Historical Band 314

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DER REBELL UND DIE SCHÖNE PIRATENBRAUT von FRANCIS, JUNE
Gefangen auf einem Sklavenschiff fürchtet Bridget um ihr Leben! Als sie von Bord springt, wird sie von den Wellen an die Küste Madeiras gespült … und in die Arme von Captain Henry. Ein Blick in seine schwarzen Augen genügt und sie erbebt vor Sehnsucht, doch schon bald ahnt sie, ihr Verführer ist nicht der, für den er sich ausgibt …

EINE MISTRESS ZUM VERLIEBEN von MORTIMER, CAROLE
Alexander St. Claire stockt der Atem: Sein Pflegekind Angelina ist kein kleines Mädchen mehr, sondern eine verführerische Schönheit - mit sinnlichen Lippen und einem Augenaufschlag, der ihm schon jetzt den Verstand raubt. Ihm ist klar, er muss ihren Verführungskünsten widerstehen … auch wenn es so leicht wäre, sich in ihr für immer zu verlieren …


  • Erscheinungstag 12.05.2015
  • Bandnummer 314
  • ISBN / Artikelnummer 9783733763978
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

June Francis, Carole Mortimer

HISTORICAL BAND 314

JUNE FRANCIS

Der Rebell und die schöne Piratenbraut

Schön wie eine Meerjungfrau! Kapitän Henry Mariner ist gefesselt von dem bezaubernden Wesen, das er in stürmischer Nacht am Strand entdeckt … erst recht, als der rebellische Abenteurer erkennt, wer die scheue Nixe wirklich ist. Ein Grund mehr, sie zu bitten, seine Frau zu werden – denn niemand anders als er selbst trägt die Schuld an Bridgets Schicksal …

CAROLE MORTIMER

Eine Mistress zum Verlieben

Als sie Lord Alexander St Claire zum ersten Mal sieht, kann die bezaubernde Angelina Hawkins ihr Glück kaum fassen. Der Mann, dessen Geliebte sie werden soll, ist nicht alt und rund, sondern jung, elegant und atemberaubend schön. Mit ihm die Freuden der sinnlichen Liebe zu teilen wird auch ihr ein besonderes Vergnügen sein … warum nur verlangt er etwas anderes von ihr?

PROLOG

1504

Wenn sie jetzt nicht handelte, dann würde sie niemals frei sein. Bridget McDonald stand auf dem vom Sturm geneigten Deck, ihre Hände umklammerten die Reling des Schiffs. Ein paar Augenblicke zuvor hatte sie eine große dunkle Gestalt auf der Klippe stehen sehen, aber nun, als der Regen über sie hereinbrach, war sie verschwunden.

War die Küste, die vor ihr lag, Madeira, die Insel, nach der sie gesucht hatte? Der Kapitän des Sklavenschiffs und das, was noch von seiner Mannschaft übrig war, waren verzweifelt damit beschäftigt zu verhindern, dass das Schiff auf die Felsen zugetrieben wurde. Dies war vielleicht ihre einzige Möglichkeit zu entkommen. Falls sie es schaffen sollten, das Schiff zu retten, würde der Kapitän sie wieder belästigen, wie sie befürchtete. Er hatte sie auf eine Weise angesehen, die Bridget entsetzliche Angst einjagte. Seit seine Frau vor einer Woche einer Krankheit zum Opfer gefallen war, hatte sie die einzige Person verloren, die sie vor seinem lüsternen Verlangen beschützt hatte. Sie war überzeugt, dass er ihr inzwischen Gewalt angetan hätte, wäre der Sturm nicht über sie hereingebrochen. Wenn es ihm gelang, das Schiff zu retten, würde es doch noch geschehen.

Eine Welle durchnässte Bridget plötzlich, ließ sie nach Luft ringen, und sie klammerte sich fest an die Reling, um all ihren Mut für den Sprung über Bord zusammenzunehmen. Wenn der Mann, den sie unter dem Namen Kapitän Black Harry gekannt hatte, sie nicht von ihrem Vater Callum McDonald getrennt hätte, indem er sich weigerte, sie an Bord eines seiner beiden Schiffe zu nehmen, die vor beinahe zwei Jahren in die Neue Welt aufgebrochen waren, wäre sie jetzt nicht in dieser Situation.

Sie erschauderte, als sie an die verzweifelte Lage dachte, in der sie sich befand, und sie wusste, dass es keinen anderen Ausweg gab, als ihr Schicksal den Wellen anzuvertrauen. Vielleicht könnte sie ihren Vater doch noch finden – und falls sie in den Wellen umkam, würde sie zumindest nicht als Hure eines Sklavenhändlers, sondern als freie Frau sterben. Sie holte tief Luft und sprang ins Meer.

1. KAPITEL

Harry fluchte laut, verfluchte den Regen, der ihm fast gänzlich die Sicht nahm, als er den Weg die Klippe hinunterschlitterte und immer schneller wurde, da die Erde unter ihm vom schweren Regen nachgab und ihn in Richtung des Strands schleuderte. Begleitet von hinabfallenden Steinen landete er auf seinen Händen und Knien auf dem nassen, dunklen Sand. Das Gesicht schmerzverzerrt, sog er zischend die Luft ein und zwang sich aufzustehen. Er warf sein triefend nasses Haar zurück und wischte sein nasses Gesicht und den Bart mit dem Ärmel seines Wamses ab.

Hatte er wirklich jemanden gesehen, der vorhatte, in die aufgepeitschten Wogen zu springen? So plötzlich, wie er hereingebrochen war, ließ der heftige Regen nach. Harry vergeudete keine Zeit, sondern ging mit schnellen Schritten den Strand entlang und suchte die Wellen nach einem Anzeichen für die einsame Gestalt ab. Er wollte schon umkehren, als er etwas an der Küste erblickte. Sofort rannte er los und erkannte, als er näher kam, einen Menschen, der mit dem Gesicht auf dem Sand wie leblos dort ausgestreckt lag.

Er kniete nieder und bemerkte erstaunt, dass es eine Frau war und, was noch verblüffender war, eine Frau, die schwimmen konnte – seiner Erfahrung nach eine Seltenheit. Sie hatte die grünen Röcke ihres Kleids zusammengefasst und die Säume im Rücken unter ihren Gürtel gesteckt – zweifellos, damit all der Stoff die Bewegungen ihrer Beine im Wasser nicht behinderte. Harry brachte sie in eine sitzende Position, doch ihr Oberkörper kippte nach vorne gegen seinen Unterarm. Sie gab einen erstickten Laut von sich, und er klopfte ihr auf den Rücken, um das Wasser aus den Lungen zu bekommen. Seine Anspannung löste sich langsam, als sie zu husten begann und das Meerwasser und der Schleim den Ärmel seines bereits durchnässten Wamses verschmutzten. Schließlich hörte sie auf zu husten, aber die Mühe musste alle Energie aufgebraucht haben, die sie nach dem Schwimmen im aufgewühlten Meer noch übrig hatte, denn sie lag nun schlaff in seinen Armen.

Ein langer Zopf nassen kastanienbraunen Haars berührte seinen Schenkel, als er sie sachte umdrehte, damit er ihr Gesicht betrachten konnte. Sein Herz schien auszusetzen. Er hatte das seltsame Gefühl, dass er sie schon einmal gesehen hatte. Aber wo? Ihre Haut war bleich, aber das lenkte nicht von ihrer Schönheit ab. Sie hatte eine niedlich Nase, volle, sinnliche Lippen und ein herzförmiges Gesicht.

In diesem Augenblick fiel ein Regentropfen auf ihr Gesicht und dann ein weiterer und noch einer. Er glaubte, dass der Regen sie aufwecken würde, doch obwohl ihre Wange zuckte, blieben ihre Augenlider geschlossen. Bei Gott! Was sollte er nur mit ihr machen? Sie würde doppelt und dreifach durchnässt sein, wenn er versuchte, sie den ganzen Weg nach Machico zu tragen. Es schien, als habe er keine andere Wahl, als sie in das Haus seines portugiesischen Freunds Jorge de Lobos zu bringen, in dem Harry lebte.

