Heißes Happy End in Griechenland

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Heiße Genugtuung erfasst den Milliardär Rion Delikaris, als er die schöne Adlige Libby in Athen wiedersieht. Nie hat er vergessen, dass sie ihn verließ, als er noch ein Niemand war. Nun soll sie dafür büßen! Das schwört er sich - nur sein Herz hält dagegen …


  • Erscheinungstag 09.07.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515221
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Laut Umfrage, Mr Delikaris, liegt Spyros in der Wählergunst leider immer noch vorn.“

Orion starrte auf das Stufendiagramm der Powerpoint-Präsentation. Nach außen hin wirkte er ruhig – lediglich das Zucken eines Wangenmuskels verriet seine innere Anspannung. Schließlich warf er seinem Wahlkampfmanager, der neben ihm an dem blankpolierten Konferenztisch saß, einen eisigen Blick zu. Niemals gestattete Orion sich, einen Fehlschlag auch nur in Betracht zu ziehen, und diese Einstellung erwartete er auch von den Mitgliedern seines Teams. Dafür bezahlte er sie immerhin.

„Wir haben natürlich Fortschritte gemacht“, fügte der Mann, dem die Missbilligung seines Chefs nicht entgangen war, hastig hinzu. „Vor allem, seit der Schwerpunkt unserer Kampagne auf den Investitionen liegt, die Sie für den sozialen Wohnungsbau und das neue Krankenhaus vorsehen. Allerdings reichen die Fortschritte nicht ganz an unsere Erwartungen heran.“

Er wechselte zu einem Vergleichsdiagramm, das ein anderes Umfrageergebnis zeigte – ein weitaus positiveres nämlich. Es brachte Orion erst recht in Rage, denn es verdeutlichte, wie wenig die Prognose seines Teams zutraf.

„Soll das heißen, ein Mann, der genauso korrupt ist wie sein berüchtigter Vater, ist immer noch der beliebtere Kandidat? Obwohl der Schwerpunkt unseres Wahlkampfs genau auf den Themen liegt, die in Metameikos am dringendsten anzugehen sind?“ Orion warf jedem in der Runde einen vernichtenden Blick zu. „Hätte vielleicht einer von Ihnen die Güte, mir zu erklären, wie das möglich ist?“

Ein unbehagliches Schweigen breitete sich im Raum aus.

Schließlich ertönte vom Ende des Tisches eine Stimme: „Vielleicht trauen die Menschen in Metameikos der Sache ja nicht so ganz.“

Es war förmlich zu spüren, wie die anderen Sitzungsteilnehmer den Atem anhielten. Langsam wanderte Orions Blick zu der Person, die gesprochen hatte. Es war Stephanos, ein Assistent des Wahlkampfmanagers und ganz neu im Team – außerdem der Jüngste der Anwesenden.

„Und? Weiter?“

„Die Menschen sehen in Ihnen einen Milliardär, der plötzlich aus einer Laune heraus beschlossen hat, von nun an die Politik in ihrer Provinz zu bestimmen – zumindest fragen sie sich, welche Motive dahinterstecken.“ Stephanos hielt inne und wartete darauf, dass sich Rions Zorn über ihn ergoss. Als das Donnerwetter jedoch ausblieb, fasste er sich ein Herz und fuhr fort: „Auch wenn Sie genau das versprechen, was die Bevölkerung am dringendsten braucht, bleibt man skeptisch, ob Sie den Worten auch Taten folgen lassen. Vielleicht halten die Leute Ihre Kandidatur für eine exzentrische Idee. Oder man befürchtet für den Fall Ihrer Wahl, dass Ihre Geschäfte in Athen Sie zu stark beanspruchen würden, um sich Ihrer neuen Rolle mit vollem Einsatz widmen zu können. Wir wissen natürlich, wie unbegründet diese Befürchtungen sind, aber die Menschen nicht. Sie bleiben lieber beim Altbewährten – bei dem, was sie kennen, auch wenn ihnen das Nachteile bringt.“

