Historical Saison Band 61

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LIEBEN SIE MICH, MARQUESS! von ROLLS, ELIZABETH
"Niemals, Mylord.” Lady Emma lehnt den kühlen Heiratsantrag des attraktiven Marquess of Huntercombe ab. Nur aus Liebe würde sie ihn ehelichen! Doch dann droht ihrem Sohn Gefahr, und die Angst treibt Emma zum Marquess. Sie sucht Hilfe - und verliert ihr Herz. Aber kann der scheinbar gefühlskalte Casanova ihre Liebe erwidern?

LORD HUNTERS LIEBESFLUCH von MARTIN, LAURA
Ein schrecklicher Liebesfluch liegt auf seiner Familie, und Lord Hunter ist sich sicher: Er darf niemals heiraten. Doch als er eine junge Dame aus höchster Not rettet, gerät sein Entschluss ins Wanken. Denn Rosa Rothwell ist nicht nur hinreißend, klug und verführerisch, sie ist auch guter Hoffnung - und braucht einen Ehemann!


  • Erscheinungstag 05.02.2019
  • Bandnummer 0061
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737351
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Rolls, Laura Martin

HISTORICAL SAISON BAND 61

1. KAPITEL

Ende Oktober 1803

Als der Marquess of Huntercombe die Liste überflog, die ihm seine Schwester in die Hand gedrückt hatte, spürte er Panik in sich aufsteigen. Was natürlich absurd war. Er befand sich in seiner Bibliothek, und niemand bedrohte ihn. Dennoch …

Er räusperte sich. „Letty, das ist nicht …“

Seine Schwester Letitia brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen. „Huntercombe, du weißt selbst, dass du dich wieder verheiraten musst.“

Wenn sie ihm Vorwürfe machte, nannte sie ihn stets Huntercombe. Dabei wusste er selbst gut genug, was er zu tun hatte! Noch nie hatte er seine Pflichten vernachlässigt. Giles, Marquess of Huntercombe, tat, was er seiner Familie, seiner Stellung als Mitglied des House of Lords, seinen Pächtern und Bediensteten schuldig war.

„Diese Sache duldet keinen Aufschub“, fuhr Letty fort. Sie seufzte. „So bedauerlich Geralds Tod auch ist …“

Hunt biss die Zähne zusammen, dann nickte er. Geralds Tod war eine Katastrophe.

„Caro und ich haben alle jungen Damen aufgelistet, die zurzeit auf dem Heiratsmarkt sind und infrage kommen.“

Heiratsmarkt war eindeutig der richtige Ausdruck. Und jung ebenfalls. Hunt schaute auf die Liste. Seine beiden Schwestern hatten neben den Namen der verschiedenen Heiratskandidatinnen vermerkt, ob die betreffende hübsch war, welche Talente sie besaß, ob sie eine zufriedenstellende Mitgift erhalten würde, über welche gesellschaftlichen Verbindungen sie verfügte und natürlich wer ihre Eltern waren.

Hunt erschauerte.

Dann zwang er sich, jeden einzelnen der Namen noch einmal zu lesen. „Um Himmels willen, Letty!“

Der Spaniel, der sich in der Nähe des Kamins ausgestreckt hatte, hob den Kopf.

„Was hast du?“

„Chloe Highfield?“ Hunt bedeutete dem Hund, er solle liegen bleiben.

„Natürlich!“ Letty verzog gekränkt das Gesicht. „Warum hätten wir sie nicht …“

„Weil sie mein Patenkind ist“, unterbrach Hunt sie.

„Oh! Daran habe ich tatsächlich nicht gedacht. Schade, dann müssen wir sie wohl streichen.“

Schnellen Schrittes trat Hunt zum Kamin und warf die Liste ins Feuer.

„Giles! Caroline und ich haben stundenlang an dieser Liste gearbeitet!“

„Das bezweifele ich nicht.“ Er starrte noch immer in die Flammen, obwohl das Papier längst verbrannt war. Schließlich wandte er sich um. „Letty, im letzten Monat hast du mir zum Geburtstag gratuliert. Man sollte meinen, dass du weißt, wie alt ich bin.“

Sie runzelte die Stirn. „Du bist 50 geworden. Warum fragst du?“

Ungläubig musterte er ihr Gesicht. Glaubte sie wirklich, ein Mann seines Alters wolle eine Jungfrau von kaum 18 Jahren heiraten?

Sein Blick wanderte zur halb geleerten Teetasse auf dem Tisch. Nun, er brauchte jetzt etwas Stärkeres als Tee. Entschlossen goss er sich ein Glas Brandy ein und trank. Die Vorstellung, eine junge Frau zu heiraten – und das Bett mit ihr zu teilen –, die kaum älter als seine Tochter war, bereitete ihm Übelkeit. Natürlich wusste er, dass viele Männer genau das taten. Aber er gehörte ganz gewiss nicht zu ihnen!

Wehmütig rief er sich in Erinnerung, wie er noch vor ein paar Wochen sein Patenkind Chloe zum Eisessen bei Gunther’s Tea Shop eingeladen hatte. Wenn Chloe nun auf der Liste der heiratsfähigen Damen stand, war es wohl ihr letzter gemeinsamer Besuch dort gewesen.

„Giles“, sagte seine Schwester mit erhobener Stimme, „wenn eine Frau mit 30 noch nicht verheiratet ist, dann gibt es gute Gründe dafür. Also …“

„Ich könnte eine Witwe als Gattin wählen.“

„Was?“

Hunt stellte sein Glas ab. „Ich finde, dass eine Frau, die bereits eine gewisse Lebenserfahrung mitbringt, sich besser als ein junges Mädchen dazu eignet, meine Marchioness zu werden.“ Eine Witwe würde weniger Erwartungen an ihn stellen, sich bereits mit der Haushaltsführung auskennen und weder romantischen Träumereien nachhängen noch ihm das Gefühl geben, sich wie ein lüsterner Satyr zu benehmen.

„Du brauchst auf jeden Fall eine Frau, die jung genug ist, um dir einen Sohn zu schenken.“

Er brauchte einen Erben, ja. Soweit er wusste, waren Frauen um die 30 durchaus noch in der Lage, Kinder zu gebären. „30“, sagte er laut, „30 wäre ein gutes Alter.“

Letty schob ihre Teetasse fort. „Ich könnte jetzt auch einen Brandy vertragen.“

Er schenkte ihr ein, und sie trank das Glas in einem Zug aus. „Eine Witwe besitzt vermutlich kein eigenes Vermögen. Und vielleicht hat sie sogar Kinder“, gab sie zu bedenken.

Es stimmte, dass das Erbe eines verstorbenen Ehemanns im Allgemeinen an seine Kinder und nicht an seine Witwe fiel. Doch Hunt war wohlhabend genug, um nicht des Geldes wegen heiraten zu müssen. Meist übernahmen die Verwandten des Verstorbenen die Vormundschaft für die Kinder, sodass Hunt selbst wenig damit zu tun haben würde. Jungen wurden sowieso ins Internat geschickt. Und Mädchen … Nun, es war die Aufgabe der Mutter, ihre Töchter zu erziehen. Ihn würde man nicht damit belästigen. Im Übrigen konnte man die Tatsache, dass eine Frau Kinder bereits hatte, als Beweis für ihre Fruchtbarkeit betrachten.

„Also gut“, seufzte Letty. „Wir machen eine neue Liste.“

„Oh, macht euch bitte keine Mühe. Ich denke, ich bin durchaus in der Lage, mir selbst eine Gattin zu suchen.“

Seine Schwester schüttelte den Kopf. „Das bezweifele ich. Die wenigsten Witwen nehmen an gesellschaftlichen Ereignissen teil. Warum sollten sie auch?“

Wahrscheinlich hatte Letty recht. „Nun gut. Aber versprich mir, dass ihr diskret vorgeht.“

Das brachte ihm einen entrüsteten Blick ein. „Lass uns so tun, als hättest du das nie gesagt.“

Obwohl er sich ärgerte, bemühte er sich zu lächeln. „Verzeih mir, Letty.“

„Was sollte ich dir verzeihen?“

„Ach, vergiss es. Ich weiß gar nicht, warum ich das gesagt habe.“ Hunt schaute demonstrativ zu der schweren Standuhr hin.

Letty, die den Wink verstand, erhob sich und ließ sich von ihrem Bruder zur Tür begleiten.

Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, begab sich Hunt zurück in die Bibliothek, wo er einen weiteren Brandy hinuntergoss, ehe er den Spaniel Fergus zu sich rief. Während er am Schreibtisch saß und den Hund kraulte, betrachtete er das kleine Bild, das seine verstorbenen Gemahlin Anne sowie die Kinder Simon, Lionel und Marianne zeigte, die ebenfalls seit Langem tot waren. Nach einer Weile zog er eine der Schreibtischschubladen auf und legte die Miniatur vorsichtig hinein. Welcher Braut würde es gefallen, wenn ihr Bräutigam täglich das Portrait seiner verstorbenen Gattin anschaute?

Nun stand nur noch das Bild seines Halbbruders Gerald auf dem Schreibtisch.

„Wir könnten einen Drachen kaufen, statt Leihgebühr für die Bücher zu zahlen“, sagte Harry zum ungefähr fünfzehnten Mal. „Ich würde auch Georgie damit spielen lassen. Das verspreche ich, Mama.“

„Nein, Harry.“ Lady Emma Lacy trug einige Bücher, die zurückgegeben werden mussten. Neben ihr ging die sechsjährige Georgie.

Harry warf seiner Mutter einen missmutigen Blick zu, öffnete dann aber, ohne zu murren, die Tür von Hatchard’s Buchladen und Leihbücherei am Piccadilly.

„Ende Oktober haben wir nicht mehr den richtigen Wind, um Drachen steigen zu lassen“, erklärte Emma, als sie mit den Kindern in den Laden trat.

London war ruhig um diese Jahreszeit. Nur wenige vornehme Familien hielten sich in der Stadt auf. Hin und wieder traf man Gentlemen, die Mitglieder des Parlaments waren und bereits die erste Sitzung des House of Lords vorbereiteten. Der Mann allerdings, der auf der anderen Straßenseite stand und sie beobachtete – Emma konnte ihn aus den Augenwinkeln sehen –, war zweifellos kein Angehöriger des Adels.

Ein Schauer überlief sie. Verfolgte der Fremde sie? In den letzten Wochen hatte sie ihn immer wieder einmal bemerkt.

„Bitte, Mama!“

Sie war mit ihrer Geduld am Ende. „Harry“, ihre Stimme klang streng, „vielleicht kann ich dir einen Drachen zu Weihnachten schenken.“

Leider wusste sie nur zu genau, dass ihr Geld gerade so reichte, um das für den Alltag Notwendige zu bezahlen. Aus finanziellen Gründen konnte sie Harry nicht einmal zur Schule schicken. Sie unterrichtete ihn ebenso wie seine kleine Schwester daheim. Deshalb war es unmöglich, die Mitgliedschaft in der Leihbibliothek zu kündigen. Sie brauchte die Bücher für den Unterricht.

„Ich hasse es, dass wir so wenig Geld haben“, stellte Harry mürrisch fest.

Sie wollte ihn tadeln, hielt dann aber inne, weil ihr bewusst war, dass ein Zehnjähriger sich eigentlich keine Gedanken um Geld machen sollte.

Ihre Situation war nicht ganz so schwierig gewesen, als Peter noch lebte. Ach, alles war einfacher gewesen, als Peter noch lebte.

„Papa hätte gewusst, wie man einen Drachen baut“, meldete sich Georgie zu Wort.

