Heiße Weihnacht!

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Heiß sind die Winternächte, die Hope mit Sam Sharkey im Bett verbringt! Nie zuvor hat sie derart leidenschaftlichen Sex gehabt. Schnell wird aus der prickelnden Affäre mehr für Hope - doch auf ein Happy End unterm Mistelzweig scheint sie vergeblich zu hoffen …


  • Erscheinungstag 01.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759933
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Wieder einmal verbündeten Hope Sumners Schwestern sich gegen sie.

„Ich habe von einer Katze geredet“, stellte sie klar. „Ich brauche keinen Mann.“

„Nur einen zum Ausgehen“, sagte Faith.

„Einen Begleiter, nicht mehr“, ergänzte Charity.

„Weil die Weihnachtszeit mit all den Partys naht“, fügte Faith hinzu.

Hope bereute, dass sie ihren Schwestern beigebracht hatte, wie man Konferenzgespräche schaltet. Vor ihren Dreier-Telefonaten zwischen Los Angeles, Chicago und New York hatten Charity und Faith sie nur getrennt attackieren können, und im Zweikampf war sie unbesiegbar. Gegen alle beide jedoch musste sie um ihr Leben kämpfen. Oder, in diesem Fall, um ihren Lebensstil.

Und was war falsch an ihrem Lebensstil? Nichts. Sie lebte sehr gern in New York. Sie war beruflich erfolgreich, sie konnte sich elegante Kleidung leisten, wenn sie Zeit zum Shopping fand, und luxuriöse Reisen, falls sie je die Zeit hätte, Urlaub zu nehmen, und eine Wohnung mit einem fantastischen Blick – wo sie selten war und auch jetzt nicht.

„Lana sagt, dass er sehr nett ist“, bemerkte Faith.

„Lana? Der Punk-Rock-Filmstar? Lana steht auf Typen mit Lederjacken und Motorrädern. Das hast du mir selbst erzählt.“

„Und so hat sie ihn kennengelernt“, erklärte Faith. „Lanas derzeitige Lover ist ein Software-Genie. ‚The Shark‘ hat ihn in dem Prozess gegen dieses riesige Software-Unternehmen verteidigt.“

„‚The Shark‘? Der Hai?“

„Sein richtiger Name ist Sam Sharkey. Aber alle nennen ihn ‚Shark‘.“

„Aha. Hat er den Prozess gewonnen?“

„Natürlich“, sagte Faith. „Und während die drei auf das Urteil warteten, haben sie sich über dies und das unterhalten, und Shark hat gesagt, dass er das Image ‚heiratsfähiger Junggeselle‘ leid sei, weil er nicht zu heiraten beabsichtigt. Jedenfalls nicht, ehe er nicht Sozius in seiner Anwaltsfirma sei. Und …“

„… und Lana meinte, dass die Schwester ihrer Freundin Faith das gleiche Problem hätte“, schaltete Charity sich ein, „und dass Hope in New York lebt.“

„Sam Sharkey lebt nämlich auch in New York“, meinte Faith.

Hope verdrehte die Augen. Ihre eigenen Schwestern gingen mit ihr bei Anwälten hausieren, die lederbekleidete Typen vertraten, die des Software-Plagiats beschuldigt wurden. Die Idee mit der Katze erschien ihr von Minute zu Minute besser.

„Ich finde es wirklich lieb von euch, dass ihr euch solche Mühe um mich macht. Aber einen Mann zum Ausgehen brauche ich wirklich nicht, um aus diesem kleinen Tief herauszukommen.“ Ihr Blick wanderte zum Bildschirm ihres Computers. Sie platzierte schnell eine schwarze Sieben auf die rote Acht und lächelte, als unter der Sieben das Karo-As zum Vorschein kam. Eine interessante Konstellation. Das As würde sie nachher wegnehmen. Es war nach neun, außer ihr war kein Mensch mehr in der Firma. Selbst ihr heimlicher Rivale, den sie insgeheim Sankt Paulus nannte, war zu seiner reizenden Frau und zu seinen Kindern heimgekehrt.

