sollen, genau wie alle anderen.

„Was ist Ihr Lieblingscomputerspiel?“, erkundigte er sich. „Wir haben hier eine umfangreiche Sammlung, nicht nur unsere eigenen Spiele.“

„Tut mir leid, aber ich spiele keine Computerspiele.“

Er versuchte, nicht die Stirn zu runzeln. Gab es so etwas überhaupt noch? „Nicht einmal Mario Bros, als Kind? Oder Tetris?“ Ungläubig sah er sie an.

Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr ein paar dunkelbraune Strähnen ins Gesicht fielen, was ihr Gesicht weicher aussehen ließ. Ja, dachte er, sie sollte ihr Haar offen tragen. Unwillkürlich drängte sich ihm das Bild dieser dunklen Locken auf einem Kopfkissen auf. Aber natürlich durfte er ihr nicht zu nahekommen, solange sie offiziell die Bilanzen der Firma überprüfte. Danach jedoch …

Emma steckte die Strähne sofort wieder in den Knoten zurück und beendete damit seine Fantasie. „Man hat mir beigebracht, meine Zeit nicht mit solch nutzlosen Beschäftigungen zu verbringen“, erklärte sie.

Nutzlose Beschäftigungen? Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Schließlich hatte sich die Faszination, die er schon als Kind für Videospiele gehabt hatte, zu einem Multimillionen-Dollar-Imperium ausgewachsen. Was machte sie denn sonst mit ihrer Zeit? Kümmerte sie sich vielleicht um Obdachlose? So langsam begann sie, ihm auf die Nerven zu gehen.

Wortlos wandte Emma sich von der Tür ab und ging weiter.

Diesmal gefiel Jonah ihr Hüftschwung schon weniger, denn er hatte das unangenehme Gefühl, in die Schranken gewiesen worden zu sein. Aber ob es ihm nun gefiel oder nicht, in den nächsten Wochen würde er sich um sie kümmern müssen.

„Sie werden im vierundzwanzigsten Stock in der Finanzabteilung sitzen, während Sie hier sind“, sagte er. „Vorher würde ich Ihnen gern noch die Kaffeebar in der dreiundzwanzigsten Etage zeigen. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich brauche am frühen Nachmittag immer eine Erfrischung.“

„Mr. Flynn …“

„Jonah“, unterbrach er sie mit dem gewinnenden Lächeln, mit dem er bei Frauen immer das erreichte, was er wollte.

Jonah, also, das ist wirklich nicht nötig. Ich bin mir sicher, dass mir auch jemand anderes als der CEO die Kaffeebar, den Fitnessraum und die Cafeteria zeigen kann. Im Moment will ich eigentlich nur mit der Arbeit anfangen.“

Er korrigierte seine Einschätzung. Sein Lächeln brachte ihm normalerweise die gewünschte Wirkung. Emma jedoch schien dagegen immun zu sein. Er seufzte resigniert und streckte die Hand aus, um sie zu den Aufzügen zu führen. Wie sollte er diese Frau nur bezirzen, wenn sie ihm nicht die kleinste Chance gab? Das war wirklich sehr frustrierend.

Schweigend warteten sie auf den Lift. Jonah hatte das Gefühl, als würde sich der Aufzug extra langsam bewegen, nur um ihn zu ärgern. Trotzdem war es ihm lieber, dass Emma nichts sagte. Mit geschlossenem Mund fand er sie attraktiv und anmutig, mit einem Hauch von Geheimnis in den grünen Augen. Doch wenn sie redete, wurde sofort klar, dass sie aus sehr unterschiedlichen Welten kamen, was Business und Vergnügen betraf.

Jonah wusste nicht, ob es gut oder schlecht war, dass er ihr Parfüm so ansprechend fand. Und er fragte sich auch, ob es überhaupt ihr Parfüm war, während er auf die Anzeigetafel des Lifts starrte. Der Duft war mehr eine saubere Mischung aus Shampoo und Handcreme. Er war dezent und passte gut zu ihr, genau wie der kaum angedeutete Ausschnitt ihrer Bluse.

Endlich öffnete sich die Tür, und sie fuhren in den vierundzwanzigsten Stock, wo sich die Finanzabteilung befand. Als sie den Flur entlanggingen, fiel ihm auf, dass Emmas Blick nicht umherwanderte wie bei den meisten Besuchern. Denn normalerweise interessierten sich die Leute für das unkonventionelle Ambiente bei FlynnSoft. Sie jedoch blickte nur starr geradeaus, und ihre Sturheit war für ihn ebenso faszinierend wie beunruhigend. Würde sie in Bezug auf die Finanzberichte genauso fokussiert sein?