Der Drache, den Emma vor ein paar Wochen gebaut hatte, war im Wasser der Serpentine im Hyde Park versunken, statt zu fliegen.

„Halt den Mund, Georgie“, fuhr Harry auf. „Du kannst dich doch gar nicht an Papa erinnern.“

Georgie streckte ihm die Zunge raus.

„Harry“, tadelte Emma, „du sollst deine Schwester nicht ärgern! Und du, Georgie, solltest wissen, dass eine Dame niemals jemandem die Zunge herausstreckt.“

„Aber …“

„Euer Vater hätte gewusst, wie man einen Drachen baut“, unterbrach Emma ihre Tochter. Und wie man Harry erziehen muss, damit er zu einem Gentleman heranwächst.

Der Junge war noch immer wütend. Er hätte nicht nur ein männliches Vorbild, sondern auch Spielkameraden in seinem Alter gebraucht. Leider war das Leben bereits schwer genug, ohne dass Emma sich in unerfüllbaren Träumen verlor.

Sie umfasste Georgies Hand etwas fester und ging mit dem Mädchen, gefolgt von einem äußerst unzufriedenen Harry, durch den Buchladen in den Raum, in dem sich die Leihbibliothek befand.

„Was wollen wir ausleihen, Mama?“, wollte Georgie wissen.

„Mal schauen, was es gibt.“

„Bleib“, befahl Hunt seinem Spaniel.

Gehorsam setzte sich Fergus neben die Stufen, die zu Hatchard’s Buchladen hinaufführten. Hunt wusste, dass der Hund geduldig auf ihn warten würde, und betrat gut gelaunt das Geschäft. Er liebte den Geruch von ledergebundenen Büchern, von Tinte und gutem Papier.

Sogleich kam ein junger Mann auf ihn zu und begrüßte ihn: „Guten Tag, Mylord. Sie sind also wieder in London.“

Hunt hatte den größten Teil des Sommers auf seinem Landgut verbracht und selten Sehnsucht nach dem Leben in der Stadt verspürt. Die Möglichkeit, einen Buchladen zu besuchen, hatte ihm allerdings gefehlt.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, fuhr der Buchhändler fort.

„Nein, heute möchte ich mich nur umschauen.“

„Sehr wohl, Mylord. Ich möchte Sie indes darauf aufmerksam machen, dass ich in den Besitz einer Milton-Ausgabe von 1674 gelangt bin.“

„Eine Ausgabe von ‚Paradise Lost‘?“ Hunt bemühte sich, nicht allzu begeistert zu klingen. „Ich sehe sie mir auf jeden Fall an, ehe ich gehe.“

„Ich lege das Buch für Sie bereit.“

„Danke!“ Er schlenderte auf den Raum zu, in dem die Leihbibliothek untergebracht war.

Unterwegs nahm er das eine oder andere Buch in die Hand, um es zu begutachten. Aus den Augenwinkeln musterte er dabei die anderen Kunden. Es war niemand da, den er kannte. In der Tür zur Leihbücherei blieb er kurz stehen, um das Bild in sich aufzunehmen, das sich ihm darbot.

In einem der Sessel saß eine grau gekleidete Frau, die gemeinsam mit einem kleinen Mädchen, das sie auf dem Schoß hatte, ein Buch anschaute. Neben den beiden stand ein Junge von zehn oder elf Jahren, der einen mürrischen Eindruck machte. Jetzt hob er den Kopf und betrachtete Hunt aus unerschrockenen blauen Augen.

Hunt runzelte die Stirn, nickte dem Jungen dann aber zu und grüßte ihn. „Guten Tag.“ Er war verwirrt und bestürzt darüber, wie sehr ihn der offene Blick des fremden Kindes an seine eigenen Söhne erinnerte.

Ein wenig verlegen erwiderte der Junge seinen Gruß. „Guten Tag, Sir.“

Abrupt schaute die Frau auf. Sogleich vergaß Hunt den Jungen. Denn die ebenfalls blauen Augen der Frau weckten unerwünschte Gefühle in ihm. Lust und Verlangen! Verflixt, er kannte die Frau gar nicht! Außerdem hatte er noch nie eine Vorliebe für Gouvernanten verspürt.

Einen Moment lang glaubte er, sie würde etwas sagen. Doch schon wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Buch zu. Leise sagte sie etwas zu dem Mädchen, das daraufhin nickte. Nun sie legte das Buch beiseite.

Hunt zwang sich, an eines der Regale zu treten. Dennoch sah er nicht die Buchrücken, sondern die großen, dunkelblauen Augen in dem blassen Gesicht der Fremden. Noch immer war ihm heiß, und sein Herz schlug zu schnell. Was, zum Teufel, sollte das? Er war 50 und kein grüner Junge, der sich durch eine unerwartete Begegnung erregt fühlte.

Trotzdem konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Er drehte sich um und betrachtete die Frau noch einmal. Irgendetwas an ihr kam ihm bekannt vor. Aber da sie ihn weder angelächelt noch sonst irgendein Zeichen der Ermutigung gegeben hatte, blieb ihm wohl kaum etwas anderes übrig, als sie zu ignorieren. Der Marquess of Huntercombe gehörte nicht zu den Männern, die fremde Frauen in Buchläden ansprachen.

„Harry“, hörte er sie mit einer ein wenig heiseren Stimme sagen, „möchtest du diese Woche etwas von Mr. Swift ausleihen?“

„Meinetwegen.“

Hunt, der sich wieder dem Buchregal zugewandt hatte, schmunzelte. Was Harry offensichtlich wirklich dachte, war: „Ein Buch lesen? Nur, wenn es unbedingt sein muss.“ Typisch für einen Zehnjährigen! Seine eigenen Söhne hatten auch lieber mit ihren Freunden Cricket gespielt, statt zu lesen.

Das dumme Buch hattest du schon letzten Monat, Georgie“, stellte Harry streitlustig fest.

Die Stimme seiner Mutter hörte sich plötzlich sehr kühl an. „Harry, bitte!“

„Aber es stimmt doch!“, verteidigte er sich. „Märchen sind was für Babys. Wenn wir schon etwas ausleihen müssen, dann sollte es etwas Vernünftiges sein.“

„Ich bin kein Ba…“

„Georgie! Harry, soweit ich sehe, hast du noch überhaupt kein Buch ausgesucht.“

Der strenge Ton bewirkte, dass das Mädchen schwieg und der Junge sich erst auf die Unterlippe biss und schließlich behauptete: „Ich habe Mr. Swift ausgesucht.“

„Nein, ich habe Mr. Swift vorgeschlagen. Und du warst einverstanden. Das ist etwas anderes, als selbst ein Buch auszusuchen.“

Ein kurzes Schweigen folgte. „Ich hätte lieber einen Drachen als ein Buch.“

„Harry!“

„Ich weiß schon: Sie war krank, und wir haben eine Menge Geld für den Doktor und die Medizin ausgegeben. Deshalb kann ich keinen Drachen kriegen.“

„Es war nicht meine Schuld.“ Georgie warf ihrem Bruder einen entrüsteten Blick zu. „Du hast mich mit der blöden Erkältung angesteckt.“

„Ich habe jedenfalls keinen Doktor und keine Medizin gebraucht. Weil ich nämlich kein dummes kleines Mäd… Au!“

„Georgie! Du hast deinen Bruder geschlagen, obwohl du weißt, dass er nicht zurückschlagen darf.“

„Das ist mir egal. Er hat mich angesteckt! Und ich bin nicht dumm!“

„Das stimmt.“

Hunt drehte sich um, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Frau sich erhob und das Mädchen auf die Füße stellte. Offensichtlich war sie zornig, dennoch blieb sie ruhig. Sie senkte nicht einmal den Blick, als sie bemerkte, dass Hunt ihr gerötetes Gesicht musterte.

Er bedachte sie mit einem mitfühlenden Lächeln.

„Mama?“

„Während ich diese Bücher zurückstelle, könnt ihr beide euch bei Seiner Lordschaft dafür entschuldigen, dass ihr ihm den Besuch im Buchladen verdorben habt.“

Sie wusste, dass er dem Hochadel angehörte? Dann kannte er sie also tatsächlich. Wo mochten sie sich begegnet sein? Eine Gouvernante war sie jedenfalls nicht.

„Ich möchte aber das Buch mit den Märchen haben“, jammerte Georgie.

Harry gab ihr einen kleinen Schubs.

„Es ist alles deine Schuld“, warf sie ihm vor.

Dann schloss sie den Mund, weil sie bemerkte, dass Hunt sie anschaute. Aus großen braunen Augen erwiderte sie seinen Blick. „Entschuldigung, Sir.“

Oh Gott, wie sehr erinnerte sie ihn an ein anderes kleines Mädchen, das sich ebenfalls über seinen großen Bruder geärgert hatte!

Der Junge hatte vor Scham gerötete Wangen. „Es tut mir sehr leid, Mylord. Bitte, verzeihen Sie mir.“

Hunt nickte den beiden zu. „Entschuldigung angenommen. Allerdings“, er sah Harry fest in die Augen, „benimmt sich kein Gentleman schlecht gegenüber seiner Mutter.“

Der Junge straffte die Schultern und holte tief Luft. Dann trat er zu seiner Mutter. „Mama, es tut mir leid, dass ich mich so schlecht benommen und dich und Georgie geärgert habe. Das hätte ich nicht tun dürfen.“

Die Frau drehte sich um. Ihr Gesicht verriet, wie erschöpft sie war. Es verriet aber auch, dass sie ihre Kinder liebte und dass nichts diese Liebe erschüttern konnte.

„Ich könnte zur Strafe auf den Nachtisch verzichten“, schlug Harry kleinlaut vor.

Sie lächelte. Es war ein Lächeln, das den ganzen Raum erhellte. In diesem Augenblick wünschte Hunt, er könnte etwas tun, um dieser Fremden das Leben zu erleichtern. Er wollte, dass sie öfter so lächelte.

„Mir wäre es am liebsten“, antwortete sie, „wenn du dir jetzt ein Buch aussuchen und es auch tatsächlich lesen würdest.“

„Ja, Mama.“

Sie fuhr ihm liebevoll mit der Hand durchs Haar. Ihr Lächeln schien noch sonniger geworden zu sein. „Gut. Such dir also etwas aus!“

„Darf ich vielleicht meine Hilfe anbieten?“ Das Angebot war heraus, ehe Hunt bewusst war, dass er sich einmischte.

Im gleichen Moment bemerkte er, wie die Frau eine abwehrende Haltung einnahm. „Danke, Mylord, das ist wirklich nicht nötig.“

Er deutete eine Verbeugung an. „Es ist mir sehr unangenehm, Mylady, dass ich mich nicht an Ihren Namen erinnere. Aber wir kennen uns, nicht wahr? Ich bin Huntercombe.“

„Es erstaunt mich, dass Sie sich überhaupt an mich erinnern. Es ist Jahre her, dass wir uns begegnet sind. Danke, dass Sie die Entschuldigung der Kinder akzeptiert haben.“

Er lächelte. Und zerbrach sich weiter den Kopf über sie. Offenbar wollte sie ihren Namen nicht nennen. Vielleicht hatte sie früher wirklich als Gouvernante gearbeitet und Kinder betreut, mit denen seine eigenen gespielt hatten. Ihre Kleidung jedenfalls verriet, dass sie sich nicht in den besten Kreisen der Gesellschaft bewegte.

Georgie schob ihre kleine Hand in die der Mutter. „Waren Sie ein Freund von Papa, Sir?“

„Das weiß ich nicht genau“, gestand er.

