Herzensbrecher küsst man nicht

– oder –

 

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Was hat sie sich nur dabei gedacht? Allison kann nicht glauben, dass sie wirklich eingewilligt hat, Rand Gibson zu heiraten - den heißesten Junggesellen der Stadt. Aber sie braucht dringend eine Greencard, andernfalls muss sie Texas bald verlassen. Eine Bedingung hat sie jedoch gestellt: kein Sex! Sie darf nicht riskieren, dass der attraktive Millionär ihr das Herz bricht. Denn er will mit dieser Zweckehe nur seinen Ruf als Playboy aus der Welt schaffen - während sie schon lange heimlich für den Herzensbrecher schwärmt …


  • Erscheinungstag 11.06.2019
  • Bandnummer 2084
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725242
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Allison Cartwright steckte in der Klemme. So sehr, dass sie es fast körperlich spüren konnte.

Ihr Visum lief bald ab, und sie wollte nicht nach Irland auf die Schafsfarm ihrer Familie in Kenmare zurückkehren, als wäre sie ein verlorenes Lamm, das blökend in die vertraute Heimat flüchtete.

Im Augenblick saß sie auf dem Rücksitz in einem Taxi. Der Fahrer hatte sie von ihrer Wohnung in Dallas, Texas, abgeholt und brachte sie in das exklusive Urlaubs-Resort Bellamy in Royal.

Sie trug an diesem heißen Sommernachmittag eine ärmellose Bluse und einen langen Flatterrock mit aufgesetzten Taschen. Ihr dunkelrotes Haar fiel ihr weich und glatt über die Schultern, und ihre helle Haut war ungeschminkt. Sie fand sich selbst eher gewöhnlich als hübsch und hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Aber manchmal fragte sie sich, wie es wohl sein mochte, wenn man eher der elegante Typ war. Jetzt gerade beschäftigten sie allerdings ganz andere Dinge als ihre mangelnde Eleganz.

Während sie den Interstate Highway in Richtung Royal entlangfuhren, sah sie auf ihre spitzen Cowboystiefel aus braunem Leder mit den blauen Nähten hinab. Sie hatte die Stiefel gekauft, kurz nachdem sie nach Texas gekommen war, und sie wollte unbedingt hier bleiben. Schon als Kind war sie besessen von Amerika gewesen, besonders von Texas. Sie hatte alles darüber gelesen, was sie in die Finger bekam. Sie hatte immer davon geträumt, hier zu leben.

Als Teenager hatte sie dann auf der Farm ihrer Familie mitgeholfen und an Schreibkursen im Internet teilgenommen. Sobald sie alt genug dafür war, schrieb sie Artikel für verschiedene Zeitschriften. Aber sie hatte außerdem noch einen festen Job als Kellnerin in einem beliebten Touristenlokal gehabt. Sie arbeitete wie verrückt und sparte beinahe ihren ganzen Verdienst, damit sie eines Tages die Vereinigten Staaten besuchen und einen großen Roman über einen schneidigen texanischen Helden schreiben konnte.

In diesem Jahr hatte sie dann eine Affäre mit der schlimmsten Sorte Mann gehabt, die man sich vorstellen konnte: einem gut aussehenden Rancher und Geschäftsmann, der von dem Augenblick an, in dem er das Restaurant betreten hatte, mit ihr geflirtet hatte. Sie war ihm voller romantischer Illusionen nach Texas gefolgt. Dort war sie dem Mann, den sie als Will Sanders gekannt hatte, in den drei Monaten, die sie miteinander verbracht hatten, immer näher gekommen. Aber er war nicht der, der er zu sein vorgab.

Vor etwa einem Monat hatte sie erfahren, dass sein richtiger Name Rich Lowell war. Doch da war er schon nicht mehr da gewesen. Er war ganz und gar aus ihrem Leben verschwunden. Aber damit hörten ihre Probleme noch nicht auf.

