Historical Exklusiv Band 83

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DIE BRAUT DES SCHOTTISCHEN RITTERS von BLYTHE GIFFORD

Clares Schicksal ist besiegelt: Ihr Vater verkündet, dass sie bald heiraten wird! Nicht den galanten Comte aus Frankreich, der ihre romantische Seele auf höfische Weise zu bezaubern weiß. Sondern Gavin Fitzjohn, den unehelichen Bastard-Sohn des englischen Prinzen mit dem wilden Herzen eines schottischen Rebellen. Er kann sie bestimmt meisterhaft verführen - aber kann sie ihn jemals lieben?

DER LIEBE VERSPROCHEN von MARGARET MOORE

Mit bangem Herzen erwartet Constance die Ankunft von Ritter Merrick, dem neuen Herrn von Tregellas. Er wird sich nehmen, was ihm zusteht: die Burg seines Vaters - und Constance! Was, wenn er als Gatte hart und grausam ist? Doch Merrick stellt ihr frei, ihn zu heiraten. Zögernd wird Constance seine Braut. Aber erst in seinem Gemach erkennt sie, wie wenig sie von dem Mann weiß, an den sie nun für immer gebunden ist …


  • Erscheinungstag 26.05.2020
  • Bandnummer 83
  • ISBN / Artikelnummer 9783733748999
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Blythe Gifford, Margaret Moore

Historical Exklusiv BAND 83

1. KAPITEL

Haddington, Schottland im Februar 1356

Nach zehn Jahren war er endlich nach Hause zurückgekehrt.

Und er hatte den Krieg mitgebracht.

Der kalte, feuchte Nebel verdunkelte das schwindende Licht des düsteren Februartags und waberte um die Mauern der Kirche, die sich vor ihnen erhob. Die Ringe seines Kettenhemds legten sich kalt an seinen Nacken, und die englischen Ritter an seiner Seite fröstelten auf ihren Pferden.

Der Winter war eine schlechte Zeit, um einen Krieg zu führen.

Gavin Fitzjohn sah zu seinem Onkel hinüber, König Edward III., dem stolzen Löwen, der auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Schon vor mehr als zwanzig Jahren hatte dieser König einen ähnlichen Angriff auf Schottland angeführt. Damals hatte sein Vater, der Bruder des Königs, ein illegitimes Kind mit einer Schottin gezeugt und zurückgelassen.

Heute ritt dieser Sohn, Gavin, wieder an der Seite seines Onkels, genauso wie letztes Jahr in Frankreich. Ohne Bedenken hatten sie damals Soldaten und Dorfbewohner bekämpft, so lange, dass der Geruch von Blut und Rauch Gavin noch jetzt in seinen Träumen heimsuchte. Doch er hatte es nur getan, weil er ein Ritter in einem Krieg war.

Doch dies war nicht Frankreich. Jetzt hatte der König die verbrannte Erde nach Hause gebracht. In den vierzehn Tagen, seit sie Berwick zurückerobert hatten, hatte seine Armee selbst das wenige, das die schottische Armee zurückgelassen hatte, zerstört und verbrannt.

Gavins Pferd trat unruhig von einem Bein aufs andere. Durch die Fenster der Kirche leuchtete der Chorraum wie eine einladende Lampe, so hell und freundlich wie alle Kirchen, die er jenseits des Kanals gesehen hatte.

Die Dorfbewohner drängten sich vor ihrem Gotteshaus zusammen, unsicher, was sie erwartete. Gavin sah einen Mann mit gefalteten Händen, der mit geschlossenen Augen still betete. Dann schlug er die Augen auf und sah Gavin an.

Angst. Sie war so groß, dass man sie fühlen konnte.

Er hatte das Töten gründlich satt.

Ein Knappe lief mit einer brennenden Fackel auf den König zu. Im Zwielicht warfen die Flammen gespenstische Lichter und Schatten über die von Schlamm bedeckten Wappenröcke und Rüstungen.

Er warf seinem Onkel einen Blick zu. Schluss jetzt, dachte er. Ein frommer Wunsch.

Denn es war Ärger, kein Mitleid, das sich in Edwards Gesicht spiegelte. Die Schotten hatten dem Waffenstillstand nur zugestimmt, um sich auf den Krieg vorzubereiten. Nachdem Lord Douglas schließlich das Friedensangebot Englands ausgeschlagen hatte, hatte Edward geschworen, ihnen den Krieg zu geben, nach dem es sie verlangte.

Der König bedeutete dem Knappen, die Fackel Gavin zu reichen.

„Nimm die Fackel“, befahl er. Wie ein Höllenfeuer flackerte sie zwischen den beiden auf. Edward wies mit dem Kopf auf die Kirche. „Zünde sie an.“

Der Knappe drückte Gavin die Fackel in die Hand. Er nahm sie entgegen, wie er es bereits oft getan hatte, doch diesmal war sein Griff zögerlich, beinahe zittrig. Oder spielte das flackernde Licht ihm einen Streich?

Die misstrauischen Blicke der Dorfbewohner wanderten von ihm zu der Kirche. Was würde mit ihnen geschehen, wenn sie ihr Gotteshaus verloren?

Das Weinen eines Säuglings hallte von den Steinmauern der Kirche wider. Gavin versuchte, die Fackel dem Knappen wieder zurückzugeben, schon donnerte Edward los und ließ seiner tiefen Enttäuschung über den gescheiterten Feldzug freien Lauf. „Worauf wartest du?“

Schwere Stürme hatten seine Flotte versenkt, und da keine Schiffe nachkamen und ihnen die Vorräte ausgingen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen. Doch nicht ohne das Land vorher zu verwüsten, wie Edward es beabsichtigte.

„Lasst sie. Sie haben uns nicht bekämpft“, sagte Gavin.

„Sie haben ihr eigenes Land zu Grunde gerichtet, damit wir kein Vieh zum Essen und kein Ale zum Trinken haben.“ Edwards Ritter murrten zustimmend. Knurrende Mägen erschufen grausame Krieger.

Gavin sah von der Fackel zur Kirche. Steinmauern boten keinen Schutz. Er wusste das. Schließlich hatte er große und kleine Feuer von der Picardie bis zum Artois gelegt und gehört, wie das Dach knisternd Feuer fing, das Gebälk zu Boden fiel und die hölzernen Altäre entzündete. Er selbst hatte die Hitze durch seinen Brustpanzer hindurch gespürt. Die goldenen Löwen und Lilien auf seinem Wappenrock waren von Asche versengt worden.

Doch dies hier war anders. Schon seit dem Augenblick, als sie die Grenze überquerten, hatte er den vertrauten Duft der Erde eingeatmet, das sanfte Ansteigen der Hügel unter den Hufen seines Hengstes gespürt und zu dem immerwährenden grauen Nebel über ihnen aufgeblickt. Und es war ihm klar geworden.

Egal, wie lange er fort gewesen war, wo und bei wem er sich aufgehalten hatte, dies hier war seine Heimat.

„Was ist los, Fitzjohn?“, brüllte der König. „Hält dich etwa das Blut deiner Mutter zurück, der schottischen Hure?“

Seine Mutter war keine Hure gewesen. Doch der König hatte Gavins Vater diese Sünde nie vergeben, selbst nachdem er gestorben war.

„Es gibt keinen Grund, dies zu tun“, antwortete er. „Diese Leute bekämpfen uns nicht.“

„Dein Vater hätte nicht gezögert!“ Sein Vater hätte Schlimmeres getan.

Doch Gavin konnte es nicht mehr. Er ließ die Fackel fallen und hörte ein Zischen, als sie auf den durchweichten Boden fiel. Dann zog er sich den rot-gold-blauen Wappenrock aus, den das Zeichen seines Vaters schmückte, und hielt ihn über die zischende Fackel, bis er Feuer fing.

„Vielleicht hätte mein Vater es getan. Aber ich werde es nicht tun.“ Damit ergriff er die Zügel, wandte sein Pferd und ritt allein in die Dunkelheit.

Er war nicht wie sein Vater. Zumindest hoffte er das.

Ein paar Wochen später, in den Cheviot Hills

Der Falke war den ganzen Tag unruhig auf der Sitzstange hin und her gerutscht, hatte an den Lederfesseln herumgepickt und war sogar dann noch nervös gewesen, als Clare ihm die Falkenhaube über den Kopf zog, um seine Augen zu bedecken. Seltsam. Normalerweise fürchtete das Tier nichts, wenn es nichts sah.

„Was ist los, Little?“, flüsterte Clare, während sie die Tür schloss, und gab dem Falkner ein Zeichen, sich zu entfernen. Sie tat so, als gehörte es zu ihren Pflichten als Herrin von Carr Tower, sich um die Jagdvögel zu kümmern, doch natürlich gab es einen Falkner, der gut dafür bezahlt wurde, sich um die Bedürfnisse der Vögel zu kümmern. Doch sie wollte diese Aufgabe selbst erledigen, ganz besonders, wenn es sich um diesen Vogel handelte. Clare hielt ihm einen Leckerbissen hin, und der Falke knabberte ihn aus ihrer Hand.

„Ihr verwöhnt den Vogel, Mistress Clare“, sagte der alte Falkner. Seine mit Grau durchsetzten Augenbrauen trafen sich beinahe, als er die Stirn runzelte. „Sie wird nicht jagen, wenn sie nicht hungrig ist.“

„Es ist nur ein Krümel.“ Eine Bestechung wäre das passendere Wort gewesen, womit sie sich vormachte, dass dem Vogel etwas an ihr lag und nicht nur an dem Fressen, das sie ihm brachte.

Sie überprüfte, ob sich die Lederfesseln an den Klauen des Falken nicht gelöst hatten. „Ich glaube, eine kleine Belohnung von Zeit zu Zeit tut ihr gut.“

Neil schüttelte den Kopf. „Ihr werdet nicht mehr so denken, wenn Ihr sie verliert. Sollte sie je herausfinden, dass sie ohne unsere Hilfe überleben kann, wird sie nie wieder zu Euch zurückkehren.“

Seit Jahren hielt er ihr dies vor. Doch mit Ausnahme dieses kleinen Verstoßes hatte Clare sich an alle Regeln gehalten, als sie Little abgerichtet hatte.

Sie zog einen dicken Lederhandschuh über und streckte ihren linken Arm aus. Der Vogel hüpfte auf ihre Faust, und Clare eilte aus dem Mauserhaus und auf den Befestigungswall, wo Angus bereits auf sie wartete. Der Page, der bald Knappe werden würde, war zurückgelassen worden, als ihr Vater mit den meisten Männern in den Krieg gezogen war. Kein Wunder, dass er sich jetzt als Beschützer der Damenwelt berufen fühlte.

„Hol mein Pferd und den Hund, Angus.“

Er zögerte. „Ihr solltet nicht allein ausreiten, Mistress Clare.“

Das war ihr bewusst, aber sie hatte den Jungen ausgesucht, weil er sich ihr nicht widersetzen würde. „Sowohl der Vogel als auch ich brauchen etwas Bewegung. Und mein Vater hat eine Nachricht geschickt. Er wird bald zu Hause sein. Die Engländer sind inzwischen auf halbem Weg nach Carlisle.“

In Wahrheit konnten die Engländer ebenso gut in der Nähe von Melrose sein, aber sie war es leid, sich zu verstecken, sie war den Winter überdrüssig und hatte genug davon, wie die Vögel eingesperrt zu sein. Außerdem gewährten die wilden Hügel ebenso viel Schutz, wie eine Armee es getan hätte. Manche nannten es „Die große Einöde“. Niemand kam hierher, es sei denn, er wollte der zivilisierten Welt entfliehen.

Angus brachte Clare ihren Hund und ihr Pferd und hielt den Falken, während sie aufstieg. Dann, stolz auf seinem Pony sitzend, ritt er neben ihr her. Als sie den Schatten des Wohnturms verließen, sah sie hinauf zu dem blauen, wolkenlosen Himmel. Sie hatten dergleichen seit Monaten nicht gesehen.

„Clare! Warte!“

Sie wandte sich um und sah Euphemia, die Tochter der Witwe Murine, die ihr hinterher galoppierte. Clare unterdrückte einen Seufzer, da sie soeben einen kostbaren Moment allein mit ihrem Falken verloren hatte. Ihre persönliche kleine Freiheit.

Sie hielt ihr Pferd im Zaum, um das Mädchen nachkommen zu lassen. Euphemia sah keinesfalls so aus, als sei sie bereit, auf die Jagd zu gehen. Im Gegenteil. Die junge Frau wirkte eher, als könnte sie jederzeit in das Bett des nächsten Mannes fallen, dem sie begegnete. Es lag nicht an ihrer Kleidung – ihr Kleid war ebenso züchtig wie Clares –, sondern daran, dass sie bereits jetzt, im Alter von sechzehn Jahren, mit ihrem Lächeln und ihrem Augenaufschlag jeden Mann von einer gemeinsamen Nacht träumen ließ.

„Ich musste einfach mitkommen“, erklärte das Mädchen, als sie sie einholte. „Vielleicht gibt es bis Juni keinen so schönen Tag mehr.“ Ihre Wangen waren gerötet, und ihr dunkles Haar fiel über ihre Schultern.

„Du darfst mitkommen, aber bleib in meiner Nähe. Little war seit Tagen nicht draußen, und ich möchte sichergehen, dass sie einen guten Flug hat.“

Sie sah zum Himmel empor und hielt nach einer möglichen Beute für den Vogel Ausschau. Doch stattdessen hörte sie die flatternden Flügel eines anderen Falken. Little, immer noch unter der Falkenhaube, wandte den Kopf, als suche sie nach der Quelle des Geräuschs.

„Was war das?“, fragte Euphemia.

Clare blickte den Vogel an – ein Männchen, ein Terzel, dachte sie, aufgrund seiner kleineren Statur. Er flog über ihren Weg hinweg, vor und zurück, wild, dunkel, mit gelb umrandeten Augen, die starrten, als wolle er sie zum Anhalten zwingen.