Sein Gesicht war vor Konzentration angespannt, als er sie hochhob. Er hielt sie fest an seine Brust gedrückt, während er langsam aufstand. Einen Augenblick lang wankte er. Aber dann fand er sein Gleichgewicht wieder und knirschte mit den Zähnen, um sich von dem Schmerz in seinem Schenkel abzulenken. Er beschloss, so lange wie möglich am Strand entlangzugehen und betete, dass es auf dem von ihm gewählten Weg keinen Erdrutsch geben würde.

Trotz des Gewichts ihrer durchnässten Kleidung gelang es ihm, gut voranzukommen, während er die ganze Zeit an das aschfahle Gesicht und die flache Atmung der Frau denken musste. Auf dem Schieferboden war er besonders vorsichtig, als er zum Hauptweg hinaufstieg, da er einen schweren Sturz fürchtete. Er war erleichtert, als er das Haus erreichte und sie auf einer Holzbank in der Eingangshalle absetzen konnte.

Harry lockerte seine Schultern und rief laut nach Joe. Als er keine Antwort erhielt, ging er in die Küche, doch auch dort war niemand. Bei der Heiligen Dreifaltigkeit, wo war der Junge? Harry kehrte in die Eingangshalle zurück und sah zu der Frau im grünen Kleid. Er erinnerte sich an die Geschichten von Meerjungfrauen, die ein ehemaliger Pirat namens Callum McDonald ihm erzählt hatte, als er noch ein Junge war.

Auch Harry war aus dem Meer gefischt worden, obwohl er damals noch ein Kind gewesen war. Er war nicht ganz Herr seiner Sinne gewesen, als er auf dem Piratenschiff aufgewacht war, nicht fähig, sich an seinen eigenen Namen oder sein Alter zu erinnern, weil er einen Schlag auf den Kopf erhalten hatte. Die Piraten hatten ihm erzählt, dass seine Eltern bei einem Schiffsunglück gestorben waren, das auch ihn beinahe das Leben gekostet hatte und dass es ein Wunder war, dass er noch lebte. Bei der Erinnerung verfinsterte sich seine Miene, und er strich sich über den dichten Bart, der eine abscheuliche Narbe auf seiner Wange verdeckte.

Er fragte sich, was er mit seinem unerwarteten Gast tun sollte. Für gewöhnlich ließ Harry keine Frauen in das Haus, aber er wusste, dass er jetzt nichts anderes tun konnte, als sie hierzubehalten. Zischend holte er Luft. Sie musste aus ihrer nassen Kleidung heraus. Also würde Joe nach Machico reiten und die alte Witwe Juanita holen müssen, damit sie sie auszog. Aber zuerst musste Harry ihn finden. Er verließ das Haus und suchte in den Gärten und den Ställen, aber auch dort gab es keine Spur von dem Jungen.

Verärgert kehrte Harry ins Haus zurück. Sofort bemerkte er, dass die Frau sich bewegt hatte, denn sie hatte sich an der Armlehne der Bank zusammengerollt. Er schüttelte sie an der Schulter, und sie öffnete die Augen. Sie waren gerötet und hatten die Farbe von Haselnüssen. Die Frau blinzelte ihn an, als ob ihre Augen schmerzten und sie versuchte, ihn klar zu sehen. Undeutlich murmelte sie vor sich hin und wich vor ihm zur Lehne der Bank zurück, hob ihren Arm, als wolle sie einen Schlag abwehren, aber dann ließ sie ihn, von ihrer Schwäche übermannt, auf ihre Brust sinken, und ihre Augenlider schlossen sich wieder.

Harrys Herz zog sich ein weiteres Mal auf diese seltsame Weise zusammen, und er fuhr sich mit der Hand über sein immer noch tropfnasses Haar und den Bart. Er holte tief Luft, hob sie ohne weitere Umstände hoch und ging in Richtung der Treppe, wobei er eine Wasserpfütze auf dem Boden hinterließ. Langsam stieg er die Marmorstufen hinauf, da die Sohlen seiner Schuhe glatt waren, und er war erleichtert, als er den ersten Stock ohne Zwischenfall erreichte. Schließlich trug er sie in die Gästekammer und fiel mit ihr auf dem Schoß auf die Truhe, die am Fußende des Bettes stand.

Eine lose, feuchte, kastanienbraune Haarsträhne kitzelte ihn am Kinn, und er runzelte die Stirn, als er in das bezaubernde Gesicht blickte, das auf seinem Arm ruhte. „Mistress, Ihr müsst aufstehen“, sagte er auf Portugiesisch.

Sie stöhnte, aber ärgerlicherweise blieben ihre Augen geschlossen.

Sanft schlug Harry ihr auf beide Wangen. „Aufwachen!“, befahl er.

Dieses Mal zuckte sie zusammen, öffnete flatternd die Augenlider und schien ihn anzublicken, nur um dann ihr Gesicht abzuwenden. Er spürte, wie sie erschauderte. „Mistress, wacht auf!“, drängte er und zog an ihrem Zopf. Sie hob die Hand, zur Faust geballt, und für einen Augenblick glaubte er, sie würde ihn schlagen, doch dann fiel ihr Arm zur Seite. Er lächelte grimmig. Zumindest schienen seine Worte zu ihr durchzudringen. Wieder schlug er sie sanft auf die Wange.

„Wenn Ihr … Ihr das … das noch einmal macht, wird mein Vater d… dafür sorgen, dass Ihr es eines Tages bereut“, stammelte sie in derselben Sprache, die auch er gesprochen hatte.

Bei ihrem abgehackten Akzent hob Harry die Augenbrauen und fragte sich, wo sie portugiesisch gelernt hatte, da es offensichtlich nicht ihre Muttersprache war. „Ihr müsst Eure nassen Kleider ausziehen, sonst werdet Ihr Fieber bekommen“, sagte er mit rauer Stimme. „Hier ist ein Bett. Legt Euch unter die Decke, und ich sorge inzwischen dafür, dass man Euch etwas zu Essen und Trinken bringt.“

Sie versuchte, sich zur Wehr zu setzen. Zu seiner Überraschung war sie ziemlich stark, wenn man bedachte, wie viel Energie sie dafür aufgebracht haben musste, zum Strand zu schwimmen. Aber sie konnte sich nicht mit seiner Kraft messen, und er nahm ihre beiden Handgelenke und hielt sie über ihren Kopf. Er spürte an seiner Brust, wie ihre Brüste sich hastig hoben und senkten und bemerkte einige Empfindungen, die er bereits seit einer Weile nicht mehr verspürt hatte.

„Ihr müsst Euch nicht gegen mich wehren“, knurrte er. „Ich werde Euch nichts tun. Nun erhebt Euch, zieht Euch aus und legt Euch ins Bett.“

Zu seinem Entsetzen sackte sie zusammen, und ihr Kopf fiel nach vorne auf seine Schulter. Er zuckte zusammen und versuchte noch einmal, sie zu Bewusstsein zu bringen, aber was er auch versuchte, es schlug fehl. Da wusste er, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als sie selbst auszuziehen.

Seine Hände zitterten, als er den Gürtel um ihre Taille öffnete und die Röcke, die sie zusammengebunden hatte, herunterzog. Dann löste er die Schnürung ihres Mieders. Der Schnitt des Kleids und der Stoff deuteten darauf hin, dass dieses Kleid in England gemacht worden war. Also war diese Meerjungfrau keine portugiesische Bäuerin, sondern möglicherweise Engländerin. Was machte sie hier und wo war der Vater, den sie erwähnt hatte?

