Historical Saison Band 72

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SÜNDIGE NACHT MIT DER KURTISANE von DIANE GASTON

Unvergesslich ist die sündige Liebesnacht, die Oliver, unehelicher Sohn eines Marquess, in Paris mit der schönen Cecilia verbracht hat. Wie groß ist seine Überraschung, als er sie plötzlich in seinem eleganten Gentlemen’s Club in London wiedersieht! Mit einem süßen Geheimnis, das sie nicht länger verleugnen kann …

DER UNVERGESSLICHE VISCOUNT BROMLEY von SOPHIA JAMES

Über sechs Jahre war Nicholas, Viscount Bromley, verschwunden. Keine Nacht ist vergangen, in der Lady Eleanor nicht sehnsüchtig an ihn gedacht, sich um ihn gesorgt hat! Jetzt ist er wieder in London, und Eleanor will Antworten. Warum schaut er sie an, als hätte es niemals die brennende Leidenschaft zwischen ihnen gegeben?


  • Erscheinungstag 21.04.2020
  • Bandnummer 72
  • ISBN / Artikelnummer 9783733749644
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Diane Gaston, Sophia James

Historical Saison BAND 72

Prolog

Paris, 1816

Er ist tot?“

Cecilia Lockhart stand in der geöffneten Tür des schäbigen Pariser Zimmers, für das sie aus Sicht ihres Gatten hätte dankbar sein müssen. Durch die geschlossenen Korridortüren hörte sie lautes Babygeschrei, eine Frau und ein Mann stritten, und eine alte Frau jammerte kläglich. Der Geruch von gekochtem Fleisch, von Urin und Schweiß drang ihr in die Nase.

Ein Offizier des 52. Infanterieregiments stand steif auf dem Gang, unfähig oder nicht willens, ihr in die Augen zu sehen.

„Er wurde von einem Franzosen getötet“, sagte er. „Bei einem Duell.“ Sein Tonfall war missbilligend. Das Duellieren war den Männern des Regiments verboten. „Offenbar hatte er viel getrunken.“

Natürlich war er betrunken gewesen. Wann kam es schon vor, dass Duncan einmal nicht zu viel trank?

„Was war passiert?“, fragte sie. „Hat er beim Kartenspiel betrogen oder die französische Armee verunglimpft?“ Weshalb machte sie sich überhaupt die Mühe, danach zu fragen? Cecilia war der Grund egal.

Der Offizier starrte an ihr vorbei. „Der Franzose hat seine Ehefrau mit Hauptmann Lockhart im Bett erwischt.“

Oh.

Warum sie das nicht schmerzlich traf, hätte sie nur schwer in Worte fassen können. Es war eben nur eine weitere Demütigung von so vielen.

Beinahe hätte sie gelacht, doch das hätte der strenge Offizier gewiss nicht verstanden.

„Was geschieht als Nächstes?“, fragte sie.

„Wir werden ihn begraben“, antwortete der Offizier. „Sie können nach Hause zurückkehren. Haben Sie genug Geld, um die Heimreise zu bezahlen?“ Seiner Frage war keinerlei Mitgefühl zu entnehmen. Wahrscheinlich befürchtete er, ihretwegen unter den Offizieren Geld sammeln zu müssen.

„Ich brauche nichts.“ Von diesen Männern ohnehin nicht. „Tun Sie, was Sie für nötig halten, und danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben.“

Er nickte und wandte sich ab. Sie schloss die Tür und lehnte die Stirn von innen dagegen. Das Baby von nebenan schrie, und die alte Frau jammerte. Das streitende Paar verfluchte sich gegenseitig. Die Schritte des Offiziers verhallten auf den Holzstufen.

Für Cecilia war es, als ob die Sonne durch eine finstere Wolkendecke bräche.

Sie war frei. Ihr Ehemann war weg und würde niemals zurückkehren.

Nie wieder würde er sie schlagen oder sie gegen die Wand schleudern. Keine blauen Flecken mehr, die ich verbergen muss. Keine Schmerzen mehr.

Sie hatte nur wenig Geld und keine Freunde – dafür hatte Duncan gesorgt. Es gab niemanden in England, der sie willkommen heißen würde. Vielleicht würde sie ein wenig später große Angst bekommen, wenn sie sich vor Augen führte, dass sie allein in diesem fremden Land war unter Menschen, die sie noch vor wenigen Monaten als Feindin betrachtet hatten. Aber im Moment fühlte sie sich leicht wie die Luft.

Frei.

1. KAPITEL

Paris, August 1818

Oliver Gregory schlenderte an der Seine entlang, während die beginnende Morgendämmerung violette Strudel auf das Wasser malte. Die Gebäude von Paris, zu dieser Stunde in ein weiches rosa Licht getaucht, wirkten noch bezaubernder als in der strahlenden Mittagssonne. London im Morgengrauen glich dagegen einem düsteren Labyrinth.

Und Kalkutta … Kalkutta, die Stadt, in der Oliver geboren war, entzog sich jeder Beschreibung, bis auf die Worte, die er in seiner Erinnerung bewahrte – Worte auf Hindi.

Oliver bemühte sich darum, diese dampfenden, duftenden, exotischen Tage seiner Kindheit nicht zu vergessen und sich an die lächelnde Frau zu erinnern, die in bunte Seide gehüllt war, ihn in den Armen hielt und ihn ihren süßen Jungen nannte.

In der Stille der Morgendämmerung konnte er sich all das wieder vor Augen führen. Er hatte Angst, sich irgendwann nicht mehr daran erinnern zu können, sondern nur noch an die tiefe Traurigkeit, die diesem Glück gefolgt war. In letzter Zeit half ihm auch sein dekadenter Lebensstil nicht mehr dabei, die Schwermut zu vertreiben.

Er hatte sein ganzes Leben darauf ausgerichtet, sich von dem schweren Verlust abzulenken. Was für eine Umgebung eignete sich besser, als ein Club für Gentlemen, der dem Vergnügen gewidmet war? Oliver war einer der Besitzer des Vitium et Virtus – Laster und Tugend – eines exklusiven Clubs für Aristokraten, den seine drei Freunde und er schon gegründet hatten, als sie noch Studenten in Oxford gewesen waren. Das Vitium et Virtus war auf lasterhafte Freuden spezialisiert, ganz gleich, ob es um verführerische Frauen, den besten Brandy oder die höchsten Einsätze beim Kartenspiel ging.

