Heißes Begehren

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Jakes Kuss weckt in Isobel die leidenschaftlichsten Gefühle! Wie kann sie nur diesen Mann begehren, der sie so tief gekränkt hat? Obwohl Isobel weiß, dass Jake sich endgültig von ihr trennen will, sehnt sie sich nach seiner Liebe. Nur ein Mal noch möchte sie in den Armen ihres Exmannes, der auf ihren Landsitz gekommen ist, um die Scheidung zu besprechen, so glücklich sein wie damals. Isobel bricht fast das Herz, als sie nach Stunden der Liebe von Jake Abschied nimmt - für immer?


  • Erscheinungstag 16.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716950
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Apartment lag in einer der etwas teureren Gegenden. In keinem Hochhausviertel, obwohl dort viele luxuriöse Wohnungen angeboten wurden. Nein, Isobel hatte sich für ein Apartment im oberen Stockwerk eines umgebauten viktorianischen Stadthauses entschieden, dessen Mangel an modernen Annehmlichkeiten durch den vornehmen Stil mehr als wettgemacht wurde.

Es überraschte Jake nicht, dass sie das betagtere Gebäude bevorzugt hatte. Isobel entstammte altem Geldadel und würde, wie immer ihre Verhältnisse auch sein mochten, eher in Räumen frieren, für die niemals eine Zentralheizung vorgesehen war, als umgeben von Komfort in anonymer Einförmigkeit zu leben.

Nicht dass die Wohnung billig gewesen wäre. Jake kannte ihren Preis. Wie sollte es auch anders sein, dachte er ironisch. Bei ihrer Trennung hatte er sie für Isobel gekauft.

Jake musste seinen Wagen in der Nebenstraße parken und die kurze Strecke zum Eaton Crescent zu Fuß gehen. Es regnete, typisches Maiwetter, und er blickte missmutig drein, als seine Lederjacke im Platzregen an den Schultern pitschnass wurde. Schon wieder muss eine Jacke dran glauben, dachte er resigniert und fragte sich, seit wann er Kleidungsstücke wie lästige Strafzettel wegwarf. Er hätte einen Schirm benutzen sollen.

Auf einer Tafel neben der Tür standen die Namen der einzelnen Hausbewohner neben den jeweiligen Klingeln. Angeblich aus Sicherheitsgründen, aber Jake wusste, dass hartnäckige Besucher einfach sämtliche Klingelknöpfe drückten, bis irgendeiner dumm genug war, sie hereinzulassen. Eine Gegensprechanlage gab es nicht. Zwar hatte er beim Kauf der Wohnung Isobel gegenüber seine Bedenken geäußert, aber seine Besorgnis hatte sie gleichgültig gelassen.

Jake schob diese unerfreuliche Erinnerung beiseite, drückte auf Isobels Klingelknopf und wartete auf den Türsummer. Isobel wusste, dass er kam, also konnte sie schlecht so tun, als wäre sie nicht da.

Er musste nicht lange warten. Schon ertönte der Summton, und Jake stieß die Tür zum Flur auf.

Drinnen war es düster, roch aber angenehm nach Lavendel und Möbelpolitur. Ein Reinigungsdienst hielt die Korridore und das Treppenhaus in ausgezeichnetem Zustand, und man war augenblicklich vom edlen Ambiente beeindruckt.

Die Tür schloss sich automatisch hinter ihm, und nachdem er sich flüchtig übers nasse Haar gefahren war, stieg Jake die mit Teppich ausgelegte Treppe hinauf, wobei er jeweils zwei Stufen auf einmal nahm. Sein Atem ging etwas schwer, als er die zweite Etage erreichte, und ihm fiel ein, dass er schon länger keinen Sport mehr getrieben hatte. Vor dem Computer zu sitzen war ja so viel bequemer, als Gewichte zu stemmen, wenn auch längst nicht so gesund.

Isobels Tür war zu. Er widerstand dem Impuls, die Klinke nach unten zu drücken, hob die Hand und klopfte. Dann wartete er ein wenig ungeduldig, dass Isobel ihm öffnete.

