Heißer als ein Wüstensturm

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Hotelmanagerin Daisy Carrington weiß, wie sie sich ihren VIP-Gästen gegenüber zu verhalten hat: diskret und zurückhaltend! Doch als Scheich Sariq Al Antarah sie besitzergreifend ansieht, weckt er etwas gefährlich anderes in ihr: Sehnsucht nach seiner Nähe. Für eine Nacht erlebt Daisy mit ihm verboten heiße Stunden der Lust. Doch ihre Blitzaffäre hat süße Folgen. Was der Wüstenprinz jetzt will? Sie heiraten! Plötzlich fühlt sich Daisy wie in einem Liebestraum. Aus dem sie jäh erwacht, denn der mächtige Herrscher stellt eine unmögliche Bedingung …


  • Erscheinungstag 25.08.2020
  • Bandnummer 2454
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714345
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jedes Mal, wenn Sariq die Lider schloss, sah er die Augen seines Vaters vor sich – also versuchte er, sie so selten wie möglich zu schließen. Nicht etwa, weil er den Erlauchten Scheich Kadir Al Antarah nicht wiedersehen wollte, nein. Denn das wollte er mehr als irgendetwas anderes auf der Welt.

Es war der Ausdruck in den Augen seines Vaters kurz vor seinem Tod, den Sariq nur schwer ertrug. Von Schmerz erfüllt, die Welt um sich herum gar nicht mehr wirklich wahrnehmend, hatten sie nichts mehr von der Stärke und Energie besessen, die das Leben und die Regentschaft des Scheichs ausgemacht hatten.

Der König, sein Vater, war tot. Damit war er vollkommen allein auf der Welt, und die unausweichliche Realität, die schon sein ganzes Leben wie ein Damoklesschwert über ihm gehangen hatte, holte ihn nun ein.

Er war gekrönt worden. Die Aufgabe, das Königreich Haleth zu führen, war an ihn gefallen. Genau darauf war er von Kindesbeinen an vorbereitet worden. Und dennoch …

„Eure Hoheit? Malik bat mich, Sie an die Zeit zu erinnern.“

Schweigend blickte Sariq weiter zum Fenster hinaus. Unter ihm erstreckte sich Manhattan in all seiner Pracht. Von hier aus konnte er all die Gebäude sehen, für die New York berühmt war. Das Empire State Building, das Chrysler-Gebäude mit seinen Art-Deko-Ornamenten und in einiger Entfernung die Spitze vom One World Trade Center.

In der anderen Richtung, nicht weit von seinem Hotel entfernt, lag der Hauptsitz der Vereinten Nationen, wo er seine erste offizielle Ansprache nach dem Tod von Scheich Kadir halten würde. Morgen früh musste er die Führer und Delegierten verschiedener Länder davon überzeugen, dass der Tod seines Vaters nichts an dem Frieden ändern würde, der – endlich – zwischen dem Königreich Haleth und dem Westen bestand.

„Emir?“

„Ja.“ Es klang schärfer als beabsichtigt. Er schloss die Augen – und da war er wieder. Sein Vater. Rasch wandte Sariq seine Aufmerksamkeit wieder dem Panorama zu. „Sag Malik, dass ich mir der Zeit bewusst bin.“

„Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, Eure Hoheit?“

Sariq wandte sich zu ihm um. Der junge Mann war kaum mehr als ein Junge, sechzehn oder siebzehn vielleicht. Er trug dieselbe Uniform wie er selbst in diesem Alter. Schwarz mit goldenen Abzeichen. Sein Rangabzeichen wies ihn als Fähnrich aus.

„Wie heißt du?“

Die Augen des Jungen weiteten sich. „Kaleth.“

Sariq zwang ein Lächeln auf seine Lippen. Es fühlte sich hölzern und falsch an. „Vielen Dank, das ist sehr aufmerksam, aber du kannst jetzt gehen.“

Kaleth zögerte. Er schien etwas entgegnen zu wollen.