Nachdenklich betrachtete Orion Stephanos. Der Junge besaß Rückgrat, das gefiel ihm. Er entdeckte darin eine Ähnlichkeit mit sich selbst. Außerdem begriff er, dass die Mechanismen in der Politik anderen Gesetzen folgten als im Geschäftsleben. An der Wahlurne trafen die Menschen ihre Entscheidung mit dem Herzen und weniger mit dem Verstand. Im Prinzip wusste Orion das auch, doch er hatte ein Phänomen unterschätzt: Anstatt sich auf etwas Neues einzulassen, neigten die Menschen dazu, sich für das Altbewährte zu entscheiden, auch wenn sie dadurch Chancen vergaben. Orion selbst hingegen würde eine neue Gelegenheit jederzeit ergreifen.

„Welche Strategie würden Sie denn vorschlagen?“

Die anderen am Tisch tauschten erstaunte Blicke, und der Wahlkampfmanager sah brüskiert zur Seite.

Stephanos holte tief Atem. „Damit die Menschen Ihnen glauben, muss es Ihnen gelingen, eine Vertrauensebene zu schaffen. Sie müssen sie davon überzeugen, dass Sie ihre Wertvorstellungen – die guten alten griechischen Tugenden – teilen.“

Rion zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Seine Wertvorstellungen entsprachen genau den guten alten Traditionen – und zwar seit jeher. Daran hatte sich nichts geändert. „Immerhin bin ich in Metameikos aufgewachsen“, betonte er, „das spricht ja wohl für sich.“ Seine Kindheit dort hatte ihn geprägt und zu dem gemacht, was er war.

„Dann überzeugen Sie die Menschen davon, dass Sie den Ort noch immer als Ihre Heimat betrachten.“ Allmählich redete Stephanos sich warm. „Überzeugen Sie sie, dass Ihr Haus nicht nur eine weitere Ihrer zahlreichen Immobilien ist, sondern Sie vorhaben, sich dort niederzulassen.“

„Und wie soll mir das – Ihrer Meinung nach – gelingen?“

„Wollen Sie das wirklich wissen?“, fragte Stephanos zögernd. Zum ersten Mal schien er Bedenken zu haben, seine Gedanken freimütig zu äußern. „Meiner Meinung nach wäre es am überzeugendsten, wenn Sie mit einer Ehefrau an Ihrer Seite nach Metameikos zurückkehrten.“

Schlagartig verfinsterte sich Orions Miene. „Dann kann ich nur hoffen, dass Ihnen noch ein anderer Vorschlag einfällt, denn das ist unmöglich.“

Libby starrte auf das wuchtige dreidimensionale Delikaris-Logo vor dem imposanten Eingang des modernen Bürohochhauses. Die riesigen Lettern rotierten in einem Brunnen langsam um die eigene Achse. Wieder sagte sie sich, dass sie das einzig Richtige tat. Wie ein Mantra hatte sie innerlich unablässig ihren Vorsatz wiederholt, seit sie wusste, dass sie für die Dauer von Zoes Schwangerschaftspause die Griechenlandtour übernehmen würde.

Nun war sie schon eine Woche in Athen, hatte ihr Vorhaben jedoch immer wieder herausgezögert – und selbst jetzt wäre sie am liebsten auf der Stelle umgekehrt. Wie lächerlich, denn gerade jetzt war der passende Zeitpunkt, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Schließlich hatten sie und Rion seit fünf Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Nur – in Athen zu sein, das Rathaus und ihre alte Wohnung wiederzusehen, rief alte Erinnerungen wach. Aber sie waren nichts anderes als Schatten der Vergangenheit. Immer noch trauerte sie dem Mann von damals nach. Dem Mann, den sie so leidenschaftlich geliebt hatte. Dabei würde sie ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr erkennen, sollte sie ihm zufällig auf der Straße begegnen.