„Ich weiß nicht.“ Clare runzelte die Stirn, weil sie plötzlich befürchtete, dass der fremde Vogel Little zur Freiheit verführen könnte. Sie versuchte, ihn abzuschütteln, indem sie davongaloppierte und erst anhielt, als sie halb den Bergrücken hinaufgeritten und der Terzel außer Sichtweite war.

„Seht!“, flüsterte Angus, als der Hund sie auf eine Beute aufmerksam machte.

Ein paar Yard entfernt kauerte ein Rebhuhn unter einem Busch. Es würde einfach sein, es aufzuscheuchen. Die perfekte Beute für einen Falken!

Clare sah über ihre Schulter zurück, um sicherzugehen, dass sie den Terzel abgehängt hatten. Dann entfernte sie Littles Haube und bemühte sich, die Lederriemen festzuhalten, die der Wind ihr beinahe aus den Fingern riss. Sie streckte den Arm, und Little erhob sich flügelschlagend, bis sie nur noch ein winziger Fleck am Himmel war. Dort oben würde sie kreisen, so wie sie es gelernt hatte, bis die Menschen ihr ihre Beute in den Himmel hinaufscheuchten.

Angus hetzte den Jagdhund in Richtung des Busches, um das Rebhuhn hochzujagen, sodass es in den Himmel emporflog, wo es sich sicher wähnte. Doch der kleine Punkt am Himmel stürzte auf seine Beute zu, schneller als ein Pferd galoppieren konnte.

Sie ritten los und folgten.

Gegen Nachmittag hatten sie den halben Weg in Richtung Tal zurückgelegt. Der Falke hatte den ganzen Tag lang gejagt, drei Vögel getötet und ihnen mehrere großartige Sturzflüge vorgeführt. Jedes Mal hatte Clare sie mit einem Stück Fleisch belohnt. Dann ließ sie die Beute schnell verschwinden, weil sie nicht wollte, dass der Falke ohne seinen Herrn fraß und lernte, dass er die Hilfe der Menschen nicht brauchte.

Das letzte Rebhuhn entkam. Clare rief ihren Falken mit einem schrillen Pfiff und lächelte, als Little sich gehorsam auf ihrer Faust niederließ.

Dieser Vogel würde immer wieder zu ihr zurückkehren.

Der Gedanke rief ihr die Liste ihrer unerledigten Pflichten ins Gedächtnis zurück. Sie wendete das Pferd und gab Angus und Euphemia ein Zeichen, ihr zu folgen. Die Wärme des Vormittags war verflogen, und ein kühler Nebel waberte durch das Tal. Er erinnerte sie an die Gefahren, die überall lauerten. Die englische Armee mochte weit entfernt sein, doch die englische Grenze war es nicht.

Das war ihr letzter Gedanke, bevor er wie ein Geist aus dem Nebel auftauchte, ein goldener Mann auf einem schwarzen Pferd.

Ein Mann ohne Banner.

Ein Mann, der niemandem Treue gelobt hatte.

Der Vorstehhund bellte kurz auf und knurrte dann, als sei er eingeschüchtert.

Der Fremde sah ihr direkt ins Gesicht. Seine Augen waren blau wie der Sommerhimmel, und hinter diesem Blau lauerte eine flammende Hitze.

Wie Feuer.

Was auch immer sie hatte sagen wollen, die Worte blieben ihr im Hals stecken. Neben ihr rang Euphemia nach Luft und kicherte dann. „Wo wollt Ihr hin, mein Herr?“

Clare blickte sie wütend an. Das Mädchen war ein hoffnungsloser Fall. Sie hatten Glück, wenn sie es schafften, sie zu verheiraten, bevor sie ein Kind unter dem Herzen trug.

„Dorthin, wo man mich aufnimmt“, antwortete er Euphemia, doch er sah Clare an.

Ihre Wangen brannten.

Neben ihr zog Angus seinen Dolch, die einzige Waffe, die er tragen durfte. „Ich werde die Damen verteidigen.“

„Ich bin sicher, das wirst du.“ Das Lächeln des Fremden, träge und anmaßend, passte nicht zu der Intensität seiner Augen. „Das ist ein schöner Dolch, und ich bin sicher, du weißt ihn gegen mich zu führen, aber ich bitte dich, mein Pferd nicht zu verletzen.“

Er klang auf seltsame Weise freundlich. Wo war sein eigener Knappe? „Wer ist bei Euch?“

„Niemand.“

„Ein gefährliches Unterfangen.“ Sagte er die Wahrheit? Es hätte sich eine ganze Armee hinter ihm im Nebel verstecken können. Sie war ohne Wachen und unbewaffnet ausgeritten und hatte sie alle in Gefahr gebracht. „Wisst Ihr nicht, dass Edwards Armee immer noch in der Gegend ist?“

Er runzelte die Stirn. „Tatsächlich?“

Sein Akzent verwirrte sie. Er rollte das R wie man es in den Gegenden näher am Meer tat, aber da war noch etwas anderes, das sie nicht recht einordnen konnte. Doch bereits hinter dem nächsten Hügel sprach jede Familie auf andere Weise. Er könnte ein Robson von der anderen Seite des Hügels sein, der die Lage für einen Raubzug auskundschaftete, oder er könnte zu den Männern aus Treviotdale gehören, die sich auf Edwards Seite geschlagen hatten.

„Ihr seid kein Engländer, hoffe ich?“

„In mir fließt ebenso schottisches Blut wie in Euch.“

„Und woher wollt Ihr wissen, wie schottisch mein Blut ist?“

„Das schließe ich aus der Art, wie Ihr die Frage gestellt habt.“

Klang sie in Alains Ohren ebenso provinziell? Clare zuckte zusammen bei dem Gedanken an den französischen Ritter, der zurzeit bei ihnen zu Gast war. Sie wollte ihn beeindrucken, nicht in Verlegenheit bringen. „Wie heißt Ihr, Schotte?“

„Gavin.“ Er hielt inne. „Gavin Fitzjohn.“

Ein Bastard. Doch selbst ein Bastard trug das Wappen seines Vaters. Dieser Mann offenbarte keinerlei Hinweis auf seine Herkunft. Kein Motto auf seinem Schild, kein Wappenrock. Nur die ungepflegte Rüstung, die vom Rost dunkel geworden war. Kein Wappen, kein Knappe. Also war seine Herkunft nicht edel genug, um ihn zu einem wahren Ritter zu machen.

„Seid Ihr ein Deserteur?“ Little auf ihrer Faust wurde unruhig und flatterte wild mit den Flügeln. Sanft berührte Clare die weichen Brustfedern und versuchte, sowohl den Vogel als auch sich selbst zu beruhigen.

Sein träges Lächeln blieb ungerührt. „Nur ein müder und hungriger Mann, der ein Bett sucht, das ihn willkommen heißt.“ Er ließ seinen Blick über sie gleiten, als frage er sich, wie sehr ihr Bett ihn willkommen heißen würde.

„Nun, bei uns werdet Ihr kein solches finden.“

„Ich habe nicht darum gebeten. Noch nicht.“

Glaubte er tatsächlich, sie würde ihm anbieten, seine Bettgefährtin zu sein? Sie sollte mit einem solchen Mann überhaupt nicht reden. „Nun, wenn Ihr es tut, werde ich Einsprüche erheben.“

„Ich werde nicht danach fragen, bevor ich weiß, ob ich mit Freund oder Feind spreche.“

„Und ich werde nicht antworten, bevor ich dasselbe erfahre.“

„Seid Ihr eine Frau mit vielen Feinden?“

„Drei Könige erheben Anspruch auf dieses Land. Wir haben mehr Feinde als Freunde.“

„Aye“, erwiderte er düster und streckte seine Finger aus, als wolle er nach seinem Schwert greifen. „Wer sind Eure Feinde?“

Wieder trafen sich ihre Blicke. Sie hätte ihn zuerst fragen sollen. Wem diente er? Dem Thronanwärter Balliol, der erst kürzlich entmachtet worden war? David the Bruce, der immer noch von dem englischen König Edward festgehalten wurde und darauf wartete, dass jemand ein Lösegeld zahlte? Vielleicht hatte er sein Blut betreffend gelogen und war ein Gefolgsmann Edwards.

Neben ihr seufzte das Mädchen auf. „Dies ist Mistress Clare, und ich bin Euphemia, und ich habe keine Feinde.“

„Euphemia!“ Klimperte sie etwa mit den Wimpern? Tatsächlich. „Willst du, dass er uns umbringt?“

„Das würde er nicht tun. Ein Ritter muss Damen beschützen, nicht wahr?“ Sie warf ihm erneut einen koketten Blick unter gesenkten Lidern zu und wandte sich dann an Clare. „Behandle ihn nicht wie einen Feind.“

„Wenn ich das tue, dann deshalb, weil es vernünftig ist.“ Sollte sie losgaloppieren, könnte sie dem Fremden dann entkommen? Nicht mit Angus und Euphemia im Schlepptau und mit Little auf ihrer Faust.

Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Er sieht wie ein gefährlicher Schurke aus, nicht wie ein Ritter. Er trägt keinerlei Wappen, dafür hat seine Rüstung Rostflecken!“ Und falls der Fremde mit den Regeln der Ritterlichkeit vertraut war, kümmerten sie ihn offensichtlich nicht.

Euphemia zuckte mit den Schultern und wandte sich dem Mann zu. „Ihr seid nicht gefährlich und schmutzig, nicht wahr?“

Etwas verdunkelte sein Gesicht, bevor ein Lächeln erschien. „Nun, das kommt darauf an, was genau ihr darunter versteht, doch ich würde sagen, dass Mistress Clare eine Gabe dafür hat, einen Charakter einzuschätzen.“

Er klang ruhig, ohne jegliche Empörung. Ein Ritter würde niemals zulassen, dass man seine Ehre so infrage stellte. Alain, der Inbegriff französischer Ritterlichkeit, hätte eine solche Kränkung niemals durchgehen lassen.

„Auf wessen Ländereien reite ich, Mistress Euphemia?“, fragte er.

„Nicht Mistress. Nur Euphemia“, erklärte Clare und weigerte sich, näher darauf einzugehen. Schlimm genug, dass ihr Vater ihrer toten Mutter Schande gemacht hatte, als er sich mit der Witwe Murine einließ, dessen Kind er darüber hinaus noch wie eine eigene Tochter behandelte. „Und Ihr befindet Euch auf den Ländereien der Carrs.“

„Wer ist der Lehnsherr?“

„Douglas“, antwortete sie.

„Es dürfte schwierig sein, sich in Middle March nicht auf Douglas’ Ländereien zu befinden, nicht wahr?“ Sein langsames Kopfnicken verriet seine Gedanken nicht. „Seid Ihr König David treu ergeben?“

„Wie könnt Ihr das fragen, wenn das Herz eines Bruce auf Douglas’ Schild abgebildet ist?“ Vor Überraschung vergaß sie ihre höfische Sprechweise. „Seid Ihr blöde?“

„Nein, aber Carr-Männer waren abwesenden Königen nicht immer treu ergeben.“

König David hatte die Hälfte ihres Lebens in englischer Gefangenschaft verbracht, wie es schien. In dieser Zeit herrschten ein Stewart und ein Douglas in seinem Namen über Schottland. „Macht Euch das zu einem Feind von Douglas und Carr, Gavin Fitzjohn?“

„Nein, solange sie mir nicht feindlich gesinnt sind.“

Wieder trafen sich ihre Blicke, und sie maßen einander schweigend. An der Grenze konnte eine Allianz so stark sein wie der unerbittliche Wind. Und ebenso wechselhaft.

„Siehst du Clare? Er ist kein Feind. Wir sollten alle nach Hause reiten. Ich bin jedenfalls durchgefroren und will mich ans Feuer setzen.“ Euphemia ließ ihr Pferd lostrotten, und der Fremde folgte ihr.

Clare übergab Angus den Falken und beeilte sich, die beiden einzuholen, während der Page und der Jagdhund folgten. Sie ritt neben Euphemia her, und der Fremde fiel zurück, um Angus für sein Pferd zu loben.

„Du führst ihn geradewegs zu uns nach Hause!“

Euphemia zuckte mit den Schultern. „Warum machst du dir solche Sorgen? Er ist allein, und wir sind zu dritt.“

„Und er ist der Einzige, der ein Schwert trägt.“

Zwar waren ein paar Männer beim Turm zurückgeblieben, doch wenn er als Spion unterwegs war, dann führten sie ihn genau dorthin, wo er hinwollte. Dennoch, entschied sie, könnte sie sich zu Hause in der Burg sicherer fühlen, wo ihre Waffenknechte ihm überlegen waren.

Kurz darauf näherte sich ihr der Fremde. „Angus hat mir erzählt, dass Euer Falke heute drei Rebhühner getötet hat, die doppelt so groß waren wie er selbst. Ein mutiger Vogel.“

„Gut, dass Ihr das sagt.“ Euphemia lächelte. „Little ist Clares Liebling.“

„Dann beurteilt Eure Schwester Jagdvögel ebenso gut wie Menschen.“

Clare warf ihm einen Blick zu, ohne den Kopf zu wenden, und zerbrach sich immer noch den Kopf über ihn. Er hatte sich nicht den höfischen Regeln entsprechend verhalten, wie es ein Ritter tun sollte, doch er führte sein Ross mit der Leichtigkeit eines Kriegers, der sich seiner Stärke bewusst war.

Er ertappte sie dabei, wie sie ihn betrachtete, und sie blickte zähneknirschend beiseite, als er lachte. „Es ist zu spät, um mir zu schmeicheln, Fitzjohn.“

„Oh, Mistress Clare“, begann er und klang immer noch amüsiert, „kein Mann, der Euren Charakter beurteilen könnte, würde versuchen, Euch zu schmeicheln.“

„Doch ein wahrer und edler Ritter würde immer höflich und galant zu einer Dame sein“, widersprach sie. Alain tat dies immer. „Also dürftet Ihr wohl kein echter Ritter sein.“

„Oder Ihr keine echte Dame.“

Sie erstarrte. Hatte sie sich verraten? „Ich bin mit Sicherheit mehr Dame, als Ihr ein edler Ritter seid.“

Er neigte den Kopf. „Vielleicht, Mistress Clare, ist es noch zu früh, um zu diesem Schluss zu kommen.“

Sein sanfter Tadel ließ sie schlucken. Eine Dame hätte niemals so etwas gesagt. Doch in diesem wilden Land war es schwer, sich an die höfischen Verhaltensregeln zu halten, die sie als Kind in Frankreich gelernt hatte.