Nachdem er ihr das Kleid ausgezogen hatte und die vollkommenen Rundungen ihrer Brüste unter dem feuchten Unterkleid aus Seide, das an ihrer Haut klebte, enthüllt hatte, wusste er, dass er aus Stein gemacht sein musste, wenn ihre Schönheit ihn nicht erregt hätte.

„Heilige Maria, Mutter Gottes“, stöhnte er, während er sich mit der einen Hand sein Haar raufte und sie mit der anderen von sich fernhielt. „Was soll ich nur mit Euch machen?“ Da sie nicht antwortete, räusperte er sich und sagte laut: „Mistress, Ihr müsst Euer Unterkleid ausziehen. Ich werde eines meiner Hemden für Euch holen. Wir haben keine Kleidung für Damen in diesem Haus.“

„Männer s… s… sind Teufel“, stotterte sie, die Augen immer noch geschlossen.

„Frauen sind auch keine Engel“, erwiderte er ohne Umschweife, stand auf und ließ sie ausgestreckt auf der Truhe liegend zurück.

Da sie nicht antwortete, vermutete er, dass sie wieder in den halb bewusstlosen Zustand hinübergeglitten war. Er zog sie hoch und warf sie über seine Schulter. Dann trug er sie zum Bett hinüber und setzte sie sanft ab. Er nahm die dicke rotbraune Überdecke und deckte sie damit zu, damit ihr warm war. Dann eilte er aus der Schlafkammer.

Harry zog seine nassen Sachen in seiner eigenen Schlafkammer aus und trocknete sich ab. Dann ging er, das Handtuch um seine untere Körperhälfte gewickelt, zum Fenster hinüber und öffnete die Fensterläden. Er sah auf den Garten hinab, der nach dem Regen von dem Duft der überall wachsenden Blumen erfüllt war. Sein Blick blieb an der schier unendlichen Weite des Ozeans hängen, aber er konnte kein Anzeichen eines Schiffs entdecken. Solange er denken konnte, war das Meer sein Leben und ein Schiff sein Heim gewesen, aber seit sein Bein verletzt worden war, war er an Tagen wie diesen froh, an Land zu sein.

Mit einer ungeduldigen Bewegung wandte er sich vom Fenster ab und hinkte hinüber zum Schrank und der Truhe. Er nahm alles heraus, was er brauchte, zog Unterkleidung, Hemd, Beinkleider und Wams über und schlüpfte in die Stiefel, bevor er ein weiteres Hemd aus dem Schrank nahm. Dann griff er nach seinen Handschuhen und seinem Hut und eilte zur Gästekammer.

Dort angekommen, bemerkte er, dass die Frau es geschafft hatte, sich ihr Unterkleid auszuziehen. Sie lag auf der Seite, ihr Kopf nahe an der Bettkante, sodass ihr Zopf bis auf den Boden hing. Er hätte ihr Haar gerne gesehen, wenn es mit parfümiertem Wasser frisch gewaschen war und nach Kamille oder Lavendel duftete und offen herabhing. Heftig sog er den Atem ein. Was dachte er sich nur, so auf ihr Haar fixiert zu sein? Er konnte froh sein, dass ihr Körper bedeckt war!

Er legte sein Hemd auf das Bett und war schon dabei, die Überdecke noch höher zu ziehen, als er eine Narbe auf ihrem Rücken entdeckte. Einen Augenblick lang erstarrte er und dann erkundeten seine Finger vorsichtig die Striemen in der zarten Haut über ihren Schulterblättern und auf ihrem Rücken. Entsetzliche Wut stieg in ihm auf. Jemand hatte sie grausam ausgepeitscht? Konnte ein Ehemann so etwas getan haben? Er ergriff ihre linke Hand, die auf dem Laken zusammengeballt lag, und sah, dass sie keinen Ring trug.

Er betrachtete die Narben genauer und erinnerte sich an die Schläge, die er hatte erdulden müssen, als er auf dem Piratenschiff aufwuchs. Seine Miene wirkte finster, als er sie mit der Überdecke zudeckte. Dann nahm er ihre am Boden liegenden Kleider und verließ die Kammer. Er ging nach unten und hatte diesmal Glück, denn er fand Joe in der Küche, der gerade das Abendessen zubereitete.

„Wir haben einen Gast“, erklärte Harry auf Englisch und legte die Kleidung auf den Tisch, wo der Junge eine Zwiebel schnitt.

Joseph starrte das nasse grüne Kleid an und sah dann verblüfft zu Harry. „Eine Frau?“

„Natürlich ist es eine Frau, Joe! Das ist ein Kleid, oder nicht?“ Harry sank auf einen Stuhl. „Und was für eine Frau, Joe. Du glaubst nicht, wie schön sie ist. Das Seltsame daran ist, dass ich glaube, sie schon einmal gesehen zu haben.“

„Bei Gott! Eine Frau unter Eurem Dach!“ Joes Stimme wurde zu einem Quietschen, als er das nasse Kleid ergriff und am Stoff roch. „Es riecht nach Meer. Wo habt Ihr sie gefunden?“

„Sie ist wohl von einem Schiff gesprungen, das in Seenot war, und bis zur Küste geschwommen.“ Harry warf dem Jungen einen Blick zu. „Ungewöhnlich, dass eine Frau schwimmen kann, was Joe? Ich sah, wie sie ins Meer fiel und habe sie später am Strand gefunden. Sie ist in der Gästekammer, also pass auf sie auf. Ich muss fort und herausfinden, was mit dem Schiff geschehen ist.“

Joe hatte nun das seidene Unterkleid gefunden und ließ es fallen, als hätte er sich daran die Finger verbrannt. „Ich!“ Bestürzt riss er seine blauen Augen auf. „Was hat sie denn an, wenn ihre Kleider hier sind? W… was wenn sie … wenn sie anfängt, halbnackt herumzulaufen?“

„Genug von diesem Unsinn“, schimpfte Harry, der nicht über das Bild, das diese Worte in ihm aufsteigen ließen, nachdenken wollte. „Ich habe ihr eines meiner Hemden dagelassen, und ich bezweifle, dass sie kräftig genug ist, um aufzustehen. Falls sie aufwacht, wird sie etwas zu essen und zu trinken brauchen. Vielleicht ein wenig Suppe.“

Harry ging zu den Ställen und sattelte eines der Pferde. Er ritt in die Richtung, in der er das Schiff zuletzt gesehen hatte, um es sich genauer anzusehen, falls das möglich war. Er fragte sich, ob es auf die Felsen aufgelaufen und untergegangen war. Falls dem so war, so gab es möglicherweise Überlebende. Wenn nicht, dann konnten andere auf der Insel das Schiff gesehen haben und planen, alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest war, bevor diejenigen, die das Recht zur Bergung besaßen, am Ort des Geschehens erschienen.

Bridget erwachte von dem Geräusch einer Tür, die sich langsam öffnete, und hörte dann schleichende Schritte, die auf das Bett zukamen. Ihr Herz schlug heftig, als sie vor ihrem inneren Auge das Bild eines Mannes mit schulterlangem schwarzem Haar, wütenden dunklen Augen, einer Narbe auf der Nase und einem dichten schwarzen Bart sah. Sie schauderte, denn sie erinnerte sich an das Gesicht des Kapitäns des Sklavenschiffs, der ebenfalls einen dichten schwarzen Bart trug. Alles in ihr mahnte sie, sich aufzusetzen und sich zu verteidigen, aber ihre Glieder schmerzten unerträglich, in ihrem Kopf hämmerte es, und ihre Kehle fühlte sich rau an. Sie hatte bereits bemerkt, dass jemand ihre Kleidung fortgenommen und ein sauberes weiches Hemd aus Wolle und Leinen zurückgelassen hatte.

„Wer ist da?“, fragte sie mit heiserer Stimme.

„Ich habe Euch etwas Suppe und Brot gebracht, Mistress“, erwiderte eine junge Stimme zögerlich auf Englisch.

