Heiße Versuchung in Alaska

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Liebe? Auf keinen Fall. Große Gefühle kommen für den überzeugten Junggesellen Marshall Steele nicht infrage. Doch dann bricht sich der Ölbaron den Arm - ausgerechnet kurz vor einer weihnachtlichen Benefizgala, die auf seinem Anwesen in Alaska stattfinden soll. Seine Familie schickt ihm die schöne Tally Benson als Haushaltshilfe. Ein Riesenfehler - sein Verlangen brennt plötzlich lichterloh. Er will sie spüren, will sie lieben! Aber Marshall ahnt nichts von dem wahren Grund, warum Tally den Job angenommen hat …


  • Erscheinungstag 10.12.2019
  • Bandnummer 2110
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725501
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Tallulah Benson wusste, dass die Eltern ihr einen aufregenden Namen gegeben hatten, der eine märchenhafte Zukunft verhieß. Sie wünschte nur, ihr Leben wäre nicht in einer fürchterlichen Version von Aschenputtel stecken geblieben.

Sie stieg die eisigen Stufen zur Veranda des weitläufigen Ranchhauses hinauf. Es als Blockhütte zu bezeichnen wäre untertrieben gewesen. Die beiden Stockwerke boten eine Wohnfläche von fast siebenhundertfünfzig Quadratmetern. So stand es zumindest in der Stellenbeschreibung.

Kurz und gut, Tallulah – Tally – war dankbar für eine feste Stelle als Haushaltshilfe, damit sie ihre Rechnungen bezahlen konnte. Wenn dieser Job für ein Mitglied der Öldynastie Steele gut laufen würde, wäre das ein Plus in ihrem Lebenslauf und würde ihr noch mehr Aufträge bei den Reichen und Schönen sichern. Dann konnte sie mit einem beträchtlich höheren Stundenlohn rechnen. Sie brauchte die Arbeit. Ihre Eltern waren beide vor Tallys achtzehntem Geburtstag gestorben. Sie hatte kein dickes Sparkonto und auch keine Familie, auf die sie sich im Notfall verlassen konnte.

Mit neunzehn hatte sie erfahren, wie grausam das Leben sein konnte, wenn niemand hinter einem stand. Seit zehn Jahren litt sie darunter, dass sie damals ihr Baby zur Adoption freigegeben hatte, obwohl sie wusste, dass sie die richtige Entscheidung für ihren neugeborenen Sohn gefällt hatte.

Tally klingelte. Das glockenhelle Läuten drang durch die Wände des Hauses, das dem Rancher Marshall Steele gehörte.

Marshall hatte bisher zweimal die Woche einen Putzservice kommen lassen. Aber neulich hatte er sich bei einem Rodeounfall den Arm gebrochen – und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten. Also war Tally auf Rat seines Arztes für sechs Wochen in Vollzeit engagiert worden. Auf solch eine Gelegenheit hatte sie gewartet.

Sie und seine Familie hatten eine gemeinsame Vergangenheit.

Sie klingelte noch einmal, aber niemand kam. Sie klopfte an die dicke Eichentür und …

Ein derber Fluch ertönte, gefolgt von noch einem Kraftausdruck und einem lauten Klatschen. Tally hielt sich am Holzgeländer der Veranda fest und sah sich um. Der zugefrorene Teich vor dem Haus war leer. Niemand war ins Eis eingebrochen. Gott sei Dank. Winter in Alaska konnten tückisch sein.

Der Wind des frühen Nachmittags trug noch mehr Flüche zu ihr. Als der erste Schock nachließ, erkannte sie, dass das Geschrei von hinter dem Haus kam.

Sie hielt ihre schwere Handtasche gut fest und tastete sich die Stufen hinunter und den rutschigen Weg entlang. Ihre Füße sanken knirschend in den festen Schnee ein. Bäume bildeten einen eisigen Laubengang über ihr. Sie folgte der Stimme zur Rückseite des Ranchhauses.