„Sag Malik, dass ich darauf bestanden habe.“

Das schien den jungen Offizier zu beruhigen. Er verbeugte sich tief. „Gute Nacht, Eure Hoheit.“

Als er allein war, drehte Sariq sich wieder zum Fenster um. Es war bereits nach Mitternacht, und ein langer Tag lag hinter ihm. Er hatte mit einigen Meetings in Washington angefangen, gefolgt vom Flug nach New York, wo er mit seinem Botschafter in den Vereinigten Staaten zu Abend gegessen hatte. Dieser residierte zurzeit im selben Hotel wie er, bis die Renovierungsarbeiten an der Botschaft abgeschlossen waren.

Den ganzen Tag über war es Sariq gelungen, seine Trauer beiseitezuschieben. Er wusste genau, dass er stark und unerschüttert wirken musste, auch wenn es gerade einmal drei Wochen zurücklag, dass er seinen Vater zu Grabe getragen hatte.

Scheich Kadir war ein Gigant gewesen. Die personifizierte Stärke. Sein Tod hinterließ eine entsetzliche Lücke – nicht nur für Sariq, sondern für das ganze Land. Er würde tun, was immer in seiner Macht stand, um diese zu füllen. Doch König Kadir würde stets unerreichbar bleiben.

Sariq öffnete die Schiebetür des Balkons und trat hinaus auf die große Terrasse. Der Lärm der Stadt drang zu ihm empor – Sirenengeheul, Autohupen und aufheulende Motoren – und erfüllte ihn mit Sehnsucht nach der Stille der Wüste östlich des Palasts. Ein Ort der Ruhe und Besinnung. Jedes Sandkorn trug die gesammelte Geschichte seines Volkes in sich. Die Kriege und die Hungersnöte, den Schmerz und die Hoffnungen – und seit nunmehr vierzig Jahren den Frieden und das Wachstum. Die Präsenz des Königreiches Haleth auf der politischen Weltbühne.

Es war das Erbe seines Vaters, und Sariq würde es bewahren. Nein, nicht nur bewahren. Er würde es weiter vorantreiben, das Ansehen seines Landes stärken und den Frieden so festigen, dass niemand jemals auch nur wieder einen Gedanken an Bürgerkrieg verschwenden würde.

Sariq war nicht sein Vater, aber er stammte von ihm ab. Und er hatte sein Leben damit verbracht zu beobachten, zu lernen und sich vorzubereiten.

Morgen früh würde er ein neues Kapitel aufschlagen.

Er war bereit.

Mit einem leichten Stirnrunzeln musterte Daisy das blinkende Licht auf ihrem Telefon, das einen Anruf aus der Präsidentensuite anzeigte. Sie schaute zur Wanduhr hinauf. Es war drei Uhr – mitten in der Nacht.

Sie griff nach dem Hörer und klemmte ihn zwischen Ohr und Schulter. „Hier ist die Rezeption, wie kann ich Ihnen helfen?“

Die Delegation vom Königreich Haleth war erst vor ein paar Stunden eingetroffen. Sie hatte nicht nur die beste und teuerste Suite des Fünf-Sterne-Hotels, in dem Daisy arbeitete, in Beschlag genommen, sondern ein ganzes Stockwerk mit Zimmern für Bedienstete und Sicherheitsbeamte. Trotz der Kürze der Zeit hatte sie bereits mehrfach mit einem Mann namens Malik Kontakt gehabt. Er schien das Leben des Scheichs zu organisieren, und Daisys Aufgabe als VIP-Rezeptionistin des Hotels war es, den illustren Gästen jeden noch so kleinen Wunsch zu erfüllen. Sie war stolz darauf, von sich behaupten zu können, dass sie so ziemlich alles organisieren konnte.

Wenn Malik also irgendetwas benötigte, würde sie sicherstellen, dass er es bekam.

Allerdings hatte sie nicht mit der fremden Stimme am anderen Ende der Leitung gerechnet, tief und rauchig, mit einem exotischen Akzent, der nahelegte, dass Englisch nicht die Muttersprache des Anrufers war.

