Heute Nacht riskier' ich alles …

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ihren letzten Cent setzt Marianne ein, um Oz zu ersteigern. Dieser Rebell in Leder ist genau der Richtige für ihr neues Leben, wild und frei! Bis die Vergangenheit sie überraschend einholt...


  • Erscheinungstag 10.12.2013
  • ISBN / Artikelnummer 9783862789344
  • Seitenanzahl 120
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Julie Cohen

Wenn der Morgen anbricht: Heute Nacht riskier’ ich alles

Aus dem Amerikanischen von Sonja Sajlo-Lucich

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Being A Bad Girl

Copyright © 2006 by Julie Cohen

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

ISBN eBook 978-3-86278-934-4

www.mira-taschenbuch.de

Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

“Also gut, mal sehen, ob ich das hinkriege. Erst Tequila, dann Salz …” Marianne hielt den Behälter mit Salz über den Cocktailshaker.

“Um Himmels willen, nein!” Warren hechtete über die Bar, um ihre Hand zu packen. “Das Salz nicht in die Margarita streuen! Es gehört auf den Glasrand!”

Nichtsdestotrotz landete wegen der ruckartigen Bewegung eine großzügige Prise Salz in dem Aluminiumbecher. Betrübt starrte Marianne hinein, dann schüttelte sie den Kopf und lächelte.

“Vielleicht schmeckt salziger Tequila ja auch gut.” Sie nippte vorsichtig an dem Becher und verzog prompt das Gesicht. “Oh ja, das ist eine ganz neue Erfahrung.”

Warren lachte. “Schätzchen, du brauchst noch reichlich Training, bevor ein anständiger Barkeeper aus dir wird.”

Marianne schüttete den missglückten Drink in den Ausguss und spülte den Becher aus. “Sei nicht so unleidlich, Warren. Schließlich habe ich gestern erst angefangen. Ich versuchs eben noch mal.” Sie maß Tequila ab und goss ihn in den Becher. “Okay, kein Salz. Was kommt als Nächstes?”

Ihr Cousin lehnte sich mit der Hüfte an den Tresen, für den Moment offenbar beruhigt, dass Marianne nicht seinen gesamten Spirituosenvorrat verschwenden würde. “Triple sec. Aber nur einen Schuss.”

Es dauerte mehrere Minuten, bevor Marianne die Flasche Orangenlikör in dem Regal gefunden hatte. Unsicher hielt sie den Flaschenhals über den Shaker. Der Verschluss fiel ab, und ein wahrer Wasserfall von Likör ergoss sich in den Tequila.

“Marianne!”

Warrens Miene bot ein Bild der Verzweiflung. Marianne hielt sich den Bauch und lachte, bis ihr die Tränen kamen.

“Also ehrlich! Du …” Er schnappte nach Luft. “Nur gut, dass ich weiß, dass du einen MBA von einer der renommiertesten Universitäten des Landes hast, Cousinchen. Jeder andere, der dich gerade bei diesem kläglich fehlgeschlagenen Versuch, eine Margarita zu mixen, beobachtet hätte, würde behaupten, dass du schlichtweg beschränkt bist.”

“In Wirtschaftsseminaren bringen sie dir eben nicht bei, wie man Drinks mixt.” Sie steckte sich die dunklen Strähnen hinters Ohr, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten.

“Merkt man.” Er nahm ihr den Shaker ab und schnupperte daran. “Vermutlich hast du auf dem College auch nicht viele Partys gefeiert, was? Ganz das brave Mädchen, oder?”

“Deshalb muss ich ja auch jetzt alles nachholen.” Übermütig grinste sie ihren Cousin an.

Diesmal goss Warren den Behälter aus und blickte Marianne dann direkt in die Augen. “Schätzchen, du kannst so viel von meinem Tequila vergeuden, wie du willst, das weißt du. Aber ich muss ehrlich sagen, ich war überrascht, dich hier zu sehen.”

Marianne schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein. Sie fragte sich, wie viel sie ihrem Cousin erzählen sollte.

“Du hast doch alles daheim in Webb”, fuhr er fort. “Du bist so was wie die Prinzessin dort. Schulsprecherin bei der Abschlussfeier, Webb County Cotton Queen, genau wie deine Frau Mama … Wie oft? Zwei Jahre hintereinander?”