Bridget war verwirrt. Hatte ihr Retter nicht vorhin mit ihr portugiesisch gesprochen? Sie öffnete die Augen und sah den Jungen an, der ein Tablett in Händen hielt. Er unterschied sich von dem anderen Mann wie Tag und Nacht, hatte strohblondes Haar und ein sommersprossiges Gesicht, das voller Neugierde war.

„Du kommst aus England“, stellte sie in englischer Sprache fest.

„Aye, Mistress“

„Wie heißt du?“

„Ich bin Joe“, erwiderte der schlaksige Junge.

„Wo ist der Mann mit dem Bart, der vorhin hier war?“

„Das ist der Kapitän. Er ist ausgeritten, um zu sehen, was mit dem Schiff geschehen ist, das Ihr verlassen habt.“

Sie betete, dass er keine Anzeichen von dem Schiff finden würde, oder dass es mitsamt seinem Kapitän untergegangen war. „Der Kapitän? Er ist also ein Seemann?“, fragte sie und griff damit auf, was ihr der junge Mann über ihren Retter erzählt hatte.

„Aye.“

„Er … er sah angsteinflößend aus. Ist er Portugiese?“

„Nein, er ist Engländer und Ihr habt nichts von ihm zu befürchten.“ Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln voller Zahnlücken. „Hier, Mistress, ich stelle Euch Euer Essen und Trinken auf diesen kleinen Tisch. Stärkt Euch und schlaft dann noch ein wenig.“

Bridget umklammerte den offenen Ausschnitt des Hemds und schaffte es, sich aufzusetzen. „Sag mir, wo bin ich?“

Der Junge blieb in der Tür stehen, ohne sich zu ihr umzudrehen. „Ihr seid auf Madeira, Mistress“, antwortete er und schloss die Tür, bevor sie ihm noch mehr Fragen stellen konnte.

Bridget sank in die Kissen zurück. Sie war so erleichtert, dass ihr Tränen in die Augen stiegen und drohten, sie zu überwältigen. Dank sei der Heiligen Dreifaltigkeit, dass sie schließlich doch noch ihr Ziel erreicht hatte! Nun blieb nur die Hoffnung, dass sie nicht umsonst hier angekommen war. Sie erinnerte sich an ihr erstes Treffen mit dem Mann, den sie immer noch mit dem Namen Kapitän Black Harry verband. Sie und ihr Vater Callum waren an der Küste Irlands gewesen, nachdem sie einem Banditen namens Patrick O’Malley und seinen Halsabschneidern nur knapp entkommen waren. Viele Sommer lang war Callum mit jungen Kriegern aus Schottland gesegelt, um die Familie seiner irischen Frau in ihren Schlachten mit den O’Malleys zu unterstützen. In jenem Sommer vor zwei Jahren hatte ihn sein Glück verlassen, und Callum hatte nicht nur sein Vermögen, sondern auch sein Schiff verloren.

Als Bridget Kapitän Black Harry getroffen hatte, war sie allein gewesen. Sie hatte ihren Vater zurückgelassen, der versuchte, den Kapitän eines anderen Schiffs davon zu überzeugen, sie mit nach Schottland zu nehmen, obwohl er ihm erst seinen Lohn zahlen konnte, wenn sie dort ankamen. Es war ihr peinlich gewesen, weil er um Hilfe betteln musste, dann war sie schnurstracks in den bestaussehenden jungen Mann hineingelaufen, den sie je gesehen hatte. Er hatte ihr aufgeholfen, und sie hatte ihn um Verzeihung gebeten. Er hatte seinen Kopf geneigt und auf Gälisch gefragt, ob er ihr zu Diensten sein könnte.

Spontan hatte sie ihm ihre Situation erklärt, und er hatte sie zurück zu Callum begleitet. Erst da hatte sie entdeckt, dass die beiden Männer zusammen gesegelt waren, als Black Harry noch ein Junge gewesen war. Sie hatten einander viel zu erzählen und waren in die nächstgelegene Taverne gegangen.

Bridget runzelte die Stirn, als sie die Tasse auf dem Tisch ergriff und den Inhalt durstig hinunterstürzte. Wenn sie nur das Gespräch belauscht hätte, dann wäre sie besser auf das, was am nächsten Tag geschehen war, vorbereitet gewesen. Ihre Augen verdunkelten sich. Sie würde nie vergessen, wie hartherzig Black Harry sie ihrer Meinung nach behandelt hatte.

Sie stellte die Tasse auf den Tisch, griff nach dem Essen und stippte das Brot in die Suppe. Obwohl sie ausgehungert war, aß sie langsam, weil das Schlucken sie schmerzte. Als sie ihre Umgebung betrachtete, wurden ihre Lider langsam schwer. Die weißen Wände schienen zu wanken und die blauen Fensterläden flimmerten. In einer anderen Wand befand sich eine Nische mit einer Statue der Madonna mit Kind, und die Figuren schienen sie anzulächeln. Bridget tastete nach der Tasse, hob sie hoch und roch daran. Hatte man sie betäubt? Der Junge mochte ihr versichert haben, dass sie nichts von dem Kapitän zu befürchten hatte, aber konnte sie ihm trauen? Sie hatte in der Vergangenheit durch Männer viel Leid erfahren und spürte panische Angst in sich aufsteigen. Der letzte Gedanke, bevor sie in die Bewusstlosigkeit abglitt, galt ihrem Vater.

„Du hast was in ihr Getränk getan?“, rief Harry wütend.

„Nur ein bisschen Mohnsaft, Kapitän“, erwiderte Joe hastig und wich zurück. „Den hat Juanita mir auch gegeben, als ich wegen meiner Schmerzen nicht schlafen konnte, nachdem ich in der Stadt angegriffen worden war. Sie hat Euch diesen Saft auch verabreicht. Es ist noch nicht lange her, dass wir aus Afrika zurückgekehrt sind und Ihr so schwer verwundet wart, dass ich dachte, Ihr würdet nie wieder laufen können. Aber dafür habt Ihr jeden Spiegel in Eurer Nähe zerbrochen.“

Harry biss die Zähne zusammen. Er würde niemals vergessen, wie er zum ersten Mal sein vernarbtes Gesicht im Spiegel gesehen hatte. Später, als er mit dem Wagen in die Stadt gerattert war, waren die Frauen, die ihm früher förmlich in die Arme fielen, vor ihm zurückgewichen und auf der anderen Straßenseite an ihm vorbeigegangen. Zutiefst verletzt und außerdem an starken Schmerzen von der Wunde in seinem Schenkel leidend, hatte er sich einen Bart wachsen lassen, um die Narbe zu verbergen, und beschlossen, sich ganz von Frauen fernzuhalten.

„Was, wenn sie uns verdächtigt, sie betäubt zu haben?“, gab Harry zu bedenken.

„Warum sollte sie? Sie wird ihre Schläfrigkeit doch sicher auf die Erschöpfung zurückführen, die sie fühlt, weil sie bis zur Küste geschwommen ist? Ich habe nur versucht, ihre Schmerzen zu lindern.“

Fassungslos starrte Harry den Jungen an. „Vermutlich wolltest du nur das Beste für sie, aber ich hätte ihr gern ein paar Fragen gestellt. Jetzt werde ich sicher einige Stunden warten müssen, bevor sie aufwacht. Tu so etwas nie wieder ohne meine Erlaubnis, Joe, oder ich setze dich vor die Tür!“ Er machte eine Pause. „Also, was hältst du von ihr?“

„Sie ist hübsch. Ihre Augen tun ihr weh. Sie könnte ein Mittel brauchen, um ein Augenbad zu machen. Wichtiger ist aber die Information, dass sie englisch spricht und einen leicht singenden Tonfall hat, der mir sagt, dass es nicht ihre Muttersprache ist.“

Harry nickte bestätigend.

„Und was ist mit dem Schiff geschehen?“, wollte Joe wissen.