Sie hatte keinen Grund, nicht nach Hause zu gehen, und dennoch saß sie hier und spielte Patience. „Wie gesagt, ich werde mir eine Katze anschaffen. Außerdem habe ich vor, die Wohnung etwas gemütlicher zu machen. Sheila will mir diese Innenarchitektin vorbeischicken, von der alle Welt schwärmt. Sie heißt Yu Wing.“

„Du willst dir eine Innenarchitektin nehmen, die Sheila empfohlen hat?“, quiekte Charity.

Seit ihrer frühen Kindheit verwaist, standen Hope und ihre Schwestern sich sehr nahe. Selbst jetzt, da Tausende von Meilen sie trennten, kamen sie so oft wie möglich zusammen, tauschten sich aus, erzählten sich von ihren Freunden. Manchmal war das gut und manchmal nicht.

„Warum denn nicht?“, verteidigte sich Hope. „Yu Wing arbeitet nach der Feng Shui-Lehre. Sheila schwört, dass sie …“

„Sheila ist gaga“, erklärte Faith.

„Und Lana nicht?“

„Ich fand Lana merklich gereift, als ich sie das letzte Mal getroffen habe“, erwiderte Charity.

„Die Liebe hat sie verändert“, sagte Faith. Sie war immer eine Träumerin gewesen. Sie war jetzt dreißig, und Hope hoffte, dass sie endlich einen Mann fand, der mit beiden Beinen fest auf der Erde stand.

„So wie sie viele Menschen verändert“, bekräftigte Charity. Die jüngste von ihnen, und die Familienschönheit besaß ein Gehirn wie ein Computer-Chip. Charity war sechsundzwanzig und hatte bis jetzt noch keinen Mann gefunden, der im Stande war, zu erkennen, dass sie mehr zu bieten hatten als ein hübsches Gesicht.

„Nur weil die Liebe manche Menschen glücklich macht, bedeutet das noch lange nicht, dass ich …“

„Wer hat etwas von Liebe gesagt?“, fragte Charity. „Wir reden nur von einem Arrangement.“

„Um durch die Weihnachtszeit zu kommen“, ergänzte Faith. „Wir wissen, wie sehr du es hasst, allein auf all diese Partys gehen. Und laut Lana hasst Shark es auch.“

„Ihr könntet zum gegenseitigen Schutz zusammen ausgehen“, fügte Charity hinzu.

„Falls du ihn magst, natürlich“, sagte Faith.

„Wenn es nur um eine Zweckgemeinschaft geht, spielt es doch keine Rolle, ob ich ihn mag, oder?“, warf Hope unklugerweise ein.

„Du willst dich also mit ihm treffen?“

Hope stöhnte innerlich. Ein winziges Fünkchen Interesse von ihr, und Faith setzte gleich nach.

„Ihm gefällt die Idee“, bemerkte Charity.

„Habt ihr’s etwa schon eingefädelt?“ Also das ging entschieden zu weit!

„Natürlich nicht. Wir haben ihm nur deine Nummer gegeben.“

„Nummern“, berichtigte Charity. „Deine Privatnummer, die vom Büro und die deines Handys.“

„Ihr habt ihm doch wohl nicht gesagt, ich sei interessiert?“ Hope stand auf, griff nach ihrer Jacke und Tasche.

„Na ja … gewissermaßen“, gestand Faith.

„Ich werde euch beide aus meinem Testament streichen!“, schrie Hope.

„Du hast ein Testament gemacht?“, hörte sie Faith rufen, bevor sie den Hörer aufknallte.

Am nächsten Abend war Hope schon um sieben zu Hause. Der Mittwoch war der einzige Tag in der Woche, an dem sie im Büro früher Schluss machte. Denn sie widmete jeden Mittwoch und jeden Sonntag der Schönheitspflege, eine Routine, die sie strikt einhielt. Gepflegtheit gehörte für Hope zu dem Image, das sie zu verkörpern hatte – das Image der tüchtigen Karrierefrau.