Wenn er daran dachte, dass er gerade aus einem Pariser Club kam, der das Vitium et Virtus harmlos erscheinen ließ! Der französische Club bot sexuelle Befriedigung durch Schmerz, ob nun selbst zugefügt oder durch andere. Im Vitium et Virtus gab es ein paar fantasievolle Darbietungen, in denen eine hübsche dunkelhaarige Tänzerin die Domina spielte. Aber dieser Pariser Club ging weit darüber hinaus – so weit, dass Oliver beinahe eingegriffen hätte, um dem Treiben Einhalt zu gebieten. Er wusste, dass einige Menschen aus Schmerz Lustgewinn zogen, aber diese Pariser flirteten geradezu mit dem Tod. Solche Ideen wollte er wahrlich nicht mit nach London nehmen.

Das Bild eines fast nackten Mannes, der eine Schlange schluckte, kam ihm in den Sinn, und dann eines anderen Mannes, der über glühende Kohlen lief.

Das waren wieder Erinnerungen aus Indien.

Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken und zurück in die Gegenwart des heraufdämmernden Morgens. Eine Schar von Straßenkindern belästigte eine Frau. Sie zogen an deren Kleidung, und ihre lauten Forderungen schrillten durch die frühe Morgenluft. In Kalkutta hatte er gesehen, wie sich Straßenkinder auf einen Mann gestürzt, ihn ausgeraubt und ihm sogar die Kleider vom Leib gefetzt hatten. Auch in den finsteren Gegenden von London war man ähnlichen Gefahren ausgesetzt.

Oliver eilte der Frau zu Hilfe. „Arrêtez! Arrêtez! Hört sofort auf!“

Die Frau hob die Arme! „Nein! Nein!“

Die Kinder flohen in alle Himmelsrichtungen.

Als Oliver die Frau erreicht hatte, stemmte sie die Hände in die Hüften. „Warum haben Sie die armen Kinder verscheucht?“

„Sie sind Engländerin?“ Er war überrascht.

Sie wies mit einer Hand in die Richtung, in der die meisten Kinder verschwunden waren. „Jetzt sind sie alle fortgelaufen.“

„Diese Straßenkinder haben Sie angegriffen.“ Zumindest war er davon ausgegangen.

Sie sah ihn verärgert an. „Sie haben mich nicht angegriffen. Ich gab ihnen Geld, damit sie sich etwas zu essen kaufen können!“

„Sie haben Geld an sie verteilt?“ Er drehte sich kurz um und blickte sie dann wieder an. „Ist das klug?“

Ihre Augen blitzten angriffslustig. „Klüger als einfach zuzusehen, wie sie verhungern oder gezwungen sind zu stehlen.“

Dem ließ sich nicht widersprechen. „Entschuldigen Sie. Ich dachte … Können Sie die Kinder nicht wieder zurückrufen?“

„Nein, jetzt sind sie viel zu verängstigt. Sie werden sich heute nicht mehr hier blicken lassen.“

Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid.“

Sie runzelte die Stirn. „Aber wahrscheinlich schon bald. Morgen bin ich wieder hier.“

Sie wandte sich zum Gehen.

„Warten Sie.“ Er holte sie ein. „Was macht eine junge Engländerin im Morgengrauen am Ufer der Seine?“

Jetzt funkelten ihre dunklen Augen spöttisch. „Wieso? Ich habe Münzen an die Straßenkinder verteilt, bevor Sie kamen und sie fortgejagt haben.“

Die Frau war bezaubernd. Dunkle Wimpern umrahmten ihre wundervollen Augen, und ihre feinen Brauen waren elegant gebogen. Eine hübsche Nase und sinnliche Lippen zierten ihr ovales Gesicht. Der Hut bedeckte ihr hochgestecktes Haar, aber mit zunehmender Helligkeit sah Oliver, dass es kräftig und braun war.

„Was macht denn ein Engländer im Morgengrauen am Ufer der Seine?“, fragte sie in neckendem Tonfall.

Oliver lächelte. „Ich versuche, junge Damen zu retten, die in Bedrängnis sind.“

Sie lachte. „Dann sollten Sie weiter danach Ausschau halten.“

„Ich wäre Ihnen aber gern zu Diensten.“ Oliver verbeugte sich.

Sie ging weiter, und er wich nicht von ihrer Seite.

Schließlich ergriff sie erneut das Wort. „Genießen Sie die Freuden des Pariser Lebens, jetzt, da der Krieg beendet ist?“

„Eigentlich bin ich geschäftlich hier.“ Das entsprach der Wahrheit, auch wenn es bei seinem Geschäft um Vergnügen ging. „Und Sie?“

„Moi?“ Sie klimperte mit den Wimpern. „Ich lebe hier.“

Normalerweise war er ziemlich scharfsinnig, wenn es darum ging, den Charakter einer Person einzuschätzen. Das war eine Fähigkeit, in der er es zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hatte, damit er sofort wusste, ob das Gegenüber ihn als gleichwertig betrachtete oder ihm mit Geringschätzung begegnete. Sie schien ihm sehr darauf bedacht zu sein, nichts von sich preiszugeben.

Er musterte sie prüfend. „Ich vermute, dass eine interessante Geschichte dahintersteckt, wenn eine englische Lady in Paris lebt.“

Sie blickte ihn argwöhnisch an. „Warum gehen Sie davon aus, dass ich eine Lady bin?“

Er lächelte freundlich. „Das ist nicht schwer zu erraten. Ihre Körperhaltung und Ihre Sprechweise verraten es.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Nun, ich werde Ihnen jedenfalls gar nichts erzählen.“

Und er würde sie nicht dazu drängen. Er verstand, dass sie nicht mit einem Fremden über ihr Privatleben reden wollte, aber er mochte sich auch nicht von ihr verabschieden. Das Wasser sah jetzt blau aus. Er nahm an, dass sie die Uferpromenade bald verlassen würde, um in einer der Seitenstraßen zu verschwinden.

„Ich habe einen Vorschlag“, sagte er kurz entschlossen. „Möchten Sie vielleicht mit mir frühstücken?“

Sie lachte ungläubig. „Weshalb sollte ich mit Ihnen frühstücken? Ich kenne Sie doch gar nicht.“

„Dann erlauben Sie mir, mich vorzustellen. Ich bin Oliver Gregory, mein Vater ist der Marquess of Amberford.“ Weitere Erklärungen gab er nie ab. Menschen, die seinen Vater nicht kannten, nahmen gewöhnlich an, dass er ein jüngerer Sohn war. „Jetzt wissen Sie, wer ich bin.“

Erneut lachte sie, aber diesmal klang das Lachen herzlicher. „Ich kenne jetzt Ihren Namen, oder zumindest den, den Sie mir genannt haben.“

„Ich versichere Ihnen, dass es sich um meinen richtigen Namen handelt.“

Sie hob die Brauen und nickte übertrieben skeptisch.