Aber nicht Isobel machte die Tür auf, sondern Emily. Da stand sie nun und starrte ihn so wütend und voller Groll an, wie er es von ihrer Mutter erwartet hätte.

„Was willst du?“

Ihre Frage überraschte ihn. Er war davon ausgegangen, dass Isobel seinen Besuch mit ihr besprochen hatte. Offensichtlich hatte sie das nicht getan, und nun blieb es ihm überlassen, einer frühreifen Zehnjährigen klar zu machen, dass ihre Mutter ihn erwartete.

„Sie ist nicht da“, verkündete Emily sichtlich zufrieden. „Du wirst also ein andermal wiederkommen müssen.“

Jake blinzelte. „Das meinst du nicht ernst.“ Er dachte dabei an den Ärger, den er gehabt hatte, nur um diese Verabredung einzuhalten. Ganz zu schweigen von seinem Parkplatz eine Straße weiter und den Fußmarsch im strömenden Regen.

„Klar, ganz bestimmt“, antwortete sie selbstgefällig. Offensichtlich genoss sie seinen Frust. Sie machte Anstalten, die Tür zu schließen. „Ich werde ihr sagen, dass du hier warst …“

„Warte!“ Bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuknallen konnte, zwängte er den Fuß in den Spalt. Er zuckte zusammen, als die schwere Holztür dumpf gegen seinen Stiefel prallte, hielt jedoch durch, und Emily musste sich am Ende geschlagen geben.

„Das wird Mummy gar nicht gefallen“, rief sie aus und warf ihren dunkelbraunen Zopf zurück. „Du hast mir nichts zu sagen.“

„Und ob ich das habe“, erwiderte Jake grimmig. „Wie wär’s, wenn du jetzt aufhörst, dich wie ein verwöhntes Gör zu benehmen, und deiner Mutter erzählst, dass ich warte?“

„Ich hab dir doch schon gesagt, sie ist nicht da.“ Jetzt zitterte ihre Stimme ein bisschen. „Was fällt dir ein, dich so hereinzudrängen! Du machst mir Angst!“

Jake hatte gedacht, es würde etwas mehr dazugehören, Isobels Tochter Angst einzujagen. Aber vielleicht hatte er sich ja getäuscht. Jedenfalls wurde er plötzlich daran erinnert, dass Emily, obwohl groß für ihr Alter und ziemlich frech, immer noch ein Kind war, und er bedauerte, dass er ihr gegenüber die Beherrschung verloren hatte.

„Ich bin der Ehemann deiner Mutter. Also, wo ist sie? Sie wusste, dass ich komme. Warum … warum ist sie nicht hier?“

Emily zog einen Schmollmund. „Sie ist bei Granny“, teilte sie ihm schließlich mit. „Ich weiß nicht, wie lang sie dortbleibt.“

„Bei deiner Großmutter?“ Jake merkte, wie erneut Wut in ihm aufflammte, und kämpfte sie entschlossen nieder. Aber er hätte wissen müssen, dass Lady Hannah ihre Hand im Spiel hatte. Sie hatte ihn noch nie gemocht, hatte die Beziehung ihrer Tochter zu ihm noch nie gebilligt. Und sie hatte bis heute noch nicht begriffen, dass sie ohne seine Hilfe längst nicht mehr jenes verfallene Gemäuer ihr Eigen nennen würde, das sie als „Familiensitz“ bezeichnete.

Jake atmete tief durch. „Du willst doch nicht etwa behaupten, dass sie in Yorkshire ist, oder?“

„Nein.“ Wieder zog sie einen Schmollmund. „Sie ist in Grannys Wohnung.“

„Gut.“ Das war wenigstens keine paar Hundert Meilen entfernt. „Was macht sie dort?“, fragte er, stolz, dass seiner Stimme die Frustration nicht anzuhören war.