Allein der Fassade des Bürogebäudes nach zu urteilen, schien er sich stark verändert zu haben – so wie sie selbst. Während sie jedoch als Reiseleiterin für Rucksacktouristen um die halbe Welt flog, musste er Tag und Nacht hier gearbeitet haben, um all dies aufzubauen. Dabei war er wahrscheinlich nicht eine Minute lang aus seinem Designeranzug herausgekommen.

Ob er deshalb nie rechtliche Schritte eingeleitet hat, fragte sich Libby zum hundertsten Mal. War er dermaßen beschäftigt, dass er einfach nicht daran dachte, seine Anwälte zu beauftragen? Wahrscheinlich ja, vermutete sie, als sie sich schließlich zwang, durch die gläserne Drehtür zu gehen und an die Rezeption zu treten.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte die junge Frau am Empfang höflich, während sie Libbys Batikkleid und die Jesussandalen mit einem herablassenden Blick musterte. Plötzlich wurde Libby bewusst, dass sie wohl die einzige Frau in dem belebten Foyer war, die weder Kostüm noch hochhackige Schuhe trug. Sie beschloss, sich davon nicht verunsichern zu lassen.

„Ich habe gehofft, Orion Delikaris sprechen zu …“

„Haben Sie einen Termin?“

Natürlich war es nicht gerade ideal, Rion in seinem Büro aufzusuchen. Da Libby seine Privatadresse jedoch nicht hatte, blieb ihr keine andere Wahl. „Nein, ich dachte … weil doch gleich Mittag ist …“

Die Dame am Empfang ließ ein ungläubiges Lachen ertönen und warf mit Schwung ihre wallende Haarmähne nach hinten. „Da haben Sie falsch gedacht. Mr Delikaris ist ein viel beschäftigter Mann. Er hat keine Zeit für eine Mittagspause.“

Dann hat sich ja nicht viel geändert, dachte Libby trocken. „Wenn Sie vielleicht trotzdem so freundlich wären, Mr Delikaris anzurufen und ihm die Entscheidung zu überlassen, ob er mich sehen will?“ Es war ihr einmal gelungen, zweiundzwanzig Kamele für eine Wüstentour auszuleihen, nachdem der Führer, der sie begleiten sollte, nicht aufgetaucht war. Da würde sie sich doch nicht von einer Frau abschrecken lassen, deren einzige Waffe es war, sich hinter einer wilden Lockenpracht und ihrer Rezeption zu verschanzen.

Demonstrativ resigniert griff die Empfangsdame zum Hörer und tippte mit einem perfekt manikürten Fingernagel eine Nummer ein. „Electra, meine Liebe, es tut mir wahnsinnig leid, dich stören zu müssen, aber hier ist eine Frau, die darauf besteht, Mr Delikaris über ihre Anwesenheit zu informieren … ja, wahrscheinlich wieder eine von denen … sie scheint der Annahme zu sein, er würde sie empfangen.“

Sie blickte auf. „Ihr Name, bitte?“

Libby holte tief Luft. „Ich heiße Libby Delikaris. Ich bin seine Frau.“

Im Sitzungszimmer herrschte Totenstille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

„Ich fürchte, zu meinem Vorschlag gibt es keine Alternative“, erwiderte Stephanos. „Sie können nach Metameikos fahren, sooft sie wollen, die regionalen Geschäfte unterstützen und an lokalen Events teilnehmen, um den Bürgermeister auf Ihre Seite zu ziehen. Das wird meiner Meinung nach nicht wirklich etwas ändern. Außer … Sie heiraten und überzeugen so die Bevölkerung, dass Sie wirklich vorhaben, sich dort niederzulassen.“