Man hatte ihr mitgeteilt, dass er bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen wäre.

Die Beerdigung war schrecklich gewesen. Aber der Höhepunkt? Der echte Will Sanders war aufgetaucht. Er war direkt in den Gottesdienst hineingeplatzt und hatte alle Trauergäste erschreckt. Allison war selbst auch zu Tode erschrocken gewesen, vor allem, nachdem sie die ganze Wahrheit erfahren hatte. Damals hatte sie noch geglaubt, der Mann, der gestorben war, der Mann, mit dem sie eine Affäre gehabt hatte, wäre Will Sanders gewesen.

Der Hochstapler hatte sogar Wills Gesicht gestohlen, indem er sein Aussehen so verändert hatte, dass er aussah wie der echte Will. Allison wusste nicht genau, wo Will Sanders in den zwei Jahren gewesen war, in denen Rich sein Leben übernommen hatte. Aber sie besaß inzwischen genügend Informationen, um zu wissen, dass Will sich von Verletzungen hatte erholen müssen, die Rich ihm zugefügt hatte.

Mittlerweile wurde allgemein angenommen, dass Rich tot sei. Aber alle, die bei der Beerdigung gewesen waren, hatten die Anweisung bekommen, dieses Wissen für sich zu behalten, solange die Ermittlungen in dem Fall noch nicht abgeschlossen waren. Die Polizei wollte, dass Will sich versteckt hielt, solange sie das Puzzle noch nicht ganz zusammengesetzt hatten – als würde es ihn tatsächlich nicht mehr geben.

In gewisser Weise kam sich Allison selbst wie ein Geist vor, der mit seinem Schmerz durch die Welt spukt. Sie war dumm genug gewesen, einem Hochstapler ihre ganzen Ersparnisse anzuvertrauen, zusammen mit einem großen Stück ihres naiven Herzens.

Aber sie machte weiter, sie tastete sich vorsichtig Schritt für Schritt zurück ins Leben. Und jetzt hatte sie eine anonyme Nachricht erhalten, in der stand, dass sie sich heute Nachmittag um zwei Uhr bei der Statue von Diana im Garten des Bellamy mit jemandem treffen sollte. In der Nachricht stand außerdem:

Ich habe gehört, dass Ihr Visum bald abläuft. Wollen Sie eine Greencard? Wenn ja, dann habe ich ein interessantes Angebot für Sie.

Mit freundlichen Grüßen, Mr. X

Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Mr. X sein könnte, woher er von ihrem Visum wusste und wieso er annahm, dass sie vielleicht eine Greencard gebrauchen konnte. Er hätte eigentlich auch zu ihr nach Hause kommen können, da er doch offensichtlich wusste, wo sie wohnte. Aber stattdessen hatte er sie gebeten, ihn an einem öffentlichen Ort zu treffen. Hoffentlich bedeutete das nicht, dass sie es mit einem komplett Geistesgestörten zu tun hatte.

Allison hatte sich vorgenommen, besonders vorsichtig zu sein. Doch es war trotzdem ein Risiko, sich mit einem Fremden zu treffen.

Aber verdammt noch mal, sie wünschte sich mehr als je zuvor eine Greencard. Besonders nach all dem, was sie durchgemacht hatte. Jetzt vorzupreschen war eine Möglichkeit, unabhängig zu werden und ihr Selbstwertgefühl zurückzubekommen. Sie wollte nicht zulassen, dass der Mann, der ihr das Herz gebrochen und ihr Geld gestohlen hatte, auch noch die Reste ihres angeknacksten Selbstbewusstseins zerstörte.

Sie nahm sich fest vor, stark zu sein, und sah aus dem Fenster, während sie sich innerlich auf das Treffen mit Mr. X vorbereitete.

Als sie bei dem Hotel ankam, dankte sie dem Fahrer und stieg aus dem Auto. Sie beeilte sich, in die Lobby zu kommen, und sah auf die Uhr auf ihrem Smartphone. Sie war zwanzig Minuten zu früh dran.