Emily zuckte die schmalen Schultern. Einmal mehr fiel ihm auf, wie ähnlich sie Isobel war. Natürlich hatte sie helleres Haar, aber ihre kindlichen Züge verrieten jetzt schon, dass sie eines Tages die Schönheit ihrer Mutter besitzen würde. Sie war groß und schlank, und ihre Augen hatten den gleichen leuchtenden Blauton.

„Granny hat sie zu sich kommen lassen“, antwortete sie schließlich. Und fügte hinzu: „Es geht ihr nicht sehr gut.“

Jake stieß einen Fluch aus, ehe er es verhindern konnte, aber Emily zog nur tadelnd die Brauen hoch – wie ihre Großmutter. Es war geradezu unheimlich. „Dann hast du also keine Ahnung, wann sie zurück sein wird?“

Emily zögerte. „Na ja, sie meinte, es würde nicht lang dauern“, murmelte sie widerwillig.

„Moment mal.“ Jake war gerade etwas eingefallen. „Bist du etwa ganz allein hier?“

„Was geht dich das an?“ Emily wurde wieder aufsässig. „Ich bin kein Baby mehr.“

„Das vielleicht nicht.“ Jake presste die Lippen zusammen. „Aber selbst eine Zehnjährige müsste wissen, dass man einem Fremden nicht die Tür öffnet.“

„Ich bin fast elf“, korrigierte Emily ihn verächtlich. „Aber woher sollst du das wissen. Du bist ja bloß mein Vater.“

„Ich bin nicht dein …“ Jake verstummte abrupt.

Er wollte sich nicht mit Emily über ihre Herkunft streiten. Warum hatte Isobel ihr gesagt, er sei der Vater? Er hatte dafür keine Erklärung, es sei denn, es war ihre Art, anderen die Verantwortung zuzuschieben.

„Außerdem wusste ich, dass du es bist“, setzte Emily gelangweilt hinzu. „Ich habe dich durchs Fenster gesehen.“ Sie ließ den Blick abschätzend über ihn gleiten. „Du bist ganz nass.“

Jake atmete tief durch. „Wie du siehst“, bemerkte er und sah hinunter auf seine vom Regen fleckige Jacke. „Ja, vielleicht hast du schon bemerkt, dass es regnet.“

„Du kommst wohl besser rein.“

Jake zögerte. „Hat deine Mutter dir gesagt, dass ich komme?“, fragte er, weil er plötzlich ahnte, weshalb sie aus dem Fenster geschaut hatte. Hatte Isobel ihre Tochter absichtlich allein gelassen, während sie zu Beginn der Rushhour quer durch London fuhr? Erwartete sie, dass er so lange blieb, bis sie zurückkam? Dass er Emilys Babysitter spielte?

„Kann schon sein“, antwortete Emily ausweichend, drehte sich um und ging den Flur entlang. Plötzlich blieb sie stehen und sah zu ihm zurück. „Kommst du jetzt rein, oder nicht?“

Oder nicht, dachte Jake wütend, warf kurz einen Blick auf seine goldene Armbanduhr und unterdrückte einen Fluch. Es war schon nach fünf. Er hatte Marcie versprochen, sie um sechs Uhr bei ihrem Friseur in Mayfair abzuholen. Verdammt, das würde er nicht schaffen.

Er hörte, wie unten eine Tür geöffnet wurde, und spähte hoffnungsvoll über das Geländer. Aber es war nur einer der Nachbarn. Wahrscheinlich kam er gerade von der Arbeit. Jake verdrängte seinen Ärger und betrat, wenn auch nur widerwillig, das Apartment seiner Ehefrau.

Emily war in einem Raum am Ende des Korridors verschwunden. Wenn er sich recht erinnerte, war es die Küche. Er streifte seine nasse Jacke ab, schloss die Eingangstür und folgte Emily.

Wie erwartet, war sie in der Küche, wo sie gerade den Wasserkocher auffüllte und einschaltete.