Rion verzog das Gesicht. „Ich wiederhole: Eine Heirat kommt nicht infrage.“

Konsterniert sah Stephanos ihn an. Dieser Mann hatte geschworen, alles, aber auch alles dafür zu tun, die Wahl zu gewinnen, und jetzt zog er seinen Vorschlag nicht einmal in Erwägung! Aber wahrscheinlich war es besser, das Thema erst einmal ruhen zu lassen. „Nun gut. Wahrscheinlich sähe es auch zu sehr nach Wahlkampftaktik aus, plötzlich eine Heiratskandidatin aus dem Hut zu zaubern.“

Ein Schrillen unterbrach Stephanos. Unwillig ging Rion zum Schreibtisch und drückte eine Taste der Telefonanlage. „Ja?“, sagte er kurz angebunden.

„Es tut mir sehr leid, Sie unterbrechen zu müssen, Mr Delikaris“, erklang die Stimme der Sekretärin im Raum, „aber hier ist eine Frau, die darauf besteht, dass wir Ihnen ihre Anwesenheit melden.“

„Um wen handelt es sich?“

Die Rezeptionistin räusperte sich unbehaglich. „Sie sagt, sie heiße Libby Delikaris und … sei Ihre Frau.“

Rion erstarrte. Nicht einmal einen Finger hätte er noch bewegen können.

Sie ist zurückgekommen! Endlich betrachtete sie ihn als ebenbürtig.

Das war der Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte. Nicht, dass ihm etwas an ihrer Wertschätzung lag. Nein! Allein aus dem einen Grund wollte er sie zurück: Jetzt konnte er sich endlich rächen.

Siegessicher straffte er seine Haltung. Und plötzlich wurde ihm bewusst: Günstiger konnte der Zeitpunkt gar nicht sein. Dass sie gerade jetzt zurückgekrochen kam, wo er die Menschen davon überzeugen musste, dass ihm die guten alten griechischen Werte etwas bedeuteten! Ein eigenartiger Glanz trat in Rions Augen, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem diabolischen Lächeln. Was für ein perfektes Timing!

„Vielen Dank. Schicken Sie sie herauf“, ließ er seine Sekretärin wissen.

Im Rücken spürte er die entgeisterten Blicke seiner Mitarbeiter, über die er sich nicht besonders wunderte. Schließlich hatte er Libbys Existenz nie erwähnt. Über Fehlschläge oder die Vergangenheit pflegte er nicht zu reden. Da Libby in beide Kategorien gehörte, bemühte er sich, sie aus seinem Gedächtnis zu streichen. Manchmal gelang ihm das sogar.

Entschlossen drehte er sich um. „Meine Herren, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden! Ich fürchte, wir müssen das Meeting zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.“

Schweigend standen die Männer auf und verließen den Raum. Nur Stephanos blieb zurück. „Jetzt ist mir doch noch eingefallen, wie Sie die Bevölkerung davon überzeugen können, dass Sie sich wirklich in Metameikos niederlassen wollen.“ Er blickte Rion geradewegs in die Augen. „Nichts berührt die Menschen mehr als eine Versöhnung zwischen Ehepartnern.“ Dann verließ er schnell das Büro.

Libby hatte ihren Ehenamen seit fünf Jahren nicht mehr benutzt und sich in all der Zeit auch nie als Rions Frau bezeichnet. Dem Gesichtsausdruck der Rezeptionistin nach zu urteilen, hatte auch er kein Wort über ihre Existenz verlauten lassen. Aber offensichtlich war seine Anweisung, sie in sein Büro vorzulassen, Empfehlung genug. Plötzlich entpuppte sich die Dame als die Freundlichkeit in Person. Da Libby nicht den Lift nehmen wollte, erklärte sie ihr mit ausgesuchter Höflichkeit, wie man über das Treppenhaus zu Orions Büro gelangte.