Er hielt die Handflächen nach oben. „Ich sage Ihnen die Wahrheit.“

Sie legte den Kopf zur Seite. „Es spielt keine Rolle.“

„Dann frühstücken Sie also mit mir?“, fragte er erneut. „Ich verspreche Ihnen, dass ich unterhaltsam bin. Wir könnten uns irgendwo draußen vor ein Café setzen.“

Sie starrte ihn einen Moment lang an, als ob sie nicht recht wüsste, was sie entgegnen sollte. „Vor ein Café?“

„Wo auch immer Sie frühstücken möchten. Sie haben die freie Wahl.“

„Nun gut“, sagte sie zögerlich. „Aber Sie müssen mir auch ein paar Münzen für die Kinder geben. Morgen werden sie noch hungriger sein als sonst.“

Er griff in eine der Taschen seines Gehrocks und holte einen ledernen Geldbeutel hervor. Nachdem er die Schnüre gelöst hatte, schüttete er sich Münzen in die Hand und reichte sie ihr. „Hier.“

Sie nahm das Geld und ließ es in ihr Retikül gleiten. „Ich kenne einen Ort, wo wir gut frühstücken können.“

Sie gingen an der Fontaine du Palmier vorbei, dem Denkmal für Napoleons Sieg im Ägyptenfeldzug, über den Place du Châtelet zu einem kleinen Café, das gerade die Türen öffnete. Inzwischen war die Sonne ganz durchgebrochen, es wurde wärmer und am blauen Himmel zeigten sich nur ein paar Schäfchenwolken. Es versprach ein wunderschöner Tag zu werden.

„Das Gebäck ist hier hervorragend“, sagte sie.

„Gebäck.“ Er verdrehte die Augen. „Überall in Paris bietet man mir süßes Gebäck an, und dabei habe ich eine Vorliebe für Herzhaftes.“

„Dann ist für Sie vermutlich der Käseteller mit frischem Brot das Richtige, oder?“

„Ah, oui. C’est bon.“ Er lächelte. „Und dazu würde ich gern einen Kaffee trinken.“

Der Kellner kam zu ihnen und begrüßte sie freundlich. Noch im Stehen bestellte sie Brot, Käse und Kaffee für Oliver und Gebäck und eine heiße Schokolade für sich.

Er beobachtete, wie sie es sich auf dem Stuhl bequem machte. Sie zog die Handschuhe aus und lockerte ihr farbenfrohes Kaschmirtuch, das ihn an Indien erinnerte. Sie trug ein elegantes dunkelblaues Kleid und sah aus, als ob sie gerade einen Nachmittagsspaziergang durch den Hyde Park unternommen hätte. War sie nur wegen der Kinder im Morgengrauen an das Ufer der Seine gekommen?

„Verraten Sie mir, was Sie nach Paris geführt hat?“, fragte sie mit sichtlichem Interesse.

Er wollte ihr nicht erzählen, weshalb er hier war. Vielleicht würde sie es missbilligen. Er war hier, um sich die dekadenten Unterhaltungsprogramme der Pariser Clubs anzusehen und auszuloten, welche Ideen sich für das Vitium et Virtus eigneten. Der Aufenthalt war nicht so erfolgreich verlaufen wie der vorangegangene, bei dem er eine vollbusige französische Sängerin mit tizianrotem Haar entdeckt hatte, die freudig eingewilligt hatte, für den Londoner Club zu arbeiten. Normalerweise war es ihm gleichgültig, ob eine Frau an seiner Unternehmung Anstoß nahm. Für die Damen, die ihm mit Verachtung begegneten, war der Club das geringste Problem.

„Ich lote Möglichkeiten aus“, antwortete er vage.

Ihre bezaubernden Augen funkelten. „Möglichkeiten? Um was für Möglichkeiten handelt es sich?“

Diese Augen verwirrten ihn. Im Sonnenlicht hatten sie die Farbe von feinstem Brandy. Ein Mann konnte sich in diesen Augen verlieren.

Er blickte zur Seite. „Das ist uninteressant. Es ist nichts dabei herausgekommen.“

Der Kellner stellte eine Tasse mit heißer Schokolade vor ihr und eine Tasse Kaffee, ein Kännchen Sahne und eine Zuckerdose vor Oliver ab.

Als der Kellner sich wieder entfernte, goss sich Oliver etwas Sahne in den Kaffee. Er nippte an dem Heißgetränk und nickte ihr zu. „Der ist hervorragend.“

Sie sah ihn mit ihren hinreißenden Augen an und stimmte zu. „Ja, hier ist er immer gut.“ Sie trank von ihrer Schokolade.

Die Kaffeetasse am Griff hochhaltend blickte er ihr ins Gesicht. „Das Thema Geschäfte erweist sich immer als langweilig. Möchten Sie mich vielleicht etwas anderes fragen?“

Sie sah ihn überrascht an und musterte ihn dann herausfordernd. „Sie meinen, ich soll Sie fragen, wieso Sie nicht wie ein Engländer aussehen?“

Er war sich nicht sicher, ob sie ihm damit die Frage stellte oder nicht.

Wem versuchte er etwas vorzumachen? Frauen wollten immer wissen, weshalb er so dunkle Haut und so schwarzes Haar hatte. Sie hatte nur eine direktere Art als andere.

„Ich verstehe. Sie fragen sich, warum der Sohn eines Marquess so aussieht, als ob er an fernen Ufern gezeugt worden wäre.“

„Habe ich danach gefragt?“ Sie hob die Brauen. „Oder ist es das, was Sie mir gern erzählen möchten?“

Er runzelte verunsichert die Stirn. „Mein Vater ist ein englischer Marquess, aber meine Mutter stammte aus Indien.“

Er wartete ab. Viele Frauen fanden sein Aussehen exotisch und attraktiv, aber es ging ihnen auch nur darum, mit ihm die Nacht zu verbringen.

Die Damen der feinen Gesellschaft hielten ihre Töchter im heiratsfähigen Alter von ihm fern, auch wenn sie selbst nichts dagegen hatten, mit ihm das Bett zu teilen.

Sie trank einen weiteren Schluck von ihrer heißen Schokolade. „Das erklärt Ihr Äußeres. Sind Sie in Indien zur Welt gekommen?“

„Ja. Ich ging von dort fort, als ich zehn Jahre alt war.“ Er würde ihr nicht alles über seine Geburt und die ersten Jahre seines Lebens erzählen. Im Grunde sprach er nie darüber. Nur seine besten Freunde, mit denen er das Vitium et Virtus betrieb, kannten fast die ganze Geschichte.

„Dann können Sie sich gewiss daran erinnern.“ Jetzt wirkte sie wirklich neugierig.

„Ja, natürlich.“ Er hatte noch eben daran gedacht, bevor er ihr begegnet war.

„Erzählen Sie mir davon.“ Sie leckte sich die Schokolade von den sinnlichen Lippen, sodass es ihm schwerfiel, an Indien zu denken.

„Ich erinnere mich vor allem an die Geräusche und Gerüche und an die strahlenden Farben“, begann er.

