Heiße Winternacht mit einem Fremden

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Schließ die Augen!" Ein amüsiertes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. "Zumindest, bis ich neben dir liege!" Ein mächtiger Schneesturm tobt über Cornwall, als Keira halberfroren eine kleine Bed-&-Breakfast-Pension erreicht. Sie bittet um ein Zimmer - und muss sich das letzte mit einem reichlich arroganten Italiener teilen! Nur ein schmales Bett steht für sie beide darin, und während die Welt draußen unter einer weißen Decke versinkt, liegt Keira in den Armen dieses Fremden, schmiegt sich an seinen warmen, nackten Körper. Aber diese eine heiße Winternacht mit Matteo Valenti hat süße Folgen, die Keiras Leben für immer verändern …


  • Erscheinungstag 23.10.2018
  • Bandnummer 2358
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710484
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Mr. Valenti?“

Die weiche Frauenstimme störte Matteos Gedanken. Er versuchte gar nicht erst, seinen Ärger zu verbergen, als er sich tiefer in die weichen Ledersitze des luxuriösen Wagens sinken ließ. Er hatte über seinen Vater nachgedacht. Würde er seine Drohung wahrmachen, die er Matteo kurz vor seiner Abreise aus Rom wütend an den Kopf geworfen hatte? Und falls ja, wie konnte er das verhindern?

Matteo seufzte schwer. So ein Verhalten hätte er von keinem Menschen geduldet, der nicht zur Familie gehörte. Aber Blut war dicker als Wasser. Verwandte konnte man nicht einfach im Stich lassen. Er spürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. Es sei denn natürlich, sie machten sich vorher aus dem Staub.

„Mr. Valenti?“, wiederholte die sanfte Stimme.

Matteo schnalzte ärgerlich mit der Zunge. Er hasste es, wenn Leute ihn ansprachen, wenn er ganz offensichtlich nicht gestört werden wollte, und zusätzlich war diese ganze verdammte Reise nicht nach Plan verlaufen. Nicht nur, weil er in der gesamten Zeit kein einziges Hotel gesehen hatte, das er hätte kaufen wollen. Es hatte genauso viel mit der zierlichen Frau am Steuer zu tun, die ihn zur Weißglut trieb.

„Cos hai detto?“, fragte er, bis ihm in der nachfolgenden Stille einfiel, dass die Frau kein Italienisch sprach. Dass er weit von zu Hause entfernt war – mitten im tiefsten englischen Hinterland, und mit einer Frau am Steuer.

Er runzelte die Stirn. Sie war sein erster weiblicher Chauffeur, und als er ihre zierliche Figur und die verblüffend blauen Augen gesehen hatte, war sein erster Impuls gewesen, nach einem männlichen Ersatz zu fragen. Aber er wollte nicht, dass man ihm nachsagte, er hege sexistische Vorurteile.

Die Flügel seiner scharf geschnittenen Nase bebten, als er jetzt im Rückspiegel ihrem Blick begegnete. „Was haben Sie gesagt?“, fragte er auf Englisch.

Die Frau räusperte sich, ihre schmalen Schultern bewegten sich – doch die lächerliche Schirmmütze, die sie über ihre kurzgeschorenen Haare gestülpt hatte, blieb fest an ihrem Platz.

„Ich sagte, das Wetter ist anscheinend noch schlechter geworden.“

Matteo sah aus dem Fenster. Durch das dichte Schneegestöber war die Landschaft in der zunehmenden Abenddämmerung kaum noch zu erkennen. Er war so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er gar nicht darauf geachtet hatte, aber jetzt erkannte er draußen kaum mehr als blasse, verschwommene Konturen.

Er runzelte die Stirn. „Schaffen wir es bei dem Wetter denn noch rechtzeitig?“

„Das hoffe ich sehr.“

„Sie hoffen es?“, wiederholte er. Seine Stimme klang härter. „Was ist das denn für eine Antwort? Sie wissen hoffentlich, dass ein Flugzeug startklar für mich bereitsteht?“

„Ja, Mr. Valenti. Aber es ist ein Privatflugzeug, und es wird auf Sie warten.“

„Mir ist durchaus bewusst, dass es sich um ein Privatflugzeug handelt. Zufällig gehört es mir“, gab er ungeduldig zurück. „Aber ich werde auf einer Party in Rom erwartet, und ich habe vor, pünktlich zu kommen.“

Mit einem gewaltigen Kraftaufwand unterdrückte Keira ein Seufzen und hielt den Blick fest auf die verschneite Straße gerichtet. Sie musste ruhig bleiben, denn Matteo Valenti war der wichtigste Kunde, den sie je gefahren hatte. Das hatte ihr Chef ihr gründlich eingebläut. Ganz gleich, was passierte, durfte sie auf keinen Fall die Beherrschung verlieren und ihm zeigen, wie sehr er ihr in den letzten Tagen auf die Nerven gegangen war.