Dort lag unter einer Glaskuppel ein Pool.

Sie spähte durch die frostüberzogenen Scheiben und konnte nicht fassen, was sie sah: Ein hünenhafter Mann mit pechschwarzem Haar watete bis zur Brust im Wasser und hielt einen Arm hochgereckt, damit sein Gips nicht nass wurde.

Das konnte nur ihr Boss Marshall Steele sein. Er riskierte seinen Gips – oder schlimmer noch, riskierte es auszurutschen und im tiefen Wasser zu versinken –, um einen Hund zu retten.

Marshall schob sich Stück für Stück näher an einen zotteligen kleinen Mischling heran, der panisch im Kreis paddelte. Tallys Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen. Der unwahrscheinliche Retter des Hunds zog ihre Blicke magisch an. Aber es wurde Zeit, nicht länger zu gaffen, sondern etwas zu unternehmen.

Sie betete, dass die Seitentür des Glashauses nicht abgeschlossen war. Als sie daran zog, glitt die Schiebetür zum Glück beiseite. „Hallo? Kann ich Ihnen helfen?“

Ein Windstoß fuhr durch die offene Tür und ließ die abgelegte Jacke des Mannes neben dem Pool Wellen schlagen. Der Stetson, der darauf lag, wackelte leicht.

Der Mann antwortete nicht, sondern konzentrierte sich weiter ganz auf den Hund. Vielleicht hatte er sie nicht gehört?

Tally beeilte sich, näher zum Pool zu kommen. Sie musste ihm helfen, bevor der Gips nass wurde. Und der arme Hund schluckte jetzt schon Wasser und wurde mit jeder Sekunde aufgeregter.

Tally zog die Stiefel aus und schlüpfte aus dem Mantel, bevor sie die Stufen hinunterwatete. „Hallo? Lassen Sie lieber mich den Hund holen, bevor Sie noch ausrutschen oder Ihr Gips nass wird …“

Er warf einen Blick über die Schulter.

Das zog ihr fast den Boden unter den Füßen weg. Seine schwarzen Augen verscheuchten sofort die Kälte und lösten ein Prickeln in ihr aus. Magische Anziehungskraft. Wie geheimnisvoll!

Und was für ein ungeschliffener Sex-Appeal.

Es war nicht fair, dass ein Mann gleichzeitig so gut aussehend und so reich war. Sein dichtes schwarzes Haar lockte sich aufgrund der Feuchtigkeit. Er hatte unglaublich lange Wimpern und seine Augen strahlten Exotik aus. Die festen Umrisse seines Körpers zeugten von Muskeln, die er auf altmodische Art und nicht im Fitnessstudio aufgebaut hatte.

Das ist also mein Boss? Gott steh mir bei.

Das Leben war manchmal nicht fair. Wenn man bedachte, welche Geheimnisse sie hatte, war seine sinnliche Anziehungskraft ein echtes Risiko. Aber sie wollte unbedingt Frieden mit der Vergangenheit schließen und brauchte diesen Job.

Sie schüttelte das ungewollte Begehren ab und konzentrierte sich darauf, weiter in den Pool zu waten und dann an Marshall vorbeizuschwimmen. Das warme Wasser zog an ihren Kleidern.

„Seien Sie vorsichtig“, rief er. Das Wasser in ihren Ohren dämpfte seine tiefe Stimme. „Sonst werden Sie noch gebissen.“

Sie antwortete nicht. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass der verängstigte Hund eine Fremde vielleicht beißen würde. Aber die Gefahr hielt sie nicht auf. Der Hund brauchte Hilfe, und ihr Boss musste seinen Gips trocken halten. Noch etwas, das nicht zu einem märchenhaften Leben passte. Sie musste selbst die Retterin sein.

Sie schwang einen Arm nach vorn und verfehlte den Mischling nur knapp. Hinter sich hörte sie es platschen, als Marshall näher kam.