Er erzählte ihr von der Musik, dem Gesang, den Tänzen und von den bunten Götterstatuen. Er berichtete ihr von Männern, die auf Nagelbrettern schliefen oder über glühende Kohlen liefen. Er schwärmte von duftenden Gärten und kühlen Häusern, deren Böden mit Kissen bedeckt waren.

Er erzählte ihr nicht von seiner Mutter oder davon, dass sein Vater seine Zeit abwechselnd in seinem indischen Haus und seinem englischen am anderen Ende des Gartens verbracht hatte.

„Ich kann es mir gar nicht richtig vorstellen“, sagte sie begeistert. „Ich wünschte, ich könnte einen solchen Ort eines Tages mit eigenen Augen sehen.“

Er verspürte einen vertrauten Schmerz. Vermutlich würde er niemals dorthin zurückkehren.

Er lächelte gequält. „Reicht Ihnen Paris nicht?“

Mit einem Mal wirkte sie traurig, doch dann hatte sie sich wieder gefasst. „Paris ist eine recht angenehme Stadt.“

Der Kellner brachte ihr ein verführerisch duftendes Blätterteigteilchen, das mit Sahne gefüllt war, und ihm eine Auswahl von Käsesorten und einen Brotlaib, der noch ofenwarm war.

Sie naschte von dem Gebäck. „Es gibt viel Schönes in Paris. Ich habe erfahren, dass zahlreiche Gebäude und Skulpturen beinahe der Revolution zum Opfer gefallen wären. Wir können Napoleon dankbar sein, dass er diese Schätze bewahrt hat.“

„Wenn es sein muss“, entgegnete er mit schiefem Lächeln. „Offen gestanden habe ich bisher nicht viel von der Stadt gesehen.“ Normalerweise besuchte er in Paris nur Orte, an denen mehr Wert auf Vergnügen als auf Architektur und Kunst gelegt wurde. „Und jetzt bleibt mir nur noch der heutige Tag.“

Sie legte das Teilchen auf den Teller zurück. „Sie sind nur noch heute hier?“

„Ja, ich reise morgen ab.“ Diese Aussage schien bei ihr keine Enttäuschung hervorzurufen. „Verraten Sie mir, welche Sehenswürdigkeiten ich mir ansehen sollte, bevor ich aufbreche.“

Nun schien sie wieder Feuer und Flamme zu sein. „Notre Dame, auf jeden Fall. Es ist die schönste Kirche, die man im Leben sehen kann. Und dann natürlich der Louvre. Das wunderbare Gebäude ist mit Kunstwerken gefüllt, die vor der Revolution die Häuser der Aristokraten zierten. Und dann denke ich, dass es sich lohnt, das Palais Royal zu besuchen. Jetzt ist es voller Läden und Restaurants.“

Begeistert beschrieb sie die Sehenswürdigkeiten im Einzelnen, während sie ihr Frühstück verzehrten. Er bezahlte und blieb unschlüssig sitzen. Am liebsten hätte er den ganzen Tag in ihrer Gegenwart verbracht, auch wenn sie ihm fast nichts über sich verraten hatte. Sie schlang sich das Tuch wieder fester um die Schultern, obgleich es eigentlich warm genug war.

„Vielen Dank für das Frühstück“, sagte sie. „Ich habe es sehr genossen.“

„Ich ebenfalls“, entgegnete er.

„Jetzt sollte ich Ihnen wohl besser Adieu sagen.“ Bei diesen Worten machte sie allerdings keinen glücklichen Eindruck.

Sie standen vom Tisch auf, blieben aber noch nebeneinander auf dem Gehsteig stehen. Während sie gefrühstückt hatten, war die Stadt zum Leben erwacht. Kutschen und Fuhrwerke füllten jetzt die Straßen, und auch auf dem Trottoir herrschte reges Treiben.

Er ergriff ihre Hände. „Sagen Sie noch nicht Adieu. Bleiben Sie noch eine Weile bei mir. Zeigen Sie mir die Sehenswürdigkeiten, die Sie mir so wundervoll beschrieben haben.“

Cecilia blickte ihm ins Gesicht. Es war ein bemerkenswertes Gesicht. Schöner konnte sich eine Frau einen Mann nicht erträumen. Dennoch hatte sie sich nicht davon verzaubern lassen. Duncan war auch attraktiv gewesen. Nach der Erfahrung mit Duncan ließ sie sich nicht mehr von einem hübschen Gesicht verführen.

Inzwischen wusste sie, weshalb er einen dunkleren Teint hatte als andere Engländer. Sein Haar war schwarz wie die Nacht. Er trug es etwas länger, als es allgemein Mode war. Seine Augen hatten etwas Überraschendes. Sie waren von einem leuchtenden Grün mit braunen Einsprengseln. Wenn er sie ansah, hatte sie das Gefühl, er könnte in sie hineinblicken und ihre Gedanken lesen.

Vielleicht hatte er ihr deshalb keine persönlichen Fragen gestellt und stattdessen von sich erzählt. Welcher Mann schilderte einer Frau, was für ein Leben er vor dem zehnten Geburtstag geführt hatte? Duncan wäre das sicherlich nicht in den Sinn gekommen.

Was konnte es schon schaden, den Tag mit dem freundlichen Fremden zu verbringen? Für heute standen für sie keine Verpflichtungen auf dem Programm, und morgen würde er abreisen. Sie mochte sein exotisches Aussehen und das vertraute Englisch der Oberschicht, das sie an zu Hause erinnerte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich ungezwungen.

Und dann hatte er diese atemberaubenden Augen.

„Ich zeige Ihnen Paris“, willigte sie ein.

Als sie sein Lächeln sah, bekam sie weiche Knie.

„Wir sollten mit Notre Dame beginnen“, schlug sie rasch vor, damit er nicht bemerkte, wie anziehend sie ihn fand. Die berühmte Kathedrale befand sich ganz in der Nähe, und die beiden Türme waren von dort, wo sie standen, gut sichtbar.

„Bevor wir hineingehen, sollten wir die Kathedrale einmal von außen umrunden“, sagte sie. „Von jeder Seite sieht sie anders aus. Man kann sich kaum vorstellen, dass alles zu einem Bauwerk gehört.“

Zunächst blieben sie vor der Westfassade stehen, sahen zu den spiegelgleichen Türmen auf und betrachteten dann die steinernen Reliefs des Hauptportals.

In aller Ruhe spazierten sie an der Nordseite entlang. „Sehen Sie das Rosettenfenster? Ich bin immer wieder beeindruckt, wie riesig es ist. Wenn wir es nachher von innen sehen, werden Sie staunen.“ Sie gingen weiter. „Der Bau ist – wie alle Kathedralen ganz klassisch – in der Form eines Kreuzes angelegt.“

Er schenkte ihr ein Lächeln. „Sie kennen sich gut aus.“

„Vermutlich schon.“ Mit einem Mal fühlte sie sich selbstsicher.