Er hielt vor dem Besucherbüro an und öffnete die Tür. Der kleine L-förmige Schreibtisch mit dem Computer und dem Telefon nahm den größten Teil des Raums ein. In einer Ecke stand ein Ficus. Für eine kurzzeitige Tätigkeit war es genau der richtige Platz.

„Hier werden Sie in den nächsten Wochen arbeiten. In der Schreibtischschublade finden Sie alles, was Sie brauchen. Das Telefon ist angeschlossen, und es gibt eine Dockingstation für Ihren Laptop. Wenn Sie sonst noch irgendetwas benötigen, wird Ihnen unsere Finanzassistentin Angela weiterhelfen. Sie finden Sie den Flur hinunter und dann links.“

Emma sah ihn an und nickte kurz. Erneut hatte Jonah das Gefühl, als wollte sie ihn möglichst schnell loswerden. Was genau war eigentlich ihr Problem? Sie wirkte so unglaublich verschlossen und angespannt. Vielleicht brauchte sie ja einen Drink. Oder guten Sex. Ja, das würde nicht schaden, und er wäre durchaus bereit, ihr beides zu liefern, wenn er nur die Möglichkeit dazu bekam.

„Geht es Ihnen gut, Emma?“

Ihr Kopf fuhr herum, und sie runzelte die Stirn. „Natürlich.“

Jonah glaubte ihr kein Wort. Aber er hatte das Gefühl, dass er sie jetzt nicht bedrängen sollte, deshalb hakte er nicht nach.

„Sie wirken ein bisschen angespannt. Aber ich versichere Ihnen, keiner von uns beißt.“ Er legte seine Hand auf die Türklinke und beugte sich vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Vielleicht gefällt es Ihnen ja sogar bei uns.“

Emma wurde blass. Ihr Blick war starr auf seine Hand gerichtet, und sie ignorierte seinen Charme. Stattdessen schenkte sie ihm nur ein Lächeln, das allerdings total künstlich wirkte.

„Selbstverständlich. Ich kann es gar nicht erwarten, mit der Arbeit zu beginnen.“

Jonah zog die Hand weg. Er musste sich eingestehen, dass das hier nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte. War sie nur hier so schwierig, oder verhielt sie sich immer derartig abweisend? Es konnte doch nicht sein, dass er auf die einzige Frau in ganz Manhattan gestoßen war, die nicht seinem Charme erlag. Und der er sogar ziemlich auf die Nerven zu gehen schien.

Er schaute auf seine Armbanduhr. „Ich hätte gern noch ein bisschen länger mit Ihnen über Ihre Aufgabe gesprochen, doch leider habe ich in ein paar Minuten ein Meeting. Aber hätten Sie vielleicht Lust, morgen Abend mit mir zu essen?“

„Nein.“

Jonah öffnete den Mund, um ein Restaurant vorzuschlagen. Doch dann schloss er ihn wieder und starrte sie an. Hatte sie wirklich Nein gesagt? Das war nicht möglich. „Wie bitte?“

Ihre Wangen röteten sich, und in ihren Augen blitzte ein Funke auf. Offensichtlich hatte sie ihren Fehler erkannt. „Ich meine, nein. Vielen Dank“, erklärte sie, betrat dann ihr neues Büro und schloss die Tür hinter sich.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen trafen Harper und Emma sich vor der Arbeit in der Kaffeebar im dreiundzwanzigsten Stock. Emma hatte die ganze Nacht kaum geschlafen und brauchte dringend Koffein.

„Du siehst schrecklich aus“, sagte Harper. Emma hatte ihre Ehrlichkeit inzwischen zu schätzen gelernt.

„Vielen Dank. Dir auch einen schönen guten Morgen!“

Sie schlossen sich der Schlange an.

„Was ist los?“, erkundigte sich Harper besorgt.

„Gar nichts. Ich konnte letzte Nacht nur nicht schlafen.“

Ihre Freundin nickte und gab ihre Bestellung auf.

In Wahrheit war Emma total durch den Wind. Sie konnte einfach nicht fassen, dass ihr neuer Boss der Mann war, mit dem sie jene fatale Nacht verbracht hatte. Der Mann, der sich die andere Hälfte des Tattoos hatte stechen lassen. Das Schicksal hatte ihr einen grausamen Streich gespielt.

Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er der Vater ihres Kindes sein sollte. Wie gut, dass sie ihre Identität geheim gehalten hatte. Bestimmt wäre er enttäuscht, wenn er erfuhr, wer sich hinter der Maske verbarg. Und von der Aussicht, bald Vater zu werden, wäre der berühmteste Junggeselle Manhattans sicher ebenfalls nicht entzückt.