Sie ging zur Rezeption hinüber und ließ sich einen Plan des Hotels geben, damit sie den Weg zu der Statue fand. Das Bellamy lag mitten in einem üppigen Park, der mehr als zwanzig Hektar groß war. Sie wollte nicht ziellos auf diesem Gelände herumwandern.

Glücklicherweise war die Statue leicht zu finden. Als Allison eine Rasenfläche überquerte, sah sie sie bereits vor sich. Die Figur der Diana, der römischen Göttin der Jagd und des Mondes, wirkte stark und schön. Sie streckte gerade den Arm nach einem Pfeil in ihrem Köcher aus.

Aber Diana war nicht das Einzige, was Allison sah. Als sie näherkam, bemerkte sie einen groß gewachsenen, auffallend attraktiven Mann, der vor der Statue stand. Sein modisch zerzaustes schwarzes Haar glänzte in der Sonne, und er trug ein Button-down-Hemd mit Krawatte. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, und seine Ausstrahlung war so befehlsgewohnt, dass sie nicht erstaunt gewesen wäre, wenn er die Göttin dazu aufgefordert hätte, ihm einen ihrer wertvollen Pfeile auszuhändigen.

Es hatte Allison den Atem verschlagen. Der Mann sah nicht in ihre Richtung. Er hatte den Kopf zur Seite gewandt, aber im Profil wirkte er aufregend vertraut. Sogar aus dieser Entfernung erkannte sie ihn als Rand Gibson. Er war eng mit dem echten Will Sanders befreundet, und genau wie Allison war er auf der Beerdigung gewesen, als dort plötzlich die Hölle losbrach.

Rand drehte sich um und schien sie am anderen Ende des Rasenstücks bemerkt zu haben. Sie hoffte nur, dass sie jetzt nicht stolperte und auf dem Hintern landete, während sie auf ihn zuging.

Rand war so etwas wie eine lokale Berühmtheit, ein Millionär und Playboy, über den viel geredet wurde und der jede Menge Follower in allen sozialen Netzwerken hatte. Für sie wäre er der vollkommene Romanheld: ein wilder Kerl, dem die Frauen zu Füßen lagen. Sogar sie schwärmte für ihn. Ziemlich dumm, wenn man bedachte, was sie gerade erst erlebt hatte.

In Wirklichkeit kannte sie Rand kaum. Seit Wills Beerdigung waren sie einander ein paar Mal im Texas Cattleman’s Club hier in Royal begegnet. Allison war kein Mitglied, doch Megan Phillips, eine der anderen Frauen, die Opfer von Rich Lowell geworden waren, hatte sie eingeladen. Aber nun musste Allison sich auf das Geheimnis um Mr. X konzentrieren.

Rand war doch nicht etwa Mr. X? Nein, dachte sie. Es war ja noch nicht einmal zwei Uhr. Mr. X war einfach noch nicht da. Davon abgesehen: Warum sollte Rand ihr helfen, eine Greencard zu bekommen? Und wieso hätte er ihr eine anonyme Nachricht schicken sollen? Das passte nicht zusammen.

Aber es kam ihr trotzdem so vor, als warte er auf jemanden. Wahrscheinlich wollte er sich hier mit einer seiner vielen Geliebten treffen. Jeden Augenblick musste eine liebeshungrige Schönheit am anderen Ende des Gartens auftauchen und direkt in seine Arme stolzieren.

Was sollte sie also tun? Auf die Statue zugehen, um auf Mr. X zu warten? Es war zu spät dafür, sich hinter einem Baum zu verstecken und zu warten, bis Rand weg war. Er hatte sie schon gesehen.

