Hingabe auf Befehl des Seigneurs

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Eine skandalöse Erregung erfasst die unschuldige Bauerntochter Giselle: Warum verlangt Seigneur Eustache, der Sohn ihres Lehnsherrn, so dreist nach einer Nacht der verbotenen Leidenschaft mit ihr?


  • Erscheinungstag 23.04.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733764272
  • Seitenanzahl 51
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Herzogtum Normandie, Frankreich, 1067.

Dunkelheit senkte sich bereits über den kleinen Garten, den Giselle hinter der Hütte ihrer Eltern angelegt hatte. Auf Händen und Knien jätete sie Unkraut und hegte die Pflanzen. Gleich würde ihr Vater von den Feldern nach Hause kommen, und sie musste sich beeilen, wenn sie das Abendessen rechtzeitig fertig haben wollte. Rasch pflückte sie eine Handvoll Kräuter und lief dann zur Haustür. Als sie eintrat, stand ihre Mutter bereits am munter prasselnden Herdfeuer und rührte in einem rußgeschwärzten Kessel, in dem ein dicker Gemüseeintopf kochte.

„Setz dich hin, maman“, wies Giselle ihre Mutter an und nahm ihr den hölzernen Kochlöffeln aus der Hand. „Ich mache das hier schon.“

Die Frau tätschelte ihrer Tochter die Hüfte und humpelte zu einer niedrigen Holzbank hinüber. Langsam ließ sie sich darauf sinken, eine Hand in ihr schmerzendes Kreuz gedrückt.

„Die Sonne hat mir heute auf dem Feld ein wenig den Nacken verbrannt“, erklärte Giselles Mutter und lächelte erschöpft. „Du bist ein gutes Mädchen, Giselle. Merci.

Lächelnd zerrieb Giselle die Kräuter in der Hand und ließ sie unter stetigem Rühren in den Topf rieseln.

„Das ist doch selbstverständlich, maman“, entgegnete sie. „Ich bin nicht besonders müde.“

„Trotzdem“, seufzte ihre Mutter, „es ist herrlich, vor dem Abendessen noch ein kurzes Päuschen zu haben.“

Sie griff nach ihrem Nähzeug, doch ein strenger Wink Giselles mit dem Kochlöffel brachte sie davon ab.

„Dann mach auch eine richtige Pause, maman“, sagte sie. „Und flick jetzt nicht die Kleider. Das Licht ist schon zu schlecht für deine Augen, und am Ende muss ich morgen doch wieder alles noch einmal machen!“

Schmunzelnd schüttelte Giselles Mutter den Kopf über ihre Tochter, ihr einziges Kind, das die Fieberwelle im Frühjahr nach diesem ungewöhnlich harten Winter überlebt hatte. Giselle ist schon immer so ein fleißiges Mädchen gewesen, dachte sie, während sie zusah, wie Giselle leise summend im Kessel rührte.

Sobald das hölzerne Gerüst ihrer Hütte fertig gewesen war, hatte Giselle als Erste ihrer drei Kinder die Händchen in dem streng riechenden Gemisch aus Erde, Stroh und Dung versenkt und begonnen, die Wände ihres Zuhauses damit zu verputzen. Und nachdem sie ihre jüngere Schwester und ihren Bruder an einem kalten Morgen im März dieses Jahres begraben mussten, hatte Giselle deren Pflichten ohne ein Wort der Klage übernommen.

Und jetzt, dachte die Mutter, werde ich bald auch meine letzte Tochter an eine lieblose Ehe verlieren.

Giselle sah über die Schulter zu ihrer plötzlich still gewordenen Mutter, und sie erkannte die tiefe Besorgnis in ihren Augen. Sie musste nicht erst fragen, um zu wissen, was ihre alternde maman bedrückte, und sie wandte sich wieder dem Kessel zu und starrte hinab auf den Eintopf, den sie langsam rührte. Was sollte es nützen, alles noch einmal durchzusprechen? Ihr Schicksal stand fest.