„Ich nehme an, du möchtest Kaffee“, sagte sie. Ihre kühle Distanz erinnerte ihn wieder an Isobel. „Leider ist es nur löslicher. Mummy sagt, was anderes können wir uns nicht leisten.“

Jake biss die Zähne zusammen, als er seine Jacke auf einen freien Stuhl warf. Diese beiläufige Bemerkung traf ihn zutiefst. Weshalb konnten sie sich nichts anderes leisten? Er hatte Isobel im Lauf der Jahre nun wirklich genug gezahlt!

Aber das wollte er nicht mit dem Kind besprechen. Unter halb gesenkten Lidern beobachtete er, wie Emily ein paar Löffel Pulverkaffee in einen Porzellanbecher gab. Sie war diese Aufgabe offensichtlich gewohnt. Als sie ein Kännchen Milch aus dem Kühlschrank holte, warf sie einen Blick in seine Richtung.

„Nimmst du Milch und Zucker?“, erkundigte sie sich höflich.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich etwas will“, antwortete er kurz angebunden und fügte unwirsch hinzu: „Solltest du überhaupt mit kochendem Wasser umgehen?“

„Oh, Mann!“ Emily warf ihm einen zynischen Blick zu. „Tu nicht so, als würde dich das kümmern. Außerdem kann ich Kaffee aufbrühen. Sehr gut sogar. Das mach ich schon ewig.“

„Wenn du meinst.“

„Ja, das meine ich.“ Emily stützte sich mit beiden Armen auf dem Tresen ab. „Also – was willst du?“

„Wann ist deine Mutter weggegangen?“

Emily zuckte die Schultern. „Vor kurzem.“

„Wann vor kurzem?“

„Weiß ich nicht.“ Sie hob die Hand und zog ihren Zopf über die Schulter. „Vor einer Stunde, oder so.“

„Vor einer Stunde?“

Jake fühlte sich ein bisschen beruhigt. Seiner Schätzung nach dürfte Isobel nicht länger als eine Stunde bis nach Bayswater brauchen. Sie würde wie lange bei ihrer Mutter bleiben? Eine halbe Stunde vielleicht? Also zweieinhalb Stunden alles in allem. Was bedeutete, dass er, wie befürchtet, zu spät dran wäre, um Marcie abzuholen, aber nicht zu spät, um ihre Verabredung zum Abendessen bei den Allens einzuhalten.

„Du hast mir immer noch nicht verraten, wie du deinen Kaffee haben möchtest.“

Während er sich seine Möglichkeiten durch den Kopf hatte gehen lassen, hatte das Wasser im Kessel gekocht, und Emily hatte den Becher aufgefüllt, „Ich – so, wie er ist“, sagte er. „Danke“, fügte er hinzu, als sie ihm den Becher hinschob. „Leistest du mir nicht Gesellschaft?“

„Ich trinke keinen Kaffee“, sagte Emily und zögerte kurz, bevor sie auf das angrenzende Wohnzimmer deutete. „Wir können auch hier sitzen.“

Jake zog die Brauen hoch, nahm dann jedoch seine Jacke und seinen Kaffeebecher und folgte ihr. Sie hatte recht. Er konnte es sich genauso gut gemütlich machen. Beide wussten, er würde bleiben, bis Isobel nach Hause kam.

Das Wohnzimmer war der größte Raum. Bei ihrem Einzug hatte Isobel ihn so möbliert, dass die Einrichtung zu der hohen Decke und dem polierten Holzfußboden passte. Statt moderner Stühle und Sofas hatte sie ein Paar mahagonigerahmter Sofas und zwei hochlehnige Sessel ausgesucht, die mit burgunderrotem Samt bezogen waren. Es gab mehrere Beistelltische und eine geschnitzte Eichenvitrine, die das Hochzeitsgeschenk von ihrer Mutter enthielt: Porzellan und ein silbernes Teeservice. Ein hoher Bücherschrank, vollgestopft mit Büchern, stand neben dem großen Kamin aus Bruchsteinen, wo Isobels einziges Zugeständnis an das einundzwanzigste Jahrhundert hinter einer Glasscheibe glomm. Ein offenes Feuer wäre bei einem Kind in der Wohnung zu gefährlich gewesen, und das gasbetriebene Ersatzfeuer flackerte sehr stilecht. Lange Samtportieren hingen vor den breiten Erkerfenstern. Ihr dunkelrot verblich allmählich zu einem gedämpften Farbton. Der riesige Teppich wirkte ein wenig fadenscheinig, und Jake fragte sich, ob Isobel diese Wahl absichtlich getroffen hatte. Bei der Summe, die er ihr monatlich zukommen ließ – und bei ihrem Job –, sollte es ihr eigentlich an nichts fehlen.