„Ich hätte gern einen Persimmon-Tee.“

Der Botschafter des Königreichs residierte seit drei Monaten im Hotel, weil die Botschaft renoviert wurde. Daher hatten sie seitdem dauerhaft verschiedene Delikatessen des Landes vorrätig – auch Persimmon-Tee.

„Natürlich, Sir. Wünschen Sie Balajari dazu?“ Der Botschafter bestellte stets die Mandelplätzchen mit geriebener Zitronenschale zu seinem Tee.

„Schön“, lautete die Antwort, ehe die Verbindung abrupt beendet wurde.

Daisy ärgerte sich über das unfreundliche Verhalten. Aber nur wenige der Gäste, die sie betreut hatte, waren ihr durch geschliffene gute Manieren in Erinnerung geblieben. Es gab natürlich auch Ausnahmen. Ein australischer Schauspieler hatte sich bei jedem Anruf überschwänglich für die „Störung“ entschuldigt. Und eine junge Schottin, die einen dieser Gesangswettbewerbe im Fernsehen gewonnen hatte, war mit ihrem plötzlichen Ruhm völlig überfordert gewesen und hatte einfach nur so normal wie möglich behandelt werden wollen.

Nachdem Daisy die Bestellung an die Küche weitergegeben hatte, ging sie zum Serviceaufzug. Neben der Tür hing ein großer Spiegel. Der Hotelmanager bestand darauf, dass alle Angestellten ihr Erscheinungsbild vor jedem Kontakt mit den Gästen überprüften. Daisy strich eine Locke ihres goldblonden Haars zurück und überprüfte den Sitz ihres Bleistiftrocks.

Adrett, professionell, unscheinbar. Ihr Job war es, nicht bemerkt zu werden. Sie war wie der Geist des Hotels: immer da, wenn sie gebraucht wurde, aber ohne wirklich wahrgenommen zu werden.

Ihre Bestellung war bereits fertig, als sie die Küche im Untergeschoss des Hotels erreichte. Sie kontrollierte noch einmal alles, ehe sie sich bedankte und wieder in den Fahrstuhl stieg.

Die Präsidentensuite lag im obersten Stockwerk, und der Hotelmanager und sie hatten als einzige Mitarbeiter eine Schlüsselkarte für diesen Bereich.

Als Daisy vor zwei Jahren angefangen hatte, hier zu arbeiten, war ihr jedes Mal schwindelig geworden, wenn sie den Expresslift benutzt hatte. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, und es machte ihr nichts mehr aus.

Ein leises Ping verkündete ihre Ankunft, und sie trat in den Servicekorridor hinaus, an dessen Ende eine weiße Tür lag. Auf der anderen Seite, in der Präsidentensuite, war sie durch eine Wandverkleidung verborgen.

Nach einem leisen Klopfen betrat sie die Suite.

Die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet, aber es gab mehrere kleine Lampen, die das Apartment in einen sanften Schein tauchten.

Sie liebte diese Räume mit ihrem opulenten Dekor und dem fantastischen Ausblick. Am meisten liebte sie sie allerdings, wenn keine Gäste darin wohnten. Das galt insbesondere für die besonders fordernden und respektlosen Gäste, die dazu neigten, die kostbaren Einrichtungsgegenstände zu behandeln, als wären sie billige Ausschussware.

Vorsichtig stellte sie das Tablett mit dem Tee auf dem Beistelltisch bei der Couch ab. Dann richtete sie sich auf und blickte sich im Zimmer um.

Zuerst bemerkte sie ihn gar nicht, denn ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Doch dann sah sie ihn am Fenster stehen, eine schwarze Silhouette vor der Skyline von Manhattan.

Der Scheich.

Sie hatte bereits bei seiner Ankunft einen kurzen Blick aus der Ferne auf ihn erhaschen können und erkannte ihn sofort wieder. Es war nicht nur seine große und durchtrainierte Statur, sondern auch das lange dunkle Haar, das er zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengefasst hatte.

Auch wenn sie den Umgang mit mächtigen und wichtigen Menschen gewohnt war, war sie auch nur ein Mensch. Und in Momenten wie diesem verspürte sie einen Anflug von Unruhe, den sie jedoch ignorierte.