Sie hätte mühelos den Besuch der Innenarchitektin in ihren Mittwochabend einbauen können, aber Sheila hatte bereits für Donnerstag einen Termin mit Yu Wing abgemacht. Da Hope für gewöhnlich bis gegen acht arbeitete, hatte sie ihr Arbeitsprogramm umstellen müssen, was ein furchtbares Chaos auf ihrem Palm Pilot erzeugte. Sheilas Eigenmächtigkeit ärgerte sie maßlos. Na ja, morgen würde sie dann also die Frau sehen, auf die alle Welt schwor …

Sie zog ihr dunkelblaues Kostüm und ihre dunkelblaue seidene Unterwäsche aus und schlüpfte in ihren flauschigen weißen Frotteemantel. Es war ein kuscheliges Gefühl, und genau so wünschte sie sich die Atmosphäre ihres Heims. In weißen Frotteehausschuhen schlurfte sie in die Küche, sondierte ihre Sammlung von Tiefkühlmahlzeiten, wählte Hähnchenfilet mit Nudeln und grünen Bohnen und schob den Alu-Behälter in die Mikrowelle.

Am selben Abend widerfuhr Samuel Sharkey ein Wunder. Der Klient, mit dem er für einen Drink verabredet war, lag mit einer Grippe im Bett, und in Sams Terminkalender klaffte urplötzlich ein Loch. Er hatte eineinhalb Stunden bis zu dem Dinner mit einer Klienten-Gruppe – Zeit genug, um noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

Es war ein Vergnügen gewesen, Dan Murphy gegen das große Software-Unternehmen zu verteidigen, das behauptete, Dan hätte eines ihrer Programme gestohlen und auf den Markt gebracht. Und Dans Freundin, diese niedliche, lustige Schauspielerin, hatte ihm auch gefallen. Sie hatte ihm freimütig erzählt, wie glücklich Dan und sie miteinander seien, und irgendwie brachte ihn das dazu, zu erwähnen, dass sein eigenes Liebesleben ein Vakuum war. Worauf Dan die witzige Bemerkung machte, dass der Hai einen anderen Hai brauche, um durch die Gewässer zu schwimmen.

Als sie zwei Tage später zu dritt bei einem Dinner Dans Sieg feierten, gab Lana ihm ihre Karte, auf die mehrere Telefonnummern gekritzelt waren. Diese Frau, so schwor sie ihm, sei sein perfektes Pendant. Obwohl Sam dies keine Sekunde lang glaubte, konnte er sie zumindest auschecken.

Sobald Hope ihr Fertigdinner verzehrt hatte, begann sie mit ihrem Verschönerungsprogramm. Gerade als sie die grüne Paste auf ihrem Gesicht aufgetragen getragen hatte, die laut Etikett Wunder bewirkte, läutete das Telefon.

„Hallo?“

„Hope Sumner?“

„Wer ist da bitte?“

„Sam Sharkey. Lana West hat mir Ihre Nummer gegeben. Sie hat sie von Faith.“

„Oh ja“, sagte Hope.

„Ich habe ganz unvorhergesehen eine Stunde frei und wollte fragen, ob ich vielleicht vorbeikommen könnte, um Sie kennen zu lernen. Ich weiß, es ist eine ziemlich verrückte Idee, aber ich habe Dan versprochen, Sie anzurufen.“

„Dan?“

„Mein Klient, Dan Murphy. Das Software-Genie.“

„Oh. Ach so.“ Lanas neue Flamme. „Wissen Sie, ich finde diese Idee auch verrückt“, erwiderte Hope. Sie hatte Schwierigkeiten, zu sprechen, da die Maske hart wurde. „Vielleicht könnten Sie diesem Wunderknaben sagen, dass wir miteinander gesprochen und uns dagegen entschieden haben.“

„Offen gestanden“, entgegnete Sam, „ich hab über die Sache nachgedacht.“

„Ich auch. Aber heute Abend können wir uns nicht sehen. Ich trage eine Maske.“

Um ein Haar hätte er „hey, irre“ geantwortet, aber dann wurde ihm klar, dass sie nicht von irgendeiner gruseligen Halloween-Maske redete, sondern von diesem Zeug, das die Frauen sich aufs Gesicht schmieren. „Machen Sie sich wegen Ihres Aussehens keine Gedanken. Es würde ihn wahnsinnig machen, wenn er die freie Stunde nicht sinnvoll nutzen könnte. Sie hat mir gesagt, dass Sie präsentabel sind.“

„Meine Schwester hat mich als ‚präsentabel‘ beschrieben?“, fragte Hope eisig.