Einen Klienten von diesem Kaliber zu chauffieren, war eine ganz neue Erfahrung für sie. Als einzige Frau und noch dazu jüngste Fahrerin im Team bekam sie normalerweise ganz andere Jobs. Sie fuhr Pakete aus oder holte verwöhnte Kinder von der Schule ab und brachte sie nach Hause zu ihren Kindermädchen in eine der vielen exklusiven Villen, die rund um London verstreut lagen.

Aber im Vergleich zu Matteo Valentis Vermögen verblassten selbst die megareichen Londoner.

Ihr Boss hatte ausdrücklich betont, dass der italienische Milliardär ihre Agentur zum ersten Mal in Anspruch nahm. Es war ihre Pflicht, ihn zum überzeugten Stammkunden zu machen.

Sie fand es großartig, dass so ein einflussreicher Großindustrieller Luxury Limos beauftragt hatte. Aber sie war nicht dumm. Ganz offensichtlich hatte er nur bei ihnen gebucht, weil er sich erst in letzter Minute zu der Reise entschlossen hatte – genau wie sie den Job nur bekommen hatte, weil so kurz vor Weihnachten kein anderer Fahrer mehr verfügbar gewesen war. Laut ihrem Boss war Valenti ein wichtiger Hotelier, der für sein wachsendes Imperium einen neuen Standort in England suchte.

Bisher hatten sie Kent, Sussex und Dorset besucht. Das abgelegenste Ziel in Dorset hatten sie bis zum Schluss übriggelassen – obwohl es ihr bei den vom vorweihnachtlichen Verkehr verstopften Straßen nicht sehr lieb gewesen war. Aber es gehörte nicht zu ihren Aufgaben, seinen Terminkalender zu organisieren – es war ihr Job, ihn sicher von A nach B zu bringen.

Sie starrte geradeaus in den wilden Wirbel der Schneeflocken. Seltsam, wie befangen sie in Valentis Anwesenheit war. Sie arbeitete mit Männern zusammen, und sie kannte die meisten ihrer Schwächen. Sie hatte schnell festgestellt, dass sie am ehesten akzeptiert wurde, wenn sie sich selbst wie ein halber Kerl benahm und versuchte, nicht herauszustechen.

Aus diesem Grund trug sie ihr Haar kurz – auch wenn das nicht der Grund war, aus dem sie es vor einigen Jahren abgeschnitten hatte. Und darum machte sie sich normalerweise auch nicht die Mühe, sich zu schminken oder Kleidung zu tragen, die die Blicke auf sich zog. Sie war zufrieden mit ihrem jungenhaften Look, denn wenn ein Mann vergaß, dass man da war, entspannte er sich üblicherweise. Doch diese Regel traf leider nicht auf Matteo Valenti zu. Sie hatte noch nie einen weniger entspannten Menschen getroffen.

Aber das war nicht der einzige Grund für ihre Nervosität, oder? Sie packte das Lenkrad fester. Sie gestand sich nur ungern den wahren Grund dafür ein, warum sie sich in seiner Gegenwart so befangen fühlte. In Wahrheit hatte er sie schon bei ihrer ersten Begegnung völlig aus der Bahn geworfen. Dieser Mann besaß die kraftvollste Ausstrahlung, die sie je erlebt hatte. Er war verstörend, aufregend und furchteinflößend zugleich. Das war ihr vorher noch nie passiert – nie zuvor hatten plötzlich eine Million Geigen in ihrem Kopf gespielt, wenn sie jemandem nur in die Augen schaute.

Sie hatte in die dunkelsten Augen geschaut, die sie je gesehen hatte, und war tief darin versunken. Sie hatte sich dabei ertappt, wie sie auf sein dichtes schwarzes Haar starrte und sich fragte, wie es sich wohl anfühlte, mit den Fingern hindurchzufahren.