Mit der ganzen Starrköpfigkeit einer Rothaarigen hob Allison den Kopf und schüttelte ihr Haar zurück. Sie würde nirgendwo hingehen, außer direkt zu der verfluchten Statue hinüber. Wenn Mr. X da war, musste sie ihn eben von Rand weglocken, falls Rand dann immer noch dort herumlungerte. Vielleicht versetzte Mr. X sie aber auch sowieso. Vielleicht war sie Opfer eines Scherzes geworden. Aber dieses Risiko musste sie eingehen.

Sie ging mit entschlossenem Schritt auf die marmorne Göttin zu, und im selben Augenblick setzte sich auch Rand in Bewegung. Es kam Allison so vor, als ob er in ihre Richtung wollte.

Er schien keine Eile zu haben, und die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen. Allison sah kurz über die Schulter, um sicherzugehen, dass hinter ihr keine andere Frau war, der Rand zulächelte. Nein. Sie war das einzige weibliche Wesen hier. Bei allen Heiligen, vielleicht war er doch Mr. X.

Als sie sich gegenüberstanden, stolperte ihr das Herz. Er durchbohrte sie förmlich mit dem Blick seiner strahlend grünen Augen. Sie selbst hatte auch grüne Augen, im selben auffälligen Farbton wie er. Aber sie fand, bei ihm leuchtete die Farbe noch viel intensiver. Alles an ihm war übernatürlich schön. Er war breitschultrig und wirkte fast majestätisch, hatte dunkle, geschwungene Augenbrauen, eine gerade, perfekt geformte Nase und ein markantes Kinn mit getrimmten Bartstoppeln. Aber das Traumhafteste an ihm war sein unglaublich küssenswerter Mund. Es war vielleicht verrückt, aber sie hatte sich schon vorgestellt, wie es wäre, lange, lustvolle, verbotene Küsse mit ihm zu tauschen.

„Sie sind früh dran“, sagte er.

„Genau wie Sie.“ Und jetzt wusste sie ohne jeden Zweifel, dass er es war, der ihr die Nachricht geschickt hatte.

Er fuhr sich mit der Hand durch sein ohnehin zerzaustes Haar. „Es ist nicht zu übersehen, dass Sie überrascht sind, mich zu treffen.“

Sie hatte das alles immer noch nicht ganz verstanden. Außerdem musste sie sich davon abhalten, seinen Mund anzustarren. Zudem hatte sie die ganze Zeit das merkwürdige sinnliche Bedürfnis, ihre Zunge an der Kante seines markanten Kiefers entlanggleiten zu lassen.

„Warum nennen Sie sich Mr. X?“, fragte sie und hätte dabei lieber nicht so bizarre Gedanken über ihn gehabt.

„Ich habe gehört, dass Sie schreiben, und ich dachte, dass Sie vielleicht Lust hätten, bei einer kleinen Intrige mitzuspielen.“

Allison konnte nur nicken. Abgesehen davon, dass sie wirklich etwas für Intrigen übrig hatte, bedeutete ein Leben als freischaffende Autorin auch, dass sie reisen und überall arbeiten konnte, wo sie wollte.

Rand zeigte auf eine kleine verschnörkelte Bank neben der Statue. „Wir können uns setzen, wenn Sie wollen. Oder wir machen einen Spaziergang durch den Garten, während wir reden. Mir ist beides recht, solange das Gespräch unter uns bleibt.“

„Setzen wir uns.“ Sie zweifelte daran, dass sie gleichzeitig gehen, reden und atmen konnte, zumindest solange er in der Nähe war.

Sie gingen zu der Bank hinüber und setzten sich nebeneinander. Sein muskulöser Arm war nur wenige Zentimeter von ihrem Oberarm entfernt. Aber die Bank war so schmal, dass es nicht anders ging. Sie hätte sich lieber für den Spaziergang durch den Garten entscheiden sollen, aber jetzt wollte sie nicht mehr vorschlagen, dass sie wieder aufstehen und herumlaufen sollten.