„Ich habe keine Anzeichen für einen Schiffbruch gesehen, also scheint es, als hätte der Kapitän es geschafft, die Felsen zu umfahren. Vielleicht lasse ich morgen früh nach dem Schiff suchen.“ Er wechselte das Thema. „Nun Joe, wie sieht es mit Abendessen aus?“

„Ich bereite es Euch sofort zu, Kapitän.“

„Dann werde ich essen, sobald ich sicher bin, dass die Dame noch atmet. Morgen kannst du ihre Kleidung zusammen mit meiner waschen.“

Harry stieg die Treppe hinauf, entledigte sich seiner Überkleidung und ging seinen Gast besuchen. Er zog einen Stuhl zum Bett heran und sah auf die junge Frau hinab. Ihre Wangen waren gerötet, und als er seine Hand auf ihre Stirn legte, war sie heiß und trocken. Verdammt! Sie hatte Fieber. Hoffentlich würde sich ihr Zustand nicht verschlechtern.

Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und beschloss, sie nach ihrem Namen und weiteren Angaben über das Schiff und ihren Vater zu fragen, sobald sie wach war. Jetzt würde er zu Abend essen und später hierher zurückkehren. Vielleicht würde sie dann mit ihm sprechen.

Bridget fühlte sich, als würde sie schweben, während sie zwischen Schlaf und Wachsein dahindämmerte. Sie spürte, dass sie Schmerzen hatte und dass ihr im einen Moment heiß und im nächsten kalt war. Sie hatte eine vage Erinnerung daran, dass ein Mann sie hochgehoben und in seinen Armen getragen hatte. Er hatte einen dichten, schwarzen Bart, aber er war nicht der grausame Kapitän des Sklavenschiffs, der sie geschlagen hatte, weil sie sich ihm widersetzt hatte. Dennoch, konnte sie ihm trauen? Da war noch etwas, bevor sie eingeschlafen war, dass ihr Sorgen gemacht hatte, aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was es gewesen war.

Sie hörte, wie eine Tür sich öffnete und dann Schritte. Ein Stuhl knarrte, und sie spürte, dass es nicht der Junge war, sondern er. Er musste es sein, der neben dem Bett saß und auf sie herabschaute. Sie konnte seinen nach Wein riechenden Atem an ihrer Wange fühlen, und dann spürte sie, wie er seine kühle Hand auf ihre Stirn legte. Sie bemühte sich, die Augen zu öffnen, aber als sie es endlich schaffte, schmerzte das Licht der Kerze sie so sehr, dass sie sie rasch wieder schloss. Doch selbst dieser kurze Moment hatte ausgereicht, um einen Blick von ihm zu erhaschen: er, mit seiner markanten Nase, den dunklen Augenbrauen, den wütenden Augen und diesem dichten schwarzen Bart. Sie zitterte.

„Also seid Ihr wach“, sagte er mit rauer Stimme. „Ihr habt hohes Fieber, und das ist schlecht.“

„Vielleicht hättet Ihr mich zum Sterben am Strand zurücklassen sollen“, flüsterte sie.

„Eine törichte Bemerkung“, knurrte er. „Warum seid Ihr an die Küste geschwommen, wenn nicht, um zu leben?“

„Das ist wahr. Ich hatte Angst vor dem Sklavenhändler. Wisst Ihr, was mit dem Schiff geschehen ist?“, fragte sie beklommen.

„Ich konnte nichts davon sehen.“

„Also ist diese Bestie vielleicht noch am Leben!“ Mit zitternder Hand ergriff sie seinen Arm. „Ihr dürft ihm nicht sagen, dass ich hier bin.“

„Sein Schiff könnte weiter die Küste hinab immer noch in Schwierigkeiten stecken. Ich werde sehen, was ich morgen früh herausfinden kann. Nun macht Euch seinetwegen keine Sorgen. Hier seid Ihr in Sicherheit.“

War sie das? Sie sah ihm in die Augen, vermochte seinen Gesichtsausdruck aber nicht zu lesen und konnte nur beten, dass er ihr die Wahrheit sagte. Erschöpft ließ sie sich auf die Kissen zurücksinken.

„Wie seid Ihr auf sein Schiff gekommen?“, wollte Harry wissen.

„Ein Pirat hat mich ihm in Afrika verkauft“, flüsterte sie. „Ich nehme an, dass der Sklavenhändler mich ursprünglich an einen orientalischen Potentaten verkaufen wollte, aber seine Frau war gegen diesen Plan. Sie wollte mich als Dienstbotin. Sie war sehr schön, und er konnte ihr nichts abschlagen. Wir sind mit Sklaven nach Teneriffa gesegelt, und zu den Kapverdischen Inseln. Manchmal gingen wir für einige Tage an Land und zweimal kehrten wir nach Afrika zurück, um noch mehr Sklaven zu kaufen. Ich versuchte zu fliehen und wurde für den Versuch geschlagen. Dann wurde das Schiff von einer Krankheit heimgesucht, und die Leute begannen Mann für Mann zu sterben.“

Harry verspürte Wut und Mitleid und wusste, dass sie tatsächlich unglaubliches Glück gehabt hatte. Aber was sie über die Krankheit gesagt hatte, beunruhigte ihn sehr. „Was war das für eine Krankheit?“, fragte er.

„Ich kenne ihren Namen nicht, aber ich vermute, dass es nicht die Pest war.“

Er runzelte die Stirn. „Woher wisst Ihr das? Habt Ihr Menschen gesehen, die an der Pest starben?“

„Nein, aber ich kenne jemanden, der an den Pocken litt und diese Frau hat mir die Symptome beschrieben.“ Bridget fielen die Augen zu, trotz ihrer Bemühungen, wach zu bleiben.

Harry war erleichtert zu hören, dass sie mit dieser entsetzlichen Krankheit nicht in Berührung gekommen war. Dennoch hoffte er, dass sie sich nicht mit dem angesteckt hatte, was die Menschen auf dem Schiff niedergestreckt hatte. „Schlaft jetzt“, sagte er ruhig. „Wir reden morgen weiter.“

Er schloss die Tür hinter sich, und sie driftete in den Schlaf. Nun träumte sie nicht von dem Sklavenhändler, sondern von ihrem Vater und davon, wie der gut aussehende Kapitän Black Harry ihm eine Koje auf seinem Schiff angeboten hatte, das nach Westen segelte, um eine Passage nach Indien zu finden. Als ihr Vater mit ihr gesprochen hatte, war er voller Pläne gewesen, sein verlorenes Vermögen wiederzubeschaffen. Seine Aufregung war ansteckend, und Bridget war ebenso begierig darauf gewesen wie Callum, an einem solchen Abenteuer teilzuhaben. Aber dann hatte Kapitän Black Harry sich geweigert, sie mit an Bord zu nehmen, um die Männer in die Neue Welt zu begleiten. Stattdessen hatte er ihr die Überfahrt nach Schottland gezahlt, wo der Bruder ihres Vaters und seine Frau lebten.

Nun suchte die Angst sie in ihren Träumen heim. Denn ihre gütige und freundliche Tante war gestorben, und ihr Onkel Ranald hatte sie nach Süden mitgenommen, in das Heim seiner Geliebten, Lady Monica Appleby, einst eine McDonald und zweimal verheiratet. Beide hatten es auf den Schatz ihres Vaters abgesehen und wollten Bridget nicht glauben, als sie ihnen erzählte, dass er gestohlen worden war. Sie hatten sogar versucht, sie zu einer Ehe mit dem schwachsinnigen Sohn der Dame zu zwingen! Sie musste fliehen! Sie musste ihnen entrinnen!

Unruhig warf sich Bridget im Bett hin und her und begann zu husten. Sie hörte Schritte, und eine Tür öffnete sich. Verängstigt zuckte sie zusammen, denn es war draußen inzwischen dunkel geworden und die Kerze, die unter der Statue der Madonna mit Kind stand, warf flackernde Schatten an die Wände. Ihr Herz klopfte heftig in ihrer Brust, als sie sah, wie der Kapitän auf sie zukam.