Die Kathedrale von Notre Dame war zu einem ihrer Lieblingsorte geworden. Manchmal verbrachte sie Stunden darin und betrachtete die Details, insbesondere wenn sie sich nach Ruhe sehnte. Bei der Umrundung näherten sie sich wieder der Seine, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem er die Straßenkinder fortgejagt hatte. Jetzt erinnerte nichts mehr an die morgendliche Stille. Lastkähne und Boote transportierten Waren und Passagiere den Fluss auf und ab.

„Filigrane gotische Strebebögen und Strebepfeiler“, bemerkte er und wies mit dem Zeigefinger auf das Bauwerk. „Wie Sie sehen, sind Sie nicht die Einzige, die Ahnung von Architektur hat.“ Er lächelte freundlich.

Humor. Das war ihr ebenso willkommen wie die klare Sommerluft. Unbeschwerte Heiterkeit begegnete ihr sonst fast nie. Sie konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern.

Nachdem sie die Kathedrale einmal umrundet hatten, betraten sie schließlich das Innere. Gerade als sie hineingingen, schlugen die Glocken zur vollen Stunde, und der laute Klang hallte zwischen den steinernen Wänden wider.

Cecilia liebte das Innere von Notre Dame – liebte das farbige Licht, das durch die eindrucksvollen Rosettenfenster schien. Oliver Gregory interessierte sich für alles, was sie ihm zeigte. Täuschte er das Interesse bloß vor? Wenn dem so war, war er ein guter Schauspieler.

Immer mehr Menschen nahmen in den Bankreihen Platz, und schon bald erschien ein Priester mit einer Schar von Ministranten vor dem großen Altar. Gleich würde der Gottesdienst beginnen.

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir bleiben?“, fragte sie. Sie kannte viele Engländer, die eine katholische Messe mit Abscheu erfüllte.

„Nein, wir können gerne bleiben“, antwortete er.

Sie setzten sich in eine der hinteren Bankreihen.

Cecilia mochte die feierliche Zeremonie. Den lateinischen Worten zu lauschen und die Rituale zu beobachten, beruhigte sie. Dann konnte sie für eine Weile vergessen, auf welch abwegige Weise sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente und wie einsam sie sich fühlte.

Als die Messe vorbei war, umschloss er ihre Hände. „Ich bin froh, dass wir geblieben sind.“

Seite an Seite verließen sie die Kirche durch das Hauptportal. „Ich heiße Cecilia“, sagte sie zu ihm.

Schließlich konnte es nichts schaden, wenn sie ihm ihren Vornamen verriet.

Seit dem Tag, an dem der Offizier ihr die Nachricht von Duncans Tod überbracht hatte, hatte sie fast niemandem in Paris ihren echten Namen anvertrauen wollen. Aber bei diesem exotisch wirkenden Engländer verhielt es sich anders. Wenigstens einen einzigen Tag lang wollte sie sie selbst sein, oder genau genommen die Frau, die sie vielleicht hätte werden können, wenn sie niemals in Duncans Bann geraten wäre.

Er schien es nicht ungewöhnlich zu finden, dass sie ihm plötzlich ihren Vornamen nannte.

„Wenn ich Sie Cecilia nennen darf, müssen Sie mich mit Oliver anreden“, stellte er sachlich fest.

„Oliver“, flüsterte sie.

„Cecilia.“ Er lächelte.

Es war ganz und gar nicht üblich, dass sich ein Gentleman und eine Lady bei ihren Vornamen ansprachen, außer wenn sie sich von klein auf kannten oder in direkter Nachbarschaft aufgewachsen waren. Sie war ihm heute zum ersten Mal begegnet, dennoch fühlte es sich ganz natürlich für sie an, ihn beim Vornamen zu nennen.

„Als Nächstes sollten wir den Louvre besuchen, Oliver“, schlug sie vor.

Der Louvre war einer der anderen Orte in Paris, die Cecilia aufsuchte, wenn sie sich daran erinnern wollte, dass es unglaubliche Schönheit auf Erden gab. Sie liebte die Malerei der Renaissance, insbesondere das Porträt der Mona Lisa. In ihrem männlichen Bekanntenkreis gab es niemanden, der durch das Museum ging, ohne sich seine Langeweile anmerken zu lassen.

War dieser Mann – Oliver – wirklich so, wie er zu sein schien? Oder verbarg er seine wahre Natur, um sie zu beeindrucken? Tagtäglich gab sie vor, eine andere zu sein, als sie in Wirklichkeit war. Aber heute wollte sie ihr wahres Selbst nicht verstecken, selbst wenn er ihr nur etwas vorspielte.

Als sie die wundervolle Sammlung verließen, waren erneut die Glocken von Notre Dame zu vernehmen. Es war bereits vier Uhr nachmittags.

„Es gibt eine Reihe guter Restaurants in der Nähe vom Palais Royal, wenn Sie hungrig sind, Oliver“, sagte sie zu ihrem Begleiter. Sie war es gewohnt, lange ohne jede Nahrung auszukommen.

Als sie Duncans Regiment in den Krieg gefolgt war, hatte man ihr eine halbe Essensration zugeteilt. Doch wenn Duncan die Gelegenheit dazu gehabt hatte, hatte er ihr Essen ebenso verschlungen wie die eigene Ration. Rasch hatte sie gelernt, sich nicht darüber zu beklagen.

„Möchten Sie etwas essen?“, erkundigte er sich.

Den ganzen Tag über hatte er sich immer erst nach ihren Wünschen erkundigt, bevor er sich selbst geäußert hatte. War das seine Art der Verführung? Oder war ihm wirklich daran gelegen, ihr die Wünsche von den Augen abzulesen?

„Ich weiß, es ist nicht die übliche Zeit für ein Dinner, aber ich fühle mich ziemlich ausgehungert“, gab sie zu.

„Dann sollten wir unbedingt etwas essen.“ Er bot ihr den Arm und gemächlich spazierten sie auf das Palais Royal zu.

Nicht weit von hier verdiente sie ihr Geld.

Nein. Cecilia Lockhart, die an der Seite eines englischen Gentlemans auf die Galeries du Palais Royal zuschritt, verdiente kein Geld.

Das war die Arbeit von Madame Coquette.

2. KAPITEL

Das noble Restaurant, das Oliver aussuchte, war vor der Revolution von dem legendären Antoine Beauvilliers betrieben worden und strahlte noch immer einen besonderen Glanz aus. Die Tische waren mit blütenweißen Tischtüchern aus Linnen bezogen und mit glänzendem Silberbesteck und funkelnden Kristallgläsern eingedeckt. Oliver hatte schon einmal hier gespeist.