„Guten Abend, Eure Hoheit. Ich bringe Ihren Tee.“ Als er nicht antwortete und sich auch nicht zu ihr umdrehte, fragte sie: „Wünschen Sie, dass ich ihn für Sie einschenke?“

Wieder herrschte Schweigen, das sich über mehrere endlos erscheinende Sekunden ausdehnte, ehe er knapp nickte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Teekanne hob und den Tee vorsichtig in die Tasse goss. Nachdem sie sie wieder abgestellt hatte, trat sie zurück und wollte gehen, überlegte es sich dann aber anders.

Er hatte um Tee gebeten, und es war ihr Job, ihn damit zu versorgen. Also trat sie wieder zum Beistelltisch, nahm die Tasse samt Untertasse auf und ging damit auf ihn zu.

„Hier, bitte sehr, Eure Hoheit“, sagte sie leise, als sie hinter ihm stand. Jetzt – endlich – drehte er sich zu ihr um, und Daisy fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Zwar hatte sie ihn aus der Entfernung gesehen und kannte Fotos von ihm, doch nichts hatte sie darauf vorbereitet, ihm persönlich gegenüberzustehen.

Seine Züge waren scharf und symmetrisch, die Wangenknochen markant. Seine Nase war gerade, und seine Augen waren so schwarz wie Kohlen.

Aus der Nähe betrachtet war er sehr anziehend. Doch es gehörte nicht zu ihrem Berufsbild, sich zu männlichen Gästen hingezogen zu fühlen.

„Der Tee soll beim Einschlafen helfen“, sagte er, und der tiefe Klang seiner Stimme war einfach unvergleichlich.

„Davon habe ich gehört.“ Sie nickte, bereit, sich diskret zurückzuziehen.

„Haben Sie ihn schon einmal probiert?“

„Nein.“ Sie schluckte. „Aber Ihr Botschafter trinkt ihn häufig.“

„Er ist in meinem Land sehr beliebt.“ Sein Blick glitt über ihr Gesicht, und ihr Puls beschleunigte sich. Sie musste hier raus, bevor sie noch irgendwelche Dummheiten beging.

„Benötigen Sie sonst noch etwas?“

Er presste die Lippen zusammen. „Malik würde wohl sagen, dass ich Schlaf benötige.“

„Dafür haben Sie ja jetzt Ihren Tee.“

„Scotch dürfte besser funktionieren.“

„Möchten Sie, dass ich Ihnen welchen bringe?“

Der Scheich neigte den Kopf leicht zur Seite. „Es ist bereits nach drei.“

Seine Worte ergaben für sie keinen Sinn.

„Es ist nach drei, und Sie arbeiten noch“, präzisierte er.

„Oh, ja. Das gehört zu meinem Job.“

Er hob eine Braue. „Die ganze Nacht zu arbeiten?“

„Zu arbeiten, wann immer Sie mich brauchen“, entgegnete sie mit einem leichten Schulterzucken, nur um sich im nächsten Moment zu korrigieren. „Oder wenn ein anderer Gast der Präsidentensuite etwas benötigt. Ich bin allein für diese Suite zuständig.“

„Und Sie müssen tun, was immer ich verlange?“

„Nicht ganz. Aber wenn es darum geht, Ihre Wünsche zu erfüllen, dann werde ich tun, was immer in meiner Macht steht.“

„Das ist Ihr Beruf.“

„Ganz genau.“

Er nippte an seinem Tee, ohne den Blick von ihr zu wenden.

Unter normalen Umständen hätte sie die Gelegenheit genutzt, um sich zu entfernen. Doch dieser Mann war so widersprüchlich, dass sie stattdessen sagte: „Ich hätte angenommen, dass Sie an derartigen Service gewöhnt sind.“

„Warum sagen Sie das?“

„Weil Sie mit einem Gefolge von vierzig Männern reisen, deren einzige Aufgabe es zu sein scheint, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.“

Wieder trank er einen Schluck. „Ja, das ist ihr Job. Ich bin der König, und in meinem Land ist es eine große Ehre, der königlichen Familie zu dienen.“

Ihr fiel ein, dass sie vor ein paar Wochen in einem Zeitungsbericht gelesen hatte, dass sein Vater verstorben war.