„Was tut Ihr hier?“, fragte sie mit heiserer Stimme.

„Ihr werdet Euch aufsetzen müssen, damit Ihr dieses Mittel nicht verschüttet“, sagte er leise.

Sie erinnerte sich an das Getränk von vorhin und ihre Vermutung, dass sie betäubt worden war und krächzte: „Mittel! Wollt Ihr mich vergiften? Ich glaube, der Trank, der mir vorhin gebracht wurde, hat mich betäubt.“

„Es war nur ein wenig Mohnsaft, mehr nicht“, entgegnete er schnell. „Joe dachte, er würde Eure Schmerzen lindern. Bei der Heiligen Dreifaltigkeit, warum sollte ich Euch vergiften wollen? Ich halte vielleicht einige Frauen für grausam und selbstsüchtig, aber die Wahrheit ist, dass ich Euch husten gehört habe. Nun trinkt und betet, dass Ihr morgen früh das Fieber los seid.“

Sagte er die Wahrheit? Es stimmte, dass ihr ganzer Körper schmerzte. Sie bemühte sich, sich aufzusetzen, aber es war zu viel für sie. Der Kapitän ließ sich auf der Bettkante nieder und zog Bridget nach oben, dann schlang er einen Arm um ihre Schultern. Schließlich ergriff er den Becher und hielt ihn an ihre trockenen Lippen. Als sie spürte, wie die warme Flüssigkeit in ihren Mund lief, wurde ihr bewusst, wie stark der Arm war, der sie festhielt, und es gefiel ihr nicht, diesem Mann ausgeliefert zu sein. Er hielt Frauen also für grausam und selbstsüchtig, ja? Nun, dafür hielt sie Männer für arrogant und brutal. Dennoch blieb ihr im Augenblick keine andere Wahl, als die Fürsorge des Kapitäns zu ertragen. Sie schluckte durstig, bis der Becher leer war.

Harry ließ sie auf die Kissen zurücksinken und sah zu, wie sie mit einem leisen Seufzen wieder einschlief. Er verließ nicht sofort die Kammer, sondern blieb auf dem Stuhl neben ihrem Bett sitzen. In ihrer Stimme war tatsächlich dieser singende Tonfall, und es würde ihn nicht überraschen, wenn Gälisch ihre Muttersprache war. Er musste wieder an Callum und seine Tochter, Bridget, denken. Was war mit Callum geschehen, nachdem er vor sechzehn Monaten mit einem von Harrys zwei Schiffen, der ‚Walküre‘, verschwunden war?

Wütend verdunkelten sich seine Augen. Bei Gott! Er hatte den Fehler begangen, diesem listigen alten Piraten zu vertrauen, als sie sich in Irland wiedergetroffen hatten. Er hätte ihm nie seine Hilfe anbieten dürfen oder der heißblütigen Bridget unbedingt helfen wollen, die inzwischen eine junge Frau von sechzehn oder siebzehn Jahren sein musste.

Versonnen sah er auf das schöne Gesicht auf dem Kissen hinunter, versuchte sich vorzustellen, wie diese Frau vor zwei Jahren ausgesehen haben mochte und erinnerte sich, dass er Bridget, als er sie das erste Mal gesehen hatte, für älter hielt als sie war. Dann hatte er entdeckt, dass sie viel jünger war, als er gedacht hatte und er hatte gewusst, dass er sich von ihr fernhalten musste, um sie vor sich selbst zu schützen. Sie hatte getobt, und er hatte sie mit einer wütenden Katze verglichen. Sie hatte ihm vorgehalten, dass er zu Recht Black Harry genannt wurde, weil er eine schwarze Seele hatte. Wie konnte er es wagen, sie von ihrem Vater zu trennen, hatte sie gewettert. Sie hatte versucht, Callum zu überzeugen, ihn umzustimmen, doch der alte Freibeuter hatte ihr in Harrys Hörweite mitgeteilt, dass es nichts brachte, Black Harry zu verärgern. Erst da hatte Harry erkannt, dass auch Callum seine Tochter nicht auf eine solch gefährliche Reise mitnehmen wollte, es aber nicht übers Herz brachte, ihr das zu sagen.

Also waren Harry und Bridget getrennte Wege gegangen, während ihre Beleidigungen immer noch in seinen Ohren widerhallten. Wenn auch sonst nichts, so hatte ihr Verhalten ihm bewiesen, dass sie noch erwachsen werden musste, mochte sie auch noch so hübsch sein. Sie wusste, wie das Leben an Bord eines Schiffes aussah, da sie nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater gesegelt war. Sicher hatte ihr gesunder Menschenverstand ihr gesagt, dass seine Entscheidung richtig gewesen war? Er hoffte tatsächlich, dass sie das in den letzten zwei Jahren eingesehen hatte.

Er sah weiterhin auf die Frau im Bett. War sie Bridget McDonald? Sie sah auf jeden Fall so aus. Wenn sie Bridget war, wo war dann ihr Vater? Als Callum mit Harrys Schiff verschwunden war, hatte er sich gefragt, ob dieser plante, das Nordmeer zu überqueren und in Schottland zu landen, um mit seiner Tochter wiedervereint zu sein. Doch sie war hier, auf Madeira, wo sie gerade eben von einem Sklavenschiff geflohen war. Vielleicht war Callum nie in Schottland angekommen und befand sich nun, zusammen mit Harrys Schiff und der anderen Mannschaft, auf dem Meeresboden?

Harry konnte es kaum erwarten, dass sie erwachte und ihm ein paar Antworten auf seine Fragen gab!

2. KAPITEL

Du musst nach Machico reiten, Joe, und Juanita herbringen“, sagte Harry und drehte sich von Bridgets Bett zu ihm um. Zwei Tage waren vergangen, doch er hatte kaum ein vernünftiges Wort aus ihr herausbekommen. „Das Fieber wird schlimmer. Sie braucht einen Trank, der stärker ist als der, den du für sie gemischt hast.“

Joe sah auf Bridgets scharlachrote Wangen und ihr zuckendes Gesicht hinunter. „Sie sieht schlecht aus, und sie murmelt in ihrem Fieberwahn.“

Harry warf ihm einen Blick zu. „Ich weiß. Sie hat eine Lady Elizabeth und Piraten erwähnt, aber der Rest war nur endloses unsinniges Geschwätz. Ich will, dass du noch vor Mittag mit der Witwe wieder hier bist. Ich muss in die Zuckerrohrfelder und sehen, wie die Ernte voranschreitet.“

Joe nickte und verließ die Kammer.

Harry nahm seinen Platz an ihrem Bett wieder ein und versuchte, seine Sorgen im Zaum zu halten. Er musste Juanita überreden, hier im Haus zu bleiben, nur dann würde sich seine Angst um die Frau, die er für Bridget McDonald hielt, etwas legen. Er konnte es sich nicht leisten, seine Pläne zu ändern, und musste anwesend sein, um das Verladen des Zuckerrohrs auf die Karren, die die Ladung zu seinem Schiff transportieren würden, zu beaufsichtigen.

Wieder sah er auf die zitternde, unruhige Gestalt hinab. In diesem Augenblick schüttelte sie die Bettdecke fort und versuchte aufzustehen, während sie jemandem auf Portugiesisch zuflüsterte, sie in Ruhe zu lassen. Hastig sprang er auf, hielt sie fest und spürte die Hitze, die von ihrem Körper ausging. Er hob sie zurück aufs Bett, und da bemerkte er etwas, das wie kleine rote Nadelstiche auf ihrer Haut aussah. Sein Mut sank. Vielleicht hatte sie kein Fieber, weil sie nass und unterkühlt gewesen war, sondern weil sie sich mit der Krankheit, die sie erwähnte, angesteckt hatte?