Trotzdem konnte sie die Nacht mit ihm nicht vergessen. Vor allem ihr Körper erinnerte sich an jede Berührung. Noch nie hatte sie sich so begehrt gefühlt. Nach allem, was mit David passiert war, war es ein aufregendes Gefühl gewesen, so viel Leidenschaft zu erfahren. Ein Gefühl, das leicht süchtig machen konnte und deshalb gefährlich war.

„Ma’am?“

Emma zuckte zusammen und wandte sich dem Mann hinter dem Tresen zu. „Einen Tee, bitte“, sagte sie. Auch wenn ihr eher nach einem starken Kaffee zumute war, wusste sie natürlich, dass sie nicht zu viel Koffein zu sich nehmen sollte.

Da es in der Kaffeebar sehr voll war, machten sie sich mit ihren Getränken und den Croissants, die sie ebenfalls bestellt hatten, auf den Weg in ihre Büros.

„Ich bin so froh, dass du jetzt hier arbeitest“, sagte Harper. „Alle sind hier sehr nett, aber die meisten hängen dauernd hinter ihrem Computer und denken an nichts anderes.“

Das war Emma auch schon aufgefallen. Programmierer waren anscheinend ganz anders als andere Menschen. Sie waren unglaublich auf ihre Arbeit konzentriert und vermieden den Augenkontakt mit anderen. Offensichtlich waren sie alle auf einer Mission. Aber vielleicht waren sie ja auch nur schüchtern und konnten nicht mit Frauen umgehen.

„Warum arbeitest du dann überhaupt noch hier?“, fragte sie Harper. „Wir wissen doch beide, dass du das gar nicht nötig hättest.“

Harper kniff die Augen zusammen und sah Emma an. Dann zuckte sie die Schultern. „Wenn ich nichts tue, langweile ich mich nur.“

„Du könntest doch Oliver helfen. Bestimmt würde er sich freuen, wenn du dich in eurem Familienbetrieb engagierst.“

„Nein, mein Bruder braucht meine Hilfe nicht. Außerdem macht es Spaß, hier zu arbeiten. Ich finde es toll, dass man fürs Essen und für den Fitnessraum nichts bezahlen muss. Das spart eine Menge Geld. Jetzt kann ich mir endlich schicke Handtaschen kaufen und auch mal nach Paris zum Shoppen fliegen. Nein, ich liebe es hier, und ich bin sicher, es wird dir auch gefallen, wenn du dich erst einmal ein bisschen eingewöhnt hast. Allerdings müssen wir etwas mit deiner Garderobe machen, glaube ich.“

Emma betrachtete Harpers Khakihose und ihr ärmelloses Top und blickte dann auf ihr eigenes graues Kostüm herunter. Der Unterschied hätte nicht größer sein können, obwohl dies immerhin ihr Lieblingskostüm war.

„Tut mir leid, aber ich habe den Eindruck, dass sich hier alle wie Studenten anziehen. Das ist wirklich nicht mein Stil. Außerdem solltest du nicht damit rechnen, dass ich länger hierbleiben werde als unbedingt nötig. Sobald ich alles erledigt habe, bin ich weg.“

Jetzt standen sie vor den Aufzügen, und Harper drückte auf den Knopf. „Warum hast du es denn so eilig? Stinkt dir der Job so sehr?“

Das war es nicht. Emma wusste, dass ein längerer Aufenthalt sich zu einer Katastrophe entwickeln konnte. Am liebsten hätte sie Harper alles erzählt, schließlich war sie ihre beste Freundin. Allerdings war Harper nicht gerade diskret.

Daher zuckte sie nur die Achseln. „Ich fühle mich hier einfach nicht wohl.“

„Ach, du hast doch nur Angst, dass du auf ihn treffen könntest“, erwiderte Harper prompt, womit sie mehr ins Schwarze getroffen hatte, als sie ahnen konnte.

Emma nickte. „Stimmt. Es wäre fatal, wenn wir uns hier wieder begegnen würden. Ein ausgesprochener Interessenkonflikt, der meine ganze Arbeitsleistung in Zweifel ziehen würde. Wahrscheinlich würden sie mich bei Game Town sogar feuern, wenn herauskäme, dass ich mit einem der Angestellten etwas hatte.“

„Oder es könnte das Tollste überhaupt sein, wenn du ihn findest. Wegen des B-A-B-Y-s“, wandte Harper flüsternd ein.

Emma reagierte nicht darauf. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Freundin irgendwelchen romantischen Ideen anhing und die Situation nicht objektiv sah. Sie betrat den Aufzug und nippte an ihrem Tee.

„Du hast ihn schon gesehen!“, behauptete Harper.