Da sie sich inzwischen in Sichtweite des Turms befanden, blieb ihr eine Antwort erspart, und sie bedeutete der Wache, die auf der Mauer bereitstand, das Tor zu öffnen. „Wer ist bei Euch, Mistress?“

Der Fremde neben ihr wartete nicht darauf, dass sie antwortete, sondern rief: „Ein hungriger, müder Mann, der auf der Suche nach einem warmen Bett und einem warmen Mahl ist.“

Die Wache wartete auf ein Zeichen von ihr. Sie nickte. „Öffnet das Tor.“

Sie ritten in den Befestigungswall hinein, und Clare reichte dem Falkner den Sack mit dem Wild.

Sie wollte absteigen und erwartete, dass Angus ihr vom Pferd helfen würde, aber stattdessen sah sie sich dem Fremden gegenüber. Er war da, bevor sie merkte, dass er sich bewegt hatte, so schnell wie ein Falke, der sich auf seine Beute stürzte.

Höflich streckte er die Arme aus, um ihr herabzuhelfen. Sie zögerte. Auf eine seltsame Weise schien seine Hand sie zu mehr aufzufordern.

Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, umschloss er ihre Taille und hob Clare aus dem Sattel. Sie hatte keine Wahl.

Er hielt sie beinahe zu fest. Als sie ihre Zehen in Richtung Boden streckte, spürte sie, wie ihr Busen an seine Brust gedrückt wurde. Ein Gefühl, wie das Streichen einer Vogelfeder, kribbelte ihr über die Haut. Sie legte den Kopf ein wenig in den Nacken, doch seine wohlgeformten Lippen waren ihr immer noch zu nah.

Endlich spürte sie Boden unter den Füßen.

Aufrecht stehend war er einen Kopf größer als sie. Obwohl der Reisestaub an ihm haftete, konnte sie seinen Duft wahrnehmen, vielschichtig und gefährlich, wie ein Feuer aus Eichen- und Kiefernholz, das am Ende einer langen Nacht noch schwelte.

Er lächelte sie immer noch an und wandte auch nicht den Blick von ihr ab. Seine Augen waren verblüffend blau, umrahmt von dichten Brauen, und er sah sie ebenso fest an, wie er sie hielt.

„Ich bin bereit zum Absteigen.“ Man konnte Euphemias Schmollen deutlich hören.

Und damit ließ er sie los.

Clare bemerkte, dass sie die ganze Zeit, als er sie berührte, den Atem angehalten hatte, und lehnte sich an ihr Pferd. Dieser Mann war gefährlich. Eine Frau, die ihm vertraute, würde verlassen und allein enden.

Oder noch Schlimmeres.

Sie zwang sich zu gehen und ignorierte seinen Blick in ihrem Rücken. Der Koch und der Hausmeier näherten sich mit ernsten Gesichtern. Sie hoffte, das frische Geflügel würde ihren Ärger darüber, dass sie ihre täglichen Pflichten vernachlässigt hatte, besänftigen.

„Mistress Clare.“ Die Worte des Fremden klangen wie ein Befehl.

Sie drehte sich um, als er ihren Namen aussprach, und hasste sich selbst dafür, aber auch ihn, dass er sie dazu gebracht hatte. „Wenn Ihr Essen wollt, das Nachtmahl wird in Kürze serviert.“

„Ich will den Carr sprechen, der hier die Verantwortung hat.“

„Ihr habt schon mit ihr gesprochen.“

Als sie sich zum Hausmeier umwandte, umspielte immer noch ein Lächeln ihre Lippen.

Gavin sah, wie die Frau sich lächelnd von ihm abwandte.

Ihr habt schon mit ihr gesprochen.

Das hatte er tatsächlich. Mit ihrem hellen Haar, das fest zu einem Zopf geflochten war, den misstrauischen graugrünen Augen und den geraden Augenbrauen war ihr Gesicht nicht vollkommen. Aber sie besaß das Aussehen einer Frau, die es gewohnt war, dass man ihr gehorchte, und es erschien ihm nur natürlich, dass sie die Herrin über den Turm war, solange ihr Vater oder ihr Ehemann sich im Krieg befanden.

Bis jetzt hatte er sich diese Frau sicher noch nicht zum Freund gemacht, aber nun musste er alles daransetzen. Er schritt zu ihr hinüber. „Dann seid Ihr diejenige, mit der ich sprechen möchte. Ich möchte mich Euren Männern anschließen.“

Das Zittern ihrer Lippen konnte Ärger oder Angst bedeuten. Falls sie herausfand, wer er war, könnte es nur Angst sein. Letztendlich würde es keine Möglichkeit geben, seine Identität zu verheimlichen. Sie hatte mit seinem Namen nichts anzufangen gewusst, obwohl auch der kleinste Verband von Kriegern ihn inzwischen zu kennen schien.

Dennoch wollte er sich nicht hinter einer Lüge verstecken. Die Menschen würden ohnehin glauben, was sie wollten. Er hatte gelernt, es zu ignorieren.

„Nein. Das ist unmöglich.“ Ihr Ton duldete keinen Widerspruch.

„Warum?“ Zweifellos waren die meisten Männer der Burg dabei, Edward zurück nach England zu treiben. „Ein zusätzlicher Waffenknecht sollte willkommen sein.“

„Oh, wir werden genug Männer hier haben, sobald sie Edward gefangen nehmen und nach Hause kommen.“

Gavin spürte einen Anflug von Bedauern. Er hatte gewusst, dass er den Mann im Stich ließ, der ihm die Ritterwürde verschafft hatte, aber er hatte gehofft, dass es ihm nicht so viel ausmachen würde. „Nun, bis dahin biete ich Euch meine Dienste an.“

„Erwartet Ihr immer, dass Ihr bekommt, was Ihr verlangt?“

Was er wollte, war ein Ende des Krieges. Das konnte er nicht erwarten. Oder gar erhoffen. „Meine Pflicht als Ritter ist es zu kämpfen. Mehr erwarte ich nicht.“

Sie betrachtete sein Gesicht so genau, dass er befürchtete, sie könnte das englische Blut sehen, das in seinen Adern floss. „Also seid Ihr wirklich ein Ritter?“

Die Überraschung in ihrer Stimme besagte, dass ein Ritter ein besonderes Geschöpf war, und kein Mann, der wie ihr Falke darauf abgerichtet war, auf Befehl hin zu töten.

„Aye“, erwiderte er, mit dem schottischen Tonfall seiner Kindheit. „Ich bin ein echter Ritter.“

Er sah, wie sie über seine Erwiderung nachdachte, bevor sie antwortete.

„Dennoch lautet meine Antwort Nein. Wenn Ihr hungrig seid, füllt Euren Magen heute Abend bei Tisch. Wenn Ihr müde seid, schlaft heute in der Halle. Aber morgen früh verschwindet Ihr.“

Er verbeugte sich, als sie ging, dankbar, wenigstens eine Nacht unter einem Dach verbringen zu können. Voller Ärger und Verzweiflung hatte er die letzten Wochen versteckt in diesen verlassenen Hügeln verbracht, wo er sowohl Schotten als auch Engländern aus dem Weg gegangen war. Gleich im Süden, nahe den Gipfeln, lag die Grenze, die zwei Könige vor mehr als hundert Jahren gezogen hatten.

Nun hatte er seine Seite gewählt.

Und wie einsam und düster es auch aussehen mochte, Mistress Clare würde ihn auf seiner Seite leben lassen.

2. KAPITEL

Euphemia lief hinter ihr her, als Clare die Halle betrat. „Kein Wunder, dass du noch nicht verheiratet bist. Da taucht ein gut aussehender Mann hier auf, und du beleidigst ihn nur.“

„Du klingst so, als sollte ich für jeden Kerl meine Röcke heben.“ Natürlich war es genau das, was die Mutter des Mädchens tat, wie sollte sie es also besser wissen.

Euphemia zuckte mit den Schultern. Ihre Mutter mochte seit zehn Jahren die Gefährtin des Barons sein, doch sie würde niemals seine Frau werden.

„Was ist schon dabei?“

„Er ist ein Bastard, der uneheliche Sohn eines Mannes, und er folgt keinem Herrn. Vielleicht wurde er von seinen Kameraden verbannt. Wir können uns glücklich schätzen, wenn er uns nicht in unseren Betten ermordet.“ Und falls er das tat, wäre es ihre Schuld.

„Nun, wenn du nicht willst, dann werde eben ich freundlich zu ihm sein.“

„Nein, das wirst du nicht. Ich will seinen Bastard nicht in deinem Bauch sehen, wenn er fort ist. Und jetzt geh und sieh nach, ob der Koch Hilfe mit dem Geflügel braucht.“

Das Mädchen lächelte und ging ohne ein Wort zu sagen.

Clare knirschte mit den Zähnen. Sie hatte versucht, Ordnung an diesem Ort zu schaffen, aber Frankreich und alles, was sie dort gelernt hatte, waren weit weg. Die Wildheit dieser ungezähmten Hügel kroch in alles und jeden. Sogar sie selbst erlebte Tage, an denen nichts sie besänftigen konnte, außer ihrem Falken dabei zuzusehen, wie er sich emporhob und tötete.

Sie sah auf. Fitzjohn betrachtete sie immer noch. Er lächelte, als spürte er ihren inneren Aufruhr. Schnell wandte sie ihm den Rücken zu.

Er sollte seinen Magen füllen und verschwinden.

Clare versuchte, ihn zu ignorieren, als er zum Abendmahl in der Großen Halle erschien, wo er am unteren Ende bei den Rangniedrigsten saß. Er schien sich unter den Waffenknechten wohlzufühlen, dennoch hob er sich von den anderen ab.

Euphemia beugte sich vor, um ihm Suppe zu servieren, und presste ihre Brust fest an seine Schulter. Clare ballte die Hände zu Fäusten.

Er sah, wie sie ihn anstarrte, und ließ im Gegenzug seinen Blick über sie schweifen, als sähe er nicht nur unter ihre Kleidung, sondern bis in ihr Innerstes.

Sie schaute beiseite. Er war die Aufmerksamkeit einer Dame nicht wert. Stattdessen betrachtete sie den kleinen Webteppich, ein Geschenk von Alain.

Alain, der Comte de Garencieres, war vor einem Jahr mit Soldaten und Geld nach Schottland gekommen, um den Schotten zu helfen, oder genauer gesagt, um den Krieg der Schotten gegen die Engländer neu anzufachen. Er hatte die Erinnerung an all das mitgebracht, was sie zurücklassen musste, als sie vor zwei Jahren, nach vielen Jahren der Erziehung in Frankreich, zurückgekehrt war.

Der Teppich, gewirkt aus roten, weißen und goldenen Fäden, zeigte einen Mann und eine Frau mit ausgestreckten Armen, die kurz davor waren, sich zu vereinigen. Auf der Schulter der Dame thronte der Falke, der bereits zu Clare zurückgekehrt war.

Der Teppich war zu schön, um darauf zu sitzen, obwohl er als Decke für eine Bank gedacht war. Stattdessen hatte sie ihn über einer Truhe neben der Herdstelle drapiert, wo sie ihn sehen konnte.

Alains Geschenk war eine Erinnerung an eine bessere Welt, in der Anstand und Ritterlichkeit regierten. Und sobald die Kämpfe vorüber waren, würden sie heiraten. Sie würde als Gemahlin des Comte nach Frankreich zurückkehren und weit entfernt von ihrem rauen und wilden Heimatland leben.

Sie sah Fitzjohn unter gesenkten Lidern an, ohne ihren Kopf zu heben. Er war ein rüpelhafter Schotte wie all die anderen auch. Nur an Kämpfen, Essen und Frauen interessiert.

Als das Abendmahl beendet war und sie die Wendeltreppe zu ihrer Kammer emporsteigen wollte, dachte sie bereits nicht mehr an ihn. Doch als sie den dritten Stock erreichte, tauchte Fitzjohn im Kerzenlicht vor ihr auf.

„Dies ist der Bereich der Familie. Was wollt Ihr hier?“

„Ich suche ein Bett.“

Sie blickte zu ihrer Tür hinüber, die geschlossen war. Hatte er es gewagt hineinzuspähen? „Ich habe Euch gesagt, Ihr könnt mit den anderen in der Halle schlafen.“ Sie ging die letzte Stufe hinauf, doch er überragte sie immer noch.

„Ihr könntet mir zumindest eine Decke und ein Kissen anbieten.“

„Ich habe Euch ein Dach über Eurem Kopf angeboten.“ Und das war schon mehr, als sie hätte tun sollen. „Lasst es mich nicht bereuen.“

„Die Gastfreundschaft einer Dame beinhaltet normalerweise etwas Bequemeres.“

Bequem hatte den Unterton einer Beleidigung, doch die Worte weckten ihr Schuldgefühl. Eine Dame sollte tatsächlich gastfreundlicher sein. Doch sein Benehmen ziemte sich nicht für einen Ritter, daher fiel es ihr schwer, sich wie eine Dame zu benehmen.

„Ich habe Euch so willkommen geheißen, wie ich es bei jedem Krieger gemacht hätte. Wenn das nicht annehmbar ist, dann werdet Ihr morgen nicht bedauern, uns zu verlassen. Nun geht beiseite, damit ich in meine Kammer kann.“

Er bewegte sich nicht, aber dennoch fühlte ihre Haut sich an, als hätte er sie berührt. Sie versuchte, um ihn herum zu gehen, doch der Gang war schmal, und sie stieß gegen ihn, stolperte, und die Kerze schwankte bedrohlich in ihrer Hand.

Er hielt Clare mit einem Arm fest, bevor sie zu Boden fiel, und als sie zu ihm aufsah, bemerkte sie die Kerze, die er aufrecht und ruhig in seiner anderen Hand hielt.