Während sie langsam die Stufen emporstieg, bemühte Libby sich, ihre Zweifel zu ignorieren. Schließlich ist alles längst vorbei und verarbeitet, sagte sie sich – jetzt geht es lediglich noch um Formalitäten. Die Situation war zwar etwas unangenehm, doch sicherlich konnten sie nach all den Jahren wie zwei vernünftige Erwachsene damit umgehen. Vielleicht … vielleicht würde sie danach endlich das heiß ersehnte Gefühl von Freiheit haben, das sich bisher nie einstellen wollte. Mit dieser Hoffnung im Herzen betrat sie die oberste Etage. Sie ging den schier endlos scheinenden Flur entlang und klopfte schließlich an die schwere Mahagonitür, an der Orions Name stand.

„Herein!“

Im dem Augenblick, als Libby das Büro betrat, wurde es ihr schlagartig klar: Sie hatte sich etwas vorgemacht.

Natürlich hielt sie Orion Delikaris für den begehrenswertesten Mann auf dem ganzen Planeten. Dennoch erwartete sie, dass die Zeit auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen haben würde. Aber abgesehen davon, dass er einen sehr teuren Anzug trug, sah er noch genauso aus wie früher. Dasselbe energische, männliche Kinn, unverändert das dichte dunkle Haar und die geheimnisvollen dunklen Augen, die sie schon als Teenager fasziniert hatten. Diese Augen, in deren Tiefe sie an ihrem Hochzeitstag und später in der Hochzeitsnacht versunken war.

Libby unterdrückte den Impuls, sofort auf dem Absatz kehrtzumachen, um vor längst überwunden geglaubten Gefühlen zu flüchten. „Hallo, Rion“, murmelte sie.

Ein Blick genügte, und Rion wurde von einer Woge der Begierde erfasst. Natürlich ist das nur der Jagdinstinkt, sagte er sich sofort, nichts als ein Adrenalinstoß. Immerhin steht da vor mir die Frau, die mich verlassen hat. Sobald sie ihn anflehen würde, sie zurückzunehmen, würde sein Begehren schlagartig erlöschen. Trotzdem ärgerte es ihn, dass sie immer noch diese Wirkung auf ihn ausübte. Vor allem, da sie so … so anders aussah. Ihr volles blondes Haar, das ihr einst wie ein seidiger Vorhang fast bis zur Taille reichte, trug sie jetzt in einer Art Pagenschnitt – einer Frisur, die Rion immer als unweiblich empfunden hatte. Aber er musste zugeben, der Schnitt stand ihr. Auch ihr Körper hatte sich verändert. Ihre einst so zerbrechlich wirkende Figur erschien ihm jetzt durchtrainiert, mit Kurven an den richtigen Stellen.

Rion presste die Lippen fest aufeinander. Ihrem Teint nach zu urteilen, hielt sie sich oft in der Sonne auf. Wahrscheinlich bei Urlaubsreisen in der Karibik, wo sie ihre Zeit am Strand und in Designerboutiquen verbrachte – natürlich von ihren Eltern finanziert. Allerdings passte ihre Kleidung nicht so ganz zu diesem Bild. Vielleicht stand die Firma ihres Vaters, Ashworth Motors, ja vor dem Bankrott – eine Vorstellung, die Orion durchaus gefiel. Das würde seine Rache nur noch versüßen. Er freute sich schon auf ihr Gesicht, wenn er sie abwies.

„Dann bin ich ja mal gespannt“, sagte er schließlich, „warum du so lange gebraucht hast.“

Überrascht sah Libby ihn an. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. Vor allem nicht den feindseligen Ton – aber eigentlich war der ja verständlich …

„Ich habe die Treppe genommen“, antwortete sie spöttisch. Es lag ihr auf der Zunge, hinzuzufügen: Du weißt doch, ich nehme nie den Lift, aber dann fiel ihr ein, dass er das eben nicht wusste. Eigentlich wusste er sehr wenig von ihr – und sie von ihm. „Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme.“