Sam verfluchte sich. Er war Anwalt. Er wusste doch, wie man seine Worte wählte. „Nein, ich habe nicht mit Ihrer Schwester gesprochen. Ich habe Dans Freundin gefragt.“ Er zog eine Grimasse, als er sich reden hörte. Komm schon, Hope, sag Ja. Wir vergeuden Zeit! dachte er.

„Wir vergeuden Zeit“, sagte Hope.

Sam ließ sein nagelneues Handy fallen. Als er es von dem kalten Pflaster aufhob, hörte er Hopes „Hallo? Hallo?“

„Entschuldigung“, murmelte er.

„Ich sagte gerade, dass wir es ebenso gut gleich erledigen können – so oder so.“

„Ganz meine Meinung. Ich bin in …“, er blickte zu der Hausnummer über dem Eingang des großen modernen Apartmenthauses auf der Westside, „… in zwei Minuten da.“

Hope öffnete die Tür und lugte hinaus. Als Nächstes hätte sie am liebsten die Tür zugeknallt und sich dagegen gelehnt, bis ihre Knie zu zittern aufhörten.

Sie war auf einen attraktiven Mann gefasst gewesen – gute Kleidung und Gepflegtheit waren in der Welt des Rechts genauso wichtig wie in anderen Branchen. Worauf sie nicht vorbereitet war, waren ein Meter fünfundachtzig geballte Männlichkeit in einem schwarzen Mantel. Breite Schultern, lange Beine, dichtes, dunkles, kurzes Haar und jene wundervolle Bräunung, die sie nie bekommen würde – selbst wenn sie die Gesundheit ihrer Haut ignorierte und einen Versuch auf der Sonnenbank wagte. Zwei blaue Augen musterten sie mit kaum verhüllter Neugier.

Verflixt, wenn bloß ihr Gesicht nicht grün wäre!

Andererseits war sie froh, dass sie sich hinter der Maske verstecken konnte. Seine Maskulinität war einfach überwältigend. Natürlich würde sie keinen Deal mit ihm abschließen. Ein Mann wie er könnte sie vom Eigentlichen ablenken.

„Sam?“, sagte sie betont munter. „Alias ‚The Shark‘?“

„Der bin ich.“

Mit dem festen Gefühl, dass sie das Falsche tat, bat sie ihn herein. „Entschuldigen Sie die Schlammpackung. Ich …“

„Kein Problem“, sagte Sam, während er aus seinem Mantel schlüpfte und einen dunklen Nadelstreifenanzug enthüllte. „Ich habe Schwestern. Ich hab sie oft genug mit grünen Gesichtern und Gurkenscheiben auf den Augen gesehen.“

Er lächelte. Sein Lächeln ähnelte nicht im Mindesten dem berechnenden Grinsen eines Haifischs. Es war warm und fesselnd und sandte machtvolle Vibrationen aus. Hopes Knie wurden wieder weich, aber sie wahrte ihre Haltung und nahm ihm den Mantel ab. „Nehmen Sie bitte Platz. Möchten Sie ein Glas Wein? Ich kann leider nicht mittrinken, wegen der Ma…“

„Nein, danke. Ich muss noch …“

„… arbeiten“, sagten sie gemeinsam, und Hope konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn auch anzulächeln. Das unangenehme Zerren an ihrer Gesichtshaut ernüchterte sie augenblicklich. Es vertrieb aber nicht ihre plötzliche Erkenntnis, dass sie unter ihrem Bademantel nackt war. „Ja, die Arbeit, die ist unser Problem.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. „Jedenfalls finden meine Schwestern das.“

„Sie mögen Ihre Arbeit?“ Sam blickte sich im Zimmer um. „Herrlicher Blick“, murmelte er und bewegte auf einen ihrer massigen Velourssessel zu. Dann schien er dies Ziel aufzugeben, nahm ihr taubengraues Sofa ins Visier und ließ sich schließlich darauf nieder, wobei er vorsichtig den messerscharfen Ecken ihres Couchtisches auswich, einer kühlen Konstruktion aus Marmor und dickem Glas.