Mit einem halbwegs freundlichen professionellen Umgangston wäre sie schon zufrieden gewesen, aber das würde nie passieren. Nicht mit einem Mann, der so barsch und engstirnig war.

Sie hatte genau gesehen, wie ungläubig er geschaut hatte, als sie ihm zugeteilt worden war. Er hatte sie allen Ernstes gefragt, ob sie sich hinter dem Steuer eines so kraftvollen Wagens auch wohlfühlte. Beinahe hätte sie ihm kühl geantwortet: Ja, das tue ich, vielen Dank auch. Und sollte es nötig sein, dann könnte ich diesen kraftvollen Motor auch Stück für Stück auseinandernehmen und wieder zusammensetzen.

Und jetzt blaffte er sie an und machte nicht einmal den Versuch, seinen Ärger zu beherrschen – als könnte sie plötzlich den Schneesturm wegzaubern.

Nervös sah sie zum dunklen Himmel. Als ihr Blick im Rückspiegel seinen dunklen, verhangenen Augen begegnete, durchzuckte sie wieder eine Vorahnung.

„Wo sind wir?“, wollte er wissen.

Keira sah auf das Navigationsgerät. „Ich schätze, wir sind in Dartmoor.“

„Sie schätzen es?“, sagte er sarkastisch.

Keira leckte sich über die trockenen Lippen. Sie war froh, dass er wieder damit beschäftigt war, aus dem Fenster zu starren. Froh, dass er nicht merken konnte, wie ihr Herz schneller klopfte. „Das Navi hat ein paarmal kein Signal gehabt.“

„Aber Sie sind nicht auf die Idee gekommen, mir das mitzuteilen?“

Sie schluckte die schnippische Antwort wieder herunter, die ihr schon auf der Zunge lag. Um ein Haar hätte sie ihm gesagt, dass er wohl kaum etwas Sinnvolles beizusteuern hätte, da er sich hier nicht auskannte. Es sei denn, er nahm an, dass seine unglaubliche Männlichkeit ausreichte, um seine totale Unkenntnis der Umgebung wieder wettzumachen.

„Sie waren gerade mit Telefonieren beschäftigt, und ich wollte Sie nicht stören“, sagte sie stattdessen. „Und Sie haben gesagt …“

„Was habe ich gesagt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Sie haben gesagt, dass Sie auf dem Rückweg die landschaftlich schöne Strecke nehmen wollten.“

Matteo runzelte die Stirn. Hatte er das gesagt? Es stimmte, dass er abgelenkt gewesen war. Er hatte die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie er mit seinem Vater umgehen sollte, aber er konnte sich nicht erinnern, dass er einer Tour durch eine Gegend zugestimmt hätte, die für ihn und sein Unternehmen nicht interessant war.

Hatte er vielleicht einfach ohne nachzudenken Ja gesagt, als sie ihm vorschlug, die Strecke jenseits der überfüllten Straßen und Autobahnen zu nehmen? Aber dann hätte sie wirklich vorher darüber nachdenken sollen, dass so etwas wie jetzt passieren könnte.

„Und dieser Schneesturm ist anscheinend aus heiterem Himmel gekommen“, sagte sie.

Mit Mühe zügelte Matteo sein Temperament. Sie anzuschnauzen, würde ihn auch nicht weiterbringen. Er wusste, wie irrational und emotional Frauen sein konnten – sowohl bei der Arbeit, als auch privat – und er hatte übermäßige Gefühlsausbrüche schon immer verabscheut.

Wenn er ihr die Meinung sagte, würde sie wahrscheinlich in Tränen ausbrechen und ihm dann eine Szene machen, während sie in ein zerknülltes Taschentuch schniefte und ihn aus rotgeränderten Augen ansah. Das konnte er jetzt wirklich nicht brauchen. Er zog ein Leben ohne weibliches Drama vor. Ein Leben nach seinen eigenen Regeln.

Einen Moment lang dachte er an Donatella, die auf der Party vergeblich auf ihn wartete. An die Enttäuschung in ihren grünen Augen, wenn ihr klar wurde, dass sie selbst nach Wochen voller Verabredungen nicht in einem schicken römischen Hotelschlafzimmer enden würden, wie sie es eigentlich geplant hatten.

Seine Lippen wurden schmal. Er hatte sie auf den Sex warten lassen, und er hatte genau gemerkt, wie sehr sie das frustrierte. Nun ja, jetzt würde sie eben noch ein bisschen länger warten müssen.