Rion bedachte sie mit einem schwachen Lächeln. „Ganz im Gegenteil, du kommst genau richtig. Ich meinte damit, dass ich dich eigentlich schon vor Jahren erwartet habe, Liberty.“

„Soll das heißen, du hast versucht, mich zu erreichen? Das tut mir leid, aber ich war die letzten Jahre ununterbrochen auf Reisen.“

„Glaube mir, wenn ich dich hätte erreichen wollen, wäre mir das auch gelungen.“

Aber nichts lag ihm ferner. Wozu auch? Er war sich immer sicher gewesen, eines Tages würde sie auf Knien angekrochen kommen. Und dann wäre es an ihm, sie zu demütigen. Auf diesen Augenblick hätte er auch noch zwanzig Jahre länger gewartet.

Irritiert runzelte Libby die Stirn.

„Ich habe dich schon erwartet, als mein Name zum ersten Mal auf der Liste der reichsten Männer der Welt auftauchte. Oder wolltest du warten, bis ich unter die ersten zehn käme?“

Ungläubig starrte Libby ihn an Das Gefühl der Erleichterung löste sich in Luft auf. Glaubt er tatsächlich, ich bin hier wegen seines Geldes? Plötzlich wusste sie, mit ihrer ursprünglichen Einschätzung lag sie völlig falsch. Er hatte sich verändert – war viel härter und zynischer geworden als damals. Eigentlich sollte sie froh sein, sozusagen einen Fremden vor sich zu haben. Unerklärlicherweise überfiel sie jedoch ein Gefühl tiefer Traurigkeit.

„Ich lese solche Zeitschriften nicht. Das habe ich nie getan.“

Zur Erwiderung breitete Rion die Arme aus. Eine Geste, die sein Büro und die Dachterrasse mit ihrem fantastischen Blick auf die Akropolis einschloss. „Willst du etwa behaupten, du seist über meine veränderten finanziellen Verhältnisse nicht informiert?“

„Doch, schon. Aber das ist nicht der Grund meines Besuches.“

Verächtlich lachte Rion auf. So kannte er sie. Immer noch die gute alte Liberty Ashworth, die so tat, als läge ihr nichts an Geld. Das erklärte natürlich auch ihr etwas unorthodoxes Outfit. Wahrscheinlich Teil des Plans, ihn davon zu überzeugen, materieller Besitz sei ihr gleichgültig.

„Wenn du nicht deshalb hier bist, weshalb dann?“, fragte er schließlich.

Libby atmete tief durch. Jetzt war der gefürchtete Moment gekommen. „Ich bin hier, weil wir uns seit fünf Jahren nicht mehr gesehen haben und es längst überfällig ist, die Situation zu klären.“ Sie öffnete ihre Handtasche, nahm einen Stapel Papiere heraus und legte ihn auf den Tisch.

Eigentlich hörte Rion ihr gar nicht richtig zu. Er beobachtete ihr Gesicht und fragte sich, wie weit sie dieses Spielchen wohl noch treiben würde. Aber als Libby verstummte und ihr Schweigen sich immer mehr in die Länge zog, merkte er, dass sie offensichtlich auf eine Reaktion wartete. Endlich blickte er auf die Papiere, die vor ihm lagen, und plötzlich wurde ihm alles klar.

Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, dann malte sich ungläubiges Erstaunen auf seinen Zügen. Aber damit muss er doch gerechnet haben, sagte Libby sich verblüfft. Trotzdem stieg ein vages Schuldgefühl in ihr auf.

Scheidungsantrag.

Immer wieder las Rion dieses eine Wort. Der anfängliche Schock wich allmählich einer maßlosen Wut. Natürlich, dachte er zynisch, was bedeutet schon Geld? Für sie, die Tochter von Lord und Lady Ashworth, habe ich eben nicht die richtige Abstammung.

„Aber natürlich“, stieß er schließlich bitter hervor.

Ein Kloß schien Libby im Hals zu stecken. Sie schluckte ein paar Mal schwer.