„Dieses Restaurant ist sehr teuer“, warnte Cecilia ihn, bevor sie an einen Tisch geführt wurden.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte er sie. „Ich kann es mir leisten.“

Er war es gewohnt, dass Gier in den Augen von Damen aufleuchtete, sobald ihnen bewusst wurde, dass er reich war. Cecilia hingegen nickte nur skeptisch.

Er lachte. „Sie können wirklich ganz beruhigt sein, Cecilia. Bitte bestellen Sie, was immer Sie möchten.“

Nachdem sie Platz genommen hatten, sagte er: „Dieses Motto Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hat schon etwas für sich, muss ich sagen. In Paris bin ich jedenfalls noch niemandem begegnet, der mich geringschätzig behandelt hat.“

Sie blickte ihn überrascht an. „Sind Sie denn sonst schon irgendwo auf Geringschätzung gestoßen?“

„Ja, in London passiert das oft. Mein fremdländisches Aussehen genügt. In England stoße ich bei den Mitgliedern der feinen Kreise und auch bei deren Personal des Öfteren auf Verachtung.“

„So ungewöhnlich sehen Sie nun auch wieder nicht aus“, sagte sie.

Er lachte. „Vielen Dank.“

Sie studierten die umfangreiche Speisekarte und entschieden sich schließlich für Zwiebelsuppe, eine Platte mit Austern und als Hauptgänge Entenbrüste in Rotweinsauce und Boeuf Bourguignon. Oliver schlug vor, auch noch Fisch und Poularde mit Trüffeln zu bestellen, aber Cecilia meinte, das sei nun definitiv des Guten zu viel. Oliver bestand darauf, zumindest noch eines der köstlichen Desserts auszuwählen.

Zu jedem Gang gab es einen passenden Wein.

„Dieses festliche Mahl erinnert mich an die Abendeinladungen zu Hause“, sagte sie, während sie den Löffel in die Suppe tauchte.

Dieser Satz erzählte mehr über sie, als alles, was sie bisher preisgegeben hatte. Da es sich um ein herrschaftliches Menü handelte, war anzunehmen, dass sie einer wohlhabenden aristokratischen Familie entstammte.

„Mit zu Hause meinen Sie England?“, wagte er nachzufragen.

Ihre Miene wurde ernst. Er nahm an, dass sie überlegte, wie viel sie ihm über sich anvertrauen sollte.

„Ja, in Surrey“, antwortete sie schließlich.

Er unterdrückte ein Lächeln. Sie tat, als ob sie ihm gegenüber gerade ihre Seele entblößt hätte.

„Dann waren wir praktisch Nachbarn“, entgegnete er. „Der Familiensitz meines Vaters liegt in Kent.“

Sie kosteten von den Austern und nippten an ihrem Chablis, bevor sie weiterredeten. „Ich bin in Surrey nicht mehr willkommen. Meine Familie hat mich verstoßen, als ich nach Gretna Green fortlief, um zu heiraten.“

Damit gab sie in der Tat ein großes Geheimnis preis, und es stimmte ihn traurig ihretwegen. Er wusste, wie es sich anfühlte, wenn man jemanden verlor.

Außerdem war er enttäuscht, dass sie verheiratet war.

Normalerweise interessierte sich Oliver nicht sonderlich für die Einzelheiten aus dem Leben einer Frau und schon gar nicht, ob sie verheiratet war oder nicht. Für ihn zählte nur das Hier und Jetzt – ob ihm das Äußere und das Temperament einer Frau gefielen und ob sie ihm sympathisch war. Doch bei dieser Frau war es anders. Cecilia faszinierte ihn und weckte seine Neugier. Vor allem hätte er gern gewusst, woher die Traurigkeit stammte, die er in ihren bezaubernden Augen sah. Lag es an dieser Flucht nach Gretna Green und daran, dass ihre Familie sie verstoßen hatte?

„Sie haben Sie also verstoßen“, stellte er so sachlich wie möglich fest.

„Meine Eltern erklärten meinen Ehemann für ungeeignet.“

Das kannte er gut. Die meisten adligen Eltern hielten Oliver für keinen geeigneten Schwiegersohn.

„Mein Mann war überzeugt, sie würden sich damit abfinden, sobald wir verheiratet wären. Er dachte, mein Vater würde nachgeben und ihm meine Mitgift aushändigen. Aber für meinen Vater kam das gar nicht infrage.“ Sie trank ihr Glas Wein aus. „Mein Mann besaß kein Geld und stammte nicht aus einer angesehenen Familie, aber in seiner Uniform hat er sehr schneidig ausgesehen.“ Ihre Stimme klang nun sarkastisch.

„Er war bei der Armee?“

Sie nickte. „Dadurch bin ich nach Paris gekommen. Sein Regiment wurde nach Brüssel befohlen, und ich habe ihn begleitet. Nach der Schlacht von Waterloo marschierte sein Regiment weiter nach Frankreich und schließlich bis in die französische Hauptstadt.“

Oliver hatte dem Wunsch seines Vaters Folge geleistet und kein Offizierspatent erworben. Noch immer bedauerte er diese Entscheidung. Er hätte an der Seite seines Freundes Frederick kämpfen sollen.

Sie nickte, als der Kellner ihr Wein nachschenkte. „Die Schlacht war einfach furchtbar!“

„Sie waren zugegen?“ Er war entsetzt.

Oliver war ebenfalls dort gewesen. In Waterloo. Auch wenn er sich nicht als Soldat beteiligen konnte, war er – wie so viele andere – nach Brüssel gereist, um irgendwie daran teilzuhaben. In Brüssel wimmelte es zu dieser Zeit von englischen Aristokraten. Am Tag der Schlacht waren andere Zaungäste und er zu der Stelle geritten, wo sich die Truppen sammelten. Nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt wie beim Anblick des Gemetzels, das folgte. Cecilia musste Grauenhaftes gesehen und erlebt haben!

Sie trank einen Schluck Wein, und ihre Stimme klang leise und rau. „Es sind so viele Männer gefallen.“

Oliver hatte getan, was er konnte, um Verwundete vom Feld zu tragen, aber es war ihm die ganze Zeit wie ein Tropfen auf den heißen Stein vorgekommen. Nachdem er nach London zurückgekehrt war, hatte er lange gebraucht, um sich wieder auf die Freuden des Vitium et Virtus einlassen zu können. In der Tat hatte er es nie ganz geschafft, sich von den Eindrücken der Schlacht zu befreien. Ein Teil von ihm erinnerte sich immer an den schrecklichen Anblick, den Lärm, die Schreie und Todeskämpfe.

„Ich war auch dort“, sagte er.