Der Kopf des Hunds versank. Panik wallte in Tally auf, gefolgt von Entschlossenheit. Sie tauchte unter Wasser und schwamm schnell auf den versinkenden Hund zu. Sie griff mit beiden Händen nach ihm, bekam sein Fell zu fassen und zog das kleine Kerlchen eng an ihre Brust.

Mit kräftigen Beinbewegungen schwamm sie an die Oberfläche und reckte die Arme hoch. Der triefnasse Hund wand sich in ihrem Griff und schnappte nach Luft. Sie bekam wieder Boden unter die Füße und watete zum flachen Ende.

Und knallte direkt gegen eine Stahlwand von nassem Mann.

Ihr Boss war so heiß, dass sie fast schon damit rechnete, dass sein muskulöser Körper das Wasser, das von ihm tropfte, verdampfen lassen würde.

„Entschuldigung“, stotterte sie.

„Da gibt es nichts zu entschuldigen. Sie sind die Heldin des Tages.“ Seine leise Stimme war so sexy wie seine Muskeln.

„Wohl kaum.“ Sie schob sich an ihm vorbei. Sie hatte zu sehr um diese Stelle gekämpft, um sich von einer unberechenbaren Anziehung einen Strich durch die Rechnung machen zu lassen.

Sie ließen sich nebeneinander auf die Poolstufen fallen. Sein Oberschenkel berührte ihren.

„Danke, dass Sie Nugget gerettet haben“, sagte er rau und nahm ihr mit einer Hand das zappelnde Tier ab. Es war kein Welpe, sondern ein ausgewachsener kleiner Hund. „Geht es Ihnen gut?“

„Alles in Ordnung“, sagte sie atemlos und fragte sich, warum sie nicht von ihm abrückte. „Was ist mit Ihrem Gips?“

„Keine Sorge.“ Sein verletzter Arm ruhte auf der Kante des Pools. Den triefnassen Hund hatte er sich unter den anderen Arm geklemmt. „Ich weiß Ihre Hilfe sehr zu schätzen. Nugget ist ausgerutscht und in den Pool gefallen, als wir von einem Spaziergang zurückgekommen sind. Er hat die Orientierung verloren und konnte die Stufen nicht finden.“

Dieser zottelige kleine braune Hund gehörte ihm? Sie hätte damit gerechnet, dass ein Mann wie er sich eine große Rasse hielt, vielleicht einen Jagdhund.

Was für Überraschungen hatte dieser alaskische Ölbaron noch auf Lager?

„Freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte“, sagte sie.

„Und Sie sind?“ Er zog eine Augenbraue hoch. Sein Blick huschte kurz über ihr nasses Shirt, was zwar nicht anstößig war, aber sein Interesse verriet.

Und er wusste nicht, wer sie war.

Wie peinlich.

„Ich bin Ihre neue Haushaltshilfe Tallulah Benson. Alle nennen mich Tally.“

Sein Lächeln verflog. Er stieg aus dem Pool. Als er aufstand, tropfte Wasser aus seiner durchnässten Jeans. Der Denimstoff betonte einen der schönsten Pos, die sie je gesehen hatte.

„Ach ja. Sie sind die Frau, die mein Arzt und meine Stiefmutter hinter meinem Rücken angeheuert haben.“

Hinter seinem Rücken? Seine Stiefmutter Jeannie Steele hatte es so klingen lassen, als würde sie ihm nur helfen, die Bewerbungsgespräche zu führen. Tally stand auf. Jetzt, wo sie nass war, kam ihr das Schwimmbad nicht mehr so warm vor. „Ich dachte, Ihr Arm schränkt ihre Bewegungsfreiheit bei manchen Tätigkeiten ein?“ Sie warf einen betonten Blick auf das schimmernde Wasser. „Zum Beispiel beim Schwimmen.“