Während er sich umsah, entdeckte er jedoch überall deutliche Abnutzungserscheinungen. Die Schränke mussten dringend poliert werden, die Dielen waren zerschrammt. War Isobel damit überfordert, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen?

Aber Isobels Probleme sind nicht meine, entschied er und hängte seine Jacke über eine Stuhllehne. Er machte es sich auf einem der Sofas bequem, einen Fuß über dem Knie. Der Kaffee war zum Trinken noch zu heiß, deshalb stellte er den Becher auf den Boden neben sich.

Ich hätte es mir denken können, überlegte er, als Emily rasch den Raum durchquerte und einen Beistelltisch neben ihm platzierte. Sie stellte einen Unterteller darauf und bückte sich, um seinen Becher aufzuheben, aber er kam ihr zuvor. „Das mach ich schon“, sagte er leicht ungeduldig. „Du kannst verschwinden und deine Hausaufgaben erledigen oder was du sonst nachmittags um diese Zeit immer tust.“

Anscheinend hatte Emily nicht die Absicht, ihn allein zu lassen. „Meine Hausaufgaben kann ich auch später machen“, sagte sie und setzte sich in den Sessel am Kamin ihm gegenüber. „Ich habe Zeit genug.“

Ich aber nicht, dachte Jake trocken und blickte das Mädchen verärgert an. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter. Die Art, wie sie dasaß, den Rücken kerzengerade, die Knie sittsam aneinandergelegt. Vielleicht war es auch das Ergebnis der Erziehung ihrer Großmutter. Die alte Dame hatte Isobel beeinflusst. Warum dann nicht auch ihre Enkelin?

Plötzlich schien ihr seine Musterung bewusst zu werden. Sie trug noch ihre Schuluniform: grauer Rock, weiße Bluse und grüne Strickjacke. Jetzt wandte sie den Blick von ihm ab und steckte einen Finger in eins der Knopflöcher ihrer Jacke. Hatte sie Angst vor ihm?

Irgendwie fühlte er sich verpflichtet, irgendetwas zu sagen. „Was ist denn nun mit deiner Grandma los?“

„Granny geht’s nicht gut. Das hab ich dir doch schon erzählt.“

„Ja, aber was fehlt ihr? Weißt du das?“

Emily presste die Lippen zusammen. „Ich glaube … ich glaube, es hat mit ihrem Herzen zu tun“, antwortete sie endlich. Und etwas bestimmter fügte sie hinzu: „Sie hatte letztes Jahr eine Herzoperation.“

„Ach ja?“

Jake runzelte die Stirn. Isobel hatte ihm nichts davon erzählt. Aber warum hätte sie auch? Sie hatten sich in letzter Zeit ja kaum gesehen.

„Du magst Granny nicht, stimmt’s?“, bemerkte Emily plötzlich, und Jake stockte der Atem.

„Wie bitte?“

„Du magst Granny nicht“, wiederholte sie ausdruckslos. „Sie sagt, du hast sie noch nie gemocht.“

„Ach wirklich?“ Jake spürte Ärger in sich aufsteigen. „Nun ja, sie muss es ja wissen.“

„Warum?“ Emily zog fragend die Brauen hoch, und Jake seufzte.