Emma riss den Kopf herum und überzeugte sich davon, dass sie allein im Aufzug waren. „Was? Nein, natürlich nicht.“

Aber offensichtlich überzeugte sie Harper damit nicht.

„Wer ist er denn? Sieht er gut aus? In welcher Abteilung arbeitet er?“

In diesem Moment hielten sie im vierundzwanzigsten Stock. Emma bedeutete Harper, leise zu sein, als sie ausstiegen. „Kannst du jetzt bitte mal damit aufhören? Ich will nicht, dass uns alle hören.“

„Okay, aber mir kannst du es doch sagen. Ich kann ein Geheimnis für mich behalten.“

Emma sah sie an. Sie liebte Harper, aber sie machte sich in Bezug auf sie auch keine Illusionen. „Nein, kannst du nicht.“

„Warum stellst du dich eigentlich so an? Ich meine, es ist ja schließlich nicht der CEO, oder? Wenn es Jonah wäre, wäre das natürlich ein Riesenskandal, aber alle anderen Typen sind doch völlig unwichtig. Ich weiß wirklich nicht, warum du …“

Emma merkte, wie sie erblasste, und sie konnte nichts dagegen tun. Harper blieb mitten im Flur stehen und starrte sie an. Dann öffnete sie den Mund, aber kein Laut kam heraus. „Oh, mein Gott!“, stieß sie schließlich hervor.

„Sch, Harper“, zischte Emma verzweifelt. „Das ist doch egal.“

„Es ist verdammt noch mal nicht egal.“ Erst jetzt schien Harper ihre Sprache wiedergefunden zu haben. „Jonah Flynn? Im Ernst?“

Emma nickte. „Aber er weiß nicht, wer ich bin, und er hat keine Ahnung von dem Baby. Ich will, dass das auch so bleibt. Hast du verstanden?“

Harper nickte, doch sie wirkte noch immer ganz hin und weg von der Neuigkeit. „Jonah Flynn ist der heißeste Typ, den ich je gesehen habe. Mein Bruder ist mit ihm befreundet, und ich musste mich jedes Mal zurückhalten, wenn er uns besucht hat, um mich ihm nicht an den Hals zu werfen. Ich kann es nicht fassen, dass ihr beide … Aber wieso bist du ihm nicht auf den Schoß gesprungen, als du erkannt hast, wer er ist?“

„Haben wir uns denn tatsächlich kennengelernt?“

Harper runzelte die Stirn. „Nein, du hast recht. Ganz schön schade, finde ich. Das wäre ein Fang! Und schließlich war er doch total von dir angetan.“

„Er ist ein stadtbekannter Womanizer. Deshalb glaube ich nicht, dass das viel bedeutet.“

„Stimmt. Wenn man dem Klatsch glaubt, ist keine Frau vor ihm sicher. Aber das ist nicht der Typ, den ich seit all den Jahren kenne. Und auch nicht der Typ, der bereit ist, sich nach einer Nacht mit dir ein Tattoo stechen zu lassen, in der vagen Hoffnung, dass euch das eines Tages wieder zusammenbringt. Ein Playboy hätte das mit Sicherheit nicht getan.“

Da war was dran, wie Emma zugeben musste. Trotzdem konnte sie sich einfach keine gemeinsame Zukunft mit Jonah Flynn vorstellen. Er hatte die Frau aus jener Nacht gewollt, nicht die gute alte zuverlässige Emma. Und sie hatte geschworen, nie wieder diese Frau zu sein. Daher machte es auch keinen Sinn, sich ihm zu offenbaren.

Aber irgendwann musste sie es ja doch tun. Oder? Schützend legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Wenn er mit ihr und dem Baby nichts zu tun haben wollte, konnte das ihrem Kind ein Leben lang schaden. Nein, es war wirklich keine leichte Entscheidung.

„Bitte behalte dieses Geheimnis für dich“, beschwor sie Harper. „Kein Sterbenswörtchen zu Violet oder Lucy. Und schon gar nicht zu deinem Bruder.“

„Ich verspreche es dir“, erwiderte Harper und legte feierlich ihre Hand aufs Herz. „Dann musst du aber auch dafür sorgen, dass er dein Tattoo nicht zu Gesicht bekommt.“

Emma nickte nervös. „Na, klar. Ich werde hier einfach nur meinen Job machen und dann verschwinden.“

„Aber was ist mit dem Baby?“

„Ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht. Das, was zwischen uns war, ist aus und vorbei, und es wird auch keine Wiederholung geben. Ich glaube nicht, dass das Baby daran etwas ändern wird.“

Jetzt standen sie vor ihrem Büro, und Emma öffnete die Tür. Verblüfft starrte sie auf den Schreibtisch. Eine Vase mit einem riesigen Strauß weißer Lilien stand darauf, und die Blumen erfüllten den ganzen Raum mit ihrem Duft.