„Mein Papa war Lord Peter Lacy“, sagte die Kleine. „Ich bin Georgiana Mary. Und das ist mein Bruder Harry.“

„Georgie, Liebes“, Emma hielt ihr das Märchenbuch hin, „nimm dein Buch, und setz dich noch einmal zu mir.“

„Ja, Mama.“

Lord Peter Lacy war einer der jüngeren Söhne des Duke of Keswick. Daran erinnerte sich Hunt. Ebenso wie daran, dass Lacy eine Gattin gewählt hatte, die seine Eltern ablehnten. Daraufhin war er in der guten Gesellschaft nicht mehr gesehen worden. Wenn er nur wüsste, wie die Frau …

„Lady Emma Lacy“, sagte er. „Natürlich, Sie sind Dersinghams Tochter.“ Erneut musterte er sie; diesmal möglichst unauffällig. Der Earl of Dersingham war über die Verbindung genauso erzürnt gewesen wie der Duke of Keswick. Und zwar nur aus einem einzigen Grund: Die beiden Familien lagen seit Langem im Streit miteinander. Vermutlich wusste längst niemand mehr, was der Auslöser für die Feindschaft gewesen war.

Sie nickte.

„Wie geht es Ihrem Vater? Ich habe ihn seit der letzten Sitzung des House of Lords nicht mehr gesehen.“ Er hatte es auch nicht versucht, denn er mochte den Earl nicht.

„Soweit ich weiß, geht es ihm gut.“ Ihr Lächeln war jetzt nicht mehr strahlend, sondern nur höflich. „Entschuldigen Sie mich, bitte, Mylord. Wir müssen noch ein paar Bücher aussuchen.“

„Natürlich, Mylady.“ Er verbeugte sich und war im Begriff, den Raum zu verlassen, als ihm noch etwas einfiel. Das Mädchen hatte von ihrem Vater in der Vergangenheit gesprochen, und Lady Emma Lacy trug Grau. Das konnte nur eines bedeuten. „Darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen, Lady Lacy? Ihr Verlust tut mir sehr leid.“

„Danke, Mylord.“

Der Kummer in ihren Augen war ihm nur zu vertraut. Er hatte ihn viel zu oft gesehen, wenn er sich selbst im Spiegel betrachtete.

„Mama?“

Harry stand mit drei dicken in Leder gebundenen Bänden vor ihr. „The Monk“ von Matthew Lewis, ein äußerst verrufener Schauerroman.

Hunt musste ein amüsiertes Lachen unterdrücken. „Ich fürchte, mich hat der Roman sehr gelangweilt“, log er. „The Monk“ war ganz gewiss keine passende Lektüre für einen Zehnjährigen.

„Langweilig?“, echote Harry enttäuscht.

„Äußerst langweilig.“ Er nahm dem Jungen die Bücher ab. „‚Gullivers Reisen‘ von Mr. Swift fand ich viel interessanter. Ich denke, die sprechenden Pferde werden dir gefallen.“

„Sprechende Pferde? Danke für den Tipp, Mylord.“

In Emmas Augen tanzten Fünkchen. Sie musste sich große Mühe geben, ernst zu bleiben. „Dann hol dir das Buch“, forderte sie ihren Sohn auf. Und sehr leise sagte sie zu Hunt: „Ich hätte ihm nicht erlaubt ‚The Monk‘ zu lesen. Allerdings …“

„Allerdings war es vielleicht etwas einfacher, dass ich es ihm ausredete?“ Himmel, Emma Lacy war bezaubernd, wenn ihre Augen so strahlten!

Um ihren Mund zuckte es belustigt. „Ich wäre wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, den Roman als ‚äußerst langweilig‘ zu beschreiben.“

Er räusperte sich. Dass sie beide so unerwartet zu Verbündeten geworden waren, machte ihn verlegen. Nein, mehr als das: Es war ihm unheimlich. Steif bemerkte er: „Es kann nicht leicht sein für eine Dame, einen selbstbewussten Jungen zu erziehen. Sollte Harry nicht in der Schule sein? Ich könnte mir denken, dass Keswick …“

Ihre eben noch lachenden blauen Augen blickten plötzlich kalt und abweisend. „Das, Mylord, ist …“

„Verzeihung, Lord Huntercombe …“ Hatchard stand in der Tür. „Wenn Sie sich jetzt den Milton anschauen wollen?“ Er richtete den Blick auf Lady Emma. „Guten Tag, Mylady.“

„Guten Tag, Mr. Hatchard.“ Sie schien sich in eine vollkommen andere Frau verwandelt zu haben. Mit kühler Höflichkeit wandte sie sich an Hunt. „Bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten, Mylord.“

Er verbeugte sich. „Au revoir, Mylady.“

2. KAPITEL

Mit den zu einem Bündel zusammengeschnürten ausgeliehenen Büchern unter dem Arm ging Emma zur Ausgangstür. Sie kochte vor Zorn. Wie konnte Huntercombe es wagen, ihre Erziehungsmethoden zu kritisieren! Seine Kinder – dachte Emma – hatte er zweifellos von Gouvernanten und Hauslehrern erziehen lassen. Wahrscheinlich hatte er selbst sie höchstens einmal pro Tag gesehen. Und das auch nur, solange die Jungen nicht ins Internat geschickt worden waren, wo sie sicher nicht viel anderes gelernt hatten, als reichlich Alkohol zu trinken und um Geld zu spielen. So war es jedenfalls bei ihren Brüdern gewesen.

Was, um Himmels willen, fand sie an Huntercombe nur so attraktiv? Er musste etwa 20 Jahre älter sein als sie, und natürlich war er verheiratet! Warum also hatte ihr Herzschlag sich bei seinem Anblick und beim Klang seiner Stimme beschleunigt? Zugegeben, er hatte sie zum Lachen gebracht. Er war nett gewesen, aber auch bieder und förmlich und …

Auf jeden Fall hätte er sie nicht kritisieren dürfen.

Trotzdem musste sie zugeben, dass er seit Jahren der erste Gentleman war, der sie weder herablassend behandelt noch ignoriert hatte. Auch war es äußerst unwahrscheinlich, dass er unmoralische Hintergedanken gehabt hatte, als er sie ansprach. Manche Gentlemen wollten ihrem langweiligen Alltag mehr Würze geben, indem sie sich heimlich mit einer Witwe vergnügten. Doch Huntercombe hatte Hatchard’s Buchladen wohl kaum aufgesucht, weil er eine Affäre plante.

In diesem Moment drängte Harry sich an ihr vorbei, um ihr die Tür aufzuhalten. Kein Gentleman benimmt sich schlecht gegenüber seiner Mutter. „Soll ich die Bücher tragen, Mama?“

Sie wollte ihm danken, vergaß es jedoch, als sie den Mann auf der anderen Straßenseite bemerkte. Er war ihr also wirklich gefolgt! Verflixt! Was mochte er im Schilde führen?

„Mama, soll ich …“, begann Harry erneut. Dann sprang er eilig die Stufen der Eingangstreppe hinunter. Er hatte am Fuß der Treppe einen Hund entdeckt, der heftig mit dem Schwanz wedelte. Einen Spaniel. „Sieh nur, Mama!“

„Harry!“

Zu ihrem Erstaunen blieb er stehen und schaute sich nach ihr um.

„Er ist so süß! Darf ich ihn streicheln, Mama? Bitte! Ich glaube nicht, dass er beißt.“

Emma unterdrückte ein Lachen. So, wie der Hund sich aufführte, würde er Harry höchstens vor Begeisterung zu Tode lecken. Nun, immerhin blieb der Spaniel brav sitzen und hielt Harry bittend ein Pfötchen hin.

„Du darfst ihn streicheln“, sagte sie.

„Vielleicht hat er sich verlaufen“, überlegte Georgie laut. Auch sie begann nun, den Spaniel zu streicheln. „Wir könnten ihn nach Hause mitnehmen und für ihn sorgen, bis seine Familie ihn abholt.“

„Ich bin sicher, dass er sich nicht verlaufen hat“, meinte Emma.

„Auf dem Halsband steht sein Name. Fergus“, stellte Harry fest.

Als er seinen Namen hörte, wedelte der Hund noch begeisterter mit seinem Schwanz.

„Vielleicht ist seine Familie böse“, fuhr Georgie fort. „und er sitzt hier, weil er auf nette Leute wartet, die ihn mitnehmen. Wir sind nett.“

„Nun, Georgiana Mary, ich kann dir versichern, dass Fergus sich nicht verlaufen hat.“

Die Stimme kam Emma bekannt vor. Oh Gott, Huntercombe! Wie peinlich! Er mochte bieder sein, doch böse war er bestimmt nicht.

Fergus fiepte vor Entzücken, als er seinen Besitzer bemerkte.

Hunt schnippte mit den Fingern, und der Spaniel rannte zu ihm.

„Er ist unglaublich gut erzogen“, staunte Harry.

Hunts Lächeln – obwohl es Harry galt und nicht ihr – ließ Emmas Herz schneller schlagen.

„Fergus ist ein guter Hund. Jetzt freut er sich darauf, dass er sich im Park richtig austoben darf.“

Harrys Augen leuchteten auf. „Wir gehen auch in den Park.“

„Ja“, kam Georgie ihm zu Hilfe, „wir gehen oft dort spazieren. Und wir mögen Hunde.“

Obwohl er über diesen allzu eindeutigen Wink offensichtlich nicht verärgert war, wirkte Huntercombe ein wenig unsicher.

„Möchten Sie uns auf unserem Spaziergang begleiten, Mylord?“, fragte Harry.

Emma wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken.

Hunt jedoch erwiderte freundlich: „Das ist ein netter Vorschlag. Ich könnte mir vorstellen, dass Fergus seinen Ausflug noch mehr genießt, wenn ihr dabei seid. Sofern Sie einverstanden sind, Mylady?“

Emma war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug.

„Bitte, Mama“, drängte Harry.

„Bitte, Mama“, bettelte Georgie.

Emma holte tief Luft. Was sollte schon schlimm daran sein, wenn sie mit einem Bekannten ihres Vaters einen Spaziergang im Park machte?

„Mylord“, sagte sie, „Ihre Begleitung ist uns sehr willkommen.“ Für eine Weile würde sie die Gesellschaft eines Gentlemans genießen können, der sie weder herablassend behandeln noch ihr zu nahe treten würde.

Ihr Blick wanderte zur anderen Straßenseite. Der Fremde war verschwunden. Gut!

Als sie den Park erreichten, hatte Hunt schon ein paar verwirrende Tatsachen über Lady Emma Lacy in Erfahrung gebracht. Zweifellos las sie die politischen und wirtschaftlichen Seiten der Zeitung, interessierte sich aber erstaunlicherweise nicht für gesellschaftlichen Klatsch. Und sie verstand sich darauf, das Gespräch allgemein zu halten, so als wolle sie möglichst wenig über ihr Leben preisgeben.

Im Park zog Hunt einen zerbissenen Cricket-Ball aus der Tasche und warf ihn weit von sich. Woraufhin Fergus lossprintete, den Ball zu fassen bekam und ihn zurückbrachte.

„Möchtest du den Ball jetzt werfen, Harry?“, fragte Hunt.

Der Junge nickte begeistert. Noch nie hatte er so viel Spaß gehabt.

„Wie weit wollen wir gehen, ehe wir umkehren?“, erkundigte sich Hunt einige Zeit später.

„Umkehren?“ Emma runzelte die Stirn.

„Nach Hause. Nach Mayfair.“

„Oh …“ Sie errötete. „Wir leben in Chelsea.“

Da einige gesellschaftlich anerkannte Familien in Chelsea wohnten, wunderte Hunt sich über die Röte auf Emmas Wangen. Er vergaß diesen Gedanken aber sogleich, als er bemerkte, mit wie viel Liebe sie ihre Kinder betrachtete, die mit Fergus um die Wette rannten. „Jeder Junge sollte einen Hund haben“, stellte er fest.