„Ich schätze, weil sie mich noch nie gemocht hat“, antwortete er nach kurzer Überlegung. Warum sollte er sich verteidigen? Das alte Mädchen hatte lange genug seinen Willen durchgesetzt. „Ich könnte mir denken, dass sie dir das nicht erzählt hat.“

„Nein.“ Emily wirkte skeptisch. „Wohnst du deshalb nicht mehr bei uns?“

„Nein!“ Jake wusste, er klang verärgert, und schlug einen anderen Ton an. „Hör mal, warum siehst du nicht ein bisschen fern oder machst sonst was? Ich muss ein paar Anrufe erledigen.“

„Was für Anrufe?“

„Telefonanrufe“, sagte Jake kurz angebunden, stand auf und holte sein Handy aus der Jackentasche. „Hast du was dagegen?“

„Nein.“ Emily schüttelte den Kopf. „Wen willst du anrufen?“

Meine Geliebte?

„Einen Freund“, erwiderte er und nahm wieder Platz. „Niemanden, den du kennst.“

„Keine Freundin?“

Emily war hartnäckig, und einmal mehr musste Jake seine Zunge hüten.

„Ist das so wichtig?“, fragte er und machte eine bedeutsame Pause. „Kannst du mich kurz allein lassen?“

„Kannst du mich bitte kurz allein lassen“, verbesserte Emily ihn. „Granny sagt, du hast kein Benehmen.“

Granny sagt viel zu viel, dachte Jake wütend. Aber er war erleichtert, als Emily aufstand und auf die Tür zuging.

„Ich werde mal nachsehen, was wir für heute Abend zu essen haben.“ Ihr Zögern war unverkennbar. „Wahrscheinlich wird es spät werden, bis Mummy zurückkommt.“

Jake unterdrückte einen gereizten Kommentar. Außerdem hatte Emily den Raum schon verlassen.

Marcie war alles andere als erfreut, als er sich bei ihr meldete. „Sag bloß nicht“, meinte sie, „dass du zu spät kommst. Ehrlich, Jake, du hast versprochen, es würde nicht lange dauern.“

Jake seufzte. Er konnte die Geräusche aus dem Frisiersalon im Hintergrund hören: das konstante Stimmengemurmel, das Brummen der Haartrockner, die leise Musikberieselung, die die Kundinnen entspannen sollte.

„Es gibt ein Problem“, sagte er und hoffte, sie konnte ihn hören. „Isobel ist nicht hier.“

„Sie ist nicht da?“ Offensichtlich verstand sie ihn ausgezeichnet. „Und wo liegt das Problem? Dann siehst du sie eben ein andermal.“

„Nein, das geht nicht. Das heißt …“ Es würde nicht leicht sein, Marcie zu überzeugen, dass er bleiben musste. „Emily ist hier.“

„Das Kind?“

„Isobels Tochter, ja.“ Jake missfiel Marcies geringschätziger Tonfall. „Sie ist allein.“

„Na und?“

„Ich muss hierbleiben, bis ihre Mutter zurück ist. Du bestellst dir besser ein Taxi und lässt dich nach Hause fahren.“

„Nein!“ Marcie klang wütend. „Jake, weißt du überhaupt, wie schwierig es ist, abends um diese Zeit ein Taxi zu bekommen?“

Jake seufzte. „Tut mir leid, aber ich kann es nicht ändern.“

„Doch, das kannst du“, versetzte sie ärgerlich. „Du kannst den Bastard deiner Frau allein lassen, hierher kommen und mich abholen, so, wie du es versprochen hast.“

„Sprich nicht so von ihr!“, verlangte er. „Du meine Güte, Marcie, es ist nicht ihre Schuld, dass Isobel zu ihrer Mutter gefahren ist.“

„Und meine auch nicht“, konterte Marcie grimmig. „Komm schon, Jake, sie probiert mal wieder, wie weit sie es treiben kann. Wahrscheinlich hat sie sich schon gedacht, wie du reagieren würdest, wenn du – Emily – allein antriffst.“

„Sie hatte keine Wahl.“ Jake fragte sich, weshalb er seine Ehefrau vor seiner Freundin verteidigte. „Die alte Dame ist krank, so, wie es aussieht. Das Herz, vermutlich.“