Die Knie gebeugt, versuchte sie aufzustehen, aber sie fiel nur gegen seine Brust. Verlegen musste sie sich an seinen Schultern festhalten, als er sich aufrichtete, um ihr zu helfen, dann gab er ihr die Kerze.

Sie wich zurück, ihr Arm gebrandmarkt von seiner Hand. An ihren Brüsten spürte sie immer noch seine Brust, die er einen Augenblick zu lange an sie gedrückt hatte.

„Träumt schön, Mistress Clare.“

Sie fasste hinter sich und öffnete ihre Kammertür, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Aber er bewegte sich nicht, und als sie das Licht mit sich nahm, verschwand sein Lächeln in der Dunkelheit.

Clare schloss die Tür und lehnte sich zitternd dagegen.

Morgen würde er fort sein.

Als sie ihm die Tür vor der Nase zuwarf, hatte Gavin Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken. Ihre Verachtung wurde von so geringen Regelüberschreitungen entfacht, von Dingen, die nichts von der Dunkelheit, die er verbarg, widerspiegelten. Wenn der Zustand seiner Rüstung sie schon derart beunruhigte, was würde sie dann erst denken, wenn er ihre Tür aufbrach und sich den Zugang zu ihrem bequemen Bett mit Gewalt erzwingen würde?

Gavin hatte Männer erlebt, die Schlimmeres getan hatten. Er hatte die Engländer verlassen, weil ihr Krieg es zu einfach gemacht hatte, diese düsteren Visionen auszuleben. So einfach, wie es für seinen Vater gewesen war, eine schottische Dame zu verführen und sie mit einem Kind zurückzulassen, das dazu gezwungen war, das Erbe dieses gemischten Blutes zu bekämpfen.

Er hatte den Krieg satt – den auf dem Feld und den in seiner Seele.

Gavin ging die Steinstufen zur Halle hinab. Ein paar der Männer spielten noch in einer Ecke. Die Übrigen hatten es sich für die Nacht bequem gemacht. Das Feuer war bis auf die Glut niedergebrannt, und sein dünnes Bettzeug bot ihm nur wenig Gemütlichkeit auf dem harten Boden. Seit Wochen hatte er der Kälte und dem Regen getrotzt, war Lord Douglas’ Männern, die Edwards Truppen verfolgten, aus dem Weg gegangen. Gras und Schlamm waren sein Bett gewesen. Er sehnte sich nach Geborgenheit.

Nah an der Herdstelle ausgestreckt, sah er den Webteppich, der die Truhe neben dem Herd bedeckte und das Holz wärmte, während ein Mann fror.

Er ergriff den Teppich, zog ihn zu sich herüber und wickelte sich darin ein. Die Erinnerung an ihre Finger, mit denen sie sanft darüber gestrichen hatte, als sie sich unbeobachtet glaubte, wärmte ihn mehr als der Teppich selbst.

Als sie am nächsten Morgen die Halle betrat, lächelte Clare und durchquerte den Raum, um den Teppich, der die Truhe bedeckte, zu bewundern. Es war zu einem täglichen Ritual geworden, das sie daran erinnerte, was Alain von ihr erwartete. Nämlich dass sie sich wie eine Dame benahm, die an dem festhielt, was seine Mutter ihr beigebracht hatte.

Ihr Lächeln verschwand, als sie näher kam. Schwarze und graue Flecken verunstalteten die rote und goldene Wolle.

Ärger vermischte sich mit Übelkeit, als sie sich neben den Teppich kniete. Was würde Alain denken, wenn er sah, was mit seinem wunderbaren Geschenk geschehen war?

Sie sah sich in der Halle um. Keiner ihrer Männer hätte es gewagt, den Teppich anzurühren. Es musste der Fremde gewesen sein. Zorn vertrieb den Kummer. Erst war sie wütend auf sich selbst, weil sie so dumm gewesen war, ihn in ihr Heim zu lassen. Dann verlagerte sich ihre Wut auf ihn.

Vorsichtig legte sie den Teppich zusammen, dessen Rückseite ebenso sorgsam gearbeitet war wie die Vorderseite. Sie war sich sicher, dass er es mit Absicht getan hatte – er hatte versucht, etwas zu zerstören, das ihr wichtig war.

Sie trug den gefalteten Teppich so ehrfürchtig, als sei es ein Altartuch, während das Hämmern in ihren Ohren mit jedem Schritt anschwoll. Eine Dame durfte nie Ärger zeigen. Eine Dame musste sich immer mäßigen. Dennoch pochte die Wut in ihren Schläfen. Dass sie so heftig reagierte, erschreckte sie ebenso wie die anderen Gefühle, die Fitzjohn in ihr geweckt hatte.

Die Gefühle, die sie in der letzten Nacht wachgehalten hatten.

Sie fand ihn im Stall. Er kniete vor seinem Pferd und untersuchte dessen Fesseln. Zumindest hatte der Fremde genug Verstand, sich um sein Pferd zu kümmern, das zweifelsfrei wertvoller war, als er es verdiente.

Sie fragte sich, ob er den Ritter getötet hatte, dem es gehörte.

Angus saß zu seinen Füßen im Stroh, den Kopf über sein Kettenhemd gebeugt, während er jeden Eisenring geduldig polierte.

„Angus!“ Ihre Stimme klang schneidend. „Frag den Falkner, ob er Hilfe im Mauserhaus benötigt.“

„Das ist keine Aufgabe für einen Knappen.“

Es war das erste Mal, dass der Junge ihr widersprach, und sie setzte es auf die Liste von Fitzjohns Sünden. „Wenn du nicht tust, was man dir sagt, dann wirst du niemals ein Knappe werden.“

Fitzjohn deutete mit einem Kopfnicken in Richtung der Tür. Der Junge legte die Bürste nieder und eilte hinaus.

„Gebt mir die Schuld, wenn es sein muss“, sagte er. „Nicht dem Jungen.“

„Das tue ich.“

Die Morgensonne, die in den Stall fiel, betonte die goldenen Strähnen in seinem Haar. An diesem Morgen lächelte er nicht. Stattdessen warf das Sonnenlicht scharfe Schatten um seine Nase und seinen Mund. Er sah so wild aus wie ein Adler. Mächtig, elegant, gut aussehend.

Tödlich.

Ein solcher Vogel würde Little mühelos aus der Luft greifen, ohne seine eigenen Federn zu zerzausen.

Anklagend hob sie den Teppich hoch. „Das war ein wunderschönes Stück.“ Sie schluckte und versuchte, ihre Wut zu unterdrücken. „Er kommt den weiten Weg aus Frankreich.“

Sie streckte ihm den Teppich entgegen, doch er nahm ihn nicht.

Sein merkwürdiges Lächeln kehrte zurück. „Das ist eine lange Reise.“

„Ihr habt ihn ruiniert. Absichtlich.“ Ihre Stimme zitterte, und sie hasste ihn dafür, dass er es schaffte, sie so aufzuregen.

„Nun, das ist eine schwere Anschuldigung. Ihr habt mich zum Schlafen in die Halle geschickt, ohne mir auch nur eine Decke zu gönnen. Ich habe mich darin eingewickelt, und während der Nacht ist sie in die Asche gefallen.“ Er schien keinerlei Reue zu empfinden. „Dafür wurde er gemacht. Um die Kälte abzuhalten.“

„Um die Kälte abzuwehren, wenn man auf einer Bank sitzt.“

Sein Lächeln wurde langsam breiter. „Doch Euer Hinterteil saß letzte Nacht nicht auf der Bank, daher dachte ich mir, es mache Euch nichts aus.“

Er genoss ihren Ärger. Dieses Lächeln schien zu sagen: Ich weiß, was Ihr seid. Ihr seid nicht die Dame, die Ihr vorgebt zu sein.

Sie ließ den Teppich auf das Stroh zu seinen Füßen fallen, und eine kleine Staubwolke erhob sich. „Ihr habt ihn schmutzig gemacht. Säubert ihn, bevor Ihr geht.“

Er sah auf den Teppich hinab, dann, immer noch lächelnd, wieder zu ihr. „Ihr macht großes Aufheben um einen kleinen Fleck auf einem Stück Stoff.“

„Es ist ein Teppich, nicht einfach nur ein Stück Stoff.“ Sie biss sich in die Wange, um die Tränen zurückzuhalten. „Aus Arras. Er war ein Geschenk.“

„Seid Ihr sicher, dass Ihr deswegen so verstört seid?“

„Was sollte mich sonst beschäftigen?“

„Ich.“

„Ihr?“ Sie sprach das Wort so schnell aus, als hätte er sie geohrfeigt. Woher wusste er das? Seine Anwesenheit verletzte bereits die natürliche Ordnung. Ritter sollten edel, ehrenhaft und freundlich zu Damen sein. Er war genau das Gegenteil, und was noch schlimmer war, es gefiel ihm.

„Genau. Ich glaube, Ihr seid meinetwegen innerlich aufgewühlt.“

Es stimmte. Er wühlte sie mehr auf als irgendjemand zuvor.

„Ja, Sir Gavin, falls Ihr ein ‚Sir‘ seid. So ist es.“ Sie streckte ihr Kinn vor, darum bemüht, die Ruhe und Gelassenheit einer Dame wiederzuerlangen. „Aber das sollte Euch nicht erfreuen. Ihr wühlt mich auf, weil Ihr absichtlich die Regeln der Ritterlichkeit missachtet.“

„Ritterlichkeit?“ Sein spöttischer Tonfall hatte einen düsteren Widerhall.

„Ja. Das Wort sollte Euch geläufig sein.“

Befriedigt sah sie sein Lächeln verschwinden. Sein Blick wurde kalt, und er trat einen Schritt näher. Sie war gezwungen, einen Schritt zurückzuweichen. Doch sie konnte sich nicht weit genug wegbewegen. Er raubte ihr immer noch den Atem.

„Oh, ich habe davon gehört. Aber ich habe in einem Krieg gekämpft, nicht in einem Turnier, um Damen zu unterhalten. Ihr wollt es vielleicht nicht glauben, Mistress Clare, aber im Krieg sieht man nicht viel Ritterlichkeit, also vergebt mir, wenn ich vergessen habe, wie man sich verbeugt und auf die Knie geht. In einem echten Krieg werden weder Lanzen noch der Schal einer Dame geschwenkt, in der Hoffnung, eine Seidenbörse zu gewinnen. In einem echten Krieg stirbt der Verlierer. Und manchmal genießt der Sieger sogar das Töten.“

Sie erschauerte. Hatte er das Töten genossen?

Vor ihrem inneren Auge tauchte eine kurze Vision von Little auf, die ihre Beute fing. Doch das war nicht dasselbe. Ganz und gar nicht. „Christliche Ritter töten einander nicht. Der Ehrenkodex verlangt, dass ein anderer Ritter verschont wird, sonst wäre der Krieg nichts anderes als brutaler Mord.“

„Der Krieg ist nichts anderes als brutaler Mord.“

Was war das für ein Mann? In wessen Krieg hatte er gekämpft, und welchen Dämonen war er begegnet?

„Ich weiß nicht, wo Ihr gewesen seid, aber Ihr befindet Euch nun in einem zivilisierten Haushalt, wo getan wird, was sich gehört, auch wenn ich nicht erwarte, dass Ihr das wisst. Ich schlage vor, Ihr lernt es.“

Das Lächeln kehrte zurück und vertrieb die Düsterkeit aus seiner Miene. „Mais oui, demoiselle.“

Sein Französisch verblüffte sie. Es war flüssiger als ihres.

Und diesmal war sein Lächeln breit genug, dass sie zum ersten Mal das Grübchen in seiner rechten Wange bemerkte.

Gavin verging das Lächeln, als er mit dem Teppich kämpfte, einem kleinen, armseligen Ding im Vergleich zu denen, die er in Edwards Palästen gesehen hatte. Zuerst schüttelte er ihn aus, in der Hoffnung, die Asche würde sich so entfernen lassen. Dann versuchte er, die Flecken auszubürsten, aber auf diese Weise verschmutzte er nur den Rest des Teppichs und seine Finger. Er hatte keine Ahnung, wie man etwas in Ordnung brachte, nur, wie man Dinge zerstörte.

Und Mistress Clare hatte es gewusst. Sogar ohne seinen Namen zu kennen, behandelte sie ihn wie den Deserteur, der er war. Wie einen Mann, der mit einer Fackel in der Hand vor einer Kirche stand.

Und in ihm floss das Blut eines Vaters, der sie niedergebrannt hätte.

Wenn es ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben stand, dann war es richtig, seinen Namen nicht zu verheimlichen. Die Menschen würden ihn verurteilen, ohne sich darum zu kümmern, ob er in Wahrheit besser war, als sie dachten.

Und Mistress Clare, in ihren Träumen gefangen, war sehr gut darin, Menschen zu beurteilen.

Blind dem rauen Leben gegenüber, das sie umgab, benahm sie sich, als spaziere sie durch Windsor Palace.

Ihre Vorstellungen erinnerten ihn an König Edward. Vor ein paar Jahren hatte der König seine Freunde um einen runden Tisch herum versammelt und sie Ritter des Hosenbandordens genannt, benannt nach dem Strumpfband einer Dame, der der König angeblich Gewalt angetan hatte.

Mistress Clare würde dieser Teil der Geschichte sicherlich nicht gefallen. Es würde all ihre Vorstellungen von Ritterlichkeit verletzen und sie verärgern. Der Ärger würde Farbe auf ihre Wangen und Wärme in diese kühlen, graugrünen Augen zaubern. Das würde ihm gefallen. Er spürte, dass Mistress Clare ihre Gefühle nicht zeigte. Bei einer Frau wie ihr wäre es ein Vergnügen, sie vollkommen umzukrempeln und sie zu zwingen, die Leidenschaft zu erleben, die sie so verachtete. Er würde ihren Zopf lösen, der so fest geflochten war, und würde ihr Gefühle verschaffen, von denen sie bisher nicht einmal wusste.

Oder von denen sie nichts wissen wollte.

Gavin sah erneut den Teppich an. Dieser zeigte einen Mann mit ausgestreckten Armen, vor ihm eine Frau. Eine Hand schwebte hinter ihrem Kopf. Sein Kopf war nahe an ihrer Brust. Der andere Arm schlang sich um ihre Hüfte.