„Ich wäre schon klargekommen“, behauptete er und ging zu einem Regal, in dem sich gefaltete Handtücher stapelten. „Schlimmstenfalls hätte ich einen neuen Gips gebraucht.“

„Sie hätten es bestimmt geschafft.“ Sofern er nicht ausgerutscht wäre. „Aber Sie müssen ja nicht allein zurechtkommen. Wollen wir noch lange hier herumstehen und uns eine Lungenentzündung einfangen, oder bin ich eingestellt?“

„Tut mir leid, dass ich so ein Brummbär bin.“ Er lächelte verkniffen und bewegte die Hand am Ende des eingegipsten Arms. „Ich weiß, dass das nicht Ihre Schuld ist. Sie machen nur Ihren Job.“

„Ein Glück, dass wir uns endlich einig sind, dass ich hier arbeite.“

„Für sechs Wochen. Aber damit wir uns richtig verstehen: Ich bin durchaus in der Lage, auf mich selbst aufzupassen.“ Er nahm ein Handtuch und wickelte den zitternden Hund darin ein.

„Verstanden. Ich bin ja auch keine Krankenschwester. Ich bin hier, um für Sie zu putzen und zu kochen.“ Sie grinste. „Und um Ihren Hund zu retten.“

Das Aufblitzen von Humor in seinen dunklen Augen weckte Hunger tief in ihrem Bauch. Sie hatte in den letzten Jahren so hart arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, dass sie kaum Zeit gehabt hatte, mit Männern auszugehen oder gar intim zu werden. Das kam natürlich mit ihrem Boss – insbesondere mit diesem Boss – überhaupt nicht infrage! Sie hatte schließlich ein Geheimnis: Die Rolle, die ihr Vater bei der Tragödie von Marshalls Familie vor vielen Jahren gespielt hatte.

„Bitte bedienen Sie sich bei den Handtüchern. Ich würde Ihnen ja eines reichen, aber ich bin im Moment etwas eingeschränkt.“

Sie griff an ihm vorbei nach dem flauschigen Frottee, mehr, um sich zu verhüllen, als um sich abzutrocknen. Es war ihr peinlich, dass ihre Brustwarzen vor Begehren steif wurden. Hoffentlich würde er das auf die Kälte zurückführen. Sie legte Wert darauf, sich immer professionell zu verhalten. Sie stammte zwar nicht aus einer reichen Öldynastie wie er, aber sie war stolz auf ihre Arbeit. Auf das, was sie sich ganz allein aufgebaut hatte.

Das Leben war für sie nie so einfach gewesen wie für Marshall Steele, der schon reich und gut aussehend zur Welt gekommen war.

Sie drückte das weiche Handtuch an sich.

Ein peinliches Schweigen senkte sich herab. Das war kein vielversprechender Beginn ihres ersten Arbeitstags.

„Geht es Ihnen gut? Ist Ihr Gips nass geworden, bevor ich da war, oder sind Sie ausgerutscht?“, fragte sie. „Wir sollen Sie beim Arzt durchchecken lassen.“

„Sie sind nicht meine Krankenschwester, schon vergessen?“, schleuderte er ihr ihre eigenen Worte entgegen. „Und Sie sehen überhaupt nicht wie eine Tallulah aus.“

Hatte er vielleicht mit jemandem gerechnet, der … förmlicher war? Daran konnte sie nichts ändern. Aber sie würde sich mit ihrer Arbeitsleistung seinen Respekt erwerben. „Deshalb nennen mich wahrscheinlich alle Tally.“ Sie lächelte. „In der Arbeitsvermittlung sagte man mir, Sie wünschten eine Haushaltshilfe, die über die Weihnachtszeit bei Ihnen wohnt, bis Ihr Arm wieder gesund ist.“

„Die bei mir wohnt?“ Er warf das nasse Handtuch von sich und schlang ein frisches um den Hund. „Ich dachte, Sie kommen jeden Tag ins Haus.“