Wenn ihr Lehnsherr der Verbindung seinen Segen erteilte, würde sie verheiratet sein, noch ehe die Woche vergangen war.

Sie hatten keine Wahl. Schon jetzt war es schwierig, dem Stück Land, das sie bewirtschafteten, genug Ertrag abzuringen, um sie zu ernähren, und die Pacht stieg immer weiter. Sie mussten eine Verbindung eingehen, die es ihnen gestattete, ihr Land mit dem eines anderen Bauern zusammenzulegen. Unglücklicherweise kam für eine vorteilhafte Hochzeit nur Henri infrage, ein brutaler Rohling, der stets im Dorf herumlungerte und nach Wein und Dung roch. Doch er bewirtschaftete das Land, das an jenes ihrer Familie grenzte, und war ein Witwer mit Söhnen, die bei der Feldarbeit helfen konnten. Giselle seufzte. Sie würde Henri wahrscheinlich niemals lieben können, doch die Heirat mit ihm würde das Überleben ihrer Familie sichern.

Genau in diesem Augenblick trat ihr Vater in die Hütte. Sofort hielt Giselle mit dem Rühren inne und vergaß das Abendessen völlig. Irgendetwas Schreckliches war geschehen, das wusste sie, sobald sie einen Blick auf ihren Vater geworfen hatte, der sich jetzt schwer auf einen wackligen Hocker fallen ließ.

Augenblicklich war ihre Mutter an seiner Seite und strich mit den Händen fahrig über seine breiten Schultern. Ihr Vater stützte die Ellbogen auf die grobe Tischplatte und rieb sich die Stirn.

„Was ist geschehen?“

Die einzige Antwort war ein schweres Seufzen, was die Angst ihrer Mutter nur noch steigerte.

„Was?“, beharrte sie und beugte sich vor, um ihn ansehen zu können. „Um Himmels Willen, mon amour, sag mir, was passiert ist!“

Wieder seufzte er, dann richtete er sich auf. Er hob den Kopf und sah seiner Tochter in die Augen. Sein Gesicht war aschfahl, und er presste die Lippen aufeinander. Wie ein schwerer Stein senkte die Angst sich in Giselles Magen. Noch nie hatte sie ihren Vater so bekümmert gesehen.

„Ma fille.“ Seufzend hielt er inne. „Meine Tochter“, wiederholte er dann mit kummerschwerer Stimme, „unserem Antrag auf eine Ehe zwischen dir und Henri wurde zugestimmt.“

„Aber was bedrückt dich dann so?“, rief ihre Mutter besorgt.

„Die Erlaubnis wurde zwar erteilt“, ihr Vater schluckte schwer. „Doch der Sohn des Lehnsherrn hat das droit du seigneur eingefordert – das Recht der ersten Nacht.“

Giselle ließ den Kochlöffel fallen und hob die Hände an ihr Herz. Die Luft schien plötzlich zu dick zum Atmen zu sein, und ihre Brust hob und senkte sich schwer.

„Nein“, widersprach ihre Mutter. „Nein! Henri wird unsere Abmachung brechen, kein Mann würde eine verdorbene Braut akzeptieren!“

„Das spielt keine Rolle“, erklärte ihr Vater tonlos. „Der Seigneur besteht auf dem Recht seines Sohnes. Es wurde in dem Augenblick geltend, da er uns seine Erlaubnis zur Ehe erteilte. Er wird sich unsere Tochter auch dann nehmen, wenn Henri sich nicht an die Abmachung halten sollte.“

„Quel horreur!“ Ihre Mutter schlug die Hand vor den Mund und sah Giselle an. „Oh, mein armes Mädchen …“

Ungläubig starrte Giselle in die fassungslosen Gesichter ihrer Eltern, ihre Finger gruben sich in den Stoff der Schürze.