„Ehe wir zu der Frage mit der Greencard kommen, möchte ich sagen, wie leid es mir tut, was Rich Lowell Ihnen angetan hat“, begann er. „Er hat so viele Menschen hinters Licht geführt. Mich eingeschlossen. Aber ich habe Rich nicht besonders oft gesehen, als er sich als Will ausgegeben hat. Er hat mehr Zeit in Dallas und im Ausland verbracht als in Royal.“

Sie musste einfach fragen: „Glauben Sie, dass Rich wirklich tot ist? Oder glauben Sie, dass mehr hinter der Sache steckt, als man auf den ersten Blick denkt?“

„Ich kenne nicht die ganze Geschichte, aber ich weiß, dass die Leiche als Will identifiziert wurde, und zwar von jemandem, der Will gut kannte. Es ist also möglich, dass Rich tot ist.“ Er schwieg einen Augenblick und fügte dann hinzu: „Will hat mir gesagt, dass das FBI die Asche aus der Urne zu einem DNA-Test geschickt hat. Es gibt noch keine Ergebnisse, aber wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit. Zumindest hoffe ich das.“

Allison hoffte es auch. „Ich bin so wütend darüber, dass Rich mich auf diese Art und Weise benutzt hat. Der Verrat tut immer noch weh, aber ich komme mir auch wie eine komplette Idiotin vor, weil ich ihm meine ganzen Ersparnisse gegeben habe.“

Rand drehte sich zu ihr um, als versuchte er, eine gute Position auf der Bank zu finden. „Es gefällt mir, wie Sie sprechen, mit diesem irischen Akzent.“ Dann fügte er spielerisch hinzu: „Wussten Sie, dass der irische Akzent als einer der sexyesten der Welt gilt?“

Ihr Herz raste. Mit dieser Bemerkung hatte er ihr Gespräch gerade auf den Kopf gestellt. „Wer sagt denn so etwas?“

„Leute im Internet. Ich kann ihnen nicht widersprechen. Es klingt wirklich ziemlich sexy.“

Genau wie der leichte Südstaatenakzent in seiner Stimme. Nicht alle in Texas klangen so wie er. Da war ein frecher Unterton, bei dem ihr erotische Schauer über den Rücken liefen. Sie musste sich Mühe geben, ruhig zu bleiben, als sie höflich antwortete: „Mir gefällt Ihre Stimme auch.“

„Das freut mich zu hören.“ Er runzelte die Stirn und blinzelte in die Sonne. „Bei dem, was ich Ihnen vorschlagen will, ist es besser, wenn es Dinge gibt, die wir aneinander mögen.“

Sie fragte sich, wie er das gemeint hatte, und wartete darauf, dass er fortfuhr.

Doch stattdessen fragte er: „Wissen Sie, welche Funktion ich bei Spark Energy Solutions habe?“

„Ich weiß, dass Sie den zweithöchsten Posten innehatten und dass Will Geschäftsführer gewesen ist.“ Sie wusste auch, dass es sich um eine ausgesprochen erfolgreiche Öl- und Energiefirma handelte, die Wills Familie gehörte. „Ursprünglich haben Sie unter der Leitung von Will gearbeitet, aber dann auch für Rich, als Sie dachten, er wäre Will. Vor Kurzem erst haben Sie die Position als Geschäftsführer übernommen, als Will angeblich gestorben ist. Und das werden Sie auch bleiben, bis Will sein eigenes Leben wieder aufnehmen kann.“ Sie legte den Kopf zur Seite. „Aber was hat das alles damit zu tun, ob ich eine Greencard bekomme?“

„Ich brauche eine Ehefrau, Allison. Jemanden, der mir dabei hilft, meinen Ruf zu verbessern und dafür zu sorgen, dass ich so wirke, als ob ich die Stabilität bieten könnte, die die Leute erwarten. Bislang war mein Ruf dem Vorstand immer egal. Aber jetzt, da ich das Unternehmen führen soll, setzt man mich unter Druck, dass ich mich zusammenreißen muss. Die wollen mich deswegen sogar feuern.“ Er schwieg einen Augenblick lang. „Es gibt schon genügend Unwägbarkeiten wegen Wills gestohlener Identität, und keiner weiß, wie lange es dauert, bis sich alles geklärt hat. Der Vorstand kann es sich nicht leisten, dass ich auch noch Probleme mache.“