„Die Fahrt aus der Stadt bis hierher ist lang, besonders bei schlechtem Wetter, und das haben wir um diese Jahreszeit meist.“ Sie rang darum, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen. Ihr klapperten die Zähne. „Man hat mir gesagt, Kost und Logis wären mit inbegriffen.“

„Meine Stiefmutter ist über das Ziel hinausgeschossen. Nur weil sie seit ein paar Monaten mit meinem Vater verheiratet ist, hat sie noch lange nicht das Recht, sich in mein Leben einzumischen.“

Ein Eisklumpen ballte sich in ihrem Bauch zusammen. Der Steele-Patriarch hatte die verwitwete Matriarchin des rivalisierenden Mikkelson-Clans geheiratet. Tally hatte Gerüchte gehört, dass die Familien nur unter Schwierigkeiten zusammenwuchsen. Seit die Firmen der Steeles und Mikkelsons zu Alaska Oil Barons fusionierten, berichtete die Presse immer wieder von Rückschlägen.

Tally musste ihm begreiflich machen, dass sie unbedingt hierbleiben wollte. „Ich habe mein Apartment schon an ein älteres Ehepaar aus Kansas untervermietet, das sich einen langen Weihnachtsurlaub in Alaska gönnt.“

„Dann sitzen Sie wohl in der Patsche.“

Sein geringschätziger Ton ging ihr auf die Nerven. Das hier war für sie kein Spiel. Diese Anstellung war unverzichtbar. Sie hatte nicht genug Geld, um sich eine andere Unterkunft zu suchen.

„Ich habe einen Vertrag unterschrieben. Aus dem geht klar und deutlich hervor, dass Kost und Logis inklusive sind.“

„Ich bezahle Ihnen ein Hotel.“

Jemand, der so reich war wie Marshall Steele, konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es war, niemanden zu haben, auf den man sich verlassen konnte, keine Wahl zu haben.

„Ihre Stiefmutter wird nicht erfreut sein.“ Sie suchte nach dem richtigen Tonfall, um ihn zu überreden, sich auf Jeannie Mikkelson Steeles Plan einzulassen. „Sie wirkt wie eine sehr fürsorgliche Person, die nur Ihr Bestes will.“

„Und sie ist Ihr Boss.“

„Nein. Eigentlich sind Sie mein Boss.“

„Wenn ich Sie bleiben lasse.“ Sein halbes Lächeln machte ihr Mut.

Und betörte sie.

Sie zog das Handtuch enger um sich. „Wir können die Einzelheiten später besprechen. Im Augenblick gibt es Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel, sich um den Hund zu kümmern.“ Sie hob begütigend die Hand. „Können wir die Diskussion bitte aufschieben, bis wir beide etwas Trockenes anhaben?“

Seine Augen blitzten wieder feurig auf – ein Hauch von Begehren, der respektvoll blieb, aber zugleich schmeichelhaft war. „Das ist nur recht und billig.“ Er nickte zur Tür. „Folgen Sie mir, dann zeige ich Ihnen eine Gästesuite. Da Sie ja vorhaben zu bleiben, haben Sie doch sicher einen Koffer dabei?“

„Ja.“ Sie beeilte sich hinzuzusetzen: „Und bitte bestehen Sie nicht darauf, ihn mir ins Haus zu tragen. Es macht sich in meinem Lebenslauf nicht gut, wenn Sie sich auch noch den anderen Arm brechen.“

Er lachte leise. „Wenn ich Sie Ihr Gepäck selbst tragen lasse, verwirke ich das Recht, je wieder meinen Stetson aufzusetzen. Sie können Nugget halten, während ich Ihre Sachen aus dem Auto hole.“

Er reichte ihr Nugget. Ohne ein weiteres Wort verschwand er in seinen nassen Kleidern nach draußen. Sie knuddelte den kleinen Hund. Es schien eine Art Terrier zu sein. Ihr Boss war also ziemlich stur. Das durfte sie nicht vergessen. Sie musste vorsichtig sein. Beim Thema Koffer nachzugeben, war das Klügste. Sie steckte das Handtuch um den zitternden Hund fest und wiegte ihn wie ein Baby.