„Papa“, hörte sie sich fragen, und ihre Stimme klang merkwürdig gedämpft in ihren Ohren. „Welcher der Söhne des Seigneurs hat nach meinem Körper verlangt?“

Das lange Schweigen ihres Vaters beantwortete die Frage, und sein kummervoller Blick bestätigte ihre Befürchtung. Giselles Knie gaben nach, und sie sank auf den Lehmboden.

„Seigneur Eustache also“, flüsterte sie und barg das Gesicht in den Händen.

Eustache de Fiennes.

Er war der ältere der beiden Söhne des Seigneurs. Ein Soldat, der gerade erst von den Schlachtfeldern des Krieges gegen die Engländer jenseits des Kanals heimgekehrt war. Ein finsterer und in sich gekehrter Mann mit stählernem Blick und unnachgiebiger Haltung. Unter den Pächtern wurde ehrfürchtig über diesen heimgekehrten Sohn getuschelt, darüber, wie er ganze Heerscharen seiner Feinde gefällt hatte, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. Bauerstöchter schwärmten kichernd von seiner männlichen Ausstrahlung und seiner beeindruckenden Gestalt. Doch Giselle wusste über den geheimnisvollen Herrscher nur, dass er mächtig war. Und gewissenlos.

Und er wollte sie.

Ein unerwarteter Funke der Erregung glomm in ihr auf. Ja, der junge Seigneur wollte sie, eine namenlose Bauerstochter. Die Vorstellung war erschreckend … und gleichzeitig unerhört aufregend.

Solch ein männlicher und gut aussehender junger Seigneur hatte sicher zahllose heiratswürdige und schöne Verehrerinnen unter den Adligen, die um seine Gunst und um einen Platz in seinem Bett wetteiferten. Warum also verlangte er so dreist nach einer Nacht der verbotenen Leidenschaft mit ihr? Das droit du seigneur war zwar weit verbreitet, doch es wurde im Allgemeinen nicht geltend gemacht, wegen des Aufruhrs, den eine solche Forderung selbst unter den Dekadentesten der Adligen verursachte. So etwas zu verlangen war rücksichtslos und unbesonnen.

Und, dachte Giselle sich, rücksichtslose und unbesonnene junge Männer können leicht beeinflusst werden, egal welcher Klasse sie angehören.

Sie hörte auf zu zittern. Auch wenn sie noch nicht wusste, wie – sie war sicher, dass sie dieses Unglück zu ihren Gunsten würde nutzen können. Doch bevor sie diesen Gedanken weiter nachgehen konnte, schreckte der Klageruf ihrer Mutter sie auf.

„Warum?“, jammerte diese. „Warum ausgerechnet dieses Ungeheuer von einem Mann? Er wird unsere Tochter vernichten, Bernard.“

Müde erhob ihr Vater sich und ging zu Giselle hinüber, die im Staub kniete. Er ging vor ihr in die Hocke und hob mit seinen großen, rauen Händen ihr Gesicht an. Mit schwieligen Daumen wischte er ihre warmen Tränen fort.

„Ma fille“, sagte er mit schmerzerfüllter Stimme. „Vergib mir, doch es gibt nichts, was wir dagegen tun können. Die Macht des Seigneurs über uns ist vollkommen.“

„Ich verstehe“, erwiderte Giselle leise.

„Dann lasst uns jetzt essen“, bestimmte ihr Vater. „Und heute Abend werden wir dich dem Seigneur vorstellen, nachdem er gespeist hat.“

Die kleine Familie setzte sich an den wackligen alten Tisch, und Giselle verteilte den Eintopf. Schweigend aßen sie, bedrückt von dem, was kommen würde. Als sie gerade die letzten Reste aus ihren Schalen löffelten, rief draußen jemand nach ihrem Vater. Bernard erhob sich und trat durch die Tür, um ihren Gast zu begrüßen.

Autor

Linda Skye
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