Allison konnte nichts anderes tun, als ihn mit einem nervösen Blinzeln anzusehen. Ihr Kopf war vollkommen leer. „Wollen Sie mir etwa vorschlagen, Sie zu heiraten?“

Er nickte. „Aber die Zeit ist knapp, es müsste so bald wie möglich sein.“

Sie sah ihn wieder nur an. Rand Gibson war beim besten Willen kein Mann für die Ehe. Er war ein Star in den sozialen Netzwerken und hatte Tausende von weiblichen Followern, die an seinen Lippen hingen und seine Fotos teilten.

Allison folgte ihm in keinem sozialen Netzwerk, weil sie nicht wollte, dass er oder sonst irgendjemand wusste, wie interessant sie ihn fand. Aber sie hatte sich länger auf seinen Internetseiten herumgetrieben, als sie zugeben mochte.

Er fuhr fort: „Zuerst werden die Leute darüber spekulieren, ob ein Mädchen vom Land wie Sie einen Playboy wie mich zähmen kann. Aber wir lassen uns so viel in der Öffentlichkeit zusammen sehen, dass alle erkennen werden, dass Sie es können.“

Sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete, einen Playboy zu zähmen. Sie hatte bereits einen hohen Preis dafür bezahlt, dass sie sich mit einem Hochstapler eingelassen hatte, und jetzt machte ihr ein umwerfend attraktiver, moderner Don Juan ein unmoralisches Angebot?

Allein der Gedanke daran, Rand so nahe zu kommen, war beängstigend. Er hatte alles, dem sie eigentlich aus dem Weg gehen müsste: Sie fand ihn heiß und verführerisch, und er strotzte nur so vor Reichtum und Charme. Genau wie Rich, als sie ihn kennengelernt hatte.

„Und wie lange soll diese Ehe dauern?“, fragte sie.

„Man muss ungefähr drei Monate auf einen Termin bei der Einwanderungsbehörde warten. Ich habe einen Freund, der bei der Behörde, der USCIS, arbeitet. Deswegen kann ich vielleicht dafür sorgen, dass es schneller geht. Er kann auf jeden Fall Ihre Sicherheitsüberprüfung beschleunigen.“

Es überraschte sie überhaupt nicht, dass jemand, der so reich war und so viele Kontakte hatte wie Rand, jemanden bei der Einwanderungsbehörde kannte.

„Wir müssen einen Ehevertrag ausarbeiten, mit dem wir beide gut leben können“, sagte er. „Ich will nicht, dass es später Schwierigkeiten gibt. Aber so oder so: Sobald Sie Ihre Greencard erhalten haben und ich dem Vorstand bewiesen habe, dass man sich auf mich verlassen kann, können wir uns überlegen, wann wir uns wieder trennen wollen. Wir lassen uns einvernehmlich scheiden. Nach der Scheidung gehen wir dann beide unserer Wege, und es braucht niemals jemand von unserer Vereinbarung zu erfahren.“

„Ich habe kein Interesse an einer Abfindungszahlung, der Ehevertrag sollte kein Problem sein.“ Sich von Rand abhängig zu machen, um zu ersetzen, was Rich ihr gestohlen hatte, war nicht der richtige Weg, ihr Selbstwertgefühl wiederherzustellen. Sie wollte sich lieber selbst etwas aufbauen, auch wenn das viel schwieriger war.

„Also, was halten Sie von meinem Vorschlag?“, fragte er.