“Drei.”

“Drei also. Du bist hübscher, als ich dich in Erinnerung hatte, die bestaussehende Verlobte des Staates, wie ich gehört habe. Ganz Webb liegt dir zu Füßen … ach was, gesamt South Carolina! Wieso kommst du nach Maine und willst plötzlich lernen, wie man Margaritas macht?”

Marianne seufzte. “Ich bin’s leid, Marianne Webb zu sein.”

Und Marianne Webb war nicht immer einfach gewesen. Doch sie redete nicht darüber, wie der Druck, perfekt zu sein, sie zu Essstörungen getrieben hatte. Das Kapitel war vorbei. Endgültig.

“Ich wollte einfach mal niemand sein, Warren. Eine unbekannte Barkeeperin in einer fremden Stadt.” Sie trank das Wasser auf einen Zug und stellte das Glas lautstark ab. “Und ich will endlich Spaß haben. Ich will mich austoben und tanzen und mir nicht ständig Gedanken machen müssen, was die Leute wohl sagen könnten. Ich will Nächte durchmachen und mir den Sonnenaufgang ansehen und dann schlafen bis Mittag. Ich will nackt schwimmen und zu schnell fahren und mich mit unpassenden Männern einlassen. Vor allem Letzteres.”

“Aha. Dann ist die Verlobung mit Mr. Perfekt geplatzt, nehme ich an?”

Sie ließ ein hartes, trockenes Lachen hören. “Das kann man wohl sagen.”

“Was ist passiert? Ich dachte, ihr beide wärt wie Barbie und Ken?”

Ken war eigentlich eine passende Beschreibung für Jason: Eine perfekte, leblose Puppe mit einem aufgemalten Lächeln. “Jason war stolz darauf, mit der ehemaligen Schönheitskönigin von Webb zusammen zu sein. Noch toller fand er es, dass mein Daddy der reichste Mann der Stadt ist. Und war er begeistert davon, dass wir beide ein so schönes Paar abgaben. Er liebte auch die Aussicht auf die schönen Kinder, die wir zusammen haben würden. Nur mich, mich liebte er nicht.”

“Das tut mir so leid für dich, Schätzchen. Ich hatte wirklich für dich gehofft, du hättest den Richtigen gefunden.”

Sie schüttelte den Kopf. “Ich habe ihn auch nicht wirklich geliebt. Ich dachte nur, er wäre der Typ Mann, den ich heiraten müsste, weil er so perfekt war. Deshalb sitze ich jetzt auch nicht mit gebrochenem Herzen hier und muss auch nicht getröstet werden. Ich will einfach nur für eine Weile das Leben genießen.”

“Was du mir also damit sagen willst, ist, dass die biedere Marianne Webb vor zwei Tagen ihre Koffer gepackt hat und losgezogen ist, um eine kesse Draufgängerin zu werden.”

“Genau.”

“Glückwunsch, dafür hast du den richtigen Zeitpunkt gewählt, denn in knapp zwei Stunden werden hier eine Menge ungebundener Männer auftauchen. Hier in der Bar findet nämlich heute Abend eine Junggesellenauktion statt, selbstverständlich für einen guten Zweck.”

“Das klingt super.” Marianne lächelte. Sie konnte nicht sagen, ob es ein draufgängerisches Lächeln war, auf jeden Fall fühlte es sich so an. “Bietest du mit?”

Warren schüttelte den Kopf. “Die Jungs sind alle hetero. Zu schade aber auch. Nun, ich will mich nicht beschweren. Die Bar wird zum Bersten voll sein. An deinem ersten Abend kannst du Gläser einsammeln, okay? Ein Gefühl für den Ablauf bekommen …”

“Ich kann auch hinter der Bar arbeiten.” Sie schnappte sich die halb leere Flasche Triple sec, versteckte sie hinter dem Rücken und strahlte Warren an.

“Schätzchen, du kannst alles, wenn du es dir vornimmst. Aber heute Abend bleibt es beim Gläsereinsammeln. Gewöhn dich erst einmal an den Betrieb. Und lass das Schnapsregal vorerst in Ruhe.” Er blinzelte ihr zu. “Vielleicht siehst du ja einen Junggesellen, für den du bieten willst.”