Eine Woge aus Mitgefühl erfasste Daisy. Sie kannte den Schmerz eines solchen Verlusts nur zu gut. Fünf Jahre waren vergangen, seit sie ihre Mutter verloren hatte, und sie fehlte ihr noch immer an jedem einzelnen Tag.

Wahrscheinlich sagte sie deshalb: „Ich habe von Ihrem Verlust gehört. Mein herzliches Beileid. Ein Elternteil zu verlieren … man weiß, dass es unvermeidlich ist, aber ich glaube, nichts kann einen wirklich auf ein Leben ohne den geliebten Menschen vorbereiten.“

Sie bereute die Vertraulichkeit beinahe sofort, als seine dunklen Augen sich weiteten. Um Himmels willen, er ist ein König, und mein Job war es, ihm Tee zu bringen!

Daisy wich seinem Blick aus und neigte den Kopf. „Wenn ich sonst nichts für Sie tun kann, wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Euer Hoheit.“

Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab. Doch bevor sie die Tür erreichte, sagte er: „Warten Sie.“

Wie erstarrt blieb sie stehen. Ihr Herz hämmerte wild.

„Kommen Sie her.“

Langsam wandte Daisy sich zu ihm um. Ihr Puls raste. „Ja?“

„Setzen Sie sich.“ Mit einer einladenden Geste deutete er auf das Sofa. „Trinken Sie einen Tee mit mir.“

Es gab mindestens eine Million Gründe, Nein zu sagen. In all den Jahren, die sie nun schon in ihrem Beruf arbeitete, hatte sie stets ausschließlich professionellen Umgang mit ihren Kunden gepflegt.

Die Menschen, die sie betreute, waren nicht ihre Freunde. Sie waren Gäste in einem der exklusivsten Hotels der Welt.

Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie seine Einladung ablehnen sollte. Dieser Mann war einfach zu viel. Zu charmant, zu attraktiv, zu maskulin. Und wenn ihre Katastrophe von einer Ehe sie etwas gelehrt hatte, dann, dass man solchen Männern einfach nicht trauen durfte.

„Ich bestehe darauf.“

Seine Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Was sollte sie tun? Er bat sie, ihm zum Tee Gesellschaft zu leisten, und ihr Job war es, jedem Gast stets das zu geben, was er sich wünschte – im Rahmen des Vertretbaren.

„Wollten Sie nicht eigentlich schlafen?“, erinnerte sie ihn sanft.

„Lehnen Sie ab?“

Hastig schüttelte sie den Kopf. Der Kunde muss unter allen Umständen zufriedengestellt werden. „Nein, natürlich nicht.“ Daisy ging zum Sofa. Es war nur eine Tasse da, und ihr stand der Sinn auch nicht nach Persimmon-Tee, daher setzte sie sich einfach nur und verschränkte die Hände im Schoß.

Sie wartete darauf, dass er etwas sagte, doch die Stille hielt an, und ihre Anspannung wuchs.

„Gut“, sagte er schließlich und nickte. „Möchten Sie Tee?“

„Ich denke, es wäre unhöflich abzulehnen“, entgegnete sie leise.

„Ich habe nicht vor, Ihnen die Spezialitäten meines Landes aufzuzwingen. Würden Sie etwas anderes bevorzugen? Ich kann den Zimmerservice bemühen.“

Bei dem Gedanken, dass jemand sie auf der Couch des Scheichs sitzen sah, wurde ihr ganz anders. „Nein, vielen Dank.“

„Sie sitzen da, als fürchteten Sie, ich würde Sie gleich anfallen.“

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. „Wie soll ich denn sitzen?“

Er nahm ihr gegenüber Platz, seine Haltung war entspannt. Es war offensichtlich, dass er an den Luxus, der ihn umgab, gewöhnt war. Kein Wunder, vermutlich war er in einem derartigen Umfeld aufgewachsen.