Er dachte über die Konsequenzen nach, falls dem so war, und fluchte leise. Dennoch hatte er keine Wahl, denn sollte das, was den Ausschlag verursacht hatte, ansteckend sein, dann war es zu spät für ihn, sich dagegen zu schützen. Er konnte nur hoffen und beten, dass es sich um einen Hitzeausschlag handelte.

Harry verließ die Kammer und kehrte kurz darauf mit einem Tuch und einer Schüssel mit kaltem Wasser zurück. Er tauchte das Tuch ins Wasser, bevor er es auswrang und ihr Gesicht damit abwischte. Besonders sorgfältig kümmerte er sich um ihre Augen. Dann faltete er das Tuch zu einer feuchten Kompresse zusammen und legte es auf ihre Stirn. Vorsichtig wiederholte er sein Vorgehen, so lange, bis sie weniger ruhelos erschien. Als er ihre Haut berührte, glühte sie nicht mehr, obwohl sie immer noch heiß war. Ließ das Fieber nach? Oder zeigte seine Fürsorge mit dem feuchten Tuch Wirkung? Vielleicht beides.

Plötzlich riss sie die Augen auf und sah ihm ins Gesicht. Blitzschnell streckte sie die Hand aus und umfasste sein Handgelenk. „Was habt Ihr mir angetan?“, krächzte sie. „Wo sind mein Vater und Black Harry?“

Er erstarrte. „Wie heißt Euer Vater?“

„Callum McDonald. Habt Ihr ihn hier gesehen?“

„Nein.“

In ihren Augen zeigte sich Bestürzung.

Harrys Herz begann heftig zu klopfen. Also war sein Gefühl richtig gewesen, und sie war tatsächlich Bridget McDonald. Aber sie schien zu erwarten, ihren Vater und ihn zusammen zu finden. Also hatte er mit seiner Vermutung, dass Callum nie in Schottland angekommen war, recht gehabt? Es war sinnlos, ihr diese Frage jetzt zu stellen. Er löste ihre Finger von seinem Handgelenk und sagte: „Ihr habt ein Fieber, Mistress. Ich habe Joe geschickt, um die Heilerin zu holen.“ Er wrang das Tuch aus und legte es wieder auf ihre Stirn.

„Ich brauche Hilfe, um ihn zu finden. Ich kann keine Zeit mit Herumliegen verschwenden“, meinte sie besorgt. „Ich muss meinen Vater suchen. Vielleicht hat jemand anders ihn gesehen.“

Sie wollte die Bettdecke aufschlagen, doch Harry verhinderte es, indem er seine Hände auf ihre legte. „Ihr seid nicht in der Lage, jetzt irgendwohin zu gehen“, sagte er bestimmt. „Seid geduldig. Ich werde Euch etwas zu trinken holen.“

„Wo sind meine Kleider?“, fragte Bridget. „Ich muss meinen Vater finden.“

Er schluckte die rüden Worte herunter, die aus ihm herausplatzen wollten, ging nach unten in die Küche, machte ihr ein Gemisch aus Wein und Wasser und schenkte sich selbst ein großes Glas Branntwein ein. Er entschied, dass er etwas frische Luft brauchte und nahm das Getränk und die Flasche mit nach draußen. Dann saß er auf der Terrasse und blickte verdrossen über das Meer, das im Sonnenlicht funkelte. Er hatte Hunger und Durst, Schlachten und Stürme überlebt, seit er Bridget das letzte Mal gesehen hatte. Er war darauf vorbereitet gewesen, sich all diesen Gegnern zu stellen, weil er das Abenteuer suchte, ebenso wie er neue Wege finden wollte, um seinen Reichtum zu vergrößern. Aber er hatte ihr die Passage auf seinem Schiff verweigert, nicht nur, weil er entschlossen gewesen war, sie diesen Gefahren nicht auszusetzen, sondern auch, damit ihre aufkeimende Schönheit weder ihn, noch die Mannschaft, von dem bevorstehenden Abenteuer ablenkte. Jetzt war sie in sein Leben zurückgekehrt und brachte Unsicherheit und Ärger.

Warum suchte sie hier auf Madeira nach Callum? Wer war diese Lady Elizabeth, von der sie in ihrem Fieberwahn gesprochen hatte? Auf wessen Schiff war sie in See gestochen, bevor man sie gefangen genommen und an einen Sklavenhändler verkauft hatte?

Mit einem Schluck stürzte er sein Getränk herunter und füllte den Becher erneut. Er blieb noch eine Weile und dachte über die bruchstückhaften Informationen nach, die er bis jetzt aus Bridget herausbekommen hatte. Dann ging er zurück in die Küche, schnitt Brot, bestrich es mit Honig, stellte das Essen und das Getränk auf ein Tablett und trug es nach oben, in der Hoffnung, dass sie ihre Fassung wiedererlangt hatte und in der Lage war, etwas zu essen.

Als er den Gang im oberen Stockwerk erreichte, hörte er ein Krachen, das aus der Gästekammer kam und beeilte sich. Er war verblüfft von dem Anblick, der sich ihm bot. Der kleine Tisch war umgestürzt, und Bridget lag, sich windend, auf dem Bett und brabbelte Worte, die er nicht verstehen konnte. Er ergriff eine ihrer Hände und hielt sie in seinen. „Ruhig, es gibt keinen Grund, so einen Tumult zu veranstalten“, sagte er freundlich. „Ihr seid in Sicherheit.“

Sie starrte ihn an, aber er spürte, dass sie nicht ihn sah, denn sie murmelte immer noch in sich hinein. Er fragte sich, ob sie eingeschlafen war und einen Albtraum hatte. Sie widersetzte sich jemandem und sagte, sie würde ihren Sohn nicht heiraten. Plötzlich löste sich jede Anspannung.

Harry nahm sie in die Arme und hielt sie an die Brust gedrückt, während er beruhigend auf sie einredete. Er erinnerte sich an die Worte, die die Großmutter seines Freundes Alex, des Freiherrn Dalsland, ihm beruhigend zugeflüstert hatte, wenn er unter seinen wiederkehrenden Albträumen litt. Die Erinnerung beschämte ihn, denn er war zu der Zeit schon kurz vor dem Eintritt ins Mannesalter gewesen. Er hätte sich eine solche Schwäche nicht erlauben dürfen, nachdem er drei Jahre an Bord eines Piratenschiffs überlebt hatte. Er war schließlich entkommen, indem er sich im schwedischen Hafen Visby davongeschlichen und sich vor seinen Schiffskameraden hinter einem Stapel Fässer versteckt hatte. Alex hatte ihn gefunden und mit zu seinen Großeltern nach Hause genommen. Sie hatten ihm ein Dach über dem Kopf gegeben und ihn hochgepäppelt, bis sein magerer Körper fülliger und kräftiger geworden war. In diesem Sommer waren er und Alex wie Brüder geworden und sprachen die Sprache des anderen schnell flüssig. Alex’ Großvater, der alte Freiherr, besaß ein Handelsgeschäft und mehrere Schiffe. Harry hatte gefragt, ob er für ihn arbeiten dürfte, und der alte Mann hatte ihn bei einem seiner besten Kapitäne in die Lehre geschickt. Als der alte Freiherr starb, hatte er Harry die ‚Thors Hammer‘ hinterlassen.

Harry strich über Bridgets dunkles Haar und erinnerte sich, wie sehr er um den Verstorbenen getrauert hatte. Plötzlich bemerkte er, dass es ruhig in der Kammer geworden war. Sein Gast war wieder eingeschlafen. Er wartete einige Augenblicke, bevor er sie aufs Bett legte und die Decke über sie zog. Er beschloss, bei ihr zu bleiben, bis sie aufwachte oder bis Juanita ankam, nur für den Fall, dass sie noch mehr Albträume hatte.