Sie blickte ihn argwöhnisch an. „Oh? Sie waren in der Armee?“

„Nein“, er schob eine leere Austernschale an den Rand seines Tellers. „Aber mein Freund Frederick war als Offizier dort.“

„Hat er überlebt?“, fragte sie.

„Ja.“ Er hob sein Glas an die Lippen. „Gott sei Dank.“

Sie hatten noch längst nicht alle Austern gegessen, doch der Kellner räumte bereits den Gang ab und brachte die Hauptgerichte. Schon zuvor hatte er eine Flasche Rotwein geöffnet. Nun goss er die dunkelrote Flüssigkeit in die auf Hochglanz polierten Gläser.

„Und Ihr Ehemann?“, erkundigte sich Oliver. „Wie ist es ihm ergangen?“

Sie wich zurück, als ob seine Frage ein Angriff gewesen wäre. „Sie meinen in der Schlacht?“

„Ja.“ Seine Frage hatte sich auf Waterloo bezogen, aber ihm wurde plötzlich bewusst, dass er gern sehr viel mehr erfahren hätte.

„Er hat die Schlacht ohne jeden Kratzer überstanden.“ Ihre Stimme klang verächtlich.

Oliver pikste mit der Gabel in ein Stück Rindfleisch und aß es.

Sie klopfte mit einem Fingernagel gegen den Stiel ihres Weinglases. „Mein Mann starb hier in Paris. In einem Duell.“

„Ein Duell?“

„Vor zwei Jahren.“ Zu den Umständen äußerte sie sich nicht näher. „Da ich zu Hause nicht mehr willkommen bin, bin ich in Paris geblieben.“ Sie wandte die Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu und wirkte eine Weile gedankenverloren. Vielleicht bedauerte sie, ihm so viel anvertraut zu haben. Auch wenn er neugierig war, würde er sie nicht mit Fragen bedrängen.

Schließlich ergriff sie doch wieder das Wort. „Und was ist mit Ihnen, Oliver?“ Sie klang, als ob sie sich verteidigen müsste. „Ich habe erzählt, was es über mich zu sagen gibt.“

Das bezweifelte er. „Über mich gibt es nicht viel zu erzählen.“

Sie lächelte. „Sie erwarten doch nicht, dass ich Ihnen das glaube.“

„Es ist die Wahrheit. Ich bin ein einfacher Mann mit einfachen Vorlieben.“ Er hob sein Rotweinglas, das mit edlem Burgunder gefüllt war, und lächelte.

„Nun kommen Sie schon, Lord Oliver.“ Sie wackelte mit dem Zeigefinger.

Er runzelte die Stirn. „Ich bin nicht Lord Oliver.“

Sie zog die Brauen hoch. „Aber Sie sagten doch, Ihr Vater sei Marquess.“

„Ja, das ist er, aber ich trage keinen Titel.“ Damit gab er zu, ein unehelicher Sohn zu sein.

Sie sah ihn an und nickte. Es lag keine Abscheu in ihrem Blick.

Er fuhr fort. „Wie Sie sich vermutlich schon gedacht haben, war mein Vater mit meiner indischen Mutter nicht verheiratet.“ Er war ein Bastard – und der einzige Sohn seines Vaters. „Als sein Vater starb und er den Titel erbte, nahm er mich mit nach England.“

Seine Mutter war eine indische Mätresse gewesen, eine Prostituierte. Olivers Vater hatte sie wiederholt als die Liebe seines Lebens bezeichnet. Dennoch ließ er sie zurück, als er unerwartet den Titel erbte. Darauf hatte seine englische Gattin bestanden. Sie hatte auch versprochen, Oliver großzuziehen, als ob er ihr eigener Sohn wäre – ein Versprechen, das sie nicht gehalten hatte.

„Haben Sie Ihre Mutter jemals wiedergesehen?“, fragte sie.

„Nein.“ Er schenkte sich Wein nach. „Sie starb.“

Olivers Mutter war gestorben, kurz nachdem er Indien verlassen hatte. Sie war bereits tot, bevor Olivers Schiff England erreicht hatte. Seine Stiefmutter sagte ihm, sie sei bei der Totgeburt eines weiteren Bastards gestorben. Also hatte er in dem Glauben gelebt, seine Mutter und einen Bruder oder eine Schwester verloren zu haben.

Erst als er schon ein junger Mann war, erzählte sein Vater ihm, dass diese Geschichte nicht stimmte. Zum Beweis zeigte sein Vater ihm einen Brief, den er aus Indien erhalten hatte. Olivers Mutter war gestorben, aber an einem Fieber – oder an gebrochenem Herzen.

Cecilia blickte ihn mitfühlend an. „Wie traurig.“

Er trank einen Schluck Wein. „Es ist lange her.“ Er wusste nicht recht, warum er es ihr erzählt hatte. Normalerweise sprach er nie darüber – und auch nicht über seine Mutter.

Er hatte das Gefühl, als ob Cecilia und er alte Freunde wären, die sich gut kannten und einander trauen konnten. So wie es ihm mit Frederick, Jacob … und Nicholas, wo auch immer er war, erging. Nicholas war nicht tot. Oliver hatte das nie geglaubt. Das vierte Gründungsmitglied des Vitium et Virtus war vor sechs Jahren plötzlich verschwunden und hatte nur eine Blutlache und seinen Siegelring in der Allee hinterlassen, die zum Club führte.

„Ich vermisse meine Familie noch immer“, sagte sie leise. „Auch wenn …“ Sie hielt inne und stach mit der Gabel in ein Stück Entenfleisch. „Aber das ist egal. Es ist töricht, sich etwas zu wünschen, was man niemals haben kann.“

„Da kann ich Ihnen nur zustimmen.“ Er hob erneut das Glas, als ob er einen Toast aussprechen wollte.

Dann lenkte er das Gespräch auf ein Thema, das keine Schwermut auslösen konnte – die Sehenswürdigkeiten, die sie gemeinsam besichtigt hatten.

Eine ganze Weile sprachen sie über das, was ihnen an diesem Tag besonders gut gefallen hatte.

Währenddessen wurde der Nachtisch serviert – Profiteroles mit Calvados-Crème. Dazu gab es Kaffee und Likör.

Als sie das Restaurant verließen, waren die Läden noch immer geöffnet.

Um sich nach dem üppigen Mahl ein wenig Bewegung zu verschaffen, spazierten sie eine Weile durch die Gartenanlage und schlenderten durch den Säulengang. Überall waren viele Leute, und in den Geschäften herrschte reger Betrieb.

Oliver war es gewohnt, den Damen, deren Gesellschaft er genossen hatte, ein Geschenk zu machen. Alle Frauen, die er kannte, wussten das zu schätzen. Er wollte seiner Freude über diesen Tag und über diese Vertrautheit, die er sonst nicht verspürte, Ausdruck verleihen.