Für jemanden aus der reichen Ölmogulfamilie Steele zu arbeiten, würde in mehr als einer Hinsicht ein Segen sein. Es würde sich im Lebenslauf besser machen als ihre bisherigen Tätigkeiten. Außerdem konnte sie so endlich über ihre Vergangenheit hinwegkommen. Vor vielen Jahren hatte die Tragödie in Marshalls Leben zum Selbstmord ihres Vaters geführt. Er war ihr letzter lebender Verwandter gewesen – bis auf das neugeborene Baby, das sie im Jahr danach zur Adoption freigegeben hatte.

Wie surreal, dass ihre Vergangenheit so eng mit der dieses Mannes verflochten war. Allerdings wussten weder er noch seine Familie, wer sie war. So war es ihr auch lieber. Vorerst war Tally für sie nur die Haushaltshilfe auf Zeit.

Aber sie war zugleich die Tochter des betrunkenen Flugzeugmechanikers, der für den Tod von Marshalls Mutter und Schwester verantwortlich war.

„Nugget, wie es aussieht, ist unser ruhiges Junggesellenleben einer Invasion zum Opfer gefallen“, sagte Marshall Steele zu seinem zotteligen kleinen Mischling, der ausgestreckt auf dem Badezimmerboden lag und die geheizten Fliesen sichtlich genoss.

Während er vorsichtig einen T-Shirt-Ärmel über seinen Gips zog, konnte Marshall nicht aufhören, an die neue Haushaltshilfe zu denken, die für die nächsten sechs Wochen unter seinem Dach wohnen würde.

Er mochte die Einsamkeit in seinem Ranchhaus. In seiner Freizeit ritt und las er gern. Einsamkeit war etwas, wofür der Rest seiner übergroßen Familie kein Verständnis hatte. Die Hausangestellte war der neueste ihrer gut gemeinten Versuche, ihm zu helfen. Es war schon Einmischung genug, dass sie darauf bestanden, die diesjährige weihnachtliche Benefizgala in seinem Haus abzuhalten. Aber dass sie ihm nun auch noch eine attraktive Frau schickten, war eindeutig zu viel des Guten.

Und, ja, er war übellaunig und gereizt, seit er vor zehn Tagen beim Rodeo vom Pferd gefallen war und sich den Arm gebrochen hatte. Der Gips und die Schlinge behinderten ihn so sehr, dass er sich nur mit Mühe allein anziehen konnte. Er musste Hemden tragen, die ihm eine Nummer zu groß waren, um den Gips hineinzwängen zu können. Dank des Tritts, den er nach seinem Sturz von seinem Pferd bekommen hatte, konnte er jetzt nicht einmal einen viereinhalb Kilo schweren Hund aus dem Pool retten.

Einen Hund, der gerade eindöste und sich nicht von dem beeindrucken ließ, was Marshall sagte.

Er knöpfte sich mühsam die Jeans zu und versuchte, sich nicht vorzustellen, wie seine neue Hausangestellte sich in ihrer Suite ebenfalls trockene Kleidung anzog. Oder wie sie nachts unter seinem Dach schlief.

Alles wäre einfacher gewesen, wenn sie nur tagsüber hier gearbeitet hätte, um ihm zu helfen, die Benefizgala vorzubereiten. So war sie seine verdammte Babysitterin. Doch es war nicht fair, sie dafür zu bestrafen, dass seine Familie zu weit gegangen war.

Deshalb stand er vor einem Dilemma.