„Warum sehen Sie nicht einfach zu, dass Sie uns hier so sicher wie möglich herausbringen?“, schlug er vor und schloss seinen Aktenkoffer. „Wenn ich die Party verpasse, ist das nicht das Ende der Welt – solange ich es bis Weihnachten heil nach Hause schaffe. Das bekommen Sie doch hin, oder?“

Keira nickte, aber ihr Herz raste immer noch. Langsam wurde ihr klar, dass sie in echten Schwierigkeiten steckten. Die Scheibenwischer kamen gegen die Masse der weißen Flocken nicht mehr an, und das Schneetreiben wurde weiterhin dichter. Bei einer so schlechten Sicht war sie noch nie gefahren. Sie fragte sich, warum sie nicht lieber die überfüllten Straßen und Staus riskiert hatte und auf dem direkten Weg zurückgekehrt war.

Sie hatte Matteo Valenti nicht verärgern wollen – aber bei ihrem milliardenschweren Klienten schien das unvermeidbar zu sein. Valenti war nicht der Mann, der im Stau entspannt auf dem Rücksitz saß, wenn der Wagen nur meterweise vorwärtsrückte, während Kinder mit Weihnachtsmannmützen die Nasen an die Heckscheibe drückten.

Zuerst hatte sie nicht verstanden, warum er nicht mit dem Hubschrauber reiste, bis er ihr mitteilte, dass er in einem Wagen mehr von der Landschaft mitbekam. Wenn sie darüber nachdachte, wusste sie schon eine ganze Menge über ihn. Dass er keinen Tankstellen-Kaffee mochte und lieber gar nichts aß als qualitativ minderwertiges Essen. Dass er Ruhe den endlosen Weihnachtsliedern aus dem Autoradio vorzog. Er hatte sich allerdings nicht beschwert, als sie einen Sender mit klassischer Musik einstellte – sie war seltsam aufgeregt gewesen, vor allem, als ein Blick in den Rückspiegel ihr zeigte, dass er den Kopf zurückgelehnt und die Augen geschlossen hatte. Ihr Herz klopfte danach sehr unregelmäßig.

Keira bremste ab, als sie an einem kleinen Haus mit Weihnachtsmann-Lichterschmuck vorbeifuhren. Ein grelles Schild verkündete, dies sei die beste Pension im Dartmoor.

Keira war Männer wie Matteo Valenti einfach nicht gewohnt, das war das Problem. Wahrscheinlich waren die wenigsten Menschen einen Mann wie Matteo Valenti gewohnt. Sie hatte die Reaktionen der Leute beobachtet, wenn er aus der Limousine stieg und ein weiteres schäbiges Hotel musterte, das zum Verkauf stand.

Sie hatte gesehen, wie sich die Augen der Frauen bei seinem Anblick weiteten – als könnten sie kaum glauben, dass so ein Mann wirklich existierte, mit seinen aristokratischen Zügen, dem energischen Kinn und den sinnlichen Lippen.

Aber nach einigen Tagen in seiner Nähe wusste Keira, dass er nur nach außen hin perfekt schien. Unter der Oberfläche spürte sie die Gefahr. Aber genau das gefiel den meisten Frauen. Während sie das Lenkrad fester packte, überlegte sie, ob das das Geheimnis seiner unbestreitbaren Ausstrahlung sein mochte.

Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken über Matteo Valenti zu machen. Sie wollte auch nicht über die Weihnachtsfeiertage nachdenken, die viel zu schnell näher kamen – Keira fürchtete sich davor. Stattdessen musste sie sich eingestehen, dass das Wetter mit jeder Sekunde schlechter wurde und sie die Kontrolle über den großen Wagen verlor.

Sie konnte fühlen, wie die Räder auf der glatten Fahrbahn rutschten, als die Straße leicht anstieg. Plötzlich brach ihr der Schweiß aus, als der Wagen den Halt verlor. Wenn sie nicht sehr vorsichtig war …

Der Wagen kam rutschend zum Stehen, und Keira wurde blass. Weit und breit waren keine Lichter anderer Autos zu sehen.

Als sie den Motor ausstellte, schaute sie in den Rückspiegel und zwang sich, dem wütenden dunklen Blick standzuhalten.