Er fragte sich, ob Mistress Clare sich der Sinnlichkeit dieses Motivs bewusst war.

Doch er verbot sich, den Gedanken zu Ende zu spinnen. Er musste seine Gefühle im Zaum halten. Denn er hatte von den Waffenknechten erfahren, dass ihr Vater an der Seite von Lord Douglas kämpfte und bald nach Hause kommen würde. Gavin musste sie bei Laune halten, bis Baron Carr zurückkehrte. Dieser Mann würde wissen, dass der Wert eines Ritters in seinem Schwert lag, nicht in seinen Manieren. Sicherlich würde Carr ihn auf seinen Ländereien bleiben lassen, versteckt in dieser gottverlassenen Ecke der Grenze.

Er blickte ein weiteres Mal auf den Teppich und seufzte. Um ihn zu reinigen, tauchte er ihn ins Wasser. Vielleicht sollte er dasselbe mit seinem eigenen Körper machen.

Schließlich ging er in Richtung der Quelle, mit dem unguten Gefühl, dass das Ergebnis ihn am Ende doch nicht überzeugen würde.

Wie Clare feststellte, verpasste Fitzjohn das Mittagsmahl. Sie bemerkte es nicht deshalb, weil sie ihn wiedersehen wollte, sondern weil sie ungeduldig darauf wartete, ihren Teppich zurückzubekommen. Er musste ihn ja nur über eine Leine hängen, von hinten ausklopfen, und dann die Vorderseite mit einem kleinen Besen abbürsten. Eine einfache Aufgabe.

Doch als ihre Wut verflog, meldeten sich Zweifel. Für sie mochte es eine einfache Aufgabe sein, daher hatte sie törichterweise vermutet, ihm sei klar, was er zu tun hatte. Sie hätte ihn niemals aus den Augen lassen dürfen, ohne ihm vorher genaue Anweisungen zu geben.

Als die Sonne hoch am Himmel stand, ignorierte sie ihre restlichen Pflichten, um nach ihm zu suchen. Schließlich sah sie draußen, außerhalb des Mauserhauses, etwas Rotes aufleuchten.

Über einer Leine hing der nasse Teppich, nicht länger eine Darstellung höfischer Liebender, sondern ein zerknittertes, durchnässtes Stück Stoff.

Sie schloss die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. Wie sollte sie das Alain erklären?

Fitzjohn, der seinen Fehler offensichtlich zu spät bemerkt hatte, zog an einem Ende des Teppichs. Euphemia hielt das andere Ende fest, während sie gemeinsam versuchten, den Teppich wieder in Form zu bringen. Murines Tochter dabei zu sehen, wie sie ihm half, ärgerte Clare ebenso wie all das, was er getan hatte.

„Euphemia! Geh hinein.“

„Du bist nicht meine Mutter.“

Wollten sich ihr, angesteckt von Fitzjohn, jetzt alle widersetzen?

„Nein, aber ich bin die Herrin dieser Burg.“ Dennoch machte sie weiterhin Fehler. Fehler, die sie nicht machen würde, wenn ihre Mutter lange genug gelebt hätte, um sie zu unterrichten. „Jetzt geh.“

Euphemia gehorchte, warf Fitzjohn aber noch ein strahlendes Lächeln zu.

Clare trat einen Schritt auf ihn zu. Einerseits wollte sie ihn schlagen, andererseits wollte sie weinen. Beides durfte eine Dame sich nicht erlauben.

„Seid Ihr immer so streng?“, wollte er wissen.

„Ich war nicht annähernd so streng, wie ich mit Euch sein werde. Ihr habt ihn ruiniert.“ Die Worte sprudelten aus ihr hinaus.

Er zuckte mit den Schultern, antwortete aber nicht. Sie wollte eine Entschuldigung und hatte einen Streit erwartet. Ihr Vater hätte zurückgeschrien. Doch dieser Mann nahm Beschimpfungen einfach hin und quittierte sie mit einem Lächeln, so wie manche Männer einen Schlag einsteckten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als noch wütender zu werden oder aufzugeben.

Doch sie war noch nicht bereit aufzugeben.

„Ihr habt etwas Wertvolles und Kostbares zerstört. Ich erwarte eine Entschädigung.“

„Entschädigung?“ Fragend hob er die Augenbrauen. „Ich habe Krieger gesehen, die tot am Boden lagen, ohne für ihren Verlust entschädigt worden zu sein. Ich kann nicht um gewebte Wolle trauern.“ Seine Worte klangen spöttisch und bitter.

Tot am Boden.

Clare unterdrückte ihre Angst. Nicht Vater. Ein Satz wie ein Gebet. Nicht Alain.

Sie sah wieder zum Teppich. „Ich weiß nicht, wie ich auf die Idee kommen konnte, von einem Krieger zu erwarten, wie man einen solchen Schatz behandelt.“

Diesmal lag Mitleid in seinem Lächeln, als wisse er, was mit ihren Männern geschah, Dinge, die sie sich unmöglich vorstellen konnte und es auch nicht wollte.

„Das gehört nicht zu den Dingen, die man mir beigebracht hat.“

Dieses eine Mal brachte er sie zum Lächeln, das die Tränen vertrieb. Wenn sie den Teppich auf den Webrahmen spannte, konnte sie ihn vielleicht retten. Sie strich mit den Fingern über den nassen Stoff und lächelte vorsichtig. Ein Ritter lernte nichts über die häuslichen Aufgaben. „Was hat man Euch beigebracht?“

„Das Töten.“

Sie wich zurück. „Ihr habt eine unedle Auffassung vom Krieg. Ein Ritter sollte an edle Abenteuer und Ehre denken.“

„Ihr redet, als befänden wir uns in der Zeit von König Artus. Heute suchen wir nach Landgewinn und Lösegeld, nicht nach dem Heiligen Gral.“

Sie war schwach genug gewesen, ein kurzes Lächeln mit ihm zu teilen, und als Dank hatte er ihr seine grausame Sicht der Welt entgegengeschleudert. Doch in seinen Augen lag noch etwas anderes. Eine ungewohnte Herausforderung. Eine Verlockung.

„Wenn Ihr schon nicht nach dem Gral suchen wollt, hättet Ihr dann wenigstens die Güte, einer Dame einen Wunsch zu erfüllen?“ Es war einer der heiligen Grundsätze der Ritterlichkeit, die Wünsche einer Dame zu ehren. Der Wind bauschte den Saum ihres Kleides und wehte ihn in Richtung seines Stiefels.

Sein spöttisches Lächeln kehrte zurück. „Für gewöhnlich hat das, was Damen von mir wollten, nichts mit heiligen Gegenständen zu tun.“

Um ihn vor dem Wind zu schützen, klammerte sie sich an ihren Rock. „Das, was ich will, auch nicht. Ich möchte, dass Ihr das Mauserhaus säubert. Macht es makellos rein.“

Dieser Fremde verachtete die Ritterlichkeit. Würde er ihre Bitte ehren? Oder, besser noch, würde er die Aufgabe so erniedrigend finden, dass er endlich davonritt?

Die scharfen Falten in seinem Gesicht verschwanden, und sein Lächeln war plötzlich echt. „Ich habe mehr Zeit mit Falken als mit Stoff verbracht. Ich werde sicherlich mein Bestes geben, um Euren Wunsch zu erfüllen, wie hart die Arbeit auch sein mag.“

„Gut.“

Die Vorstellung, ihn auf den Knien zu sehen, während er den Boden schrubbte, erfüllte sie mit Befriedigung.

„Und wie lange es auch dauern mag.“ Er grinste schelmisch. „Selbst wenn ich die ganze Nacht und den gesamten morgigen Tag dafür brauche.“

Sie knirschte mit den Zähnen, als sie bemerkte, dass er ihre erniedrigende Bitte in einen Sieg verwandelt hatte. „Also gut. Eine weitere Nacht. Aber nicht länger.“

Clare hatte ihn für einen unwürdigen Ritter gehalten, doch sie durfte nicht unterschätzen, wie gut er mit Worten kämpfen konnte.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen beschwerte sich Neil verärgert, dass sie einen Fremden geschickt hatte, der sich in die Handhabung des Mauserhauses einmischte.

Clare seufzte und machte sich auf die Suche nach Fitzjohn, auf der Hut vor einem neuen Trick, den er anwenden würde, um seinen Aufenthalt weiter zu verlängern. Als sie die Tür zum Mauserhaus öffnete, leuchtete ein Lichtstrahl durch das Halbdunkel und fiel auf seinen nackten Rücken. Er drehte sich um und unterbrach die Arbeit. Sie musste schlucken. Seine breite Brust schien keine Rüstung zu benötigen, so stark war sie.

„Mistress Clare.“ Er schirmte seine Augen ab, als er zu ihr hinüberblickte, wie sie in der offenen Tür stand. „Ich hoffe, ich habe alles zu Eurer Zufriedenheit gereinigt.“

Sie zwang sich, ihn anzusehen. „Der Falkner hat einige Beschwerden.“

„Er ist ein guter Mann. Aber er hängt zu sehr an den überholten Vorgehensweisen.“

Er redete, als ob er einiges von der Falknerei verstünde.

Alle Vögel waren angebunden, daher ließ sie die Tür offen, um Licht hereinzulassen. Der Kies knirschte unter ihren Füßen, während sie seine Arbeit inspizierte. Natürlich hatte er nicht mehr tun müssen, als den Vogeldreck von den Steinen zu entfernen. Der Falkner war sehr gewissenhaft, was die tägliche Reinigung des Mauserhauses anging.

„Seid Ihr zufrieden, Mistress Clare?“

Da sie nun näher bei ihm stand, fielen ihr sein vom Schweiß feuchtes Haar und die eng anliegenden Hosen auf. Sie blickte zu den Steinblöcken der Falken hinüber und war überrascht, dass er sogar die weißen Flecken an der Seite von Littles Vogelstange entfernt hatte. „Ihr habt Euch große Mühe gegeben.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ihr habt mehr Plätze als Vögel.“

Sie wusste, dass es ein jämmerliches Mauserhaus war. Die meisten der Vögel gehörten den Besuchern, waren also ebenfalls nur vorübergehend hier. „Früher hatten wir mehr. Aber sowohl Vögel als auch Krieg sind teuer. Der Krieg hat gewonnen.“

Sie zog ihren Handschuh an und streckte die Hand aus. Little hüpfte auf ihre Faust und flatterte vor Freude. Clare rieb sachte die Halsfedern und bemerkte, dass der Kropf beinahe leer war. Little war wohl hungrig genug, um morgen wieder jagen zu können.

„Das ist der Vogel, mit dem Ihr in den Hügeln gejagt habt“, stellte er fest.

„Ich habe sie, seit sie gelernt hat zu fliegen. Sie ist mein Lieblingsvogel für die Beizjagd. Allerdings hatte ich noch nie einen der wirklich edlen Vögel, die an den Felswänden am Meer leben.“

„Die besten Vögel, mit denen ich gejagt habe, wurden in den Niederlanden gefangen.“

Erneut musterte sie ihn. Sie hatte von diesen Vögeln gehört, sie aber nie gesehen, und sie hätte sie sich auch nicht leisten können, wenn ein Falkenhändler sie ihr angeboten hätte. Wenn er mit solchen Vögeln gejagt hatte, dann musste er von edlerer Geburt sein, als sie gedacht hatte. „Diese Vögel wären eines Königs würdig.“

Er zuckte mit den Achseln. „Die Herkunft ist unwichtig. Ich habe Gerfalken gesehen, die sich weigerten zu fliegen, und Sperber, die es mit Kaninchen aufgenommen haben, die dreimal so groß waren wie sie. Habt Ihr sie selbst abgerichtet?“

Sie nickte. „Ich bin ihre Familie. Sie wird mich nie verlassen.“

„Ihr könnt sie nicht in diesem Glauben lassen und mit ihr jagen. Jeder Flug birgt ein Risiko. Jede Heimkehr ist ihre Entscheidung.“

Fest umklammerte Clare die Lederbänder. „Dieser Vogel wird immer zurückkehren.“

Hinter sich hörte sie das Flattern von Flügeln. Als sie sich umdrehte, schoss ein Vogel auf sie herab und verfing sich beinahe mit den Klauen in ihrem Haar. Dann schwang er sich direkt über Littles Sitzstange an die Decke empor, wo er wie wild hin- und herflog.

„Haltet ihn auf!“ Es war unmöglich. An die Weite des Himmels gewöhnt, schoss der Vogel gefährlich nahe auf die Wand zu. Wenn er dagegenflog, würde er sich einen gebrochenen Flügel einhandeln.

„Ich denke“, sagte Fitzjohn mit einer Ehrfurcht in der Stimme, die sie noch nie zuvor bei ihm gehört hatte, „dass er es ihretwegen tut.“

Little hatte seinen Flug beobachtet. Clare spähte durch das Halbdunkel. Die Streifen unter den Flügeln und seine Färbung erinnerten sie an den Terzel, den sie vor zwei Tagen gesehen hatte.

Schützend hielt sie ihre Hand vor Littles Brust, erleichtert, dass sie nicht versucht hatte wegzufliegen. „Bitte, ich will, dass er verschwindet.“

Fitzjohn wedelte mit den Armen und schrie den Vogel an.

Als er in größeren Kreisen fliegen wollte, bemerkte der fremde Vogel, dass er gefangen war. Er flog auf das Licht zu, das durchs Fenster weit oben in der Wand fiel, doch die Schlitze zwischen den Stäben waren zu schmal, um entkommen zu können.

„Macht die Tür weiter auf“, rief Fitzjohn.

Sie tat es und trat beiseite, um dem Vogel deutlich den Weg in die Freiheit zu zeigen. Der Terzel stieß ein letztes Mal hinab und flog, als er nahe genug an der Tür war, um den Ausweg zu erkennen, hindurch und verschwand.