Emma trat näher heran und zog die Karte aus dem Strauß. „Für Emma“, las sie, und ihr Magen machte einen kleinen Satz. „Herzlich willkommen bei FlynnSoft. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen. Jonah.

„Aus und vorbei, ja?“, fragte Harper. Sie beugte sich vor und sog den Duft der Blumen ein. „Bist du dir da so sicher?“

Jonah ging mit einem Becher Kaffee in der Hand den Flur entlang und blieb vor seinem Büro stehen. Auf Pams Schreibtisch stand eine Vase mit weißen Lilien. Er runzelte die Stirn. Komisch, diese Blumen hatte er doch extra für Emma bestellt, weil er den Eindruck gehabt hatte, sie würden zu ihr passen – sie waren natürlich, zugleich elegant und kultiviert. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass die Geste sie beeindrucken würde.

Aber sie schien anders zu sein als die meisten Frauen, die er bisher getroffen hatte. Vielleicht musste er seine Taktik ändern. Doch am Ende würde sie nachgeben, dessen war er sich sicher.

Ein kleiner Zweifel blieb jedoch, denn offensichtlich hatte sie seine Blumen zurückgewiesen. Oder? Die Chance, dass seine Assistentin am selben Tag den gleichen Strauß bekommen hatte, war denkbar gering.

„Hat Miss Dempsey dir die Blumen gebracht?“, fragte er Pam.

Pam lächelte ihn an und nickte. Offensichtlich war sie sehr erfreut über den Strauß. Kein Wunder, er hatte schließlich ein Vermögen gekostet.

„Ja“, nickte sie. „Sie hat mir gesagt, sie wäre allergisch gegen weiße Lilien. Sind sie nicht umwerfend schön?“

„Ja, sehr schön“, erwiderte Jonah und nahm sich vor, seiner Assistentin öfter Blumen zu schenken.

Dann ging er in sein Büro und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Allergisch, ja? Daran glaubte er keinen Moment. Es sah tatsächlich so aus, als müsste er sich etwas anderes einfallen lassen, um Emma für sich zu gewinnen.

In diesem Moment leuchtete auf dem Display seines Telefons eine Nummer auf, die ihm unbekannt war.

„Jonah Flynn hier“, meldete er sich.

„Hey, hier ist dein Lieblingsbruder!“

Jonah holte tief Luft. „Ich habe dir schon mal gesagt, dass Elijah mein Lieblingsbruder ist. Aber ob du’s glaubst oder nicht, du bist genau der Mann, nach dem ich gesucht habe.“

Sein Bruder lachte. Sie wussten beide, dass Noah im Grunde nichts mit FlynnSoft zu tun hatte. Er hatte zwar ein eigenes Büro und bezog ein monatliches Gehalt. Aber ansonsten verbrachte er seine Zeit lieber mit Golfturnieren und Wohltätigkeitsveranstaltungen.

„Was ist denn eigentlich so wichtig, dass es nicht bis zu meiner Rückkehr warten kann?“, erkundigte er sich. „Dieser Anruf kostet mich ein Vermögen.“

„Wie viel denn?“, gab Jonah schneidend zurück. „Etwa drei Millionen Dollar?“

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung verriet ihm alles, was er wissen musste. Noah hatte das Geld unterschlagen, doch offensichtlich war er nicht davon ausgegangen, dass Jonah es so schnell entdecken würde. Unter normalen Umständen hätten sie auch genügend Zeit gehabt, um die Summe wieder zurückzulegen. Aber Jonah hatte keinen Zweifel, dass Emma den Betrug entdecken würde.

„Hör zu, es ist mir völlig egal, ob du es für Prostituierte oder für Drinks ausgegeben hast. Aber ich will es zurück, und zwar sofort.“

„Okay, das ist im Moment ein bisschen schwierig. Ich fürchte, ich habe es nicht mehr. Aber hoffentlich wird das anders sein, wenn ich wieder zurückkomme.“

„Und wann, bitte, wird das sein?“

„Spätestens in zwei Wochen.“

„In Ordnung. Aber wenn ich es nicht fünfzehn Minuten nach deiner Ankunft habe – und zwar die ganze Summe – werde ich es höchstpersönlich aus dir rausprügeln.“

„Jonah, ich …“

„Ich will deine Entschuldigungen nicht hören. Du gibst die drei Millionen Dollar zurück, oder ich werde dich so fertigmachen, dass du dir wünschst, du wärst in Thailand geblieben. Drücke ich mich klar aus?“

Dieses Mal versuchte Noah nicht zu widersprechen. „Kristallklar. Hast du Mutter davon erzählt?“

Jetzt war es an Jonah zu lachen. „Nein. Und ich habe auch nicht die Absicht, es zu tun. Es sei denn, es muss sein. Wir beide wissen schließlich, dass ihr Herz diesen Stress nicht aushält, obwohl du dir anscheinend wirklich Mühe gibst, ihre Grenzen auszutesten.“

„Aber ich würde Mutter doch nie absichtlich wehtun“, protestierte sein Bruder.