„Und mir blutet das Herz.“ Marcie schnaufte verächtlich. Dann aber, so als hätte sie gemerkt, wie mitleidlos sie geklungen hatte, atmete sie tief durch. „Okay“, sagte sie und fügte sich in ihr Schicksal. „Ich nehme mir ein Taxi nach Hause. Und du holst mich ab – wann? In eineinhalb Stunden?“

„So in etwa“, stimmte Jake zu und warf einen Blick auf die Uhr. Isobel würde bestimmt gegen halb sechs zurück sein.

„Du hast nicht vergessen, dass wir heute Abend ausgehen, oder, Jake?“ Marcie war der zweifelnde Unterton in seiner Stimme nicht entgangen. „Du brauchst mindestens eine Stunde, um dich zu duschen und umzuziehen.“

„Das ist mir klar.“ Langsam wusste er nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. „Lass mich jetzt in Ruhe, Marcie, ja? Ich werde da sein.“

„O Jake.“ Marcie seufzte. „Tut mir leid, wenn ich mich wie ein Drachen angehört habe. Es ist nur, ich freue mich so sehr auf diesen Abend. Und ich habe nicht den halben Tag im Schönheitssalon verbracht, damit – nun ja, Isobel mir diesen Abend verdirbt.“

„Das wird sie nicht. Ich verspreche es dir.“ Hoffentlich gab er da keine Versprechungen, die er nicht halten konnte. „Jetzt muss ich Schluss machen. Wir sehen uns später.“

Er gab ihre keine Gelegenheit mehr, weiter zu diskutieren. Aus dem Augenwinkel hatte er Emily bemerkt, die unmittelbar hinter der Küchentür herumschlich. Und er hatte nicht die Absicht, ihr pikante Details für Gerede mit ihrer Mutter zu liefern.

Sobald er das Handy ausgeschaltet hatte, tauchte sie auf. „Fertig?“, fragte sie, und er nickte. Natürlich war er nicht so naiv, sich einzubilden, sie habe nicht die ganze Zeit zugehört.

Aber jetzt war es zu spät, daran noch etwas zu ändern. Er nahm seinen Kaffeebecher und trank dankbar einen Schluck. Zum Glück war er jetzt kalt genug und überraschend gut außerdem. Sie hatte eindeutig nicht übertrieben, als sie sagte, sie würde nicht zum ersten Mal Kaffee aufbrühen.

„Möchtest du noch welchen?“, fragte sie, als er den leeren Becher abstellte, doch Jake lehnte ab.

„Nicht jetzt gleich“, sagte er und beobachtete sie seltsam kritisch, als sie sich umdrehte, um den Becher in die Küche zu bringen.

In ihrer Schuluniform sah sie aus wie die übrigen hundert Mädchen der Lady-Stafford-Mittelschule. Dennoch hätte Jake sie mühelos inmitten einer großen Menschenmenge entdeckt. Obwohl er sie in den letzten zehn Jahren nur ein paar Mal gesehen hatte, hätte er sie überall erkannt.

Verdammt, sie war nicht seine Tochter. War es nie gewesen. Und wäre Isobel nicht so versessen darauf gewesen, sie anzulügen, hätten er und das Mädchen eine freundschaftliche Beziehung aufbauen können. Jetzt hasste Emily ihn, und er hegte eine instinktive Abneigung gegen sie.

Dann kam sie zurück und setzte sich wieder ihm gegenüber.

„Nun, was machst du so in deiner Freizeit?“, fragte er in freundlichem Ton. „Hast du einen Computer?“

„Natürlich. Den hat doch jeder“, erwiderte sie bissig.

Jake versuchte es noch einmal. „Und wie steht’s mit Computerspielen? Darin bin ich ziemlich gut.“

„Du spielst Computerspiele?“

Es klang verächtlich, und Jake spürte Ärger in sich aufsteigen. Anscheinend hatte sich Isobel sehr genau überlegt, welche Informationen sie ihrer Tochter gab. Es würde ihm eine Freude sein, ihr den Spaß zu verderben.