“Für was bietet man eigentlich? Für eine Verabredung?”

“Offiziell ja. Wenn das Geld erst bezahlt ist, dann können du und dein Junggeselle die Regeln selbst bestimmen, wie es weitergehen soll.” Das Telefon klingelte, und Warren nahm den Anruf entgegen.

Die Regeln selbst bestimmen. Nach Jahren, in denen andere die Regeln für sie gemacht hatten, hörte sich das genau nach dem an, was sie suchte.

Eine kesse Draufgängerin brauchte einen forschen Draufgänger. Verwegen, feurig und verboten sexy. Jemand, der nur nach seinen eigenen Regeln lebte.

Marianne verzog spöttisch das Gesicht. Als ob sie wüsste, wie Draufgänger zu sein hatten!

“Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich mich tatsächlich habe überreden lassen, meinen Körper auf einem öffentlichen Fleischmarkt zu verkaufen.”

Oz stand in Jacks Wohnzimmer und betrachtete sein Konterfei im Spiegel. Er trug genug Leder am Körper, um ein Sofa zu beziehen. Gut, die Jacke gehörte ihm, und die war ja auch in Ordnung. Die Stiefel mit den Nieten und Kettchen mochten auch manchen Leuten gefallen.

Leuten aus der Sado-Maso-Szene.

Was nun das Stück zwischen Jacke und Stiefeln anging …

Chaps!

Schwarzes Leder, knapp über der Hüfte mit einem Gürtel zusammengehalten. Dazu ein schwarzes T-Shirt mit Harley Davidson-Aufdruck.

“Ich finde diese Chaps übertrieben”, meinte Oz.

“Die sind perfekt”, versicherte Jack. “Die Mädels stehen auf so was.”

“Na, du bist der Experte!”

“Dieser Tage bin ich nur noch Experte für Kitty”, erklärte Jack. “Sie wird dir bestätigen, dass ich recht habe.” Er trat einen Schritt zurück und musterte Oz nachdenklich. “Noch besser wäre es, wenn du Jacke und T-Shirt weglässt.”

“Kommt nicht infrage! Es gibt Grenzen. Ich habe nicht neun Jahre Universität hinter mich gebracht, um dann halb nackt auf einer Bühne zu tanzen.”

“He, reg dich wieder ab. Ich werde dich schon nicht zwingen, halb nackt auf der Junggesellenauktion zu erscheinen. Obwohl dann wahrscheinlich sehr viel mehr Geld für das Jugendzentrum zusammenkommen würde. Ich würde ja selbst mitmachen, wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre. Gib mir noch mal das T-Shirt.”

Mit einem Seufzer schüttelte Oz die Jacke ab und zog sich das T-Shirt über den Kopf. “Das wird nicht funktionieren. Mir nimmt doch niemand ab, dass ich Chaps trage.”

“Natürlich nicht. Portland ist eine kleine Stadt. Die meisten Frauen hier aus der Gegend wissen, dass du Dr. Oscar Strummer bist, praktizierender Psychologe, Universitätsprofessor – und eben begehrter Junggeselle. Du regst nur ihre Fantasie ein bisschen an.” Mit einem Ruck riss Jack die Ärmel von dem T-Shirt und verwandelte es damit in ein lässiges Muskelshirt. “Perfekt! So wirkst du wie eine Mischung aus Oz, coolem Biker und Rowdy. Ich sag’s dir, die werden sich beim Bieten überschlagen. Jede Frau wünscht sich doch jemanden, der intelligent und verantwortungsbewusst ist, aber auch mal kräftig über die Stränge schlägt.”

Oz steckte gerade die Arme durch die zerfetzten Armlöcher.

“Wow!”

Die Stimme kam von der Tür her und gehörte Kitty, Jacks Frau. Sie schüttelte die roten Locken zurück und starrte Oz an.

Er sah an sich herunter. Tja, die Chaps waren immer noch da. “Gefällt dir dieser Aufzug etwa?”

Kitty nickte wild. “Du siehst umwerfend aus. Also, ich würde für dich bieten.”