„Ich kann Ihnen versichern, dass Georgie dieser Aussage widersprechen würde. Sie meint, auch jedes Mädchen sollte einen Hund haben.“

„Hm …“

Gerade hatte Fergus den inzwischen vor Speichel triefenden Ball fallen gelassen, und Georgie bückte sich danach.

„Aber Sie haben keinen Hund.“

Emma nickte.

„Warum nicht?“

Sie errötete noch mehr. „Weil wir es uns nicht leisten können.“

„Sie könn …“ Mitten im Wort brach er ab. Plötzlich passte alles zusammen: das einfache Kleid, die Tatsache, dass Harry nicht zur Schule ging, und der erschöpfte Ausdruck in Emmas Augen. Außerdem hatte Harry erwähnt, dass die medizinische Behandlung seiner Schwester so teuer gewesen war, dass sie nun keinen Drachen kaufen konnten. Verflixt!

„Wir müssen uns auf den Heimweg machen“, bemerkte Emma.

„Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten?“ Warum, zum Teufel, habe ich das gesagt? Er mochte die Kinder, die offenbar gut erzogen waren, aber ganz und gar nicht schüchtern oder verunsichert wirkten. Auch gefiel es ihm, wie begeistert sie von Fergus waren. Dennoch …

„Bitte, machen Sie sich keine Umstände“, antwortete Emma. „Es war wirklich nett von Ihnen, den Kindern zu erlauben, mit Fergus zu spielen.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich mich Ihnen nur wegen Fergus und der Kinder angeschlossen habe?“

Sie hob die Brauen.

„Ich habe Ihre Gesellschaft genossen, Lady Emma. Und ich würde gern …“

„Nein“, unterbrach sie ihn.

„Nein?“

Ihr sanftes Gesicht hatte einen harten Ausdruck angenommen. „Nein, im Sinne von ‚Nein danke, ich bin nicht interessiert‘.“

Nicht interessiert? Woran nicht interessiert? Was, um Himmels willen, hat sie so gegen mich aufgebracht?

„Harry, Georgie! Kommt her!“

„Mama, bitte!“, tönte es zweistimmig zurück.

Hunt räusperte sich. „Verzeihen Sie!“ Dann pfiff er auf zwei Fingern.

Fergus, den Ball im Maul, gehorchte sofort und rannte zu Hunt. Doch statt den Ball herzugeben, begann der Spaniel vor seinem Herrchen hin und her zu laufen.

Es war ein Spiel, das sie immer spielten.

Harry und Georgie, die atemlos angelaufen kamen, ermutigten Fergus.

„Sitz!“, befahl Hunt.

Fergus setzte sich und spuckte Hunt den Ball vor die Füße.

„Guter Junge!“ Hunt bückte sich und hob den nassen und dreckigen Ball auf.

„Wollen Sie den in Ihre Tasche stecken?“, fragte Georgie angeekelt. „Igitt!“ Sie fischte ein kleines Taschentuch aus ihrer eigenen Tasche und hielt es Hunt hin. „Damit können Sie den Ball einwickeln.“

„Das ist wirklich lieb von dir, Georgie. Allerdings wird deine Mutter nicht wollen, dass du dein Taschentuch weggibst.“

Georgies Gesicht nahm einen verdächtig unschuldigen Ausdruck an. „Sie könnten mit Fergus einen Spaziergang nach Chelsea machen und es mir zurückbringen. Wir wohnen in der Symons Street.“

Wenn Lady Emma nicht so viel eisige Ablehnung ausgestrahlt hätte, wäre er amüsiert gewesen.

„Georgie“, sagte sie mit fester Stimme, „Seine Lordschaft hat keine Zeit für solche Spaziergänge. Du besitzt noch andere Taschentücher.“

„Oh …“ Jetzt sah das Mädchen untröstlich aus. „Ja, Mama.“

„Ein Gentleman sollte einer Dame nicht widersprechen“, verkündete Hunt und griff nach dem Taschentuch. „Vielen Dank, Georgie. Ich hoffe sehr, dass ich bald die Zeit finde, mit Fergus einen Spaziergang nach Chelsea zu machen.“ Sorgfältig wickelte er den Ball ein, ehe er ihn in die Tasche steckte. Dann verbeugte er sich. „Auf Widersehen, Lady Emma. Georgie!“ Harry hielt er die Hand hin. „Harry!“

Der Junge strahlte, als er Hunt kräftig die Hand schüttelte. „Auf Wiedersehen. Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, Mylord.“

„Au revoir.“ Gefolgt von Fergus machte Hunt sich auf den Rückweg nach Mayfair.

„Au revoir“, hörte er Georgie noch sagen, „heißt doch ‚bis wir uns wiedersehen‘. Bestimmt bringt er mein Taschentuch zurück.“

Also würde zumindest das kleine Mädchen sich freuen, ihn wiederzusehen. Aber warum zum Teufel war Lady Emma so erbost über sein Angebot gewesen, sie nach Hause zu begleiten? Nein, im Sinne von ‚Nein danke, ich bin nicht interessiert‘. Er hatte ihr schließlich kein unmoralisches Angebot unterbreitet! Obwohl … Er zuckte zusammen. Natürlich! Es gab durchaus Gentlemen, die einer Witwe aus anderen Gründen ihre Begleitung anboten. Vermutlich taten es die wenigsten, weil es ihnen Freude bereitete, ihren Kindern beim Spielen zuzusehen.

„Verflixt, Fergus“, sagte er zu dem Spaniel, „sie hat gedacht, ich wollte eine Affäre mit ihr anfangen.“

Fergus hob den Kopf.

Hunt beschloss, das Missverständnis so bald wie möglich aus der Welt zu räumen.

In diesem Moment hielt eine Kutsche neben ihm.

Er erkannte den Kutscher, noch ehe Letty den Kopf aus dem Fenster streckte.

„Giles, welch glücklicher Zufall! Steig ein! Wir fahren zu mir. Wir müssen dringend über die neue Liste sprechen.“

Er schüttelte den Kopf. „Wie du siehst, habe ich den Hund bei mir. Am besten schickst du mir die Liste zu.“

Voller Widerwillen musterte Letty den Spaniel. „Es ist mir unbegreiflich, warum du einen Hund in die Stadt mitbringst. Du könntet ihn wenigstens von deinen Bediensteten ausführen lassen!“

„Da es mein Hund ist, führe ich ihn gern selbst aus.“

„Ich hoffe sehr, dass du deine Junggesellen-Angewohnheiten aufgibst, wenn du erst wieder verheiratet bist. Ich jedenfalls möchte nicht dauernd ein Tier im Salon haben, selbst wenn es so gut erzogen ist wie dein Hund.“ Sie gab dem Kutscher das Zeichen weiterzufahren. „Ich erwarte dich, Giles. Bis gleich!“

Er seufzte. „Hättest du dich nicht ausnahmsweise mal schlecht benehmen können, Fergus? Dann hätte sie vielleicht Abstand davon genommen, mich zu sich zu beordern.“

Fergus schien zu grinsen.

„Es würde dir ganz recht geschehen, wenn meine zukünftige Gemahlin meinen Junggesellen-Angewohnheiten einen Riegel vorschieben würde.“

Hunt hatte sich bereits mit einem Glas Brandy aus der Karaffe seines Schwagers gestärkt, als Letty in den Salon gesegelt kam.

Sie warf Fergus, der vor dem offenen Kamin lag, einen missbilligenden Blick zu. Hunt vermutete, dass wahrscheinlich keine der Frauen auf der neuen Liste es mögen würde, wenn ein Hund im Haus lebte.

„Caro und ich haben lange darüber nachgedacht, wen wir auf die neue Liste nehmen sollen“, begann Letty. „Schließlich sollte deiner Braut nicht der kleinste Hauch eines Skandals anhaften. Leider gibt es unangenehme Gerüchte über sehr viele Witwen. Deshalb solltest du noch einmal darüber nachdenken, ob du nicht doch …“

„Ich werde kein junges Mädchen heiraten“, fiel er ihr ins Wort.

„Also gut.“ Letty seufzte. „Ehrlich gesagt haben wir diesmal keine Liste. Nur einen Vorschlag …“

Er runzelte die Stirn. „Du meinst, dass es in ganz England nur eine Witwe gibt, die als meine Gattin infrage kommt?“

„Also …“ Letty zierte sich ein bisschen. „Wir dachten an mein Patenkind, Amelia Trumble.“

Hunt erstarrte. „Sie muss über 30 sein“, stieß er dann hervor.

„Keineswegs. Sie ist 27. Du könntest kaum eine bessere Wahl treffen.“

Vergeblich bemühte er sich, gelassen zu wirken. Amelia Trumble – um Himmels willen! Es war ihm unbegreiflich, wie eine Frau von 27 Jahren es schaffte, wie 40 auszusehen. Außerdem war Amelia die personifizierte Langeweile. Nun ja, ihr verstorbener Gatte war ebenso gnadenlos langweilig gewesen.

„Die gute Amelia ist so vernünftig und anständig“, schwärmte Letty.

Gegen Vernunft und Anstand gab es nichts einzuwenden. Aber mussten sie unbedingt mit unerträglicher Langeweile einhergehen?

„Sie wäre dir eine äußerst pflichtbewusste Gattin. Zudem verfügt sie sogar über eigenes Vermögen. Ihr Sohn wird dir nicht zur Last fallen. Er ist Trumbles Erbe und soll daher bei seinem Großvater aufwachsen.“

„Sie will den Jungen bei Baron Trumble lassen?“ Hunt wunderte sich darüber, dass diese Vorstellung ihm nicht behagte. Sollte ein Ehemann nicht froh sein, wenn er mit den Kindern seines verstorbenen Vorgängers möglichst wenig zu tun hatte?

„Amelia würde den Jungen natürlich hin und wieder besuchen. Sie ist jedoch nicht übertrieben sentimental.“

Übertrieben sentimental? Vor Hunts innerem Auge tauchte das Bild einer grau gekleideten Dame auf, die ein kleines Mädchen auf dem Schoß hielt. Gleich darauf sah er Emmas liebevolles, strahlendes Lächeln vor sich, als Harry sich bei ihr entschuldigte.

Nun, solche Erinnerungen waren bedeutungslos. Eigentlich hatte er nichts gegen Amelia. Wenn Caroline und Letitia fanden, sie würde eine gute Marchioness abgeben …

„Ich werde über euren Vorschlag nachdenken“, versprach er und wechselte das Thema. „Bist du mit Lady Emma Lacy bekannt?“

Letty runzelte die Stirn. „Lady Emma Lacy? Herrje! Du meinst Dersinghams Tochter? Sie ist verwitwet, das stimmt. Hoffentlich denkst du nicht daran, eine Verbindung mit dieser furchtbaren Frau einzugehen!“

„Natürlich nicht.“ Aber warum sollte sie eine furchtbare Frau sein? „Ich habe sie nur zufällig heute bei Hatchard’s getroffen.“

„Wo sie sich zweifellos alle Mühe gegeben hat, deine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die schamlose Person! Hast du vergessen, dass sie ihren Bräutigam vor dem Altar hat stehen lassen, um mit dem jungen Lacy in Sünde zu leben? Immerhin konnte sie ihn überreden, sie zu heiraten und eine ehrbare Frau aus ihr zu machen. Trotzdem war Dersingham so entrüstet über ihr Verhalten, dass er sie enterbt hat. Und die Keswicks, ihre Schwiegereltern, haben natürlich auch den Kontakt zu ihr abgebrochen.“ Letty erschauerte. „Ich werde mit Hatchard reden. Solche Frauen sollte er nicht in seinem Geschäft dulden!“

„Das, liebe Letty, wird nicht nötig sein. Bestimmt war es eine einmalige Begegnung.“ Letty muss übertrieben haben. Ich kann jedenfalls nicht glauben, dass Emma mit Lord Peter Lacy in Sünde gelebt hat. Doch es ist wohl besser, das Thema zu wechseln. „Was nun Amelia betrifft … Du gibst mir Bescheid, wenn sie in der Stadt ist, nicht wahr?“

„Natürlich! Wie ich schon sagte: Du könntest keine bessere Wahl treffen.“

„Damit hast du sicher recht.“ Von Vernunftehen konnte man schließlich nicht erwarten, dass sie aufregend oder unterhaltsam sein würden. Im Übrigen sprach nichts dagegen, der kleinen Georgie in den nächsten Tagen das Taschentuch zurückzubringen. Lady Emma dürfte inzwischen erkannt haben, dass er bei Hatchard’s nur nach Büchern und nicht nach einer Geliebten gesucht hatte.

Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

3. KAPITEL

Zwei Tage lang verspürte Emma Enttäuschung und Zorn. Enttäuschung, weil Huntercombes Interesse an den Kindern wohl nicht echt gewesen war. Zorn, weil er die Kinder benutzt hatte, um sich ihr zu nähern. Er hatte einen so sympathischen Eindruck gemacht! Aber offensichtlich war es ihm doch nur darum gegangen auszuloten, ob sie ein unsittliches Angebot annehmen würde. Nun, das war nicht ganz richtig. Sie hatte ihn ja gar nicht zu Wort kommen lassen, sondern ihn sofort abgewiesen. Dennoch gab es wohl keine andere Erklärung für sein Verhalten als die, dass er eine Mätresse suchte. Und das machte Emma sehr wütend.

Harry und Georgie wiederum waren so begeistert von Huntercombe und seinem Hund, dass sie ständig von den beiden redeten. Harry hatte seine kleine Schwester sogar dafür gelobt, dass sie so klug gewesen war, Huntercombe ihr Taschentuch zu leihen. Ganz bestimmt würde er es zurückbringen. Georgie hatte ihnen allen die Möglichkeit für ein Wiedersehen verschafft.

Verständlicherweise war Georgie stolz auf dieses Lob und fragte ihre Mutter, wie lange es wohl in einem vornehmen Haus dauern würde, bis ein Taschentuch gewaschen und wieder getrocknet war.

Emma hätte über diesen Eifer geschmunzelt, wenn sie nicht so ärgerlich gewesen wäre. Nicht nur auf Huntercombe, sondern auch auf sich selbst. Hatte sie ihn vielleicht unabsichtlich ermutigt? Oder war sie einfach zu naiv gewesen? Hätte ihr nicht klar sein müssen, wie Angehörige der guten Gesellschaft von ihr dachten?

Nun, jedenfalls brachte sie es nicht übers Herz, den Kindern zu sagen, dass Huntercombe ganz gewiss nicht erscheinen würde, da sie ihn abgewiesen hatte. Georgie und Harry waren noch viel zu jung, um zu verstehen, dass Gentlemen ihre Mutter für eine Frau mit zweifelhafter Moral hielten. Um die Kinder abzulenken und zu verhindern, dass die Rede allzu oft auf Huntercombe und Fergus kam, schlug sie ausgiebige Spaziergänge im Park vor – natürlich erst, nachdem sie den täglichen Unterricht beendet hatten.

Das hatte leider unweigerlich zur Folge, dass die Kinder darüber sprachen, wie schnell Fergus rennen und wie geschickt er den Ball im Flug fangen konnte. Und natürlich stellten sie Vermutungen an, wann sie ihn und seinen Besitzer wiedersehen würden.

Dies alles führte dazu, dass Emma – im Gegensatz zu Georgie und Harry – unangenehm überrascht war, als es am Vormittag des dritten Tages nach ihrem Besuch bei Hatchard’s an der Tür klopfte. Noch unangenehmer war ihr, dass ihr Herz unvermutet einen Sprung machte.

Sie warf den Kindern, die sich gerade zur allmorgendlichen Unterrichtsstunde an den Tisch gesetzt hatten, einen strengen Blick zu.

„Mama“, entfuhr es Georgie dennoch, „vielleicht ist er es!“

„Er?“

„Fergus!“

Beinah hätte Emma laut aufgelacht. Da lief der Hund doch tatsächlich dem Marquess of Huntercombe den Rang ab!

Alle lauschten auf die Schritte des Hausmädchens Bessie, das zur Tür eilte. Mit einem Quietschen wurde die Tür geöffnet, dann war eine dunkle Stimme zu hören.

Emmas Puls beschleunigte sich.

„Ja, Euer Lordschaft. Oh … Ja, ich geh se fragen.“

„Mama!“ Georgie und Fergus konnten nicht mehr stillsitzen.

„Ihr rührt euch nicht vom Fleck! Es könnte auch ein Fremder sein.“

In diesem Moment stürzte Bessie ins Zimmer. „Es is’ ein Lord, Mylady. Soll ich ihn reinlassen?“

Erneut musste Emma ein Lachen unterdrücken. Der hochgeschätzte Marquess of Huntercombe war gezwungen, vor ihrem bescheidenen Haus zu warten!

„Er ist es!“, riefen Harry und Georgie wie aus einem Mund. Schon rannten sie zur Haustür.

„Guten Morgen, Mylord!“

„Oh, da ist Fergus!“

Bessie hielt Emma eine Visitenkarte hin. „Er sagt, er heißt Huntercombe, nich’ Fergus.“

„Fergus ist sein Hund.“ Emma straffte die Schultern. Warum war ihr Leben so kompliziert? Warum war der Marquess gekommen? Und warum fühlte sie sich so heftig zu ihm hingezogen?

Sie hörte, wie Huntercombe die Kinder freundlich begrüßte und wie Harry sagte: „Bitte, treten Sie doch ein, Mylord.“

Seine Antwort konnte sie nicht verstehen, dafür aber Georgie, die laut und deutlich erklärte: „Natürlich hat sie nichts dagegen!“

Gleich darauf trat er gefolgt von den Kindern ins Zimmer. „Guten Morgen, Mylady. Bitte, entschuldigen Sie mein Eindringen. Ich habe Ihr Mädchen gefragt, ob Sie zu Hause sind und …“

„Wir sind fast immer zu Hause“, klärte Georgie ihn auf. „Außer, wenn wir in den Park oder in die Bücherei gehen.“

Huntercombes Augen blitzten amüsiert auf. „Nun, Miss Georgie, ein Gentleman sollte einer Lady stets die Gelegenheit geben, ihn nicht zu empfangen, sondern ihn seines Weges zu schicken.“

Sein Lächeln – fand Emma – war absolut entwaffnend. Entschlossen rief sie sich in Erinnerung, dass er verheiratet war und dass er nichts in ihrem Haus zu suchen hatte. Trotzdem schlug ihr Herz schneller, seit er den Raum betreten hatte. Es war wirklich zu ärgerlich! Warum nur sah er so umwerfend aus? Früher hatte sie graue Schläfen nie attraktiv gefunden. Aber bei Huntercombe fand sie sie äußerst anziehend. Verflixt!

Sie holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. „Wir wollten gerade zu einem Spaziergang aufbrechen“, behauptete sie. „Möchten Sie sich uns vielleicht anschließen?“

Harry starrte sie an. „Und unser Unterricht?“

„Der kann warten.“ Warum fallen Kinder einem dauernd in den Rücken? „Die Sonne ist eben herausgekommen. Wer weiß, wie lange das gute Wetter sich hält.“

„Aber, Mama …“, begann Georgie, die sich gebückt hatte, um Fergus zu streicheln. „Als Harry beim Frühstück …“

„Möchtet ihr keinen Spaziergang machen?“, erkundigte Huntercombe sich freundlich.

„Oh doch, wir sind schrecklich gern im Park. Vor allem, wenn Sie und Fergus uns begleiten“, antwortete Harry.

„Dann solltet ihr eure Mutter nicht immer wieder an den Unterricht erinnern. Sonst bekommt sie womöglich ein schlechtes Gewissen, weil ihr zu wenig lernt.“

Emma biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut zu lachen.

Harry grinste. „Jawohl, Mylord.“ Dann forderte er Georgie auf, mit ihm nach oben zu gehen, um die Jacken zu holen.

Huntercombe hatte vorgehabt, Georgies Taschentuch zurückzugeben, Lady Emma Lacy zu erklären, dass sie ihn missverstanden hatte, und sich dann sogleich zu verabschieden. Stattdessen machte er jetzt einen Spaziergang mit dieser furchtbaren Frau. Um sein Gewissen zu beruhigen, sagte er sich, dass es vielleicht unangenehm gewesen wäre, wenn er seine Erklärung in diesem winzigen Haus vorgetragen hätte. Womöglich hätten die beiden Kinder und das Dienstmädchen jedes Wort mitangehört.

Während sie im Wohnzimmer auf die Kinder warteten, unterhielt Lady Emma sich wieder über allgemeine Themen mit ihm. Sie tat dies mit einer solchen Würde, als hätte sie ihn in einem vornehmen Salon empfangen.

Tatsächlich entsprach Emmas Wohnsituation absolut nicht Huntercombes Erwartungen. Das Wohnzimmer war ebenso sauber wie der kleine Flur, doch die Einrichtung war äußerst bescheiden. Die Möbel wurden offenbar gut gepflegt, aber es ließ sich nicht übersehen, dass sie alt und abgenutzt waren. Es gab nicht einmal einen Teppich. Obwohl die Temperaturen wahrhaftig sehr herbstlich waren, brannte im Kamin kein wärmendes Feuer.

Anscheinend musste Lady Emma äußerst sparsam wirtschaften. Seltsam! Ob ihr verstorbener Gatte das gesamte Vermögen durchgebracht hatte? Vielen Söhnen aus wohlhabenden Adelsfamilien, die nicht als erstgeborene das Familienvermögen erbten, fiel es schwer, ihren Lebensunterhalt mit bescheidenen Mitteln zu bestreiten. Da sie sich als Kinder an den Luxus ihres Elternhauses gewöhnt hatten, gelang es ihnen als Erwachsene nicht immer, ihren Lebensstil anzupassen. Das war einer der Gründe, warum Väter zögerten, ihre Töchter mit einem nachgeborenen Sohn zu verheiraten.

Harry und Georgie stürmten ins Zimmer, als Emma und Hunt gerade begonnen hatten, sich über ihre Ansichten über den Krieg gegen Frankreich auszutauschen.

„Wir haben dir deinen Mantel mitgebracht, Mama.“

„Wie lieb von euch! Danke!“

„Wir möchten nämlich möglichst viel Zeit haben, um mit Fergus zu spielen.“

„Das hätte ich mir denken können!“ Emmas Augen sprühten Funken, als sie ihren Blick von Georgie zu Harry gleiten ließ.

Huntercombe spürte, wie sich ein warmes Gefühl in ihm ausbreitete, als er erkannte, wie groß ihre Zuneigung zu den Kindern war. An weltlichen Gütern mochte es den Geschwistern mangeln, aber ganz bestimmt nicht an Liebe.