Immer noch zitternd, atmete sie erleichtert auf. „Danke“, sagte sie. „Ich hatte Angst, er könnte sich verletzen. Er muss wild und verrückt sein.“

„Er wusste genau, was er tat.“

Überrascht drehte sie sich zu ihm um und erwartete einen zynischen Gesichtsausdruck. „Wie bitte?“

„Er hat versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.“

„Warum?“

„Aus den üblichen Gründen, die einen Mann bewegen, wenn eine Frau ihn bemerken soll. Er will sich paaren.“

Sie spürte die Hitze in ihren Wangen und sah beiseite. „Das bezweifle ich.“ Seine entblößte Brust war in greifbarer Nähe. Nahe genug, um sie zu berühren. Nahe genug für einen Kuss …

„Woher, glaubt Ihr, kommen die Falken?“

Vielleicht wusste er nicht so viel über diese Vögel, wie er behauptet hatte. „Der Falkenhändler hat die meisten von diesen hier gebracht, aber Little habe ich in der Nähe des Hühnerlochs gefangen, ein kleines Stück östlich von hier.“

Er lachte laut auf. „Davor, meine ich.“

Sie errötete. „Nun, aus Eiern natürlich.“ Wollte der Terzel sich wirklich mit Little paaren? „Aber ein Mauserhaus ist keine Kinderstube.“ Sie hatte noch nie erlebt, dass im Mauserhaus ein Ei gelegt worden war. War das überhaupt möglich?

„Sie paaren sich fürs Leben, wisst Ihr.“ Seine Stimme klang heiser.

„Es sei denn, einer von ihnen stirbt.“ Als ihre Mutter gestorben war, hatte ihr Vater nicht gezögert, sich eine andere Frau ins Bett zu holen.

Clare drehte sich um und band Little wieder sicher an ihrer Stange fest.

„Wenn das Mauserhaus zu Eurer Zufriedenheit gereinigt ist, dann erwarte ich Euer Wohlgefallen“, sagte er mit sanfter Stimme. „Ich biete Euch erneut an, mein Schwert in Euren Dienst zu stellen.“

„Mein Vater wird bald zurückkehren“, erwiderte sie schroff, ohne ihn anzusehen. Genau wie der wilde Terzel war Fitzjohn durch Zufall in ihr Mauserhaus geflogen, und nun schien er gefangen und fehl am Platz zu sein. Sehnte er sich nach Freiheit? Oder brauchte er einen sicheren Hafen? „Er wird derjenige sein, der über Euer Schicksal hier entscheidet.“ Sie spürte, dass sie ihm dies schuldig war, obwohl sie nicht wusste, warum.

„Ich danke Euch, Mistress Clare.“

Sie verließ das Mauserhaus, drehte sich aber noch einmal um. „Ich habe noch ein zusätzliches Laken, Fitzjohn. Ihr könnt es heute Nacht haben.“

Er verbeugte sich wie ein höfischer Ritter. „Ich bin Euch sehr dankbar, Mylady.“

Und zum ersten Mal, seit sie ihn getroffen hatte, fühlte sie sich tatsächlich wie eine Dame.

Ein paar Tage später kehrte der Terzel zurück.

Clare sah ihn im Außenhof, in den die Vögel gebracht worden waren, damit sie Bewegung hatten. Sie trugen keine Hauben, waren aber immer noch angebunden. Diesmal stieß der männliche Vogel hinunter und setzte sich neben Little auf die Stange. Sie verbeugten sich voreinander und neigten die Köpfe auf und ab wie übereifrige Höflinge.

Sie lachte, und Fitzjohn, der gerade den Burghof überquerte, fiel in ihr Lachen mit ein. „Sie sehen so komisch aus“, meinte sie.

„Sie balzen.“

„Bitte?“

„Jetzt wird sie versuchen zu fliegen. Seht.“

Little erhob sich, umkreiste den fremden Vogel in einem Tanz in der Luft und riss an ihrer Leine, als wollte sie davonfliegen. Clare eilte hinüber und klatschte in die Hände, um den Terzel zu verscheuchen. Little versuchte, ihm zu folgen.

Rasch zog Clare an der ledernen Fessel, bis sich ihr Falke wieder in ihrer Reichweite befand. Sie durfte diesen Vogel nicht verlieren.

Sie hatte bereits zu viel verloren, das ihr am Herzen lag.

„Mistress Clare!“ Der Ruf kam vom Befestigungswall.

Sie sah zu der Wache hinauf. „Was gibt es?“

„Euer Vater nähert sich.“

Zu Hause. In Sicherheit. Vor Erleichterung bekam sie weiche Knie.

Das Donnern seiner Stimme vernahm sie, bevor sie ihn sah. „Wir haben die Engländer zurück über die Grenze getrieben. Wo sind meine Mädchen?“

Euphemia kam bereits auf ihn zugelaufen. Sie bemerkte die Kälte gar nicht, die den paar Frühlingstagen gefolgt war.

Und als Clare sah, wer bei ihrem Vater war, rannte sie ebenfalls.

Alain war zurückgekehrt.

Clare verlangsamte ihre Schritte, bevor er sie sehen konnte. Sie erinnerte sich daran, dass eine Dame gemessenen Schrittes ging und nicht rannte wie ein Kind, oder schlimmer noch, wie eine übereifrige Geliebte. Eine Dame, die der Ergebenheit eines Ritters wert war, musste sich beispielhaft verhalten.

Doch ihr Herz schlug immer noch zu schnell. Wie tapfer er aussah, der französische Comte auf seinem Pferd! Aufrecht, dunkel, stark. Der Inbegriff der Ritterlichkeit.

Sie war froh, dass es ihr gelungen war, den Teppich wieder in Form zu ziehen, nachdem Fitzjohn ihn beinahe ruiniert hatte. Alain würde den Schaden kaum bemerken.

Ihr Vater wirbelte Euphemia herum, als sei sie zehn anstatt sechzehn Jahre alt, dann wandte er seinen Blick Clare zu.

„Da.“ Das kleine Wort war ein Ausdruck der Freude. Er nahm sie in die Arme, und sie kuschelte sich an ihn wie ein Kind, das einen Augenblick lang in seinen Armen sicher war. Dann lehnte sie sich zurück, um ihn anzusehen. Neue Falten hatten sich um seine Augen gebildet.

„Du hast keine Regeln verletzt, nicht wahr?“ Sie fragte es auf die schottische Art und Weise, so wie jedes Mal, wenn er zurückkehrte.

„Keine, von der ich dir erzählen würde“, antwortete er, so wie er es immer tat.

Clare schüttelte den Kopf. Sie weigerte sich, über die Gefahren des Krieges nachzudenken, wenn er fort war, und sagte sich immer, dass die Regeln der Ritterlichkeit ihn beschützen würden. Selbst wenn er wieder sicher an ihrer Seite war, konnte sie sich kaum eingestehen, dass er jedes Mal, wenn er dem Feind gegenüberstand, den Tod riskierte. „Ich freue mich, dass du wieder zu Hause bist.“

„Du wirst dich nicht mehr so sehr freuen, weil ich dir wieder zusetzen muss. Es gibt einen neuen Grund, warum ich dich verheiraten will, Tochter.“ Er sagte es in seinem stärksten Grenzakzent, wohl wissend, dass es sie ärgerte.

„Ich kenne die alten Gründe gut genug.“ Er wollte Enkelsöhne, das wusste sie. Nun gut, es war an der Zeit, Pläne mit Alain zu machen.

„Ah, Demoiselle Clare.“

Strahlend wandte sie sich ihm zu und reichte ihm die Hand, so wie sie es gelernt hatte. Er ergriff ihre Finger und hauchte seine Lippen darüber. Sein Schnurrbart kitzelte an ihren Fingerknöcheln.

„Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass Ihr heute zurückkehrt“, sagte sie freundlich. „Ich hätte zu Euren Ehren ein besonderes Mahl zubereitet und mein bestes Kleid angezogen.“

Alain ließ ihre Hand los, und sie glättete ihr wollenes Gewand. Es war einfacher Stoff aus der Gegend, gewoben aus Wolle, die nicht gut genug war, um sie in die Niederlande zu verkaufen.

Ridicule! Lächerlich. Ihr seid eine bezaubernde Blume in dieser Einöde, wie immer.“

„Mach uns was zu essen aus dem, was gerade da ist“, dröhnte die Stimme ihres Vaters. „Ich bin so hungrig, dass ich ein ganzes Reh verschlingen könnte.“ Er hatte den Arm wieder um Euphemia gelegt, als wäre sie wirklich seine Tochter. „Wo ist Murine?“

„Hier!“

Die Geliebte ihres Vaters kam aus dem Turm und lief direkt in seine Arme. Clare wandte sich ab, um nicht mitansehen zu müssen, wie die beiden sich umarmten. Diese Frau war in sein Bett gekommen, nachdem Clares Mutter gestorben war. Da sie keine Dame von Stand war, konnte sie nicht seine Gemahlin werden, doch sie war seitdem seine Gefährtin.

Murine hatte auch versucht, Clare zu bemuttern, doch als Clare in Frankreich aufgezogen wurde, hatte sie zu viele Damen gesehen, die aussahen, wie sie ihre Mutter in Erinnerung hatte. Damen in seidenen Gewändern, die mit süß duftendem Atem sprachen. Murine würde niemals eine von diesen Damen sein. Schließlich hatte sie es aufgegeben. Nun gingen sie sich aus dem Weg.

Clare schritt zu Alain und wandte sich mit ihm dem Turm zu, um ihn von dem Schauspiel abzuschirmen. Der Comte kannte den Ehrenkodex. Und hielt sich daran.

Nicht wie der Fremde.

„Ah, demoiselle, ihr seid ein Hauch frischer Luft im Gestank Schottlands.“

Er bot ihr seinen Arm an, und sie sah getrocknetes Blut auf seinem Ärmel. „Ihr seid verwundet!“ Die Angst durchfuhr sie erneut.

„Es ist nur ein Kratzer. Aber Eure Berührung macht es comme neuf.“

„Lasst mich sehen.“ Sanft schob sie den Ärmel hinauf und fuhr vorsichtig mit den Fingern über seinen Arm. Eine unerwünschte Erinnerung an Fitzjohns nackte Brust ließ ihre Hand zittern.

Alain hatte recht. Die Wunde sah nicht ernst aus.

„Kommt. Ich werde sie säubern und verbinden.“ Sie schwelgte in den Worten. So etwas würde eine Ehefrau sagen.

Sachte schob er ihre Hand beiseite, hielt ihre Finger nicht länger, als es schicklich war. „Ihr seid zu freundlich.“

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Murine ihren Vater zum Turm zog. „Erst wird gegessen“, sagte sie lachend und schob seine Hand von ihrer Brust.

Clare wusste genau, was als Nächstes geschehen würde. Nach dem Mittagsmahl würde man sie stundenlang nicht zu Gesicht bekommen.

Peinlich berührt, wandte sie sich wieder Alain zu. „Ich bin froh, dass Ihr in Sicherheit seid. Erzählt von Euren Kämpfen.“

„Kämpfen? Ah, ich wünschte, wir hätten gekämpft! Edward ist ein Monster, aber Douglas ist ein Feigling.“

„Ein Feigling?“ Kein Schotte würde es wagen, Douglas einen Feigling zu nennen. Nicht, wenn ihm sein Leben lieb war.

„Anstatt eine Schlacht zu erzwingen, hat Douglas uns immer von den Engländern ferngehalten. Dann wurden durch Gottes Gnade Edwards Schiffe zerstört.“ Er bekreuzigte sich und murmelte ein Dankgebet gen Himmel. „Er hatte keine Verstärkung und musste sich zurückziehen. Aber Lord Douglas wollte immer noch nicht kämpfen, sondern jagte ihn nur, wie ein Hund hinter dem Wild herjagt, anstatt ihn auf offenem Feld zur Schlacht herauszufordern. Wir hätten einen coup de grâce erreichen können.“

Sie murmelte etwas Zustimmendes. Douglas ritt mit den tapfersten Männern ins Feld, aber wenn ein Schotte Krieg führte, dachte er nur an den Ausgang, nicht an die angemessene Art und Weise, ihn zu führen. „Also sind die Engländer nun fort?“

Er nickte. „Und sie haben das Land verwüstet zurückgelassen, so wie sie es in Frankreich getan haben. Sie haben geplündert und gebrandschatzt, sogar an Mariä Lichtmess. Am schlimmsten war der illegitime Neffe des Königs. Er hat die Klosterkirche in Haddington bis auf die Grundmauern niedergebrannt, die voller Unschuldiger war, die dort Zuflucht gesucht hatten.“

Schockiert bekreuzigte sie sich ebenfalls. „Unfassbar, dass die Engländer so ehrlos sind.“ Mord. Gotteslästerung. Kein Ritter würde solche Gräueltaten begehen.

Alain bot ihr seinen Arm, während sie in Richtung des Turms gingen. „Leider ist es so. Man sagte mir, der Mann, der die Fackel hielt, sei der Sohn von John of Eltham, der vor zwanzig Jahren genau dasselbe tat. Und der Edward, der heute herrscht, war so wütend, als er davon hörte, dass er ihn tötete. Seinen eigenen Bruder.“ Er schüttelte den Kopf. „So ein mörderisches Volk, diese Engländer. Sogar dieser Edward muss Freude am Töten haben, wenn er den Mann ermordet und dann dessen Sohn dazu bringt, denselben Frevel zu begehen.“

Sie blickte über den Hof und sah, dass Fitzjohn sie beobachtete. Im Krieg gibt es keine Ritterlichkeit, hatte er gesagt.

Als ob er solche Gräueltaten gesehen hätte.

Als hätte er sie selbst begangen.

Sie rückte etwas näher an Alain heran. Ihre Männer waren zu Hause und in Sicherheit. Fitzjohn musste nun ihrem Vater Rede und Antwort stehen.

Nachdem er gegessen hatte, verbrachte Clares Vater den Nachmittag in Murines Cottage. Clare verschloss die Augen vor dem, was die beiden dort taten.

Später am Tag kehrte er zurück, um mit ihr am Feuer in der Halle zu sitzen, während er seinen dritten Becher Brogat, den süßen Honigwein, in seinen Händen hielt und wissen wollte, was in seiner Abwesenheit geschehen war.