„Das heißt, du stimmst mir zu, dass es längst überfällig ist, die Angelegenheit zu regeln und die rechtlichen Schritte einzuleiten?“

Rion schloss die Augen und atmete tief durch, um den Tumult in seinem Inneren zu beruhigen. Damit hatte er nicht gerechnet – keinen Moment lang. Aber er würde es einfach nicht zulassen, dass sie ihn verletzte. Nicht ein zweites Mal. Sie wollte die Scheidung? Na gut – er auch! Er hatte nur gezögert, weil er sich viel lieber erst an ihr gerächt hätte.

Aber vielleicht war das ja immer noch möglich? Gottes Wege waren bekanntermaßen unerforschlich.

Er hob seinen Blick und registrierte befriedigt, dass sie hochrot angelaufen war. Auch wenn sie nicht mehr seine Ehefrau sein wollte, als Mann begehrte sie ihn immer noch. Genauso wie er sie. So war es eben, ob ihm das behagte oder nicht. Vielleicht sollte ich ihr unter die Nase reiben, überlegte er, dass sie nie von mir loskommen wird, und wenn sie noch so eine schlechte Meinung von mir hat. Es konnte gar nicht schaden, sie daran zu erinnern. Vielleicht würde es ihm sogar nützen – zumindest wäre es eine Genugtuung für ihn.

Ein hämisches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er war auf ihre Wertschätzung gar nicht angewiesen. Was er brauchte, war etwas völlig anderes – nämlich eine Frau an seiner Seite für die Dauer des Wahlkampfes. Und er wollte sie noch einmal in seinem Bett haben. Dann, aber erst dann, würde er sie verlassen. So wie sie ihn damals. Einstweilen genügte es aber, ihr vor Augen zu führen, wie sehr sie ihn immer noch begehrte – über alle Klassenschranken hinweg.

„Nein, gineka mou“, erwiderte er schließlich, die griechische Formulierung für meine liebe Gattin ironisch betonend. „Tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber ich kann dem nicht zustimmen.“

Der Unterton in seiner Stimme war Libby keineswegs entgangen, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Sie versuchte, sich zu beruhigen, und sagte sich, dass sie überreagierte. Rion befürchtete einfach nur, sie wolle ihn finanziell ruinieren. „Warum übergibst du die Angelegenheit nicht einfach deinen Anwälten? Sie können dir dann bestätigen, dass ich auf jegliche Ansprüche verzichte.“

„Selbst wenn das nicht der Fall wäre, würdest du nichts von mir bekommen.“ In seiner Stimme lag eine Kälte, die Libby einen eisigen Schauer den Rücken hinunterjagte und ihre Hoffnung auf eine einvernehmliche Scheidung endgültig zunichte machte.

„Wenn du vielleicht noch die Güte hättest, mich aufzuklären, warum du dich scheiden lassen willst … wenn es angeblich mit Geld nichts zu tun hat?“

„Weil es das einzig Vernünftige ist angesichts dieser absurden Situation. Rechtlich betrachtet bist du der nächste Angehörige für mich – und ich für dich –, und dabei haben wir nicht einmal mehr die Telefonnummer des anderen. Wenn ich ein Formular ausfülle, muss ich immer noch in dem Kästchen ‚verheiratetʻ ein Kreuzchen machen, obwohl ich dich ein halbes Jahrzehnt nicht mehr gesehen habe. Das ist doch alles eine große Lüge, eine Farce.“

Autor

Sabrina Philips
Sabrina Philips wuchs in Guildford, der historischen Grafschaft Surrey in England auf. Schon früh war Sabrina von jeder Form von Liebesgeschichten fasziniert. Bei einem ihrer Schülerjobs hat es sie gepackt – sie entdeckte beim sortieren des Bücherregals Susan Napier´s Liebesroman IN BED WITH THE BOSS. Sie wurde regelrecht süchtig nach...
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