Er glaubte ihr, dass sie ihre Wohnung untervermietet hatte, um Geld zu sparen. Und sie hatte recht, seine Stiefmutter und somit auch sein Vater würden verärgert sein, wenn Marshall alle Hilfe ablehnte. Aber Tally brachte ihn völlig durcheinander.

Er hatte seine Welt mittlerweile fest im Griff, ganz anders als in den wilden Jahren, in denen er in Vollzeit Rodeo geritten war. Damals hatte er sich ausgetobt und viel getrunken – zu viel. Jetzt war er seit vier Jahren trocken. Keine Minute davon war einfach gewesen, aber einen Tag nach dem anderen in Angriff zu nehmen gehörte zum Programm.

Er hätte wissen sollen, dass es keine gute Idee war, in den Rodeoring zurückzukehren, auch nicht für eine einmalige besondere Show. Einen Moment lang hatten die Dämonen der Vergangenheit ihn abgelenkt, und was hatte er jetzt davon? Einen gebrochenen Arm.

Und das Wissen, dass es noch viel schlimmer hätte sein können, wenn der Huf ihn am Kopf oder in den Unterleib getroffen hätte.

Er musste sein Leben wieder unter Kontrolle bringen. Feiertage waren auch so schon stressig genug, aber nach diesem Unfall fühlte er sich verletzlich. Er musste allen Versuchungen aus dem Weg gehen.

Er ging ins Schlafzimmer, griff zum Telefon und rief seinen Vater an. „Dad, wir müssen reden.“

Jack Steele lachte am anderen Ende der Leitung. „Worüber?“

„Ich bin mir nicht sicher, was genau ihr im Schilde führt, du und Jeannie, aber daraus wird nichts.“ Die beiden waren unzertrennlich. Marshall war sich sicher, dass sein Vater über die neue Hausangestellte Bescheid wusste. Er schnappte sich seine Socken und setzte sich aufs Doppelbett.

„Da musst du mir schon mehr verraten. Ich weiß von nichts.“

Frustriert stellte Marshall das Telefon laut, um sich mit einer Hand die Socken anziehen zu können. „Nur, weil so viele deiner Kinder gerade Familien gründen, heißt das noch lange nicht, dass auch ich jetzt Interesse daran habe, ganz brav häuslich zu werden.“

„Das sagst du nicht zum ersten Mal“, antwortete sein Vater. „Was hat das mit Jeannie zu tun?“

„Ich war einverstanden, dass sie mir eine Haushaltshilfe besorgt. Kein Supermodel, das direkt bei mir einzieht.“

Diesmal lachte sein Dad noch lauter. „Mein Sohn, ich verstehe nicht, warum das eine das andere ausschließt. Es wäre doch falsch, sich bei einem Bewerbungsgespräch von Äußerlichkeiten leiten zu lassen.“

Irgendetwas war im Busch. Marshall wusste nur noch nicht, was. „Hat Jeannie die Gespräche geführt?“

Schweigen.

„Genau das meine ich.“

„Also ist die Haushaltshilfe attraktiv?“

Das ist noch untertrieben. Ihr rotes Haar, ihre perfekten Kurven und ihre zupackende Art hatten ein Feuer in ihm entfacht.

„Es war nicht gerade hilfreich, dass sie ein nasses T-Shirt anhatte, als wir uns kennengelernt haben.“

Sein Vater prustete am anderen Ende der Leitung los. „Wie bitte?“

„Ich war im Pool, um …“

„Warte mal. Du bist mit Gipsarm Schwimmen gegangen?“

„Nugget ist in den Pool gefallen. Meine Rettungsaktion als ‚Schwimmen‘ zu bezeichnen, ist übertrieben.“ Er streifte Turnschuhe über. Im Moment war es zu mühsam, Stiefel anzuziehen.