Er erzählte nur wenig vom Feldzug. Edward hatte sich zurückgezogen, ja, aber er hatte nur verbrannte Erde hinterlassen. Letztendlich, so schien es, hatten beide Seiten verloren.

„Ich habe ein fremdes Gesicht auf dem Befestigungswall gesehen“, sagte er schließlich. „Wer ist das?“

„Ein Ritter, der von seinen Gefährten getrennt wurde.“ Klang sie gleichmütig? „Ich habe ihm Essen und ein Dach über dem Kopf gewährt und ihm Arbeit gegeben. Er will bei uns bleiben, aber ich habe ihm gesagt, dass du das entscheiden musst.“

Ihr Vater kniff die Augen zusammen. „Wir haben James letzten Monat im Kampf verloren. Ich könnte einen neuen Mann gebrauchen.“

„Er hat nur wenig von sich erzählt. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich von Adel ist.“

„Das interessiert einen Schotten nicht.“

Sie fragte sich, warum sie den Atem anhielt. „Und er hat nicht denselben Sinn für Ritterlichkeit wie der Comte.“

Der Mund ihres Vaters verzog sich in einer Mischung aus Lachen und Missmut. „Den haben nur wenige. Ich werde mir selbst ein Urteil bilden, Tochter. Wie heißt er?“

„Fitzjohn.“ Sie sagte den Namen, als wäre sie sich nicht ganz sicher.

Ihr Vater setzte sich kerzengerade auf und ließ beinahe seinen Becher fallen.

„Was hast du gesagt?“

„Fitzjohn.“ Seine Reaktion überraschte sie. „Gavin, glaube ich.“

Ihr Vater erhob sich von seinem Sitz und ragte bedrohlich über ihr auf.

„Was hast du getan, Mädchen?“

Warum hatte sie ihre Bedenken diesem Mann gegenüber ignoriert?

Ihre Mutter hätte diesen Fehler niemals begangen. „Erklär es mir.“

„Du hast den mörderischen Brandstifter, der halb Lothian niedergebrannt hat, in unsere Halle gelassen.“ Sein Gepolter verstummte und wurde von demselben gequälten Blick verdrängt, den sie auch in Fitzjohns Augen gesehen hatte.

„Wir nannten es Mariä Feuermess. Und er hielt die Fackel.“

Sie verfluchte sich selbst mit Worten, die eine Dame nicht einmal kennen sollte. Wenn sie eines Nachts erwachen sollten, während das Dach über ihren Köpfen in Flammen stand, wäre es ihre Schuld. „Vergib mir. Ich wusste es nicht.“

Er ergriff sein Schwert, um es umzubinden. „Ich werde mich um ihn kümmern.“

„Warte.“ Clare erhob sich und berührte ihn sanft an der Schulter. „Ich habe ihn ins Haus gebracht. Also werde ich zu ihm gehen.“ Hoffte sie, dass er leugnen würde, was sie die ganze Zeit über bereits vermutet hatte? „Ich möchte nur Gewissheit haben, dass es sich wirklich um diesen Mann handelt.“

„Nicht alleine, Tochter.“

„Ich werde nicht allein sein.“ Sie klopfte auf das Futteral, in dem ihr Dolch steckte. Seit jenem Tag in den Bergen hatte sie ihn ständig bei sich, ein weiteres widerwilliges Zugeständnis an dieses gesetzlose Land. „Nicht, solange ich den hier bei mir trage.“

„Ach, Tochter. Ich wünschte, du wärst so entschlossen, mir Enkelsöhne zu schenken, wie du es bist, die Angelegenheiten auf deine Weise zu erledigen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Gib mir wenigstens ein bisschen Zeit. Dann kannst du nachkommen und mit ihm tun, was du willst.“

Mit wehendem Rock eilte sie aus der Halle und die Stufen empor, nicht sicher, ob sie von Ärger, Angst oder Scham angetrieben wurde. Sie fand ihn auf dem Wehrgang des Turms, von wo aus er die schneebedeckten Berge betrachtete, die sich deutlich von dem leuchtend gelben Himmel des Sonnenuntergangs abhoben.

„Fitzjohn!“, rief sie mit gezücktem Dolch.

Er drehte sich langsam um. Die untergehende Sonne warf Schatten auf sein Gesicht. „So nennt man mich. Was soll die Klinge?“

„Man nennt Euch auch einen Brandstifter.“

Schmerz und Zorn spiegelten sich in seinen Augen wider. Wirkte sein Blick vielleicht sogar flehend? Nein, es war Gleichgültigkeit. Dieser Mann hatte keinerlei Mitleid gezeigt. Und sie würde es auch nicht tun.

„Man nennt mich vieles.“ Die Worte kamen zögerlich.

„Das ist keine Antwort.“

„Was für eine Antwort möchtet Ihr hören, Mistress Clare?“

„Eine, die wahr ist.“

„Dann werdet Ihr in Eurem Leben oft enttäuscht werden. Die Menschen sagen, was sie wollen, egal, ob es wahr oder falsch ist.“

Stets antwortete er ausweichend. „Man sagt, Ihr hättet eine Kirche voller unschuldiger Menschen niedergebrannt.“

Er wandte den Kopf so schnell und ruckartig wie ein Falke, der seine Beute erspähte. „So erzählt man die Geschichte nun?“ Er klang, als interessierte es ihn tatsächlich nicht, was man über ihn sagte.

„Ist es wahr?“

„Was glaubt Ihr?“

Er hatte Dinge gesehen, die kein Mensch erleben und die kein Ritter tun sollte. Aber hatte er sie auch selbst getan? Sie glaubte es nicht. Oder wollte es nicht glauben. Clare senkte die Waffe und schüttelte den Kopf.

„Dann danke ich Euch dafür. Darf ich also bleiben?“

„Mein Vater kommt gleich. Er muss die Entscheidung treffen.“

„Ich verstehe.“

Sie versuchte, die Worte ihres Vaters und die Geschichte des Comte in Einklang zu bringen. „Bedeutet das, dass Euer Vater der Sohn eines Königs war?“

Er nickte.

„Und der Bruder eines anderen Königs?“

Sein träges Lächeln sprach nicht von Stolz, dennoch spürte sie, wie ihre Knie nachgaben, als wollten sie aus eigenem Antrieb vor ihm knicksen.

„Warum habt Ihr mir nichts davon gesagt?“ In seinen Adern floss königliches Blut, auch wenn es englisches Blut war, und trotzdem hatte sie erklärt, dass er kaum besser als ein Bauer sei. Er musste sie für eine Barbarin halten.

„Hättet Ihr mir Unterschlupf gewährt, wenn ich es getan hätte?“

„Nein, aber Ihr habt gelogen. Ihr habt mir erzählt, Ihr wärt ein Schotte.“

„Meine Mutter war eine MacGuffin. Von ihr habe ich ebensoviel schottisches Blut wie englisches von meinem Vater. Also sagt mir, wo befindet sich die Grenze in meinem Körper?“ Er ergriff ihre Hand, die den Dolch hielt, und strich mit der Klinge über seinen Bauch. „Hier? Befindet sich die schottische Hälfte unter meinem Gürtel und die englische darüber? Oder ist das Herz schottisch und meine Männlichkeit englisch?“ Sie wollte sich gegen seinen Griff wehren, vermochte es jedoch nicht. „Ich weiß es nicht.“

„Oder vielleicht ist es so.“ Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk, und er zwang sie, den Dolch von seiner Stirn, die Nase entlang bis zu seinem Rumpf zu führen, bis sie befürchtete, sie könnte seine Brust aufschlitzen. „Rechts? Links? Welche Seite sollen wir über die Hügel nach Northumberland werfen? Und was meint Ihr, welche Seite ist es wert, hierbehalten zu werden?“

Er verdrehte ihr Handgelenk, und die Klinge fiel zu Boden. Dann zog er sie so nah an sich heran, dass seine Brust ihre berührte.

Ein dunkles Feuer, heiß und gefährlich, wurde in ihr entfacht. Sie schluckte. „Wollt Ihr uns in unseren Betten in Flammen aufgehen lassen, Fitzjohn?“

Zuerst sagte er nichts. Dann fand er sein Lächeln wieder und lockerte seinen Griff. „Wollt Ihr denn in Eurem Bett in Flammen stehen, Mistress Clare?“

Clare trat zurück. Eigentlich sollte sie Angst vor ihm haben, doch stattdessen fürchtete sie sich vor sich selbst. „Wenn das mein Wunsch sein sollte, Fitzjohn, dann werde ich bestimmt nicht Euch um Hilfe bitten.“

Er hob die Augenbrauen und neigte den Kopf. Seine Finger umfassten immer noch ihr Handgelenk, doch der Griff wurde zärtlich. „Ich glaube nicht, dass Euer Franzose diese Art von Funken entzünden kann.“

Hinter ihm sah sie ihren Vater mit gezogenem Schwert. Er berührte damit Fitzjohns Rücken. „Lasst meine Tochter los, Ihr Bastard, bevor ich Euch mit meinem Schwert durchbohre.“

4. KAPITEL

Gavin ließ ihr Handgelenk los. Er fragte sich, wie viel der Baron gesehen hatte.

Und gehört.

Nun, der Tod war ein willkommener Ausweg.

„Jetzt hebt Eure Hände und dreht Euch um.“

Langsam folgte Gavin dem Befehl, um den Mann zum ersten Mal aus der Nähe zu betrachten. Der Baron war breitschultrig und gebeugt von vielen Jahren der Arbeit und des Kriegs.

„Spreche ich mit einem anderen Carr?“

„Ihr sprecht mit dem Carr“, knurrte er.

„Nun, Mistress Clare hat mich eingeladen.“

„Sagt mir, warum ich Euch bleiben lassen sollte.“

„Reicht das Wort Eurer Tochter nicht?“

„Ich habe Euch nichts versprochen. Ich sagte …“

„Ruhig, Tochter.“ Sein Schwert zitterte keinen Augenblick lang. „Sie hat Euch eingelassen, doch Ihr habt ihr nicht die ganze Wahrheit über Euch erzählt.“ Das Schwert des Barons berührte seine Kehle. Gavin schluckte. Er spürte den kalten Stahl auf seiner Haut. Ein kurzer, schneller Stoß, und er wäre ein toter Mann.

„Ich sagte ihr, dass schottisches Blut in meinen Adern fließt. Wenn Ihr meine Geschichte kennt, wisst Ihr, dass es wahr ist.“

„Schwört Ihr, dass Ihr diese Menschen nicht getötet habt?“, fragte Clare.

Er zögerte. Sollten sie alle doch denken, was sie wollten. Er hatte vor langer Zeit gelernt, sich nicht darum zu kümmern, und verschwendete nicht länger seinen Atem darauf, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Auch diese Frau schien, ebenso wie alle anderen, das Schlimmste von ihm zu glauben. Nur diesmal war es von Bedeutung.

„Ich schwöre.“ Langsam ließ er seine Arme sinken.

„Behaltet die Hände oben“, sagte sie. „Schwört Ihr, dass Ihr uns kein Leid zufügen werdet?“

Glaubte sie wirklich, dass er den Turm anzünden würde? „Ich schwöre.“

„Und dass Ihr die Tore nicht für die Engländer öffnen werdet“, fügte ihr Vater hinzu.

„Ich schwöre es.“

„Bei Eurer Ehre als Ritter?“, beharrte sie, weil sie ihm immer noch nicht vertraute.

„Bei meiner Ehre als Ritter.“ Worte, die ihr so viel bedeuteten, und ihm nichts.

Carr senkte sein Schwert, obwohl er weiterhin misstrauisch dreinblickte. Gavin ließ langsam die Hände sinken. „Also darf ich bleiben?“

„Ich denke noch darüber nach“, erwiderte der Baron schneidend. „Was wollt Ihr, und warum seid Ihr hier?“

Um Frieden zu finden. Eine vergebliche Hoffnung. Es gab keinen Waffenstillstand für den Krieg in seinem Inneren. „Ich bin nur ein armer Ritter ohne Aufgabe, der Schutz und einen Herrn sucht.“

„Vor ein paar Wochen habt Ihr noch dem englischen König gedient. Warum sollte ich glauben, dass Ihr auf der Seite der Schotten kämpft?“

„Die Hälfte meines Blutes ist so schottisch wie Eures.“

„Und die andere Hälfte ist so englisch wie Edwards.“

Ihre Stimme ertönte neben ihm. „Und welche Hälfte ist stärker?“

Er wünschte, er wüsste es. Manchmal fühlte es sich an, als kämpfte Blut gegen Blut. Besonders das, das von seinem Vater verdorben war. „Solange ich Euch diene, wird mein schottisches Blut stärker sein.“

„Sorgt dafür, dass es so ist.“ Der Baron trat einen Schritt auf ihn zu und Gavin konnte die warme Herdstelle und den Willkommenstrunk förmlich riechen. Dinge, die er seit einer Ewigkeit nicht mehr genossen hatte.

„Aye. Ihr habt mein Wort.“

„Und warum“, fragte sie, „sollten wir Eurem Wort Glauben schenken?“

Er hatte keine Antwort darauf. Vertrauen musste man sich verdienen, man konnte es nicht versprechen.

Der Baron zwinkerte ihm zu und bugsierte Clare in Richtung der Stufen. „Lass uns allein, Tochter.“

„Aber, Va…“

„Du wolltest mit ihm allein sein. Nun gewähre mir dasselbe.“

Als sie ihren Dolch aufhob und sich in Richtung der Stufen wandte, fragte er sich, was sie sich von dieser Zeit allein mit ihm erhofft hatte. Und ob sie es bekommen hatte.

Carr lehnte sich an die Steinmauer, während sein Blick zu den Hügeln ging. „Warum seid Ihr hier, Fitzjohn? Die Wahrheit.“

„Ich wurde hier geboren. Und jetzt bin ich heimgekehrt.“ Oder zumindest suchte er nach einem Heim. „England war nicht …“ Er ließ die Worte verklingen, zuckte dann mit den Schultern. „Es war kein Heim.“

Eine Eule heulte und verstummte dann, um ihre Beute nicht weiter zu warnen.