„Wie immer Sie üblicherweise sitzen“, entgegnete er.

„Es tut mir leid. So etwas ist bisher nur noch nie vorgekommen.“

„Nicht?“

„Mein Job ist es, Ihnen jeden Wunsch zu erfüllen und dabei möglichst unsichtbar zu bleiben.“

Er sah sie an. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass irgendjemand Sie übersehen würde.“

Daisys Wangen brannten. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also schwieg sie.

„Arbeiten Sie schon lange hier?“

Nervös biss sie sich auf die Unterlippe, hörte aber auf, als sie bemerkte, dass er sie beobachtete. In ihrem Bauch flatterte es. „Ein paar Jahre.“

Wie schwer es ihr gefallen war zu akzeptieren, dass ihr Traum, eines Tages die Juilliard School besuchen zu können, ausgeträumt war, ließ sie unerwähnt.

„Und schon immer in dieser Position?“

„Ich habe als einfache Rezeptionistin angefangen.“ Sie schlug die Beine übereinander und lehnte sich ein wenig zurück. „Aber nach sechs Monaten wurde ich befördert.“

„Gefällt Ihnen Ihr Job?“

Wie von selbst wanderte ihr Blick zur nächtlichen Skyline von New York, und ihre Finger fuhren über ihr Knie, als würde sie auf ihrem geliebten Klavier spielen, das sie hatte verkaufen müssen. „Ich bin gut darin.“

„Wie alt sind Sie?“

Wie lange würde er sie wohl hier sitzen lassen? Er wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm seinen Willen zu lassen, denn das gehörte zu ihrem Job. Doch es fühlte sich bizarr an, so ihre Arbeitszeit zu verbringen.

„Vierundzwanzig.“

„Und Sie leben schon immer in Amerika?“

„Ja.“ Nachdenklich runzelte Daisy die Stirn. „Ich habe das Land ehrlich gesagt noch nie verlassen.“

Der Scheich hob eine Braue. „Das ist aber eher ungewöhnlich, oder?“

„Ich weiß nicht.“ Sie lachte leise. „Sagen Sie es mir.“

„Auf jeden Fall.“

„Nun, dann schätze ich, bin ich wohl eher ungewöhnlich. Schuldig im Sinne der Anklage.“

„Haben Sie denn kein Interesse daran, die Welt zu entdecken?“

„Etwas nicht zu tun, bedeutet nicht unbedingt, dass man kein Interesse daran hat“, erklärte sie.

„Dann ist es eher ein Mangel an Gelegenheit als an Interesse?“

„Ja.“ Warum es leugnen?

„Arbeiten Sie zu viel?“

„Ich arbeite viel“, erwiderte sie, ohne es weiter auszuführen. Warum sollte sie diesem Fremden auf die Nase binden, dass sie mehr Schulden hatte, als sie vermutlich je in ihrem Leben begleichen könnte? Wie immer, wenn Daisy daran dachte, kochte Ärger in ihr hoch. Ärger auf ihren nichtsnutzigen Ex-Mann Max und all die Schwierigkeiten, die er ihr eingebrockt hatte.

„Gibt es in den Vereinigten Staaten keinen Rechtsanspruch auf Urlaub?“, erkundigte er sich.

Sie lächelte gezwungen. Um weitere Fragen in dieser Richtung zu vermeiden, wechselte sie das Thema. „Und Sie, Euer Hoheit? Ich nehme an, Sie reisen viel?“

Wieder musterte er sie durchdringend, und sie fühlte sich wie ein Schmetterling unter dem Vergrößerungsglas. Wie von selbst hielt sie die Luft an.

„In der Tat. Aber nie für besonders lange. Jedenfalls nicht in letzter Zeit.“ Seine Züge wirkten angespannt, und sie wusste, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte.