„Ich liebe sie“, sagte Hope und bemerkte, dass er auf dem teuren italienischen Designerstück nicht behaglicher wirkte, als sie sich dort fühlte. Dabei hatte sie einen hohen Aufpreis bezahlt, um die Polster mit Daunen füllen zu lassen. Wie sollte man es noch behaglicher machen?

Sie würde diese Feng Shui-Expertin fragen, was das Problem sein könnte. Zum ersten Mal dachte sie, dass sie wirklich eine Innenarchitektin brauchte. Und wenn sie nicht aufpasste, würde sie als Nächstes denken, dass sie einen Mann brauchte …

Sie setzte sich in den Sessel, der im rechten Winkel zu Sam Sharkey stand. So würde sie einen Blick auf sein Profil haben, auf seine aristokratische Nase und auf seine dichten, langen Wimpern.

„Ich weiß nicht einmal, ob ich meine Arbeit liebe“, erwiderte er. „Ich habe keine Zeit, um darüber nachzudenken. Alles, was ich weiß, ist, dass ich in meinem Beruf Erfolg haben will.“

„So geht es mir auch“, sagte Hope.

„Erzählen Sie mir von Ihrem Job“, sagte er und richtete die ganze Kraft seines fesselnden dunkelblauen Blicks auf sie.

Die Wirkung war so gewaltig, dass Hope einen Moment lang Mühe hatte, sich an den Namen Firma zu erinnern, für die sie arbeitete. „Ich bin bei Palmer. Im Marketing.“

„Palmer. Kommt mir bekannt vor. Eigentlich müsste ich wissen, was Palmer macht, aber …“

Sie war gerade in eine Vision von Sam gedriftet, der ihren Bademantel auseinander schob, um über ihre Brüste zu streichen, als alles zurückkehrte – ihr Job, ihre wahre Liebe, das Objekt ihres tiefsten Begehrens.

„Rohre“, sagte sie.

Sam fand, sie sprach das Wort auf eine Art und Weise aus, wie andere Frauen „Rubine“ oder „Rolls-Royce“ gesagt hätten. Es fehlte nur, dass sie sich die Lippen leckte.

„Rohre?“

„Ja. Rohre. Aus Kupfer, Plastik, Eisen, Stahl. Das Leben fließt durch Rohre. Rohre halten die Welt zusammen, und Palmer-Rohre tun es am besten.“

Die Frau war verblüffend. „Ist das von Ihnen? Dieser Slogan ‚Rohre halten die Welt zusammen‘?“

„Natürlich nicht. Er kommt von einer Werbeagentur.“ Hope machte eine Pause. „Die Agentur habe ich ausgesucht.“

Ihr erwartungsvoller Ausdruck erinnerte ihn plötzlich an die Söhne seiner ältesten Schwester, wenn sie für einen gelungenen Kopfsprung oder einen Wurf beim Baseball gelobt werden wollten. Und er tat sein Bestes, um bei jedem ihren kleinen Siege ihr Selbstgefühl zu stärken.

Seine Behauptung, er hätte seine Schwestern mit Gesichtsmasken und Gurkenscheiben auf den Augen erlebt, war eine Lüge gewesen. Er hatte sie mit Lockenwicklern gesehen, ohne Make-up und in den alten abgetragenen Hemden ihres Vaters. Seine Schwestern hatten weder die Zeit noch das Geld, um sich wie diese gut verdienende Karrierefrau zu pflegen. Für sie bedeutete es schon einen großen Sieg, wenn sie ihre Kinder in ordentliche Klamotten stecken konnten. Und es war seine Aufgabe, das zu ändern – ihre Von-der-Hand-in-den-Mund-Existenzen zu verbessern und den Jungen eine gute Ausbildung zu ermöglichen.