„Was ist los?“, wollte er wissen. Sein Tonfall ließ Keira einen Schauer über den Rücken laufen.

„Wir haben angehalten“, sagte sie, drehte den Schlüssel im Schloss und betete, dass der Wagen sich bewegte. Aber er blieb genau dort, wo er war.

„Das merke ich“, gab er barsch zurück. „Die Frage ist, warum wir angehalten haben.“

Keira schluckte. Er musste doch genau wissen, warum sie gehalten hatten. Wollte er, dass sie es laut aussprach? „Das ist ein schwerer Wagen, und die Schneedecke ist viel dicker, als ich gedacht hatte. Wir sind auf einem kleinen Hügel und …“

„Und?“

Sieh den Tatsachen ins Auge, sagte sie sich energisch. Du weißt genau, wie das geht. Die Situation ist schwierig, aber das ist nicht das Ende der Welt.

Sie versuchte noch einmal, den Wagen von der Stelle zu bewegen, aber trotz ihrer stillen Gebete weigerte er sich. Widerwillig löste sie die Hände vom Lenkrad und wandte sich um. „Wir stecken fest“, gab sie zu.

Matteo nickte und unterdrückte den Fluch, der ihm auf den Lippen lag. Er war stolz darauf, in Krisensituationen gut zu funktionieren. Und davon hatte es in den letzten Jahren weiß Gott genug gegeben. Genug, um ihn zu einem Experten für Krisenmanagement zu machen.

Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken, warum er nicht seinem ersten Impuls gefolgt und einen männlichen Chauffeur verlangt hatte. Einen, der wusste, was er tat, nicht ein Mädchen, das nicht einmal stark genug aussah, um mit einem Fahrrad zurechtzukommen, geschweige denn mit einem Wagen dieser Größe.

Vorwürfe kann ich ihr später machen, dachte er grimmig – und das würde er! Aber zuallererst mussten sie hier wegkommen, und dafür durfte er nicht den Kopf verlieren.

„Wo genau sind wir?“, fragte er so langsam, als spräche er mit einem Kleinkind.

Sie drehte sich um und betrachtete einige Sekunden lang schweigend das Navi, bevor sie ihn wieder anschaute. „Wir haben hier wieder keinen Empfang. Wir sind ganz am Rande vom Dartmoor.“

„Wie weit entfernt von der Zivilisation?“

„Das ist das Problem. Wir sind meilenweit von allem entfernt.“ Er sah, wie sie sich fest auf die Unterlippe biss. „Und es gibt hier nirgendwo mobiles Internet.“

Matteo hätte am liebsten mit der flachen Hand gegen das Fenster geschlagen, aber stattdessen holte er tief Luft. Er musste die Kontrolle übernehmen. „Rutschen Sie rüber“, sagte er schroff und löste seinen Sicherheitsgurt.

Sie blinzelte ihn mit diesen riesengroßen Augen an. „Rüber wohin?“

„Auf den Beifahrersitz“, sagte er und biss die Zähne zusammen, als er die Tür aufstieß und sich gegen den Ansturm des Schneetreibens wappnete. „Ich übernehme.“

Bis er wieder in den Wagen stieg, war er mit Schneeflocken bedeckt. Er knallte die Tür zu. Er spürte noch die herrliche Wärme ihres Körpers auf dem Sitz. Wütend über diesen bizarren und vollkommen unangemessenen Gedanken griff er nach dem Zündschlüssel.

„Sie wissen, dass Sie nicht zu fest aufs Gas treten dürfen?“, fragte sie nervös. „Sonst drehen die Räder durch.“

„Ich glaube nicht, dass ich von jemandem wie Ihnen Fahrstunden brauche“, gab er zurück. Er ließ den Wagen an und versuchte, ihn vorwärtszubewegen.

Nichts. Er versuchte es weiter, bis er das Unvermeidliche akzeptieren musste: Sie steckten endgültig fest, und der Wagen würde sich nirgendwohin bewegen.

Er drehte sich zu seiner Fahrerin um, die ihn nervös unter ihrer Kappe hinweg anstarrte.

„So. Gut gemacht“, sagte er und konnte den Ärger in seiner Stimme nicht länger unterdrücken. „Sie haben es geschafft, dass wir in einer der unwirtlichsten Gegenden in ganz England festsitzen – und das kurz vor Weihnachten. Wirklich eine Meisterleistung.“

„Es tut mir so leid.“

„Das hilft jetzt auch nicht weiter.“

„Dafür werde ich wahrscheinlich rausgeworfen“, flüsterte sie.