Jonah schüttelte den Kopf. „Ob absichtlich oder nicht, du machst es trotzdem. Du denkst nie an andere Menschen, immer nur an dich.“

„Und du denkst immer nur an die Firma“, erwiderte Noah wütend. „Die Familie ist dir völlig egal. Wann hast du sie denn das letzte Mal gesehen? Oder bist zu mir gekommen? Oder hast Elijah besucht? Mir wirfst du vor, dass ich mein Geld an thailändische Prostituierte verschwende, aber du tust dasselbe mit deinen Supermodels.“

Je länger Noah redete, desto wütender wurde Jonah. Wenn er die Zeit gehabt hätte, wäre er am liebsten höchstpersönlich nach Thailand geflogen, um seinen Bruder in die Mangel zu nehmen. Noah glaubte offensichtlich, dass sie nur von Luft und Liebe lebten. Dass Jonah all seine Kraft und Zeit in das Unternehmen gesteckt hatte, damit es ein Erfolg wurde, schien ihm gar nicht aufgefallen zu sein. Es stimmte durchaus, dass er nicht viel Zeit mit seiner Familie verbrachte, aber schließlich hatten sie ja alle ihr eigenes Leben. Und er konnte sich nicht daran erinnern, dass in letzter Zeit einer von ihnen an seine Tür geklopft hätte.

„Ja, die Firma ist wichtig für mich“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Sie sichert vielen Leuten eine Existenz, auch dir, falls du das vergessen haben solltest. Ich bin stolz auf das, was ich aufgebaut habe, und ich werde es bestimmt nicht deinetwegen aufs Spiel setzen, du gedankenloser Bastard. Weißt du überhaupt, dass eine Buchprüferin von Game Town hier ist? Und dass dein kleiner Coup die Firma möglicherweise einen äußerst lukrativen Deal kosten wird?“

„Oh, verdammt“, sagte Noah erschrocken, „das hab ich ja vollkommen vergessen. Ich habe nicht daran gedacht …“

„Nein, hast du nicht, Noah. Das tust du nie.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment lang Schweigen, während Jonah tief Luft holte.

„Glaubst du, sie wird es herausfinden?“, fragte sein Bruder schließlich kleinlaut.

„Kann schon sein. Du hast dir nicht gerade viel Mühe gegeben, deine Spuren zu verwischen. Aber ich versuche gerade, die Sache zu vertuschen. Paul bewegt ein paar Summen hin und her, jedenfalls für den Moment, um die Lücke zu schließen, bis du wieder da bist.“

„Ich werde es dir zurückzahlen, Jonah.“

„Ja, ja“, seufzte er müde. „Bitte lass mich nicht bereuen, dass ich dir vertraut habe.“

„Das verspreche ich dir.“

„Gut, dann sehen wir uns, wenn du wieder zurück bist“, sagte Jonah und beendete das Gespräch.

Er hätte seinem Bruder gern geglaubt, aber es war schwer. Denn Noah war nun einmal der verwöhnte kleine Bruder und Liebling der Mutter, besonders seit dem Tod ihres Vaters. Jeder wollte ihm gern einen Gefallen tun, und so bekam er immer viel zu leicht seinen Willen.

Jonah sollte ihn im Bereich Fundraising einsetzen. Denn Noah hatte wirklich Talent dafür, reichen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Fähigkeit sollte er lieber zum Wohl der Firma einsetzen.

Vorausgesetzt, dass seine letzte Aktion die Firma nicht den lukrativen Deal mit Game Town kostete. Denn in diesem Fall wäre es wohl aus mit all ihren Wohltätigkeitsprogrammen.

Jonah lehnte sich in seinem Stuhl zurück und biss in seinen Bagel. Es war noch nicht einmal neun Uhr. Zwei Wochen. Er musste irgendeinen Weg finden, den Fehlbetrag auszugleichen. Und das Geld zurückzulegen, ohne dass es jemand merkte.