“Da hast du’s!”, triumphierte Jack. “Ich hab dir doch gesagt, die Mädels mögen das.” Er legte seiner Frau den Arm um die Schultern und zog sie an sich. “Dass du mir aber nicht zu hingerissen von Oz bist, Darling.”

Kitty schmiegte sich enger an ihn und drückte einen Kuss auf seine Wange. “Du solltest dir auch so eine Lederhose anschaffen, Jack. Der Easy Rider-Look würde dir gut stehen.”

Oz wandte den Blick von seinen verliebten Freunden und betrachtete sich im Spiegel. Er versuchte, das wirre blonde Haar in Ordnung zu bringen, vergeblich. Wie immer.

Du bist zu reif und ausgeglichen, um neidisch auf deinen besten Freund zu sein.

Jack Taylor, der niemals heiraten wollte, hatte seine Traumfrau getroffen. Und Oscar Strummer, der sich schon immer nach einer glücklichen Ehe und nach jemandem, der zu ihm gehörte, sehnte, hatte bisher noch niemanden kennengelernt, der auch nur annähernd dieser Vorstellung entsprach.

“Man sollte annehmen, ein Doktor in Psychologie müsste seine eigene Psyche unter Kontrolle haben”, murmelte er seinem Spiegelbild zu.

“Vergiss den Doktor.” Jack trat hinter ihn und schlug ihm jovial auf die Schulter. “Heute Abend bist du das Sexobjekt für Dutzende von Frauen, vielleicht Hunderte. Entspann dich und genieße es.”

“Aber erst gibst du mir noch deinen Arm.” Kitty zog an seinem Handgelenk. “Es tut auch nicht weh, Ehrenwort.” Sie hielt eine Folie und einen nassen Schwamm in der Hand.

“Was ist das? Ein temporäres Tattoo?” Er gewöhnte sich wohl besser daran, dass er heute Abend wie ein Mitglied der Hell’s Angels aussehen würde.

“Genau. Das ist das I-Tüpfelchen.” Kitty drückte die Folie auf Oz’ Arm und fuhr mit dem feuchten Schwamm darüber.

“Das letzte Mal, als ich solche Abziehbilder benutzt habe, war ich noch auf der High School. Wir wollten älter wirken, damit wir Bier kaufen konnten.”

Kitty konzentrierte sich ganz auf ihre Aufgabe. “Und? Hat es funktioniert?”

“Keine Chance. Ich war sechzehn und sah aus wie zwölf, selbst mit Tattoo.” Oz lachte laut auf. “Ich muss wohl der linkischste Teenager der Portland High gewesen sein.”

“Nun …” Kitty zog vorsichtig die Folie ab und begutachtete ihre Arbeit. Jetzt prangte ein Schwert auf Oz’ Bizeps, um das sich eine Schlange wand.

Eindeutige Phallussymbole. Diskretion konnte man Jack und Kitty nun wirklich nicht nachsagen.

“Jetzt bist du auf jeden Fall nicht mehr linkisch.” Sie grinste ihn an. “Und wie zwölf siehst du auch nicht mehr aus. Wie groß bist du? Einsneunzig?”

“Mit diesen Stiefeln … eher einsfünfundneunzig.”

“Du wirst dich großartig auf dem Motorrad machen”, sagte Kitty.

Oz kniff die Augen zusammen. “Welches Motorrad?”

Jetzt grinste auch Jack. “Komm mit nach draußen, mein lederumhüllter Freund.”

Die beiden hatten doch nicht etwa …? Oz folgte seinen Freunden.

Doch, sie hatten!

Vor dem Haus parkte eine chromblitzende Harley Davidson. Für einen Moment erlaubte Oz es sich, in seiner Vorstellung das sonore Brummen der Maschine zu hören, das machtvolle Vibrieren unter seinen Händen zu fühlen, den Wind in den Haaren …

Dann kehrten Wirklichkeit und Verantwortungsbewusstsein zurück. Er war ein angesehener Arzt und Dozent an der hiesigen Universität.

“Ich fahre keine Harley”, sagte er. “Seit acht Jahren habe ich nicht mehr auf einem Motorrad gesessen.”