„Und ob Sie das werden, wenn ich irgendetwas dabei zu sagen habe – das heißt, falls wir nicht vorher erfrieren“, blaffte er. „Wäre es nach mir gegangen, hätte ich Sie gar nicht erst eingestellt. Aber die Konsequenzen für Ihre Karriere sind das Letzte, was mich in diesem Moment interessiert. Wir müssen uns überlegen, was wir als Nächstes tun.“

Sie griff ins Handschuhfach und nahm ihr Handy heraus, aber es überraschte ihn nicht, dass sie beim Blick auf das Display eine Grimasse schnitt. „Kein Empfang“, sagte sie und sah auf.

„Ach, was Sie nicht sagen“, erwiderte er sarkastisch und spähte aus dem Fenster, wo der Schneesturm nach wie vor tobte. „Ich vermute, es gibt in der Nähe auch kein Dorf?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Nun ja, wir sind gerade an einer Pension vorbeigefahren. Sie wissen schon, eins dieser Häuser, die Übernachtung mit Frühstück anbieten.“

„Ich arbeite im Hotelbusiness“, sagte er gefährlich leise. „Ich weiß, was eine Pension ist. Wie weit ist es?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ein paar hundert Meter, denke ich. Obwohl es bei diesem Wetter nicht leicht sein wird, zu Fuß hinzukommen.“

„Ach wirklich?“ Matteo sah hinaus in den Schneesturm. Sein Herz schlug schneller, als ihm klar wurde, dass sie ernsthaft in Gefahr waren. Plötzlich ging es nicht mehr nur darum, seinen Flug zu verpassen oder eine Frau zu enttäuschen, die darauf wartete, mit ihm ins Bett zu gehen. Hier ging es ums Überleben.

Sich bei diesem Wetter nach draußen zu wagen, war eine echte Herausforderung – und die Alternative war, die Nacht über im Wagen Schutz zu suchen und darauf zu warten, dass ihnen morgen jemand zu Hilfe kam.

Wahrscheinlich gab es Decken im Kofferraum, und sie konnten die Heizung laufen lassen. Er lächelte grimmig. Und was würde man normalerweise tun, um Wärme zu erzeugen, wenn zwei Leute zusammen waren?

Aber er dachte kaum eine Sekunde lang darüber nach, sich gegenseitig zu wärmen, dann schob er die Idee beiseite – und zwar nicht nur, weil sie aussah, als hätte sie kaum genug Fleisch auf den Rippen, um sich bei ihr wärmesuchend anschmiegen zu können.

Nein. An Ort und Stelle zu bleiben, während der Schnee mit solcher Macht vom Himmel fiel, war purer Wahnsinn. Es gab keinerlei Garantie, dass sie am nächsten Morgen jemand finden würde.

Er ließ den Blick über ihre Uniform aus dunkelblauer Hose und robuster Jacke schweifen, die genau zur Kappe passten. Das Material umspielte die sanften Rundungen ihrer Brüste und Hüften – und war ganz sicher nicht geeignet, Schutz vor den tobenden Elementen zu bieten.

Er seufzte. Das bedeutete, er musste ihr seine Jacke geben und selbst frieren. „Ich vermute, Sie haben keine dickeren Sachen bei sich?“

Eine Sekunde lang schien sich ihre Stimmung aufzuhellen. „Ich habe einen Anorak im Kofferraum.“

„Einen Anorak?“

„Eine wasserfeste Jacke. Mit einer Kapuze.“ Sie nahm ihre Kappe ab und fuhr sich mit den Fingern durch ihre kurzen dunklen Haare. Matteo ärgerte sich über das kleine Lächeln, das über ihr blasses Gesicht huschte. Erwartet sie etwa ein Lob, weil sie so vorausschauend gewesen ist, eine Jacke einzupacken? fragte er sich.

„Holen Sie sie einfach und ziehen sie an“, stieß er aus. „Und dann nichts wie weg hier.“

2. KAPITEL

Keira musste sich anstrengen, um im tiefen Schnee mit Matteo Schritt zu halten. Er war stärker und kam viel schneller vorwärts als sie, obwohl er darauf bestanden hatte, seinen Koffer mitzunehmen.