Er riss sich von seinen Gedanken los und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Hope Sumner, die noch immer auf seine Antwort zu warten schien. „Es ist ein zündender Slogan.“

„Danke. Und Sie? Ich meine Ihre Arbeit. Ich weiß, Sie sind Anwalt, aber …“

„Ich bin bei Brinkley Meyers beschäftigt.“

„Brinkley Meyers? Ihre Kanzlei vertritt Palmer in dem Magnolia Heights-Fall.“

Sam schnippte mit den Fingern. „Deshalb kam der Name mir bekannt vor.“

„Haben Sie mit dem Fall zu tun?“

„Dazu wird es hoffentlich nicht kommen. Ich bin für Prozesse zuständig. Meine Abteilung wird erst dann tätig, wenn die Kontrahenten vor Gericht gehen.“

„Sie werden sich vorher einigen“, erklärte sie zuversichtlich. „Also, Sie sagten, dass Sie Anwalt bei Brinkley Meyers sind …“

Sam spürte, das hieß so viel wie „kommen wir zur Sache“. Er beugte sich nah zu ihrem grünen Gesicht, um sicherzugehen, dass sie den Ernst seiner Lage verstand. „Ich bin in der Kanzlei angestellt. Und Single. Und entschlossen, in der Firma Sozius zu werden. Möglichst bald.“ Ihre Augen – sehr hübsche grüne Augen, wie er feststellte – musterten ihn eindringlich. „Ein Mann wie ich ist auf jeder Party die begehrte Beute“, fuhr er fort. „Man wird eingeladen, weil die Gastgeber eine Tochter, eine Freundin oder irgendeine Verwandte haben, die sie unter die Haube bringen möchten. Und man kann die Einladung nicht ausschlagen, weil man es sich nicht mit Leuten verderben will, die einem die Zukunft vermasseln könnten.“

„Wie gut ich das kenne“, seufzte Hope und neigte ihr grünes Gesicht. Ihre dichten dunklen Wimpern streiften die krustige Maske. „Sie haben eben gewissermaßen mein eigenes gesellschaftliches Leben beschrieben. Ich bin entschlossen, stellvertretende Leiterin der Marketingabteilung zu werden, wenn August Everley im Januar in den Ruhestand geht. Das bedeutet, dass alles, was ich tue, einen direkten Einfluss auf meine Zukunft hat.“

Sam schwieg, suhlte sich einen Moment lang in Selbstmitleid und spürte, dass Hope zusammen mit ihm litt. „Wenn man kein Interesse zeigt, macht sie das wütend“, fuhr er fort, „und wenn man Interesse zeigt und dann nichts folgen lässt, macht sie das noch wütender.“

„Genau.“ Hope wischte einen grünen Krümel von ihrer Nase. „Man kann den Leuten nicht verständlich machen, dass man noch nicht bereit ist, eine feste Bindung einzugehen. Aber sie würden uns in Ruhe lassen …“

„… wenn wir beide auf solchen Partys als Paar auftreten.“

Hope nickte. „Ich begleite Sie auf Ihre Partys und Sie begleiten mich auf meine.“

„Richtig. Es wäre so etwas wie ein geschäftliches Arrangement.“

„Ja.“ Plötzlich blitzten ihre grünen Augen. „Aber lassen Sie uns eines klarstellen. Falls wir tatsächlich zusammen losziehen, kommen Sie ja nicht auf die Idee, mich als die kleine dekorative Ranke an Ihrem Arm zu betrachten.“

Er merkte, wie seine Mundwinkel zuckten, und presste die Lippen aufeinander. „Dasselbe gilt für Sie.“

Wäre Sam nach seinem Gefühl gegangen, was er nicht tat, hätte er gedacht, dass Hope Sumner die passende Frau für ihn wäre. Sie hatte Mumm, und das gefiel ihm. Und ohne das grüne Gesicht würde sie attraktiv genug sein. Sie gehörte zu den Frauen, die wussten, wie man kleine Makel durch einen teuren Haarschnitt und ein geschicktes Make-up verbarg. Redegewandt war sie auch – sie würde auf Phil, den Sozius in seiner Abteilung, und auf Angus McDougal, den Seniorchef der Sozietät, Eindruck machen. Und sie würde ihre Kinder – ein Mädchen, einen Jungen – mit Klugheit und Energie erziehen.