“Keine Angst, das ist wie Fahrrad fahren. Das verlernt man nie.” Kitty ging zu der Maschine und strich mit den Fingern zärtlich über den Chrom. “Sie ist wunderschön, nicht wahr? Mein Bruder Nick hat sie uns fürs Wochenende geliehen. Sie ist sein ganzer Stolz. Und sie ist schnell.”

Langsam dämmerte es Oz. Für einen eigentlich intelligenten Menschen konnte er manchmal ziemlich begriffsstutzig zu sein. Er drehte sich zu Jack. “Du hast das lange geplant, oder?”

“Es ist nur zu deinem Besten, Oz”, erklärte Jack ausweichend. “Du brauchst eine Frau in deinem Leben. Meinst du, mir wäre nicht aufgefallen, dass du seit fast einem Jahr mit niemandem mehr ausgegangen bist?”

Oscar schluckte. “Meine neunzehnjährige Schwester hat bei mir gelebt. Und seit sie ausgezogen ist, hatte ich noch keine Zeit für Verabredungen. Die Vorlesungen und meine Patienten …”

Kitty legte die Hand auf seinen Arm. “Genau das ist das Problem, Oz. Du arbeitest zu viel.”

Natürlich arbeitete er viel. Es war die klassische Ersatzhandlung. Wenn ein Teil im Leben zu kurz kam, richtete man seine gesamte Energie eben auf einen anderen, um sich dort seine Erfolgserlebnisse zu holen. Beziehungen waren nicht existent. Arbeit befriedigte.

Er war sich bewusst, dass er genau das tat. Er kannte auch den Grund. Nur half dieses Wissen ihm nicht, etwas daran zu ändern.

Jack stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an. “Komm schon, wir wollen doch nur, dass du ein bisschen Spaß hast. Eine von diesen Frauen wird gutes Geld bezahlen, um eine Verabredung mit dir zu ergattern. Gutes Geld für einen guten Zweck. Vielleicht werden mehrere Verabredungen daraus …”, er senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern, “… und vielleicht sogar Sex.”

Oz sah von Jack zu Kitty, sah deren Anteilnahme. Dann schaute er auf die Harley.

Freiheit auf zwei Rädern.

Es war keine Lösung für seine Probleme, doch es würde ihn für ein paar Stunden von ihnen ablenken.

Die Bar platzte aus allen Nähten.

Marianne bahnte sich einen Weg zurück zum Tresen und stellte das Tablett mit den leeren Gläsern ab, um sich dann den Schweiß von der Stirn zu wischen. Sie trug nur eine leichte Baumwollbluse, Jeans und offene Sandaletten, trotzdem war es unerträglich heiß. Scheinbar hielt man in Maine nichts davon, im Oktober die Klimaanlage einzuschalten.

Aber, Mann, hier herrschte Bombenstimmung!

Ein halbes Dutzend Junggesellen war bereits ersteigert worden. Soweit Marianne mitbekommen hatte, ein Anwalt, ein Hummerfischer, ein Vertreter, ein Mechaniker, ein Lehrer und ein Elektriker.

Jeder von ihnen war unter donnerndem Applaus und lauter Musik auf die Bühne gekommen und dort oben herumstolziert, während die Leiterin des Jugendzentrums, eine resolute Frau in den Fünfzigern, vor dem Mikro Name, Beruf, Alter und andere unerlässliche Daten über den jeweiligen Junggesellen verkündete.

Einige waren ganz süß, aber die meisten eher durchschnittlich, was aber völlig okay war. Hier ging es schließlich nicht um eine Star-Auktion. Heute Abend war das Aussehen der Männer nicht wichtig. Heute war jeder Junggeselle begehrt.

Die Frauen im Publikum johlten bei jedem Auftritt. Applaus, Lachen, anerkennende Pfiffe und dann das lautstarke Bieten. Es hatte weder etwas Kultiviertes noch Manierliches an sich, geschweige denn Dezentes.

Dafür war es ein Riesenspaß und herrlich aufregend.