Dennoch hörte sie sich selbst sagen: „War Ihr Vater bereits längere Zeit krank, bevor er starb?“

In der nächsten Sekunde erbleichte er, stand auf und trat ans Fenster. Seine Haltung war steif, und Daisy verfluchte sich selbst.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihn so etwas Persönliches zu fragen? Sein Vater war vor nicht einmal einem Monat gestorben. Er verspürte wohl kaum den Wunsch, einer vollkommen Fremden seine innersten Gefühle zu offenbaren.

„Es tut mir leid.“ Hastig stand sie auf. „Ich hatte kein Recht, Ihnen eine solche Frage zu stellen. Ich bitte um Verzeihung.“ Als er nichts erwiderte, schluckte sie hart. „Ich lasse Sie dann jetzt allein, Hoheit.“

2. KAPITEL

Die Straßen von Manhattan, die am Fenster der Limousine vorbeizogen, glichen einem Bienenstock. Sariq lehnte den Kopf gegen die Lederpolsterung seines Sitzes und blickte ins Leere.

„Besser hätte es wirklich nicht laufen können, Euer Hoheit.“

Malik hatte recht. Die Rede vor den Vereinten Nationen war ein Erfolg gewesen. Während er gesprochen hatte, hatte Sariq erkannt, dass er nicht als Einziger nervös gewesen war. Der ganze Raum war von unruhiger Anspannung erfüllt gewesen. Von der Furcht, dass mit dem Tod des großen Kadir Al Antarah das Land zurück in Krieg und Gewalt fallen würde.

Doch Sariq war fortschrittlich, und er war überzeugend. Er sprach von Shaiarah, der Hauptstadt seines Königreichs, als Ort der Zukunft. Ort der Hoffnung. Er sprach von den Schulen seines Landes, die kostenlos und erstklassig waren, und von seiner Überzeugung, dass Bildung der beste Weg sei, um Krieg und Gewalt zu verhindern. Dass ein belesenes und gut informiertes Volk nach vorn schaute, anstatt die Wunden der Vergangenheit zu beklagen. Er hob hervor, was die Menschen seines Königreichs mit dem Rest der Welt gemein hatten. Als er zum Ende seiner Rede kam, hatte tosender Beifall seine Abschlussworte begleitet.

Ja, die Rede war ein Erfolg gewesen, trotzdem verspürte er einen Hauch von Unzufriedenheit.

„Ihr Vater wäre stolz auf Sie gewesen, Hoheit.“

Auch damit hatte Malik recht.

„Wenn wir zurück im Hotel sind, dann lass bitte die Rezeptionistin zu mir schicken“, ordnete Sariq an. Er wusste nicht einmal ihren Namen. Eine Nachlässigkeit, die er zu korrigieren gedachte.

„Benötigen Sie etwas?“

„Darum wird sie sich kümmern.“

Wenn Malik dieses Anliegen seltsam fand, so sagte er zumindest nichts. In der Nähe von Bryant Park blieb die Limousine kurz im dichten Verkehr stecken, und Sariq sah zum Fenster hinaus. Es war ein warmer Tag, und die New Yorker nutzten das schöne Wetter, um sich im Freien aufzuhalten. Er beobachtete, wie ein Kind Wasser aus einem Springbrunnen schöpfte und seinen älteren Bruder damit nassspritzte.

Kinder waren genauso ein fester Bestandteil seiner Zukunft wie seine Regentschaft. Er war der letzte Erbe der Königslinie von Al Antarah, und er schuldete es seinem Volk, sich nach seiner Heimkehr ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das Risiko, es zu lange zu ignorieren, war schlichtweg zu groß. Es durfte kein neuer Bürgerkrieg im Kampf um die Krone entbrennen, weil es keinen Thronfolger gab.

Mit einer Ehe und Kindern würde er dem Königreich Sicherheit und Stabilität für die kommenden Generationen schenken.

„Ihr wolltet mich sehen, Euer Hoheit?“

Daisys Herz schlug wie verrückt. Sie hatte kaum ein Auge zubekommen, seit sie seine Suite in der Nacht verlassen hatte. Und das, obwohl sie in der Zeit, die er nicht im Hotel verbracht hatte, keinen Dienst gehabt hatte. So lief es immer, wenn sie VIP-Gäste betreute. Sie kannte ihre Terminkalender in- und auswendig, um ihren eigenen Tagesablauf so zu planen, dass sie jederzeit erreichbar war, wenn sie gebraucht wurde.