Sie versuchte, die Stirn nicht zu runzeln. „Sie zu heiraten? Was Sie da vorschlagen, nennt man Betrug. Wenn die Einwanderungsbehörde jemals erfährt, dass wir eine Scheinehe eingegangen sind, müssen wir Strafe zahlen. Ich glaube auch nicht, dass Ihr Freund bei der USCIS es besonders gut findet, wenn Sie ihn in so eine Lage bringen.“

„Ich weiß, und das ist genau der Grund, weshalb wir niemandem die Wahrheit sagen dürfen. Nicht einmal unseren Freunden oder der Familie. Damit das Ganze funktionieren kann, müssen wir die Lüge leben.“ Rand machte ein finsteres Gesicht. „Der Vorstand setzt mir nicht nur die Pistole auf die Brust, damit ich mich zusammenreiße. Es gibt hier in Royal eine Firma, die sie als Neukunden gewinnen wollen, und wenn ich den Auftrag nicht hole, dann bin ich mit Sicherheit raus. Ich habe schon versucht, Meetings mit dieser Firma zu vereinbaren, aber deren Geschäftsführer antwortet nicht auf meine Anrufe. Nach allem, was ich gehört habe, hat auch er Schwierigkeiten mit meinem Ruf.“

„Und Sie glauben, es würde helfen, wenn Sie verheiratet wären?“

„Das ist die einzige Lösung, die ich mir vorstellen kann, wie ich meinen Ruf schnell und merkbar verbessern könnte.“ Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch mehr. „Wissen Sie, was das Schlimmste ist? Mein Vater hat mir immer vorgehalten, dass ich zu sehr Partylöwe bin, um ernst genommen zu werden. Dass mein Lebenswandel irgendwann auf mich zurückfällt. Als ich noch jung war, hat er mich bei jeder Gelegenheit kritisiert.“

Allison wunderte sich darüber, wie viel Rand von sich selbst preisgab. Rich hatte sich ihr auch immer anvertraut. Aber seine Geständnisse waren nichts als Lügen gewesen. Sie hoffte, dass Rand seine Erlebnisse nicht ausschmückte, um Vertrautheit zwischen ihnen vorzutäuschen. Sie zweifelte nicht daran, dass er eine Frau brauchte, aber wie weit würde er wohl gehen, um eine zu bekommen?

„Wo ist Ihr Vater jetzt?“, fragte sie.

„Er ist letztes Jahr gestorben, aber ich habe seine Worte immer noch im Ohr. Manchmal könnte ich schwören, dass ich ihn höre: ‚Ich hab’s dir ja gleich gesagt.‘ Genau wie alle anderen, die denken, dass ich meinen Job nicht verdient habe.“ In seiner Stimme schwang Frustration mit.

„Sind Sie sicher, dass die Leute uns überhaupt glauben, dass wir wirklich ein Paar sind?“

„Zugegeben, wir wären ein seltsames Paar. Aber Sie wissen doch, dass man sagt, Gegensätze ziehen sich an.“ Er zwinkerte ihr zu. „Vor allem wenn wir allen zeigen, wie viel Leidenschaft wir füreinander empfinden.“

Allison konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sollte ihre leidenschaftliche Verbindung etwa auch bedeuten, dass sie im selben Bett schliefen? Gehörte das zu seinem Plan, es so aussehen zu lassen, als wären sie wirklich ein liebendes Paar? Wenn sie nur darüber nachdachte, wurde ihr ganz schwindelig.

Sie wollte in den Vereinigten Staaten bleiben, ihr Glück versuchen, eine Greencard bekommen. Aber sollte sie deswegen Rand heiraten? Einen Mann, von dem sie nicht einmal wusste, ob sie ihm vertrauen konnte?

2. KAPITEL

„Sind Sie interessiert?“, fragte Rand. „Können Sie sich vorstellen, mich zu heiraten?“

Allison rutschte auf der Bank hin und her. Ein texanischer Herzensbrecher, ein Mann, für den sie geschwärmt hatte, bot ihr an, sie zu seiner Frau zu machen und ihr zu helfen, die Greencard zu bekommen, die sie so dringend brauchte. Andere Frauen hätten wohl nicht einmal darüber nachdenken müssen. Aber so einfach war es nicht, zumindest nicht für sie. Und vor allem dann nicht, wenn er versuchte, sie ins Bett zu kriegen.