Und dann war da auch noch Emma. Offensichtlich bekam er keinen Zugang zu ihr, und er wollte sie nicht bedrängen. Bisher hatte er noch nie eine Frau dazu zwingen müssen, mit ihm auszugehen, und damit würde er jetzt nicht anfangen. Das zerstörte einfach die Stimmung. Er wollte, dass sie freiwillig einen Schritt auf ihn zu machte und endlich aus ihrer Verteidigungshaltung herauskam.

Irgendwie schade, das Ganze. Emma war eine schöne und sehr sinnliche Frau, obwohl sie sich alle Mühe gab, das zu verbergen. Aber Jonah hatte es trotzdem bemerkt, an ihrem Hüftschwung und an der Art, wie ihre Lippen sich öffneten, wenn er sich zu ihr beugte. Ja, sie hatte auf ihn reagiert, daran konnte kein Zweifel bestehen. Sie war nur noch nicht bereit, danach zu handeln. Bis jetzt jedenfalls nicht.

Aber er würde daran arbeiten, ihr unter die Haut zu gehen. Ob sie nun mit ihm essen ging oder nicht, er würde alles daransetzen, dass sie nach der Arbeit nach Hause ging und an ihn dachte. Ob aus Ärger oder aus unterdrückter Lust, war ihm ganz egal. Hauptsache, sie dachte an ihn.

Paul würde wahrscheinlich noch ein paar Tage brauchen, um sich das Geld zu beschaffen. Bis dahin musste er sich inoffiziell um FlynnSoft kümmern.

Nachdem er seinen Bagel verzehrt hatte, verließ Jonah das Büro, um seine kurvenreiche, verklemmte Buchprüferin aufzusuchen.

4. KAPITEL

Selten hatte Emma sich so sehr auf zu Hause gefreut wie heute. Egal, wohin sie gegangen war oder was sie getan hatte, immer lief sie Jonah über den Weg. Es war nicht so, als wäre er ihr gefolgt, sondern er schien einfach immer in der Nähe zu sein. Wenn sie zum Kopierer ging, stand er im Flur und unterhielt sich mit jemandem. Er sah zu ihr herüber und lächelte sie an. Später traf sie ihn in der Cafeteria, dann ging er an ihrem Büro vorbei … und so lief das die ganze Zeit.

Und wenn er nicht da war, dachte sie trotzdem dauernd an ihn, mit einer verwirrenden Mischung aus Irritation und Verlangen.

Sie wollte es zwar nicht zugeben, aber keine normale Frau hätte Jonahs Charme widerstehen können. Sie hatte wirklich alles versucht, doch er hatte nicht aufgegeben. Die Vergangenheit war auch nicht gerade hilfreich. Denn sie wusste, was er ihrem Körper entlocken konnte, wusste, wie es sich anfühlte, sich an ihn zu schmiegen. Und dieses Wissen lenkte sie von der Arbeit ab. Sie konnte sich einfach nicht auf die Zahlen konzentrieren – wegen dieses verdammt charmanten und sexy CEO.

Deshalb war sie erleichtert, endlich nach Hause gehen zu können. An einen Ort, wo sie vor ihm sicher war. Kaum hatte sie ihre Wohnung betreten, die in weichen Pastelltönen gestrichen und feminin eingerichtet war, entspannte sie sich schon. Ja, es war sehr gemütlich und einladend in ihren vier Wänden.

Doch als sie ihr Kostüm auszog und in etwas Bequemeres schlüpfte, musste sie feststellen, dass sie auch hier nicht sicher vor Jonah war. Denn im Badezimmerspiegel erhaschte sie einen Blick auf das Tattoo oberhalb ihrer Brust.

Es war seine Idee gewesen, als sie in jener Nacht vor einem Tattoo-Studio gestanden hatten.

„Zwei Hälften eines Herzens“, hatte Jonah vorgeschlagen und seine Hand auf ihr Schlüsselbein gelegt. Dann hatte er sanft eine ihrer Brüste umfasst, was eine Welle der Lust durch Emmas Körper gejagt hatte. Irgendwie gelang es ihm, dass ihre Knie bei der kleinsten Berührung von ihm sofort weich wurden.

Emmas Herz war ganz weit geworden. Sein Vorschlag war gleichzeitig romantisch, spontan und total albern. Noch nie in ihrem Leben hatte sie daran gedacht, sich tätowieren zu lassen. Aber in dieser Nacht waren sowieso viele Dinge zum ersten Mal passiert. Und nachdem Jonah ihr aus seinen ozeanblauen Augen einen langen Blick zugeworfen hatte, war sie ihm einfach in das Studio gefolgt.