Bridget öffnete die Augen, und ihr Blick fiel auf den Mann, der neben ihrem Bett auf dem Stuhl saß. Sein bärtiges Kinn lag aufgestützt in einer Hand und sein Ellbogen ruhte auf einem Kissen auf der Armlehne des Stuhls. Um seine dichten dunklen Wimpern würde ihn so manche Frau beneiden, dachte sie, und fragte sich, wie lange er schon dort saß. Plötzlich bewegte er sich, und Bridget zuckte nervös zusammen. Sie räusperte sich und fragte: „Kapitän, seid Ihr wach?“

Er gähnte, wobei er sehr schöne Zähne enthüllte, und öffnete dann die Augen, um ihren Blick zu erwidern. Für einen Moment fühlte sie sich, als würde sie in die Tiefen dieser dunkelblauen Augen hineingezogen werden, und ihr Herz schlug schneller. „Ich wollte nicht einschlafen, aber ich bin in letzter Zeit oft wach geblieben“, meinte er trocken.

„Ihr meint meinetwegen, Kapitän? Ich bin Euch dankbar für Eure Sorge.“ Ihre Stimme klang heiser, und Harry fand das ausgesprochen anziehend, beinahe ebenso verführerisch wie ihre Schönheit. „Ich möchte Euch so schnell verlassen wie möglich. Denn ich muss meinen Vater finden. Ich habe gehört, dass er und Kapitän Black Harry auf dieser Insel waren.“

Harry fragte sich, woher sie diese Information hatte. „Aber Ihr seid krank. Ihr könnt uns unmöglich verlassen“, sagte er bestimmt.

„Mir geht es schon viel besser“, beharrte sie.

Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass ihr Gesicht von roten Punkten übersät war, doch in diesem Augenblick hörte man unten Stimmen. Also entschuldigte er sich und verließ die Schlafkammer.

Bridget sah ihm nach und fragte sich, ob es die Heilerin war, die angekommen war. Sie wusste, dass das Hemd, das sie trug, wegen ihres Fiebers nach Schweiß roch. Dennoch hatte sie bemerkt, dass es ein gutes Hemd von hoher Qualität war, also war ihr Retter ein Mann von einigem Vermögen. In diesem Moment hörte sie Schritte die Treppe hinauf- und den Gang entlangkommen. Sie beschloss, so zu tun, als sei sie wieder eingeschlafen, weil sie glaubte, so mehr über den Mann herausfinden zu können, der ihr Obdach gewährte.

„Ich habe diesen Ausschlag schon gesehen“, sagte Juanita auf Portugiesisch, während sie über ihre Schulter hinweg einen Blick zu Harry warf. „Es ist ein Leiden, das meistens Kinder trifft und manchmal tödlich sein kann, aber das Fieber ist zurückgegangen, und ich zweifle nicht, dass diese Frau wieder gesund werden wird.“

„Wie lange wird es dauern, bis sie uns verlassen kann?“, wollte Harry wissen, als er Münzen aus einem Beutel an seinem Gürtel nahm.

Juanita richtete den Blick auf das Geld. „Wo will sie denn hin?“

„Sie sucht ihren Vater, einen Callum McDonald, und sie hat gehört, dass man ihn hier auf der Insel gesehen hat. Soweit ich weiß, hat er nie einen Fuß auf Madeira gesetzt, aber ich könnte mich irren. Ich bitte Euch, dass Ihr Augen und Ohren in Machico offen haltet. Ich werde in Funchal suchen lassen, nur für den Fall, dass er dort irgendwann im vergangenen Jahr vor Anker gegangen ist.“

Juanita bedachte ihn mit einem Blick aus den von grauen borstigen Brauen überschatteten Augen an. „Tut das, Kapitän, aber wenn ihr Vater nicht hier ist, was wollt Ihr dann mit ihr machen? Sie ist jung und zweifellos schön, wenn sie nicht gerade diesen Ausschlag hat, aber sie ist auch eine Fremde. Ihr werdet sie doch nicht im Stich lassen?“

„Ich habe eine Schiffsladung Zuckerrohr, die ich nach Lissabon bringen muss. Sie braucht eine Frau, die ihr Gesellschaft leistet. Falls ich sie hier auf Madeira zurücklasse, werdet Ihr bei ihr bleiben? Ich bezahle Euch dafür“, bot Harry an.

Juanita schüttelte den Kopf und sagte bestimmt: „Nein, ich möchte Madeira verlassen. Ich werde alt und will in mein Elternhaus in Portugal zurückkehren. Ich habe dort noch Verwandte und möchte meinen Lebensabend bei ihnen verbringen.“

Harry runzelte die Stirn. „Ich verstehe, aber ich möchte Euch noch um einen weiteren Gefallen bitten. Habt Ihr irgendetwas über ein Sklavenschiff gehört, das hier an der Küste gesunken oder in Machico gelandet ist?“

„Ich habe nichts gehört, aber ich werde Erkundigungen für Euch einholen.“

Er dankte ihr und wechselte das Thema. „Gibt es etwas, was Ihr der jungen Dame für ihren Ausschlag geben könnt?“

Die alte Frau kramte in einer großen Stofftasche herum und zog eine Phiole hervor. „Ihr könnt ihr drei Tropfen von dieser Flüssigkeit verabreichen, wenn der Ausschlag unerträglich juckt und sie wach hält.“

Harry nahm die Phiole und gab Juanita eine Münze. „Wann wollt Ihr nach Portugal aufbrechen?“

„Wenn die Zeichen günstig stehen.“ Sie lachte in sich hinein und tätschelte seinen Arm. „Falls Ihr mich wieder braucht, schickt Joseph, um mich zu holen.“

„Ich werde nicht vergessen, was Ihr gesagt habt.“ Harry sah zum Bett hinüber, als ihm ein Gedanke kam, aber er schwieg und ging nach unten. Er rief Joe, damit er ihren Gast im Auge behielt, und ging dann in Richtung der Felder, wohl wissend, dass er es sich nicht leisten konnte, seine Pläne zu ändern. Er würde die Insel verlassen, sobald die Zuckerrohrernte eingebracht worden war.

Bridget begutachtete den Ausschlag an ihren Armen und runzelte die Stirn, während sie über das Gespräch zwischen dem Kapitän und Juanita nachdachte, das sie belauscht hatte. Leider hatte sie nicht alles, was gesprochen wurde, verstanden, aber sie war sicher, dass er Juanita gebeten hatte, Nachforschungen über ihren Vater anzustellen, und dafür war sie ihm dankbar. Hoffentlich ließ er auch nach dem Sklavenhändler und seinem Schiff suchen. Was, wenn der Sklavenhändler immer noch am Leben war und sich nach ihrem Verbleib erkundigte? Schließlich hatte er sie gekauft. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was sollte sie tun, wenn der Kapitän nach Lissabon segelte und sie hier auf Madeira schutzlos einer skrupellosen Person auslieferte?

Es klopfte an der Tür. „Darf ich reinkommen?“, fragte Joe.

Bridget seufzte. „Ja, bitte.“

Der Junge betrat mit einem Tablett die Schlafkammer. „Wusstet Ihr, dass der Kapitän und ich eine Weile lang dachten, Ihr würdet sterben? Aber jetzt seht Ihr viel besser aus, trotz des Ausschlags. Der Kapitän meint, er könnte vom Fieber gekommen sein, weil Ihr so geglüht habt.“ Er strahlte sie an.

Bridget zwang sich zu lächeln, da sie vermutete, dass der Kapitän nicht ganz ehrlich mit Joe gewesen war. Sie erinnerte sich auch daran, dass es der Junge gewesen war, der ihr am ersten Tag hier den Mohnsaft in ihren Trunk gemischt hatte. „Es geht mir viel besser, also brauche ich keine Medizin, Joe“, sagte sie eilig.

„In Ordnung. Aber der Kapitän hat gemeint, Ihr sollt Brot und Käse essen, und dann soll ich Euch einen Zimtapfel bringen.“

Autor

June Francis
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Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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