Er war nicht allein, und er sah auch nicht aus wie gestern Nacht, als er Jeans und ein einfaches Shirt angehabt hatte. Jetzt trug er eine weiße Robe, fließend und lang, mit goldenen Applikationen an den Ärmeln, und eine ebenfalls weiße Kufiya – das traditionelle arabische Kopftuch –, gehalten von einer goldenen Kordel.

Sein Anblick war respekteinflößend, und ihr Mund wurde trocken, während sie ihm mit einer, wie sie hoffte, ungerührten Miene gegenübertrat.

„Ja. Einen Augenblick.“

Seine Berater trugen ähnliche, wenn auch schlichtere Kleidung.

Daisy blieb beim Eingang stehen, während sie sich in ihrer eigenen Sprache unterhielten. Die Worte waren klangvoll, fast musikalisch, und die Stimme des Scheichs tiefer und wohlklingender als alle anderen. Es dauerte zehn Minuten, bis die anderen Männer sich mit respektvollen Verbeugungen zurückzogen. Dann kam er mit flatternder Robe auf sie zu.

„Sie waren gestern Abend vor den Kopf gestoßen.“

Mit diesen Worten hatte sie nicht gerechnet, und sie spürte, wie sie errötete.

„Ich war Ihnen gegenüber zu vertraulich, Hoheit.“ Sie senkte den Blick, unfähig, ihm in die Augen zu sehen, während ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch umherflatterte.

„Aber ich habe Sie darum gebeten, vertraulich zu sein“, erinnerte er sie.

„Dennoch …“ Sie hob die Schultern und riskierte einen Blick, den er sogleich auffing. „Ich hätte nicht …“

„Mein Vater war krank. Es war nicht schön, das mitzuerleben. Ich wünschte mir mehr als alles andere auf der Welt, dass ich etwas hätte tun können, um seine Schmerzen zu lindern.“ Ein Muskel in seiner Wange zuckte. „Ich wurde dazu erzogen, an mich selbst und an meine Fähigkeiten zu glauben. Dennoch war ich nicht in der Lage, etwas gegen die Verheerungen seiner Krankheit auszurichten. Kein Arzt konnte ihn retten oder ihm auch nur helfen.“ Er sah sie an, und obwohl er sich nicht von der Stelle bewegte, fühlte sie sich ihm näher. „Ihre Frage von letzter Nacht war für mich nicht leicht zu beantworten.“

„Es tut mir leid.“

„Das muss es nicht. Sie haben nichts falsch gemacht.“

In Daisys Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander, doch ein Gedanke war so klar und hell, dass er alles andere überstrahlte. Er war ein Gast des Hotels – und sie begab sich auf gefährliches Terrain, indem sie eine so persönliche Unterhaltung mit ihm führte.

„Ich arbeite für das Hotel“, sagte sie leise. „Ihnen solche Fragen zu stellen, gehört nicht zu meinen Aufgaben, und es ist auch ganz sicher nicht angemessen. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Darauf reagierte er nicht, sondern stand einfach nur da und sah sie an.

„Ich bat doch darum, dass Sie mit mir sprechen“, bemerkte er schließlich noch einmal.

„Aber ich hätte ablehnen sollen.“

„Ihr Job ist es doch, meine Wünsche zu erfüllen, oder nicht?“

Ihr Puls raste. „Innerhalb gewisser Grenzen.“

In seinem Lächeln schwang etwas mit, das sie nicht recht deuten konnte. Zynismus? Spott? Frustration?

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie ablehnen würden, wenn ich Sie heute Nacht erneut bitte, mir Gesellschaft zu leisten?“

Das Blut in ihren Adern schien sich in flüssiges Feuer zu verwandeln. Ihr war so heiß, dass sie kaum atmen konnte. „Ich … bin nicht sicher, ob das angemessen wäre.“

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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