Er zog Georgies Taschentuch hervor, das sein Kammerdiener stirnrunzelnd entgegengenommen, gewaschen, getrocknet und gebügelt hatte. Lächelnd reichte Hunt es dem Mädchen. „Vielen Dank, Miss Georgie. Heute habe ich daran gedacht, mein eigenes Taschentuch mitzubringen.“

„Oh … Ich hätte es Ihnen gern noch mal geliehen.“

Emma räusperte sich. „Lord Huntercombe hat zu viel zu tun, als dass er uns häufig besuchen könnte, nur um deine Taschentücher zurückzubringen.“ Ihre Stimme klang eisig.

Hunt hätte ihr gern versichert, dass sie sich in ihm täuschte. Doch das musste warten. „Gehen wir!“, schlug er vor.

Die Kinder und Fergus waren schon fast bei der Haustür.

„Lauft bitte nicht zu weit voraus!“, rief Emma ihnen nach.

Draußen empfing sie ein scharfer Wind. Ein Schauer überlief Emma, und sie schob ihre Hände tiefer in den abgetragenen Muff. „Sie hätten nicht kommen sollen“, sagte sie zu Huntercombe.

Einen Augenblick lang musterte er ihr Gesicht, aus dem jede Freundlichkeit verschwunden war. Auch ihre Stimme klang kalt und abweisend. Hunt runzelte die Stirn. „Warum nicht, Mylady?“

„Weil ich Ihnen bereits gesagt habe, dass ich nicht interessiert bin. Und weil es nicht fair ist, die Kinder zu benutzen, um mich zu einem Spaziergang zu bewegen.“

„Ich fürchte, ich muss Ihnen widersprechen. Sie selbst haben einen Spaziergang vorgeschlagen. Im Übrigen bin ich nicht auf der Suche nach einer Mätresse.“

Abrupt blieb sie stehen.

„Sie dachten doch, ich hätte unmoralische Absichten?“

Emma nickte. Es dauerte einen Moment, ehe sie sich so weit gefasst hatte, dass sie antworten konnte: „Trotzdem sollten Sie mehr Rücksicht auf Ihre Gattin nehmen. Was wird sie denken, wenn irgendwer uns sieht und es ihr erzählt?“

Hunt erstarrte. „Meine Gattin?“

„Ich habe mich vor langer Zeit aus der Gesellschaft zurückgezogen, aber ich erinnere mich sehr gut an Lady Huntercombe. Ich mochte sie.“

„Oh …“ Diese einfache Bekundung ihrer Zuneigung für seine verstorbene Frau berührte Hunt tief in seinem Inneren. Wie um Himmels willen kam seine Schwester dazu, Lady Emma für eine furchtbare Frau zu halten?

„Ihre Gattin strahlte stets Wärme und Güte aus.“

„Es stimmt. Anne war eine gütige Frau.“

Emma wandte ihm das Gesicht zu und suchte seine Augen. „Sie war eine gütige Frau? Was ist geschehen?“

„Ich bin seit einigen Jahren Witwer.“

„Oh … Es tut mir leid.“

Er wollte nicht darüber reden. „Sie konnten es ja nicht wissen.“

„Mylord, es tut mir aufrichtig leid, dass Sie Ihre Gattin verloren haben.“

Schweigend gingen sie weiter.

Es war Jahre her, dass jemand Hunt sein Beileid ausgesprochen hatte. Es war Jahre her, dass Anne und die Kinder gestorben waren.

„Danke“, sagte er schließlich leise. Er würde Anne immer lieben, dennoch wusste er, dass er nach vorn schauen musste. Wahrscheinlich würde er bald Amelia Trumble heiraten. Es wäre wohl wirklich das Vernünftigste.

„Mama, schau mal!“ Harry warf den Ball so hoch und so weit wie möglich. Sogleich raste Fergus los, um den Ball noch in der Luft zu schnappen. Dann rannte er zurück und ließ ihn vor Harrys Füße fallen.

Emma drehte sich zu Huntercombe um. „Bitte, verzeihen Sie mir meine Unhöflichkeit. Ich bin froh, dass wir zusammen in den Park gegangen sind. Es macht den Kindern so viel Freude!“

Es war nicht zu übersehen, dass Georgie und Harry jede Minute genossen. Offensichtlich war es etwas ganz Besonderes für sie, mit einem Hund spielen zu können. Und Emma war glücklich, weil sie ihnen diese Freude machen konnte.

Welch ein Unterschied zu Amelia! Die hatte auch ein Kind, einen Sohn. Sie wollte ihn jedoch in der Obhut seines Großvaters zurücklassen. Zweifellos würde der Junge gut versorgt werden und eine gute Erziehung erhalten. Er würde allerdings ohne seine Mutter aufwachsen.

Bisher hatte Huntercombe sich keine Gedanken darüber gemacht. Nun fragte er sich, was es bedeuten mochte, wenn Letty behauptete, Amelia sei nicht übertrieben sentimental. War der Junge womöglich eine Last für sie?

„Lady Emma, ich möchte Sie etwas fragen. Würden Sie Ihre Kinder zurücklassen, wenn Sie sich entschieden, noch einmal zu heiraten?“

„Wie bitte?“

„Eine rein hypothetische Frage. Ich habe nämlich vor, eine zweite Ehe einzugehen. Daher interessiert es mich, wozu Frauen bereit sind. Bei Halbwaisen ist ja in der Regel der Großvater der Vormund.“

Hypothetisch? Er schloss vermutlich aus, dass sie noch einmal heiraten würde. Trotzdem wollte er wissen, was sie davon hielt, dass die Kinder einer Witwe, die sich wieder verheiratete, nicht beim Stiefvater, sondern beim Großvater väterlicherseits aufwuchsen. Emmas blaue Augen blickten plötzlich wieder ablehnend und kalt. „Das Gesetz will es so. Aber es gibt glücklicherweise Ausnahmen. Tatsächlich täuschen Sie sich, wenn Sie annehmen, der Duke of Keswick sei der Vormund meiner Kinder.“

Er runzelte die Stirn.

„Ich sorge allein für sie.“

Er versuchte sich vorzustellen, wie Amelias Schwiegervater reagieren würde, wenn sie das Sorgerecht für ihren Sohn für sich verlangte. Es war unvorstellbar. Also müsste er wohl schockiert darüber sein, dass Emma der alleinige Vormund ihrer Kinder war. Doch er war nicht schockiert.

„Ihr zukünftiger Gatte müsste sich also damit abfinden, dass Sie sich nicht von den Kindern trennen?“

„Eine rein hypothetische Frage, nicht wahr?“, spottete sie. „Nun, ich würde darauf bestehen, die Vormundschaft zu behalten.“

Ihre Kälte berührte ihn unangenehm. Dennoch kam es ihm in diesem Moment so vor, als könnte er keinen größeren Fehler machen, als Amelia zu heiraten.

„Ich möchte in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass ich Ihnen jetzt keinen Heiratsantrag mache, Mylady“, begann er.

„Ich habe nicht erwartet, dass …“ Sie unterbrach sich.

„Tatsache ist, dass ich mich wieder verheiraten muss. Und Sie entsprechen meinen Anforderungen.“

Ihren Anforderungen?“

„Verzeihen Sie, ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Ich bin zu alt, um mich Hals über Kopf zu verlieben. Außerdem möchte ich kein unerfahrenes junges Mädchen zur Gattin nehmen. Ich suche eine Frau, die das Leben kennt und noch jung genug ist, um mir einen Erben zu schenken.“ Hunt war mit sich zufrieden. Logischer hätte er sein Anliegen nicht begründen können.

„Sie suchen also eine Frau, die ihre Fruchtbarkeit bereits bewiesen hat.“ Mit etwas Mühe hätte man den Spott und den Zorn in Emmas Stimme überhören können.

Hunt war sprachlos.

„Nun?“

Jetzt blitzten ihre Augen so wütend und leidenschaftlich, dass Hunt kaum den Blick von ihr wenden konnte.

Plötzlich begann er zu lachen. „Sie haben es auf den Punkt gebracht, Mylady.“

„Hm … Sie wollen also heiraten und glauben aus irgendeinem Grund, ich könnte eine passende Ehefrau abgeben.“

Entsetzt bemerkte er, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. „Verzeihen Sie, ich habe nur versucht, vernünftig zu sein. Auf keinen Fall wollte ich Sie beleidigen.“ Oh Gott, warum öffnet sich die Erde nicht, um mich zu verschlingen?

„Brauchen Sie nicht Empfehlungsschreiben, um entscheiden zu können, ob ich Ihren Anforderungen entspreche? Mit Empfehlungen kann ich leider nicht dienen. Im Gegenteil …“

Er musterte sie. Und stellte fest, dass sie nicht nur abweisend wirkte, sondern … War sie verbittert? Nein, wohl eher resigniert. Hunt fiel ein, was Letty berichtet hatte: Angeblich hatte der Earl of Dersingham Emma enterbt, und die Keswicks hatten jeden Kontakt zu ihr abgebrochen.

„Vergeben Sie mir, bitte, aber für mich sind Ihre Kinder Empfehlung genug.“

Sie riss die Augen auf. „Oh!“

Oh! Das war alles. Aber das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, erschütterte ihn bis ins Innerste. Hatte er den Verstand verloren? Wie kam er dazu, Lettys Warnung in den Wind zu schlagen? War er im Begriff, Londons verrufenste Witwe zu umwerben? Bei Jupiter, er konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals etwas Verwerfliches getan hatte.

Emma lächelte noch immer. Er fand, ihre Kinder seien besser als jedes Empfehlungsschreiben? Hatte er das nur so dahingesagt? Oder beabsichtigte er, ihr den Hof zu machen?

„Ich verstehe nicht“, murmelte sie.

„Ich möchte Sie näher kennenlernen. Sollte ich Sie irgendwann tatsächlich um Ihre Hand bitten, so könnte ich Ihnen allerdings nur eine Vernunftehe bieten. Es wäre ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Ich brauche einen Erben, Sie und Ihre Kinder brauchen finanzielle Sicherheit.“

Er sprach so kühl und gefühllos, dass Emma ein kalter Schauer überlief. Andererseits … Huntercombe war bisher immer nett zu Harry und Georgie gewesen. Und gerade hatte er angedeutet, dass er möglicherweise bereit wäre, für sie und die Kinder zu sorgen.

„Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich keine unehrenhaften Absichten verfolge“, fügte er hinzu.

Sie war verwirrt. Wieso brauchte er einen Erben? „Mylord, ich glaube mich zu erinnern, dass Sie bereits Kinder haben.“

„Sie sind genau wie meine Gattin an den Pocken gestorben. Im letzten Jahr hat auch mein Halbbruder den Tod gefunden.“

„Wie traurig …“

Zwei einfache Worte nur. Trotzdem fühlte sich Hunt jetzt ein wenig erleichtert.

Emma hingegen war verunsichert. Elf Jahre zuvor war sie vor einer arrangierten Heirat geflohen. Sie hatte keine Vernunftehe gewollt. Aber ließ sich das, was Huntercombe ihr anbot, wirklich mit dem vergleichen, was eine Ehe mit Augustus Bolt damals für sie bedeutet hätte? Bolt war nicht nur viel älter gewesen als sie, sondern auch sehr arrogant. Seine herablassende Art hatte sie abgestoßen.

„Sie wissen, dass ich vor Jahren mit Sir Augustus Bolt verlobt war?“, fragte sie.

„Ich wusste, dass es vor Peter Lacy einen anderen Mann gab. Vermutlich wünschte Ihr Vater die Verbindung mit Bolt.“

„Ich hätte ihm den Wunsch wahrscheinlich sogar erfüllt, wenn ich Peter nicht kennengelernt hätte.“

Huntercombe nickte nachdenklich.