Als sie sich jetzt im Spiegel betrachtete, zeichnete sie das halbe Herz mit den Fingerspitzen nach, so wie er es getan hatte. Sich nur vorzustellen, dass es seine Hand war, die sie berührte, jagte einen Schauer der Lust durch ihren Körper, und sie bekam eine Gänsehaut. Er war der letzte Mann, der sie vor drei Monaten angefasst hatte.

Die Entdeckung, von einem Fremden schwanger zu sein, hatte sie umgehauen, und sie hatte lange Zeit an nichts anderes denken können. Doch jetzt war es so, als wäre ihre Libido wieder entflammt, als wäre einfach ein Schalter umgelegt worden.

Verwirrt über ihre starke Reaktion auf den Geist eines Mannes, den sie nicht haben konnte, zog sie sich schnell ein T-Shirt über und ging in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.

Es war Dienstag, und wenn sie weiter so herumtrödelte, würden die Mädchen eintreffen, und sie wäre noch nicht fertig.

Jeden Dienstagabend trafen sich Lucy, Harper und Violet bei Emma, um sich gemeinsam ihre Lieblingsserie im Fernsehen anzuschauen. Sie wechselten sich mit dem Kochen ab oder brachten etwas mit. Für heute Abend hatte Emma Lucy versprochen, dass sie ihre berühmten überbackenen Ziti machen würde, und sie hatte noch nicht einmal Wasser aufgesetzt.

In der Küche machte sie den Herd an und stellte die Zutaten für ihr Familienrezept zusammen. Das Ziti-Rezept war eines der wenigen wertvollen Dinge, die ihre ältere Schwester ihr beigebracht hatte, bevor sie gestorben war.

Alles andere, was sie von ihrer Schwester gelernt hatte, war ihr eher eine Warnung gewesen, nicht in Cynthias Fußstapfen zu treten. In ihrer Pubertät hatte Emma kurz eine rebellische Phase gehabt, aber das hatte sich rasch gelegt. Denn sie hatte genau mitbekommen, wie sehr der Skandal um Cynthia ihre Eltern verletzt hatte, und sie wollte ihnen nie wehtun, das hatte sie sich fest vorgenommen.

Als sie dann schließlich im College ihre Unschuld verloren hatte, war ihr Freund ein höflicher junger Mann älteren Semesters gewesen, mit dem sie sechs Monate lang zusammen gewesen war und von dem sie gehofft hatte, dass er sie irgendwann heiraten würde. Sie gab sich redliche Mühe, die brave Debütantin zu sein, zu der ihre Eltern sie erzogen hatten, und irgendwann war sie das auch geworden.

Nur ein einziges Mal in ihrem ganzen Leben hatte sie sich wirklich gehen lassen. Emma hatte Tequila Shots mit einem Fremden getrunken und das Salz von seiner Haut geleckt. Sie hatte den Saft einer Limette von seinen vollen Lippen gekostet, und zur Krönung des Ganzen hatte sie sich auch noch tätowieren lassen.

Nein, die eigentliche Krönung war natürlich die Schwangerschaft. Eine einzige Nacht hatte zehn Jahre gutes Benehmen ausgelöscht. Sie hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, wie sie das ihren Eltern beibringen sollte.

Emma öffnete eine Packung mit Pasta und schüttete die Ziti ins Wasser. Es war so leicht gewesen, sich in jener Nacht gehen zu lassen. Viel zu leicht. Zum ersten Mal hatte sie verstanden, wie ihre ältere Schwester sich gefühlt haben mochte, als sie sich auf einen Seitensprung eingelassen hatte, während sie mit einem anderen Mann verlobt gewesen war. Das Vergnügen und der Kick stiegen einem zu Kopf. Aber natürlich gab es auch die andere Seite in ihr, die genau wusste, dass es sich dafür nicht lohnte, ihr ganzes Leben aufs Spiel zu setzen.

Sie konnte die Entscheidungen der Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen, aber mit Sicherheit konnte sie vermeiden, denselben Fehler zweimal zu machen. Und Jonah Flynn war genau die Art von Mann, der ihre Prioritäten durcheinanderbringen konnte, was ihn äußerst gefährlich machte. Sie würde ihm von dem Baby erzählen, sobald sie die Buchprüfung abgeschlossen hatte, entschied sie. Vorher durfte er nichts von ihrer Identität wissen, daher musste sie sich in seiner Gegenwart sehr in Acht nehmen.

„Hallo, wir sind da“, rief Violet in diesem Moment aus dem Wohnzimmer.

„Ich bin in der Küche“, rief Emma und rührte die Nudeln um. Dann stellte sie den Timer. „Bin leider noch nicht fertig, tut mir leid.“

Ihre Freundinnen kamen in die Küche und stellten ihre Tüten auf dem Tresen ab.

Autor

Maureen Child
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