Aber er stürmte viel zu weit voraus. Was er jetzt brauchte, war eine Alibifrau. An eine Ehefrau konnte er später denken, wenn er Sozius wäre und ein paar Jahre lang seine Prozente des Firmenprofits eingestrichen hätte. Heiraten und eine Familie gründen würde er erst, wenn er beruflich und finanziell abgesichert war.

Die grünen Augen – wirklich spektakuläre grüne Augen – blickten ihn aus einem farblich passenden Gesicht an, und unter dem weißen Handtuch schien eine Menge braunes Haar versteckt zu sein. Braunes Haar, grüne Augen, damit konnte man nichts falsch machen. Sie war etwas größer als der Durchschnitt, vielleicht einsfünfundsiebzig, aber bei seiner Größe war das in Ordnung. Was sich unter dem weißen Bademantel verbarg, konnte er nicht sagen, außer dass der Gürtel eine schmale Taille andeutete und darüber und darunter vielversprechende Kurven.

Ja, sie war geeignet als Vorzeigefrau. Sam wünschte, er könnte ihr das sagen und dann wieder gehen. Aber dummerweise musste er sie noch überzeugen, dass auch er geeignet war. Außerdem wollte er ihr noch eine Frage stellen.

Sie blickte auf ihre Uhr, was er als gutes Zeichen deutete. „Gut, Sam, so weit wären wir uns also einig. Ich schlage vor, wir denken noch ein wenig über dies Arrangement nach, bevor wir uns wieder miteinander in Verbindung setzen.“

Da er die Musterung offenbar bestanden hatte, entspannte er sich, so weit er das in diesem Zimmer konnte. An dem Sofa lag es nicht, das Sofa war bequem. Die Wohnung war behaglich. Er verglich sie mit seiner eigenen spartanischen Behausung – sonderbar, dass er sich dort wohler fühlte. Sie würde sich dort ganz bestimmt nicht wohlfühlen, aber er würde sie sowieso nie mit zu sich nach Hause nehmen. Nicht einmal, wenn …

„Noch eines“, sagte er. „Wie denken Sie über Sex?“

Sie erstarrte. Das Wort hing in der Luft wie ein penetrantes Zimmerspray. Sam beobachtete gebannt, wie ein Riss sich in der grünen Maske bildete, der sich von Hopes Nasenrücken zu ihren Schläfen zog. Offenbar hatte sie versucht, die Augenbrauen hochzuziehen.

„Ich meine nicht jetzt“, erklärte er, „oder demnächst. Erst wenn wir einander vertrauen. Sex ist eines der wichtigen Dinge, für die ich keine Zeit habe.“ Ihr starrer Blick begann ihn nervös zu machen. „Ich meine Zeit, um eine Beziehung zu entwickeln, bis zu dem Punkt, der …“ Derart konfus wurde er nicht, wenn ein Richter ihn im Gerichtssaal eisig anstarrte. „Ich dachte, Sie hätten vielleicht dasselbe Problem, und wir könnten es in unser Arrangement einschlie…“ Er brach ab. „Oder kann es sein, dass Sie …“

„… dass ich keinen Sex mag?“ Der Riss in der Maske vertiefte sich. „Und keinen Sex will? Irrtum, Sam. Ich bin eine vollkommen normale Frau. Aber Männer haben so eine Art, damit umzugehen … Ich meine, ich weiß, dass sie … Sicher, es ist nicht dasselbe wie bei … Sorry. Ihre Frage kam etwas überraschend.“