Es wäre sinnlos gewesen, jetzt etwas zu verschweigen. „Am Tag meines 21. Geburtstags hätte ich Bolt heiraten sollen, doch ich habe ihn am Altar stehen lassen.“ So, jetzt ist es heraus!

Die erstaunte Miene des Marquess schien zu beweisen, dass er nichts von dem Skandal gewusst hatte. Vermutlich wird er sich höflich von mir verabschieden, sobald er den Schock überwunden hat. Kein Gentleman wollte etwas mit einer Frau zu tun haben, die ihren Bräutigam im letzten Moment verließ.

Tatsächlich war Hunt einen Moment lang sprachlos. Er starrte Emma an, die den Kopf stolz erhoben hielt. Himmel, er kannte keine andere Frau, der er zugetraut hätte, etwas so Skandalöses zu tun! Obwohl … Welche junge Dame würde gern einen 30 Jahre älteren Mann heiraten? Und in Bolts Gesicht hatte jedes einzelne Lebensjahr eine tiefe Furche hinterlassen.

„Wartete Lacy vor der Kirche auf Sie?“, erkundigte Hunt sich schließlich.

„Wir hatten uns nicht abgesprochen. Peter ahnte nicht einmal, dass ich Bolt mein Jawort verweigern würde. Dennoch, er war da. Er brachte mich zu seiner Großtante, Lady Bartle. Dort blieb ich, bis wir getraut werden konnten. Das haben die Lästermäuler der feinen Gesellschaft natürlich nie erwähnt. Es war ihnen auch gleichgültig, dass Peter offiziell bei meinem Vater um mich angehalten hatte und äußerst unhöflich abgewiesen worden war.“

Schweigend gingen sie weiter.

Was eigentlich sehr erstaunlich war. Die meisten Männer hätten sich längst unter einem Vorwand zurückgezogen.

Hunt hingegen dachte darüber nach, was er getan hätte, wenn Anne von ihrem Vater gezwungen worden wäre, einen anderen Mann als ihn zu heiraten. Und was hätte sie getan?

Peter Lacy war keine schlechte Partie gewesen. Allerdings hatten Dersingham und Keswick einander nie leiden können. Eine uralte Fehde …

„Ich habe Sie schockiert“, stellte Emma fest.

Er zuckte die Schultern. Zweifellos war sie dickköpfig und für eine Dame erschreckend selbstständig. Aber sie war auch ehrlich und mutig, sonst hätte sie ihm ihre Geschichte nicht erzählt. Sie hatte ja davon ausgehen müssen, dass er danach den Kontakt zu ihr abbrechen würde.

„Haben Sie etwas gegen Hunde im Haus?“, fragte er unvermittelt.

„Nein. Ich verstehe jedoch nicht …“

„Gut“, unterbrach er sie. Ihre Hochzeit mit Lacy mochte skandalös gewesen sein, doch er wollte Emma ja nicht sein Herz schenken, sondern sie nur zur Mutter seines Erben machen.

Sie hingegen starrte ihn misstrauisch an. „Ich habe Ihnen gerade mitgeteilt, dass ich einen äußerst schlechten Ruf habe. Und Sie wollen wissen, ob ich damit einverstanden bin, dass Hunde im Haus leben?“

„Ja.“ Wenn sie Bolt genommen hätte, dachte er, dann wäre sie jetzt noch mit dem alten Kerl verheiratet und ich würde ernsthaft überlegen, ob ich Amelia Trumble einen Antrag mache. Die Vorstellung behagte ihm gar nicht.

„Waren Sie glücklich mit Lacy?“

Ein zärtliches Lächeln ließ ihr Gesicht aufleuchten. „Oh ja …“

„Das freut mich.“ Er griff nach ihrer Hand und legte sie auf seinen Arm. Es fühlte sich gut an. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit Bolt glücklich geworden wären. Ich jedenfalls hätte ihn nicht heiraten wollen.“

Fassungslos schaute sie ihn an.

„Bolt ist arrogant und zudem die personifizierte Langeweile.“ Genau wie Amelia. „Ich werde Ihnen jetzt erklären, was ich Ihnen anbiete. Natürlich werden Sie Zeit brauchen, um darüber nachzudenken.“

Emma hatte ihn nicht direkt abgewiesen. Allerdings hatte sie es eilig gehabt, nach Hause zurückzukehren, weil es zu regnen begann. Anscheinend fürchtete sie, die Kinder könnten sich eine Erkältung zuziehen. Auf dem Heimweg hatte sie seinen Worten jedoch aufmerksam gelauscht und sich schließlich mit gelegentlichen Treffen einverstanden erklärt. So würden sie einander besser kennenlernen. Eine Bedingung hatte sie gleichwohl gestellt: Er sollte weder ihr noch den Kindern Geschenke machen. Vermutlich fürchtete sie, Harry und Georgie könnten sich falschen Hoffnungen hingeben. Sie war offenbar fest davon überzeugt, dass er sich früher oder später doch zurückziehen würde.

Er wiederum glaubte, dass sein Plan Wirklichkeit werden würde. Sie fühlten sich zueinander hingezogen und würden sich gewiss nicht miteinander langweilen. Er mochte sie und ebenso ihre Kinder. Sie gehörte zwar seit Jahren nicht mehr der feinen Gesellschaft an, kannte aber die Welt, in die er sie durch eine Heirat zurückholen würde.

Erstaunlich, dass sie gezögert hatte, statt diese Gelegenheit freudig zu ergreifen.

Als sie vor ihrem Haus auf die Kinder warteten, die mit Fergus zurückgeblieben waren, hatte sie gesagt: „Danke, dass Sie mir Bedenkzeit einräumen.“

Hunt hatte gelächelt. „Eine Ehe verändert alles. Natürlich müssen Sie gründlich darüber nachdenken.“

„Die meisten Männer sind davon überzeugt, dass nur sie selbst über eine Heirat nachdenken müssen und dass eine Frau in meiner Situation lediglich ‚Ja, danke‘ sagen kann.“

„Hat Bolt das von Ihnen erwartet?“

„Vermutlich. Ich jedenfalls wurde nicht gefragt. Bolt hielt bei meinem Vater um mich an. Und der sagte Ja. Ich habe versucht zu protestieren. Da hieß es, ich solle mich nicht so anstellen.“

Wieder waren Hunts Gedanken zu Anne gewandert. Wie hätte sie sich in einer solchen Situation verhalten?

Als Nächstes fragte er sich, ob er selbst sich Emma gegenüber wirklich vollkommen fair verhielt. Für ihn sprach nichts gegen die Ehe mit ihr. Doch was wusste Emma über ihn? So gut wie nichts. Nicht einmal, ob er gewalttätig war oder ob er wirklich für ihre Kinder sorgen würde.

Dann gesellten sich Harry, Georgie und Fergus zu ihnen.

Georgie griff nach seiner Hand. „Werden Sie uns noch mal besuchen, Mylord?“

Fest schloss er seine Finger um ihre kleine Hand. „Ja, übermorgen. Eure Mutter ist damit einverstanden.“ Vorher würde er sich mit seinem Anwalt treffen und über einen Ehevertrag unterhalten. „Bei schlechtem Wetter“, fuhr er an Georgie gewandt fort, „könnten wir ein Picknick im Haus veranstalten.“

„Ein Picknick im Haus?“ Sie kicherte. „Wie soll das gehen?“

„Man breitet eine Decke auf dem Fußboden aus, setzt sich und isst und trinkt alles, was zu einem Picknick gehört.“

„Welche Getränke und Speisen braucht man für ein Picknick im Haus, Mama?“, fragte Harry.

Emma sah ratlos drein.

„Das“, verkündete Huntercombe, „ist ein Geheimnis.“

„Aber Mama muss doch zusammen mit Bessie alles vorbereiten.“

„Nein. Denn ich will euch ja einladen. Ich bringe das Essen und die Getränke mit. Und ihr kümmert euch um die Spiele.“

„Backgammon!“, rief Georgie.

„Schach“, schlug Harry vor.

„Und ich soll gar nichts tun?“, fragte Emma. Ihre Stimme klang ernst, aber ihre Augen funkelten amüsiert.

„Sie sorgen dafür, dass wir uns alle gut benehmen“, antwortete Hunt.

Sie stieß einen theatralischen Seufzer aus. „Eine schwierige Aufgabe.“ Dann holte sie den Hausschlüssel aus ihrem Retikül.

Sanft nahm Hunt ihn ihr aus der Hand. Er wollte ihr zeigen, dass er ein fürsorglicher Gatte sein würde.

An Emmas Miene erkannte er, dass sie verunsichert war. War er zu weit gegangen? Nein, jetzt lächelte sie. Er lächelte zurück. Seltsamerweise erfüllte es ihn mit echter Zufriedenheit, dass er etwas für sie tun konnte.

Gemeinsam traten sie ins Haus.

„Verabschiedet euch von Lord Huntercombe, hängt eure feuchte Kleidung in der Küche auf, und sagt Bessie, sie soll euch einen Becher heiße Milch geben.“

„Und Kuchen?“

„Ein kleines Stück, ja.“

„Auf Wiedersehen, Mylord.“ Harry hielt Huntercombe seine Hand hin, und der schüttelte sie.

Georgie kniete sich auf den Boden und schloss Fergus in die Arme. Gleich darauf sprang sie auf und schenkte Hunt ein strahlendes Lächeln. „Heute brauchen Sie mein Taschentuch nicht?“

„Nein danke, Georgie. Lass dir deinen Kuchen schmecken!“

Er schaute den Kindern nach, wie sie durch den kleinen Flur zur Küche liefen. Nun war er mit Emma allein. Langsam zog er seine Handschuhe aus. Es gab nicht viele Möglichkeiten für einen Gentleman, sich von einer Dame zu verabschieden, der er gerade vorgeschlagen hatte, ihn zu heiraten. Er griff nach Emmas Hand, die kühl war, obwohl sie sie die meiste Zeit über im Muff gehabt hatte. Sie war auch nicht so weich wie die Hände der meisten Damen, die er kannte. Vermutlich musste Emma einen großen Teil der Hausarbeit selbst erledigen.

Während er ihre Hand hielt, suchte er Emmas Blick. „Darf ich?“, fragte er leise. Er wollte sie küssen. Unbedingt. Aber er wusste, dass er jede Chance bei ihr verspielt hätte, wenn er es ohne ihre Einwilligung tat.

Einen Moment lang schaute sie ihn verständnislos an, dann errötete sie. Er spürte, wie ihre Hand ganz leicht zu zittern begann. Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag. Ja, er fühlte sich zweifellos heftig zu Emma hingezogen. Dennoch durfte er nicht vergessen, dass er ihr eine Vernunftehe angeboten hatte. Ein leidenschaftlicher Kuss wäre da äußerst unpassend.

„Ich …“, stammelte Emma. „Ich glaube, ich habe vergessen …“

Ihm wurde heiß. „Ich nicht“, versicherte er ihr und zog sie sanft an sich. Ach, wenn er doch nur all das tun könnte, wonach er sich sehnte! In den letzten Jahren hatte er zwar nicht wie ein Mönch gelebt, aber jetzt, da er Emma in den Armen hielt, erwachten Wünsche in ihm, die er lange nicht verspürt hatte. Es war … Ja, es war, als gehöre sie zu ihm.

„Mylord …“

„Hunt“, korrigierte er sie. Tief atmete er ihren Duft ein. Mit den Fingern fuhr er über ihre Wange. Wie unglaublich weich ihre Haut war! „Meine Freunde nennen mich Hunt. Wollen Sie nicht eine Zeit lang meine Freundin sein, Emma?“

Sie errötete noch tiefer.

Ihm wurde bewusst, dass sein Verlangen ihn zu überwältigen drohte. Nur einen kleinen keuschen Kuss, ermahnte er sich.