Marianne schlüpfte hinter den Tresen und goss sich ein Glas Wasser ein. Gestern war sie zum ersten Mal in Warrens Bar gekommen, aber es sah genauso aus, wie sie sich vorgestellt hatte. Schon als Kind hatte ihr Cousin alles Mögliche gesammelt – Gartendekorationen, seltsame geformte Tonkrüge, Kitsch und Kunst. Folglich war auch seine Bar vollgestopft mit Tand und Tinnef und Erinnerungsstücken aus seiner Zeit als DJ in New York.

Ein neuer Song für den nächsten Junggesellen dröhnte aus den Lautsprechern. Born to be Wild, Marianne erkannte den Song sofort. Das perfekte Lied für ihre Stimmung. Ein Lächeln auf den Lippen, schaute sie zur Bühne, um sich den nächsten Mann anzusehen. Aber … Da war niemand.

Erwartungsvolles Schweigen senkte sich über den Raum, nur die Gitarren des Songs waren zu hören und der Bass, den Marianne wie einen zweiten Puls in ihrer Brust spürte.

Dann heulte ein Motor auf. Röhrend brauste ein schweres Motorrad auf die Bühne, ein Blitz in Silber und Rot. Doch Marianne hatte nur Augen für den Fahrer.

Er war groß und stark und muskulös. Das ärmellose T-Shirt gab den Blick auf seinen Bizeps frei. Auf der golden gebräunten Haut prangte ein Tattoo, allerdings konnte sie von hier aus nicht erkennen, was es war. Aber seine Hände schienen groß genug zu sein, um ihre Taille zu umspannen.

Allein bei dem Gedanken wurde ihr Mund plötzlich trocken.

Er war blond. Dunkelblond mit von der Sonne gebleichten weißblonden Strähnen. Lang war sein Haar nicht, nicht für einen Biker. Aber es war wirr und zerzaust. So als würde der Wind darin wohnen.

“Nach diesem Auftritt muss ich Oz wohl nicht mehr vorstellen, Ladies, oder?”, sagte die Auktionatorin ins Mikro. “Also, wer will für unseren Bikerboy bieten? Höre ich achtzig Dollar?”

Arme wurden in die Höhe gerissen, ein ganzes Meer. Und der Biker lächelte. Er hatte einen wunderbaren Mund, volle Lippen, gerade weiße Zähne, er sah aus, als würde er oft und gerne lachen.

“Grundgütiger, siehst du gut aus”, murmelte Marianne vor sich hin.

“Hundert Dollar von der Dame in Blau. Einhundertzwanzig von der Lady bei der Jukebox. Höre ich irgendwo hundertfünfzig?”

Oz hieß er also, das hatte die Moderatorin gesagt. Oz war ein guter Name für einen Biker. Ein Zauberer auf einem Motorrad.

War er auch ein Zauberer im Bett?

Marianne schnappte nach Luft.

Das waren hundert Prozent Mann, von den blonden Haarspitzen bis zu den schweren Lederstiefeln.

Gefährlich.

“Zweihundertfünfzig Dollar, Mädels. Das ist das höchste Gebot heute Abend. Höre ich dreihundert? Ist für einen guten Zweck – und für ein Date mit Oz. Also, wer bietet dreihundert?”

Marianne stützte die Hände auf den Tresen, stemmte sich hinauf und kniete sich auf das polierte Holz, um einen besseren Blick zu haben.

Da, endlich. Jetzt konnte sie auch das Tattoo erkennen. Ein Schwert mit Schlange. Und er trug keine Lederhose, sondern Chaps. Der Kontrast zwischen der ausgewaschenen Jeans, die er darunter anhatte, und dem schwarzen Leder zog den Blick automatisch auf den Schritt.

Dieser Mann würde nicht höflich sein. Er würde sich keinen Deut um Regeln scheren. Er würde genau das tun, was er wollte, und auf die Konsequenzen pfeifen.

Dieser Mann war der böseste Bube, dem sie in ihrem ganzen Leben begegnet war.

Er hatte sie bemerkt, wie sie da auf der Theke kniete und zu ihm hinüberstarrte. Er lächelte ihr zu und drehte am Gas, ließ die Maschine aufheulen.

Sein Lächeln jagte einen Stromschlag durch ihren ganzen Körper. In dem Moment wusste Marianne, dieser Mann war genau der Grund, weshalb sie von zu Hause weggegangen war.