„Setzen Sie es auf Ihre Liste der Punkte, über die Sie nachdenken wollen, bevor wir weiterreden.“

„Sagen wir, Anfang nächster Woche?“

Als Sam kurz darauf in den Fahrstuhl stieg, sann er über Hopes letzte Frage nach. Ob er allergisch gegen Katzen sei, hatte sie sich erkundigt, während sie ihre Visitenkarten austauschten. Er war es nicht, aber er hätte gern gewusst, wieso ihr das so wichtig war. Sein Interesse erlosch, als er wenig später in der Bar des Restaurants, wo er mit seinen Klienten verabredet war, seinen Laptop einschaltete. Dies war das Einzige, wobei er sich wirklich wohlfühlte: Arbeit.

2. KAPITEL

„Mrs. Yu Wing ist hier“, meldete der Portier durchs Telefon.

„Schicken Sie sie hoch“, sagte Hope und checkte nochmals ihre Wohnung. Durch die Panoramafenster des Wohn- und Schlafzimmers hatte sie einen herrlichen Blick auf den Central Park und die Wolkenkratzer der East Side. Die Möbel und die wenigen Dekorationsstücke stammten aus den exklusivsten Geschäften Manhattans. Sie fragte sich, was eine Innenarchitektin wohl zu ändern finden könnte, selbst eine so berühmte wie Yu Wing.

Die Türglocke läutete, Hope ging öffnen – und holte erschrocken Luft.

Die kleine dünne Frau, die im Korridor stand, hatte die voluminöseste Frisur, die Hope je gesehen hatte. Ihr Mantel schien aus dem den Haaren mehrerer afghanischer Hirtenhunde gemacht zu sein, und von ihrer Hand baumelte ein gewaltiger Stetson.

Es war klar, warum sie ihren Hut in der Hand hielt. Sie hätte ihn niemals auf ihre platinblonde Mähne bekommen. Die eisblauen Augen, die Hope aus einem scharf geschnittenen und wettergegerbten Gesicht zu Hope anblitzten, verrieten indessen eine wache Intelligenz.

Ein weißes Westernhemd, verblichene Jeans und hochhackige Stiefel vervollständigten das groteske Bild. Es musste eine Halluzination sein.

„Mrs. Yu Wing?“, fragte Hope zögernd. Sie ließ die Klinke nicht los, sodass sie die Tür jeden Moment zuschlagen konnte.

Die Frau marschierte an ihr vorbei ins Wohnzimmer. „Eigentlich heiße ich Ewing, Darling“, sagte sie mit schwerem Südstaaten-Akzent. „Wie diese verkorksten Typen aus der Fernsehserie. Maybelle Ewing. Aber bei ‚ner Feng Shui-Expertin erwarten die Leute ‚ne Art asiatischen Namen.“

Hope klammerte sich an die einzigen Worte der Frau, die sie klar verstanden hatte. „Feng Shui?“, fragte sie mit dünner Stimme. „Sie sind also wirklich die Innenarchitektin?“

„Klar bin ich das. Ich bin Innenarchitektin und Feng Shui-Beraterin. Oh, du liebe Güte!“, schrie Maybelle plötzlich.

Natürlich. Mrs. Ewing hatte den grandiosen Blick entdeckt – der Grund, weshalb die kleine Wohnung so sündhaft teuer war. Deshalb standen fast alle Sitzmöbel und auch das Bett so, dass man hinausblicken konnte. Im Grunde ist es egal, wie man eine Wohnung einrichtet, wenn man einen solchen Blick hat, dachte Hope.

Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich Maybelles Hand auf ihrer Stirn fühlte. „In so ’ner Wohnung können Sie krank werden“, flüsterte Maybelle mit rauer Stimme. Sie runzelte die Stirn. „Aber fiebrig fühlen Sie sich nicht an. Haben Sie vielleicht psychische Probleme?“

„Nein! Hören Sie, Mrs. Yu Wing …“

„Sagen Sie Maybelle zu mir.“

Autor

Barbara Daly
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