„Ja, Hunt“, flüsterte sie.

Er neigte den Kopf und berührte ihren Mund leicht mit dem seinen.

Emma seufzte und öffnete die Lippen.

Es war eine so süße Einladung, dass Hunt nicht widerstehen konnte. Aus dem Küsschen wurde ein leidenschaftlicher Kuss.

Hunt und Emma waren ein wenig außer Atem, als Emma schließlich den Kopf zur Seite wandte. Einen Augenblick lang hielten sie einander noch fest. Ihre Körper passten so gut zueinander. Obwohl alles in ihm dagegen protestierte, trat Hunt einen Schritt zurück.

Verflixt, ich begehre sie so wahnsinnig. Damit habe ich nicht gerechnet. Mache ich einen Fehler? Nein, wenn wir erst verheiratet sind, wird sie mir geben, wonach ich mich verzehre. Aber ich habe ihr eine Vernunftehe angeboten. Dabei soll es auch bleiben!

Plötzlich hatte er es eilig zu gehen. „Au revoir“, sagte er und ging zur Tür. Die Versuchung, Emma wieder in seine Arme zu ziehen und ihr wunderschönes Gesicht, ja ihren ganzen Körper zu küssen und zu streicheln, war einfach zu groß.

Seine Kutsche wartete ein paar Schritte entfernt, und er nutzte den kurzen Weg in der kalten Herbstluft, um sich in Erinnerung zu rufen, was eine Vernunftehe bedeutete. Er und Emma würden ein Paar werden, weil es für beide gewisse Vorteile mit sich brachte. Einer der Vorteile für ihn selbst war, dass er seine Gewohnheiten nicht allzu sehr zu ändern brauchte. Fast alles würde bleiben wie bisher. Nur, dass er regelmäßig körperliche Liebe und interessante Gespräch mit seiner Gattin genießen könnte. Sie würden Freunde sein. Liebe, wie er sie in seiner ersten Ehe erfahren hatte, würde keine Rolle spielen. Und das war gut so.

Bis die Kinder im Bett waren, zwang sich Emma, nicht an Hunts Vorschlag, der einem Heiratsantrag schon sehr nahekam, zu denken. Danach allerdings machte sie es sich in ihrem Lieblingssessel bequem und versuchte abzuwägen, was für und was gegen eine solche Ehe sprach.

Sie fand keinen einzigen Grund, den Antrag abzulehnen. Huntercombe hatte versprochen, sich um die Zukunft von Harry und Georgie zu kümmern. Harry würde eine bedeutend bessere Schulbildung erhalten, als sie ihm bieten konnte. Er würde sogar die Universität besuchen können. Auch würde er einen gewissen Betrag erben – genau wie sie selbst und Georgie. Keiner von ihnen sollte, so hatte Hunt ihr versichert, nach seinem Tod mittellos dastehen.

Unwillkürlich musste sie lächeln, als ihr einfiel, mit welchem Ernst er gesagt hatte: „Ich bin kein Jüngling mehr.“ Sicher, er war einige Jahre älter als sie. Aber auch sie hatte ihre Jungmädchenzeit schon seit Längerem hinter sich gelassen.

Seit sie ihrem Elternhaus den Rücken gekehrt hatte, war viel geschehen. Würde Hunt ihre Vergangenheit akzeptieren? Das war die entscheidende Frage.

Wenn er ihr tatsächlich die Ehe anbot und sie einwilligte, dann bedeutete dies, dass sie in die Welt zurückkehren würde, in der sie aufgewachsen war. Sie würde die Marchioness of Huntercombe sein und wieder zu den angesehenen Mitgliedern der guten Gesellschaft gehören.

Er wird mich freundlich und mit Respekt behandeln. Doch er wird mich nicht lieben. Und ich werde ihn nicht lieben.

Sie mochte ihn und achtete ihn, Peter jedoch hatte sie geliebt. Deshalb hatte sie ihn geheiratet. Hunts Antrag würde sie annehmen, weil der Marquess ihr und ihren Kindern ein besseres Leben bot. Dennoch konnte und wollte sie nicht leugnen, dass es ihr Freude bereiten würde, mit Hunt das Bett zu teilen. Bei der Vorstellung rieselt ihr ein angenehmer Schauer den Rücken herunter.

Sie wollte ihn. Oh ja, das musste sie sich eingestehen! Sein Kuss hatte sie bis ins Innerste aufgewühlt. Wie warm und stark sein Körper sich angefühlt hatte! Sie hatte sich so geborgen und beschützt gefühlt wie seit einer halben Ewigkeit nicht mehr. Wenn sie nur daran dachte, glaubte sie, wieder seinen männlichen Duft nach Sandelholz zu riechen und zu spüren, wie erregt er war. Himmel, seine Erektion an ihrem Oberschenkel zu fühlen hatte ihre eigene Begierde gefährlich angefacht!

Emma stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie wollte Hunt. Das war erregend. Allerdings auch sehr beunruhigend. Ja, es machte ihr sogar ein wenig Angst. Nach Peters Tod hatten mehrere Männer versucht, sich ihr zu nähern. Zu keinem hatte sie sich nur im Geringsten hingezogen gefühlt. Hunt hingegen übte eine geradezu unbegreifliche Anziehungskraft auf sie aus. Schon jetzt fand sie ihn mehr als sympathisch. Er war ein Ehrenmann, ein Gentleman im wahrsten Sinne des Wortes. Er benahm sich ihr gegenüber nicht herablassend. Er war nett zu den Kindern. Und wenn er lächelte … Ach, wenn er lächelte, war es, als ginge die Sonne auf. Ja, er würde sie glücklich machen können.

Er hatte sie gebeten, seine Freundin zu sein. Aber mit ein wenig Ermutigung würde sie womöglich viel tiefere Gefühle für ihn entwickeln. War das wirklich klug? Sie wusste es nicht. Denn er hatte ihr – wenn es denn überhaupt dazu kam – eine Vernunftehe angeboten. Würde sie, selbst wenn es zugunsten ihrer Kinder war, in einer Ehe leben können, in der die Gefühle womöglich vollkommen ungleichmäßig verteilt waren?

4. KAPITEL

In der folgenden Woche achtete Emma sehr darauf, dass die Kinder in Hunt nichts anderes sahen als einen Freund.

Er besuchte sie insgesamt drei Mal. Zwei Mal veranstalteten sie ein Picknick im Haus. Beim dritten Besuch war das Wetter besser, sodass sie einen Spaziergang mit Fergus machen konnten.

Inzwischen war Emma sich sicher, dass sie Hunt heiraten würde, wenn er ihr tatsächlich einen Antrag machte. Wie hätte sie sich gegen einen Mann entscheiden können, der Georgie Märchen vorlas und mit Harry Schach spielte?

Er hatte jedoch nicht mehr über seine Heiratsabsichten gesprochen. Da er seine Besuche aber nicht eingestellt hatte, nahm Emma an, dass er nach wie vor an seinem Plan festhielt. Was sie ein wenig verunsicherte – und auch enttäuschte –, war die zurückhaltende Art, mit der er sich von ihr verabschiedete. Von der Leidenschaft ihres ersten Kusses war nichts mehr zu spüren. Es fühlte sich eher so an, als würde er seiner Schwester oder Cousine ein Abschiedsküsschen geben. Natürlich wäre es Emma nicht recht gewesen, wenn er sie bedrängt hätte. Trotzdem wanderten ihre Gedanken immer wieder voller Sehnsucht zu jenem ersten Kuss zurück.

Vielleicht fand Hunt, dass sie zu leidenschaftlich reagiert hatte? Vielleicht wünschte er sich eine Gattin, die sich immer und überall an die Regeln der Schicklichkeit hielt. Obwohl er ihr eine Vernunftehe vorgeschlagen hatte, hoffte sie, dass sie die Freuden des Ehebetts rückhaltlos mit ihm auskosten dürfte.

Andererseits – Emma runzelte die Stirn – hatte sie hin und wieder das Gefühl, Peter zu betrügen, wenn sie gewissen Freuden entgegenfieberte, die eine neue Ehe ihr bescheren würde.

Ihre Zuneigung zu Hunt war mit jedem seiner Besuche größer geworden. Nun, da sie im Wohnzimmer saß und Näharbeiten erledigte, überlegte sie, ob er wohl am Nachmittag das Thema Heirat ansprechen würde. Zwei Tage zuvor hatte er sich von ihr mit den Worten verabschiedet: „Übermorgen sollten wir miteinander reden.“ Natürlich hatten sie bei jedem ihrer Treffen miteinander geredet, doch keiner von beide hatte je ein Wort über eine mögliche Hochzeit verloren.

Ob er sich wünscht, dass wir Freunde bleiben und das Bett nur teilen, weil er einen Erben braucht? Sie sehnte sich nach mehr, viel mehr, aber sie wäre auch mit einer solchen Regelung einverstanden gewesen.

Als es an der Haustür klopfte, machte Emmas Herz einen Sprung. Es war noch früh am Nachmittag. Anscheinend brannte Hunt ebenso wie sie darauf, die Angelegenheit zu klären.

„Soll ich aufmachen, Mylady?“ Bessie streckte ihren Kopf zur Tür herein.

„Ich gehe selbst“, entschied Emma und legte ihr Nähzeug beiseite. „Wahrscheinlich ist es Lord Huntercombe.“

Die Kinder kamen die Treppe heruntergerannt. „Ich wette, er hat Fergus mitgebracht“, hörte Emma ihre Tochter sagen.

„Ihr könnt mit mir zur Tür kommen und nachschauen“, schlug Emma vor.

„Es regnet nicht heute“, stellte Harry fest. „Da können wir einen Ausflug in den Park machen.“

Emma schmunzelte. Die Kinder würden Hunt als Stiefvater akzeptieren, obwohl Fergus zweifellos seinen Teil dazu beigetragen hatte.

Mit einem freundlichen Lächeln öffnete sie die Tür – und sah sich einem livrierten Lakaien gegenüber.

Der Mann schaute sie voller Herablassung an. „Ich suche das Haus von Lady Emma Lacy.“

Oh Gott, ich kenne diese Livree! Unwillkürlich straffte Emma die Schultern. „Sie haben es gefunden.“

Das Gesicht des Dieners spiegelte ungläubiges Erstaunen wider. „Dann teilen Sie Ihrer Ladyschaft mit, dass sie Besuch bekommt.“

Zorn wallte in Emma auf. Der Lakai konnte nicht älter als 20 Jahre sein und wagte es, sie so zu behandeln! „Sprechen Sie immer in diesem Ton mit Menschen, die älter und erfahrener sind als Sie?“, fragte sie kühl.

Er starrte sie an.

„Machen Sie den Mund zu, und stehen Sie gerade!“, befahl Emma. „Dann können Sie mir mitteilen, wer mich besuchen will.“

„Roger“, rief jemand aus der Kutsche, die draußen stand, „kennen die Leute die richtige Adresse?“

Diese Stimme, in der stets Unzufriedenheit mitschwang, hätte Emma immer und überall erkannt. Sie schob den fassungslosen Roger beiseite und trat auf die Straße. „Guten Tag, Mutter. Was führt dich her?“

Autor

Elizabeth Rolls
<p>Elizabeth Rolls, Tochter eines Diplomaten, wurde zwar in England geboren, kam aber schon im zarten Alter von 15 Monaten in die australische Heimat ihrer Eltern. In ihrer Jugend, die sie überwiegend in Melbourne verbrachte, interessierte sie sich in erster Linie für Tiere – Hunde, Katzen und Pferde – las viel...
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Laura Martin
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