Dicke eisige Flocken landeten in ihren Augen und ihrem Mund, und hin und wieder fragte sie sich, ob sie sich das kleine hell erleuchtete Haus in der Ferne nur einbildete – wie eine Fata Morgana in der Eiswüste.

Er hatte darauf bestanden, dass sie seine viel zu großen Lederhandschuhe auslieh. Trotzdem fühlten sich ihre Hände wie Eisklumpen an, und sie seufzte vor Erleichterung auf, als sie endlich das Haus erreichten. Gott sei Dank hatte sie sich das Haus nicht nur eingebildet. Sie wollte nicht einmal daran denken, was Matteo Valenti dazu gesagt hätte, wenn sie ihn ganz umsonst hierher gebracht hätte.

Er hatte ihr vielleicht seine Handschuhe geliehen, aber selbst dabei hatte er kein freundliches Wort für sie gehabt. Keira sah zu, wie er ungeduldig den Schnee von dem hölzernen Tor schob und es aufstieß, dann stolperte sie hinter ihm her, bis sie unter dem rot und golden leuchtenden Schild über der Tür standen.

Als er klingelte, zitterte sie bereits vor Kälte. Eine leise Melodie ertönte in der Ferne.

„W…was ist, … wenn keiner zu Hause ist?“, presste sie zwischen den klappernden Zähnen hervor.

„Das Licht ist an“, sagte er ungeduldig. „Natürlich ist jemand zu Hause.“

„V…vielleicht sind sie über Weihnachten weggefahren und haben das Licht angelassen, um Einbrecher abzuschrecken.“

„Denken Sie wirklich, an einem Ort wie diesem lohnt es sich, irgendwo einzubrechen?“, fragte er.

Ein Rumpeln im Haus unterbrach abrupt ihr schlechtgelauntes Geplänkel, dann wurde die Tür von einer üppigen Frau mittleren Alters geöffnet. Über ihrem Kleid trug sie eine mehlbestäubte geblümte Schürze. „Du meine Güte!“, rief sie aus und öffnete die Tür weiter. „Sie sind aber nicht die Sternsinger.“

„Allerdings nicht“, antwortete Matteo grimmig. „Ich fürchte, unser Wagen ist ganz in der Nähe eingeschneit.“

„Ach, ihr Armen! In so einer Nacht sollte man nicht draußen sein. Kommt rein, kommt rein!“

Vor Dankbarkeit wäre Keira fast in Tränen ausgebrochen, als Matteo ihr die Hand auf den Rücken legte und sie in den hell erleuchteten Flur schob. Während der scheinbar endlosen Wanderung hierher war Keira überzeugt gewesen, dass sie es nicht schaffen würden. Am nächsten Tag, oder auch erst am übernächsten, würde man zwei erfrorene Körper finden. Ob es wohl irgendjemanden kümmern würde, wenn sie starb?

Aber jetzt standen sie tropfend in dem schmalen Flur, in dem überall Stechpalmenzweige und glitzerndes Lametta verteilt waren. Ein grüner Plastikbaum war mit blinkenden Lichtern in allen Regenbogenfarben geschmückt, und an der Deckenlampe hing ein riesiger Busch Mistelzweige.

Keira war fasziniert von den kleinen flauschigen Schneemännern, die in Reih und Glied in einem Regal standen. Ihre Aufmerksamkeit wurde nur von den immer größer werdenden Pfützen zu ihren Füßen auf dem Steinboden abgelenkt.

„Oh nein – der Boden!“, rief sie aus. Matteo Valenti warf ihr einen ungläubigen Blick zu, aber das kümmerte sie nicht. „Wir ruinieren Ihren Boden.“

„Ach, machen Sie sich darum keine Sorgen, meine Liebe“, sagte die Frau herzlich. „Bei uns gehen ständig Wanderer ein und aus – das bringen wir später wieder in Ordnung.“

„Wir würden gern Ihr Telefon benutzen, wenn Sie nichts dagegen haben“, sagte Matteo.

Keira beobachtete, wie die Frau ihn anschaute. Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder als hätte sie gerade erst begriffen, dass hundertneunzig Zentimeter männliche Herrlichkeit in ihrem Hausflur standen, bedeckt mit schmelzendem Schnee auf seinem schwarzen Kaschmirmantel.

„Und warum möchten Sie das, mein Lieber?“, fragte sie sanft.

Autor

Sharon Kendrick
<p>Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
Mehr erfahren