„Wenn ich bei der Sache mitmache, dann gibt es zwischen uns keine Intimitäten. Wir können nicht …“

Er drehte sich ganz zu ihr. Dabei hätte er sie fast berührt. „Miteinander schlafen?“

Ihr Herz machte einen Sprung. „Ja.“

Er sah sie von oben bis unten an. „Das hatte ich auch nicht angenommen.“

„Haben Sie nicht?“ Das war das peinlichste Gespräch, das sie je in ihrem Leben geführt hatte. Und die Art, wie er sie mit seinen grünen Augen ansah, machte es noch schlimmer. „Ich dachte, dass Sie vielleicht …“

„Dass ich vielleicht was? Versuche, Sie zu verführen? Ich habe meistens Affären, also ja, ich habe darüber nachgedacht. Aber Sie sind anders als alle anderen Frauen, die ich kenne. Sie kommen mir so …“ Er hob eine Hand und fuhr leicht mit den Fingerspitzen über ihre Wange. „So unschuldig vor, irgendwie.“

Oh mein Gott. Für jemanden, der nicht vorhatte, sie zu verführen, machte er das gerade ziemlich gut. Allison konnte nicht mehr klar denken, wenn er sie so berührte.

Sie zwang sich dazu, zu sagen: „Das sollten Sie nicht machen.“

Er ließ die Hand sinken. „Sollte ich nicht?“

„Nein.“ Sie wollte nicht, dass ihr der gesunde Menschenverstand abhandenkam, nur weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte. „Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich Sie heiraten will.“

„Nein?“

„Es macht mir Angst, einen so großen Betrug zu begehen.“ Ihn ins Vertrauen zu ziehen, machte ihr auch Angst. Aber übertrieb sie vielleicht ein wenig? Er war ja kein Soziopath, so wie Rich. Er war nur ein Mann, der seinen Ruf aufpolieren musste. Seinen Ruf als Frauenheld, rief sie sich selbst ins Gedächtnis. Er war ganz bestimmt kein Engel.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie ihn heiratete, um eine Greencard zu bekommen, beging sie ein Verbrechen. Wenn sie es nicht tat, musste sie nach Irland zurückkehren.

„Je schneller Sie sich entscheiden, desto besser“, sagte er. „Aber Sie können natürlich darüber schlafen, wenn Sie glauben, dass es hilft.“

„Das wird es nicht.“ Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken.

„Was sagen Sie dann zu meinem Vorschlag?“

Sie dachte über die Alternativen nach. Bleiben und ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen oder nach Irland zurückkehren? Wenn sie an ihr bisheriges Schicksal dachte, kam es ihr so vor, als wäre eine Heirat mit ihm ihre einzige Option. Und sie wollte lieber das Risiko eingehen, sich mit Rand einzulassen, als verloren und blökend nach Hause zurückzukehren wie das arme kleine Lamm, mit dem sie sich immer wieder verglich.

Sie kniff die Augen zusammen. Einen Moment später öffnete sie sie wieder, nur damit sie von sich behaupten konnte, dass sie sich sehenden Auges auf diese Sache eingelassen hatte. „Ich mache es.“

„Wirklich?“ Er wollte offenbar ganz sichergehen. „Im Ernst?“

Autor

Sheri White Feather
Sheri WhiteFeather hat schon viele Berufe ausprobiert: Sie war Verkaufsleiterin, Visagistin und Kunsthandwerkerin. All das gibt ihr für ihre Romances Anregungen, aber am meisten wird sie von ihrem Ehemann inspiriert. Er stammt von den Muskogee-Creek-Indianern ab und ist Silberschmied. Er ist sehr tierlieb, so dass in ihrem Haushalt eine ganze...
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