Sie stellte sich auf die Bar und schwenkte die Arme durch die Luft, damit auch wirklich jeder sie sehen konnte.

“Dreitausend Dollar!”, rief sie über die Köpfe der Menge hinweg, und dann sprang sie von der Theke, um sich zur Bühne vorzuarbeiten und ihren Mann abzuholen.

2. KAPITEL

Ihr war heiß! Nur konnte sie nicht sagen, ob es an der Temperatur in der Bar lag oder einfach an der Präsenz des unglaublich erotischen Mannes, den sie gerade ersteigert hatte.

Begleitet von donnerndem Applaus kämpfte Marianne sich durch den Raum. Einige der Frauen schüttelten ihr die Hand und beglückwünschten sie. Sie merkte es kaum, sie war zu beschäftigt damit zuzuschauen, wie ihr böser Bube sich von der Maschine schwang und lässig an den Rand der Bühne schlenderte, um sie in Empfang zu nehmen. Mit einem umwerfenden Lächeln auf dem Gesicht.

So hoch war das Podium gar nicht, doch da oben wirkte er wie ein Riese. Er beugte sich vor und streckte den Arm nach unten, um Marianne auf die Bühne zu ziehen. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, als er ihre Hand fasste, um ihr nach oben zu helfen. Sie landete auf den Füßen neben ihm, ihre Hand noch immer in seiner.

“Hi”, sagte er. Seine Stimme klang tief und warm, begleitet von diesem glorreichen Lächeln. “Ich bin Oz.”

“Hi. Ich heiße Marianne.”

Er drückte ihre Hand. “Der Applaus gilt dir, Marianne.”

“Tatsächlich?” Sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht losreißen.

“Ja.” Schwungvoll hob Oz sie auf seine Arme, und instinktiv klammerte sie sich an seinem Hals fest, ihre Wange ganz nah an seiner bloßen Schulter. “Wink ihnen zu.”

Viel lieber hätte sie mit der Zunge seine Haut geschmeckt. Er war frisch rasiert und roch nach Aftershave und Zahnpasta, was sie überraschte. Gleich darauf wunderte sie sich über sich selbst. Warum sollten Biker sich nicht rasieren und die Zähne putzen?

“Warum applaudieren eigentlich alle?”, fragte sie. Nicht, weil es sie interessierte, sondern weil seine Nähe ihren Verstand benebelte.

“Du hast da auf der Bar gestanden und das Zehnfache des geforderten Preises geboten”, antwortete er. “Ich denke, sie sind alle beeindruckt.”

“Du auch?”

Er sah sie an. Grünbraune Augen, dachte sie benommen. Das hatte sie auch nicht erwartet. Sie hatte mit glühendem Schwarz gerechnet, oder mit Stahlblau.

“Ich bin sogar sehr beeindruckt”, sagte er.

Grundgütiger, wie sehr sie diesen Mann küssen wollte! Dabei kannte sie ihn noch keine fünf Minuten. Nein, sie kannte ihn überhaupt nicht. Trotzdem wollte sie ihn küssen, so sehr, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, um es nicht zu tun.

Dafür tat er es.

Seine Lippen waren fest und warm und fühlten sich richtig und gut an. Mariannes Lider schlossen sich wie von allein, ihre Umarmung wurde fester. Der Kuss dauerte und dauerte, und als Oz endlich den Mund von ihrem löste, da hörte sie einen Seufzer tief in seiner Kehle. Einen Seufzer, der Verlangen und Leidenschaft ausdrückte.

Ihr Herz machte einen Sprung, das Blut pulsierte wie wild durch ihre Adern, und in ihrem Kopf hallten tausend Stimmen nach. “Ja!”

Doch die Stimmen waren nicht nur in ihrem Kopf. Denn im selben Moment brach die gesamte Bar in tosenden Jubel aus.

Er hatte soeben eine wildfremde Frau auf seine Arme gehoben und vor einem Raum voll applaudierender Frauen geküsst.

Es war das Beste, was er seit Langem erlebt hatte! Besser sogar noch als die Fahrt auf der Harley, und das wollte etwas heißen.

Autor