„Wenn ich Euch bleiben lasse, Fitzjohn, dann müsst Ihr wissen, dass ich keine Fragen stellen werde, sollte etwas Verdächtiges geschehen, während Ihr hier seid. Ich werde Euch einfach töten.“

Gavin entschied, dass dies ein Fortschritt war. „Fürchtet Ihr mich so sehr?“

„Ich fürchte Euch überhaupt nicht.“

„Nein?“ Die Tochter fürchtete ihn, obwohl sie versuchte, es nicht zu zeigen. „Ich habe einen gefährlichen Ruf.“

Der alte Mann schnaubte. „Nun, den habe ich auch. Und ich hatte mehr Zeit, ihn mir zu verdienen.“

Beide grinsten. Und er fühlte eine Verwandtschaft mit diesem Mann, die er vorher auf keiner Seite der Grenze gespürt hatte. Er fragte sich, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, hätte er einen solchen Vater gehabt.

„Nun, wenn Ihr so klug wie gefährlich seid, dann werdet Ihr mir eine Arbeit geben, die etwas anspruchsvoller ist, als das Mauserhaus zu säubern und Eulen anzuheulen.“ Er musterte den Baron, doch dessen Blick gab nichts preis. „Ihr könnt einen erfahrenen Mann brauchen.“

„Glaubt Ihr?“ Er sah so aus, als kümmerte es ihn nicht, was Fitzjohn dachte.

„Nun, zumindest könntet Ihr jemanden brauchen, der versteht, dass man einer Armee nicht auf dem Schlachtfeld entgegentreten muss, wenn man sie in den Wäldern besiegen kann.“ Der Comte hatte den gesamten Nachmittag damit verbracht, über Douglas’ Taktik zu jammern, als ob die Art der Kriegsführung wichtiger sei als Sieg oder Niederlage.

Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des alten Barons. „Er ist ein aufgeblasener, eingebildeter Idiot, dieser Franzose. Ihr sagt es.“ Er betrachtete Gavin eingehend. „Ich werde über das, was Ihr mir gesagt habt, nachdenken.“

„Gefährliche Männer müssen nicht lange nachdenken.“

„Warum die Eile?“

Auch hier konnte er dem Krieg nicht entkommen. Aber vielleicht konnte er sich lange genug vor ihm verstecken, um die schlimmsten seiner Wunden zu heilen. Diejenigen, die die Leute nicht sehen konnten. „Ich bin zehn Jahre fort gewesen. Es ist an der Zeit, dass ich meine schottische Seite zurückgewinne.“

Als er dieses Land verlassen hatte, hatte er ein Stück von sich selbst verloren. Nun hoffte er, dass es immer noch hier war, damit er es finden konnte.

„Könnt Ihr das?“

„Muss ich jemanden töten, um es zu beweisen?“

Der Baron sah Gavin lange schweigend an.

„Noch nicht“, erwiderte er schließlich. Die Entschlossenheit in seinen Augen glich der seiner Tochter. Gavin hoffte, er würde zu einer besseren Schlussfolgerung kommen als sie. „Aber auf der anderen Seite des Hügels, auf dem Land der Robsons, gibt es sechs Rinder, die früher in dem Pferch an unserer Mauer standen. Wenn die nach Hause gebracht werden, dann haben wir beide einiges zu besprechen. Einiges.“

Und das Lächeln der beiden galt so viel wie ein Handschlag.

Während die Männer in einer Ecke der Halle würfelten, gruppierte Clare die Schnittmuster erneut um. Sie versuchte, eine neue Haube, Fesseln und Bellfesseln für die Glöckchen aus ihrem letzten Stück Leder aus Flandern zu fertigen. Als sie die Schritte ihres Vaters hörte, gab sie den Versuch auf. „Hast du ihn fortgeschickt?“

Mit einem angedeuteten Lächeln sah er sie an. „Nein.“

„Warum nicht?“ Sie kämpfte gegen das Gefühl der Erleichterung an.

„Ich muss meine Entscheidungen nicht vor dir rechtfertigen, mein Mädchen.“ Er schüttelte den Kopf, als die Würfelnden ihn zu sich herüberwinkten. „Gieß mir noch einen Brogat ein und komm nach oben. Es gibt Dinge, über die ich mit dir sprechen muss.“

Sie folgte ihm ins nächste Stockwerk. In seiner Kammer setzte sie sich auf den kleinen Hocker und überließ ihrem Vater den großen Stuhl. Er machte es sich mit einem Seufzer gemütlich.

„Worüber wolltest du mit mir reden, Da?“, fragte sie, obwohl sie wusste, was er sagen würde.

„Wie alt bist du, Tochter?“

„Weißt du nicht einmal das über mich?“

„Versuchst du der Frage auszuweichen?“

„Du weißt, dass ich achtzehn bin.“ In sieben Jahren würde sie länger gelebt haben als ihre Mutter.

„Deine Mutter war sechzehn, als ich sie zur Frau nahm. Es ist an der Zeit zu heiraten, Tochter.“

„Ich weiß, Da.“ Sie sehnte sich mehr als ein Dutzend Mal am Tag nach Alain, Kindern und einem Heim in Frankreich.

„Ohne deine Mutter …“ Er seufzte und nahm einen Schluck. „Ich bin nicht gut in diesen Dingen. Als du zurückkamst, war ich einfach froh, dich hier zu Hause zu haben.“ Er legte seine von Gicht gekrümmte Hand auf ihre.

Sie erwiderte seinen Händedruck nicht. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte er sie nach Frankreich geschickt, wo sie von einer von Lord Douglas ausgesuchten Familie aufgezogen worden war. Während sie fort war, hatte er sich Murine ins Bett geholt und Euphemia auf seinen Knien geschaukelt. Danach hatte er sich nicht mehr für sie interessiert, bis sie gelernt hatte, sich um die häuslichen Pflichten zu kümmern und alt genug war, um seine Enkelkinder zu bekommen. In der Zwischenzeit waren er und Schottland ihr fremd geworden, und Alains Familie stand ihr näher als ihre eigene.

„Alain ist wieder da“, erwiderte sie. „Wir sind jetzt in der Lage, unsere Zukunft zu planen.“

Es war nur der Krieg gewesen, der ihn davon abgehalten hatte, um ihre Hand anzuhalten, dessen war sie sich sicher.

Ihr Vater kippte den Rest Brogat hinunter. „Nun, wenn es der feige Franzose sein soll, werde ich dich nicht aufhalten.“

„Alain war derjenige, der die Engländer ehrenhaft bekämpfen wollte, nach den Regeln der Ritterlichkeit, so wie ein Krieg geführt werden sollte.“

„Tochter, wir haben Edward zurück über die Grenze gejagt, ob Alain unser Vorgehen gefällt oder nicht. Aber du musst etwas wissen. Ich habe eine Abmachung mit Lord Douglas getroffen.“

„Was für eine Abmachung?“, fragte sie unbehaglich.

„Eine, die dafür sorgt, dass meinen Enkelkindern Carr Tower erhalten bleibt.“

„Was bedeutet das?“ Sie interessierte sich weder für den Turm, noch für die Ländereien. Da sie das einzige Kind war, wären sie ihr nach dem Tod ihres Vaters wahrscheinlich zugefallen, aber sie vermutete, dass Lord Douglas sie einem entfernten Cousin des Clans als Lehen geben würde, sobald sie nach Frankreich ging.

„Nun, es begann in der Nacht, in der wir Edward beinahe bei Melrose gefangen genommen hätten.“ Er setzte sich zum Erzählen auf. „Wir hatten die Falle schon gestellt. Wir hätten ihn auch gefangen, wenn William Douglas auf mich gehört hätte. Ich habe ihm gesagt, wir sollten nicht auf besseres Wetter warten, aber er hörte auf niemanden und …“

„Da! Was hast du getan?“

„Na ja, wir haben uns über das Ale hergemacht, und ich habe William abgefüllt und ihn an das Versprechen erinnert, das er deiner Mutter auf dem Sterbebett gegeben hat.“

„Was für ein Versprechen?“

„Er hat versprochen, dass ihre kleine Tochter, das einzige Kind meiner armen, geliebten Frau, Carr Tower behalten darf, wenn sie heiratet, und dass ich den Mann wählen kann.“ Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen lehnte er sich zurück. „Ich habe Williams Wort und Zeugen.“

Sie rang nach Worten. Es war schwer, sich vorzustellen, dass ihre in Frankreich geborene Mutter ein solches Versprechen verlangt hatte. „Ich bin mir sicher, dass Alain sich darüber freut.“ Er würde zumindest das Einkommen schätzen, auch wenn es nur gering war. „Wir werden sicherlich alle paar Jahre zu Besuch kommen.“

„Nein! Ihr könnt die Grenze nicht von Frankreich aus schützen! Wenn du Alain willst und er dich, dann müsst ihr hierbleiben, sonst verweigere ich euch meine Zustimmung.“

„Aber er hat seine eigenen Ländereien und seine eigenen Verpflichtungen.“

„Die hast du auch. Dein Ehemann muss hier die Grenze bewachen. Persönlich.“

Entsetzt schloss sie die Augen. Ihre Mutter, die Schottland nicht besonders gemocht hatte, hatte dies bestimmt nicht vorhergesehen. „Ich glaube nicht, dass Mutter mich hier festhalten wollte.“

„Du weißt nicht alles, Tochter. Sie hat mir vertraut, dass ich das Beste für dich und für Carr Tower tun würde.“

Clare verkniff sich weiteren Protest. Wenn Lord Douglas ihrer Mutter ein Versprechen gegeben hatte und ihr sturer Vater seinen Willen durchsetzte, dann waren ihre Wünsche nicht von Bedeutung. Jetzt galt es, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Zuerst müsste Alain um ihre Hand anhalten. Dann würde sie die Bedingungen mit ihm besprechen und eine Lösung finden.

Doch nun schien genau das, was sie sich von dieser Ehe erhoffte, nicht mehr möglich. Statt diesen Ort hinter sich lassen zu können, würde sie für immer hier gefangen sein. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit Alain vor der Herdstelle des Turms saß anstatt in der Halle des Chateaus. Plötzlich sah ihr Leben mit ihm vollkommen anders aus.

Und nicht annähernd so reizvoll.

Als bekannt wurde, wer Gavin wirklich war, verflüchtigte sich die unbeschwerte Kameradschaft mit den anderen Waffenknechten.

Männer, die einen Tag zuvor noch ihren Teller mit ihm geteilt hatten, mieden ihn nun. Beim Essen saß er allein da. Die Tage verbrachte er schweigend.

Ein paar Abende später ging Gavin nach dem Nachtmahl in der Halle auf zwei der Waffenknechte zu und streckte die Hand aus, in der er seine Würfel hielt. „Eine Wette?“

Sein Blick wurde von unfreundlichen dunklen Augen erwidert. Engländer. Brandstifter. Der Mann musste es nicht aussprechen. „Ihr habt nichts, was ich gewinnen will.“

„Wenn ich verliere, übernehme ich Eure Wache, während Ihr Euch ausruht.“

„Und wenn Ihr gewinnt?“

„Dann begleitet Ihr mich über die Hügel. Dort sind Rinder, die Hilfe brauchen, um den Weg nach Hause zu finden.“

Das Misstrauen auf den Gesichtern schwand ein wenig, sodass er sich hinsetzte und einen Kreis für die Würfel auf dem Boden zog.

Er hatte nicht vor zu verlieren.

Ein paar Abende später lag Clare schlaflos in ihrem warmen Bett. Alain hatte noch nicht mit ihr über ihre Zukunft gesprochen. Sie versuchte, sich vorzustellen, was er sagen würde. Wie er fragen würde. Und wie eine Dame die Frage stellen könnte, wenn er es nicht tat.

Doch immer wieder beherrschte Fitzjohn ihre Gedanken. Die Art, wie er lächelte. Die Dunkelheit, die sich hinter seinen Augen verbarg. Das Feuer, das er in ihrem Körper entfachte.

Wollt Ihr in Eurem Bett in Flammen stehen?

Unruhig wälzte sie sich hin und her. Sie sollte von Alain träumen.

Schließlich warf sie die Decke zurück, ging zu der schmalen Öffnung in der Mauer des Turms und streckte ihr Gesicht der kühlen, feuchten Brise entgegen. Der Mond wurde von Nieselregen und Wolken verdeckt. Die Hügel bestanden nur aus verschiedenen Abstufungen von Schwarz.

Plötzlich vernahm sie ein leises Geräusch.

Ein Mann auf einem Pferd.

Erschrocken hielt sie die Luft an und blickte in die Dunkelheit hinaus. Es war nicht mehr die Zeit für einen Raubzug, doch die Robsons scherten sich nicht um den Kalender.

Nein. Das waren keine herannahenden Pferde. Jemand verließ die Festung.

Clare erkannte die dunkle Silhouette eines Mannes in einem Mantel. Er ritt ein kleines schwarzes Pferd.

Sie erkannte den Mann. Seine Statur, die Art, wie er auf dem Pferd saß.

Fitzjohn.

Er hatte bei seiner Ehre als Ritter geschworen, ihnen kein Leid zuzufügen, dennoch schlich er sich in der Dunkelheit davon. Wollte er sich mit den Engländern treffen? Rasch wandte sie sich vom Fenster ab. Sie musste ihrem Vater Bescheid sagen und die Wachen alarmieren, um ihn aufzuhalten.

Das Geräusch eines zweiten Pferdes hielt sie zurück. Ein weiterer Reiter. Schließlich ein dritter. Schweigend sah sie zu, wie die Dunkelheit sie verschlang, als sie in Richtung der Hügel ritten. Sie musste lächeln.

Vielleicht war Fitzjohn tatsächlich ein Schotte.

Autor

Margaret Moore
<p>Margaret Moore ist ein echtes Multitalent. Sie versuchte sich u.a. als Synchronschwimmerin, als Bogenschützin und lernte fechten und tanzen, bevor sie schließlich zum Schreiben kam. Seitdem hat sie zahlreiche Auszeichnungen für ihre gefühlvollen historischen Romane erhalten, die überwiegend im Mittelalter spielen und in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie lebt mit...
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