„Ich erfinde sie“, sagte er wie nebenbei. „Unter anderem. Hat deine Mutter es dir nicht erzählt?“

„Nein.“ Neugierde blitzte in ihren Augen auf. „Welche Spiele hast du erfunden?“

Jake runzelte die Stirn und gab vor nachzudenken. „Lass mich mal überlegen … Hast du schon von Moonraider gehört? Space Spirals? Black Knights?“

Emily klappte der Unterkiefer herunter. „Du hast Black Knights erfunden?“, rief sie verblüfft aus. „Das glaube ich nicht.“

Jake zuckte die Schultern. „Dann hast du es also schon gespielt?“

„Ja. Ja.“ Emily warf einen Blick über die Schulter. „Mummy hat mir zu Weihnachten eine Dreambox gekauft.“

Jake verzog anerkennend das Gesicht. „Das war eine gute Idee von ihr.“

„Wieso? O Gott!“ Emily presste beide Hände an die Wangen. „Hast du auch Dreambox erfunden?“

„Dreambox gehört mir“, sagte Jake lächelnd. „Und ich glaube nicht, dass es deiner Mutter gefallen würde, wenn du ‘O Gott’ sagst, oder?“

„Granny würde mich bei Pater Joseph melden“, gab sie ihm recht. „Wahrscheinlich müsste ich dann hundertmal das Ave Maria beten, weil ich den Namen des Herrn ohne Not ausgesprochen habe. Trotzdem …“ Sie sah ihn beinahe andächtig an. „Dir gehört Dreambox! Das finde ich cool!“

Es überraschte Jake, wie sehr Emilys Reaktion ihm schmeichelte. Sie war nur ein Kind, aber die Bewunderung in ihrem Blick tat ihm gut. Es gefiel ihm tatsächlich, dass sie ihn gut fand. Am liebsten wäre er losgegangen und hätte ihr alle Spiele gekauft, die er bis jetzt auf den Markt gebracht hatte.

„Hättest du Lust, Black Knights mit mir zu spielen?“, schlug sie plötzlich vor. „Nur so lange, bis Mummy zurück ist, meine ich. Dann hätten wir etwas zu tun.“

Jake zögerte. Er hatte das Gefühl, dass Isobel nicht damit einverstanden wäre, wie sich die Dinge entwickelten. Okay, vielleicht hatte sie die verrückte Idee gehabt, er könnte seine Einstellung ihr gegenüber ändern, wenn sie ihn und Emily zusammenführte.

Zum Teufel damit!

Er sah in das erwartungsvolle Gesicht des Mädchens und machte eine zustimmende Geste. „Warum nicht?“ Er stand auf. „Wo ist dein Computer? In deinem Zimmer?“

Einige Zeit später, als Jakes Handy zu klingeln begann, stellte er erschrocken fest, dass es beinahe sieben Uhr war. Er war so vertieft gewesen in das Spiel, das Emily, wie er festgestellt hatte, außergewöhnlich gut beherrschte, dass er dabei die Zeit völlig vergessen hatte. Während er Hexen und Kobolden auswich, über Spalten hinwegsprang, in denen Drachen lauerten, während er über Hindernisse lachte, die einer lebhaften Fantasie entsprungen waren, hatte er erkannt, wie viel Spaß es machte, mit jemandem zu spielen, der ihn wirklich zu schlagen versuchte. Abgesehen von seinem stellvertretenden Geschäftsführer bei McCabe Tectonics wollten seine übrigen Angestellten eher seine Anerkennung als das Spiel gewinnen.

Er entschuldigte sich kurz bei Emily, ging zurück ins Wohnzimmer, wo er sein Handy gelassen hatte, und blickte mit einem unguten Gefühl auf das Display. Wie erwartet, wurde Marcies Nummer angezeigt, und Marcie war alles andere als erfreut.

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
Mehr erfahren