„Das war verdammt leichtsinnig“, sagte sein Vater leise. „Was, wenn du dich dabei noch schwerer verletzt hättest?“

„Dann hätte ich mich wieder zusammenflicken lassen. Ich konnte doch nicht zulassen, dass Nugget ertrinkt. Du hättest dasselbe getan.“

Ein leises Grummeln ertönte aus dem Telefon. „Stimmt. Wie ist der Hund überhaupt im Pool gelandet?“

„Wir waren auf dem Rückweg von einem Spaziergang.“ Marshall warf einen Blick auf den zotteligen Hund, der in sein Leben getreten war, als ein Mitglied seiner Gruppe bei den Anonymen Alkoholikern nach Europa umgezogen war. „Nugget ist einfach losgestürmt. Geradewegs ins Wasser.“

„Und dann ist die neue Haushaltshilfe aufgetaucht?“

„Genau. Tallulah Benson hat Mumm, das muss ich zugeben.“ Er wurde die Erinnerung nicht los, wie sie sich ins Wasser gestürzt hatte. Ihre haselnussbraunen Augen hatten vor Entschlossenheit geleuchtet. Wieso um Himmels willen erinnere ich mich an ihre Augenfarbe? „Sie ist reingesprungen und hat sich Nugget geschnappt.“

„Daher also das nasse T-Shirt.“

„Mh-hm.“ Das Bild, wie sie triefnass all ihre Kurven zur Schau gestellt hatte, raubte ihm schon wieder den Atem. „Ich hatte Angst, dass Nugget sie beißen würde, weil er in heller Panik war. Aber sie hat alles ruhig und kompetent in den Griff bekommen.“

„Das wird ihr dabei helfen, mit dir zurechtzukommen.“

„Willst du etwa andeuten, dass ich schwierig bin?“

„Nicht andeuten. Ich stellte nur eine Tatsache fest. Du bist stur. Das ist gut, wenn man eine Aufgabe bewältigen muss, aber schlecht, wenn es einen davon abhält, um Hilfe zu bitten. Ich mache mir Sorgen um dich.“

Irgendetwas am Ton seines Vaters ließ Marshall stutzig werden. Niemand wusste von seinem Alkoholproblem. War sein Dad trotzdem dahintergekommen? War die Hausangestellte eine Spionin der Familie, die sich vergewissern sollte, dass er trocken blieb?

Der Gedanke kam ihm paranoid vor. Aber er hatte in Tallys funkelnden haselnussbraunen Augen eine gewisse Zurückhaltung wahrgenommen, einen Hauch von Geheimnissen …

Kann ich ihr das verdenken? Er hatte ja selbst Geheimnisse, die er ihr nicht anvertrauen würde.

„Sagen wir es so, Dad: Es ist meine Entscheidung, ob eine Hausangestellte hier einzieht. Belassen wir es dabei.“

Ganz gleich, wie intensiv die Anziehungskraft dieser Haushaltshilfe war, er würde sein Begehren unterdrücken, solange sie für ihn arbeitete.

2. KAPITEL

Sich zu ihrem Boss hingezogen zu fühlen war nicht klug. Überhaupt nicht.

Aber Begehren spottete ja immer jeder Logik.

Sie musste sich schnell anziehen und an die Arbeit gehen, bevor ihre Vernunft ihr noch weiter entglitt.

Tally zog sich ein weiches, langärmliges T-Shirt über. Zusammen mit einer khakifarbenen Hose bildete es ihre Arbeitsuniform.

Sie musste einfach nur sechs Wochen überstehen. Bestimmt konnte sie ihre Hormone so lange unter Kontrolle halten.

Sie griff nach ihren pelzgefütterten Halbstiefeln. Ihre Zehen waren von ihrem Bad im Pool immer noch eiskalt. Sie war zähneklappernd in ihre Suite gesprintet.

Vielleicht war es aber auch Marshall, der sie in die Flucht geschlagen hatte. Sie musste auf Abstand zu ihrem verführerischen Boss gehen. Es war besser, sich ganz auf ihren Job zu konzentrieren.

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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