Als sie an einem Juweliergeschäft vorbeikamen, blieb er stehen. „Lassen Sie uns hineingehen.“

Sie nickte nur teilnahmslos, was ihn überraschte. Die meisten Frauen hätten sofort damit gerechnet, dass sie ein Geschenk erhalten würden, und dies auch zum Ausdruck gebracht.

Gemeinsam begutachteten sie kostbare Halsketten und Armbänder mit Diamanten, Rubinen und Smaragden, aber Cecilia ließ kein besonderes Interesse erkennen.

„Sehr schön, nicht wahr?“, fragte er, in der Hoffnung, sie würde ihm einen Hinweis geben, was ihr gefiel.

„Oh ja“, stimmte sie pflichtbewusst zu. „Das ist alles sehr hübsch.“

Er wies auf einige besonders teure Stücke, doch nichts davon schien bei ihr eine ähnliche Begeisterung hervorzurufen wie die Gemälde im Louvre oder die bunten Glasfenster in der Kathedrale von Notre Dame.

Schließlich blickte er ihr ins Gesicht. „Cecilia, merken Sie denn nicht, dass ich für Sie ein Geschenk kaufen möchte? Ich versuche herauszufinden, was Ihnen gefallen könnte.“

„Ein Geschenk?“, fragte sie argwöhnisch. „Warum denn?“

„Als Andenken an unseren gemeinsamen Tag.“

Sie wich einen Schritt zurück. „Und was erwarten Sie dafür?“

Er war wie vor den Kopf gestoßen. „Was ich dafür erwarte? Nun, gar nichts. Es ist ein Geschenk.“

Sie verengte die Augen zu Schlitzen, als ob sie seinen Worten nicht traute.

„Hören Sie“, sagte er und wagte es, sie sanft am linken Unterarm zu berühren. „Das war ein ganz besonderer Tag. Sie haben mir vieles gezeigt, was ich nicht gesehen oder nicht zu schätzen gewusst hätte, wenn ich heute allein unterwegs gewesen wäre.“

Wahrscheinlich hätte er den halben Tag verschlafen und wäre abends in eines der Tanzlokale oder Spielcasinos gegangen.

In einer der Vitrinen lagen goldene Anhänger und andere weniger kostspielige Schmuckstücke.

Er wies auf eine hübsche goldene Kette, die nur mit einer Perle geschmückt war. „Lassen Sie mich Ihnen wenigstens etwas Kleines schenken – als Dankeschön für den wundervollen Tag.“

Sie wirkte noch immer misstrauisch, nickte aber zögerlich. „Nun gut.“

Oliver wandte sich an einen der Verkäufer und bezahlte die Kette. Als der Verkäufer die Vitrine öffnete, blickte Oliver sich zu Cecilia um und fragte: „Dazu passende Ohrringe?“

Sie unterdrückte ein Lächeln, sodass ihre Mundwinkel zuckten. „Nein. Kein Wort mehr, sonst ändere ich meine Meinung und nehme gar nichts von Ihnen an.“

Keine andere Frau aus seinem Bekanntenkreis hätte damit gedroht, ein Geschenk abzulehnen, noch dazu, wenn es sich um etwas so Belangloses handelte. Dass Cecilia anders war, faszinierte ihn.

Cecilia blickte in Olivers grüne Augen, die sie so in den Bann zogen, dass sie beschloss, lieber wieder zur Seite zu sehen. Er legte ihr die Halskette um den Nacken. Ihre Haut kribbelte an den Stellen, an denen sie seine Finger spürte, während er den Verschluss einhakte. Sein Duft stieg ihr in die Nase, und sein Gesicht war so nah, dass sie die Wärme seines Atems spürte.

Sie kannte dieses Gefühl der Anziehung, das sie wünschen ließ, die Hände über sein von Bartstoppeln raues Kinn gleiten zu lassen oder mit den Fingern durch sein kräftiges Haar zu streichen. Einst hatte sie bei ihrem Ehemann Ähnliches empfunden – eine geradezu schmerzhafte sinnliche Begierde.

Sie hatte vergessen, wie sich das anfühlte. Dass sie einen Mann als anziehend empfand, bedeutete noch lange nicht, dass er anständig und ehrenhaft war. Das wusste sie nur zu gut. Ein solcher Mann konnte sich ändern und von einem Moment auf den nächsten statt liebevoll grausam sein.

„Vielen Dank für das Geschenk“, sagte sie schließlich.

„Es ist mir ein Vergnügen“, entgegnete er leise.

Nachdem er den Verschluss eingehakt hatte, trat er einen Schritt zur Seite. Nun konnte sie sein Lächeln sehen, das eine ganz besondere Wirkung auf sie ausübte.

„Sie steht Ihnen gut“, stellte er fest. „In der Tat sieht sie auf Ihrer Haut viel besser aus als auf dem schwarzen Samt in der Vitrine.“

Das war ein Kompliment, aber kein übertriebenes. Spürte er, dass zu blumige Komplimente sie noch mehr abschreckten als teure Geschenke? Besaß er solche Menschenkenntnis, dass er wusste, wie er sie am leichtesten um den Finger wickeln konnte?

Den ganzen Tag über hatte er sich wie ein freundlicher und großzügiger Gentleman verhalten. Dennoch gab es Momente, in denen sie auf der Hut gewesen war. Vor allem, als er nach ihrem Ehemann gefragt hatte. Nie wieder wollte sie von der Gnade eines Mannes abhängig sein.

Sie verließen das Geschäft und spazierten zu den Tuilerien.

„Wissen Sie, was ich jetzt am liebsten tun würde?“, fragte er.

Sie sah ihn misstrauisch an. „Was?“

„Ich würde gern noch einmal an der Seine entlanggehen, so wie heute in der Morgendämmerung. In ungefähr einer Stunde dürfte die Sonne untergehen. Ich habe sie dort aufgehen sehen, und es wäre schön, auch den Sonnenuntergang zu erleben.“

Welcher Mann ging schon gern spazieren? Duncan hatte anfangs eine Vorliebe für Spaziergänge vorgetäuscht, als er sich noch bei ihr hatte einschmeicheln wollen. Nachdem sie ihn geheiratet hatte, hatte er mit Spaziergängen nichts mehr am Hut gehabt. Dann wollte er nur noch mit ihr schlafen. Zu Beginn hatte sie das auch genossen.

„Ich sollte jetzt nach Hause gehen.“ Es war besser, sie verabschiedete sich von Oliver, bevor er etwas tat, was die Illusion zerstörte, dass er ein vollkommener Gentleman war.

„Dann bringe ich Sie nach Hause“, sagte Oliver.

„Das ist nicht nötig.“ Sie wollte nicht, dass er erfuhr, wo sie wohnte. Es war ein kleines Zimmer in der Nähe der Theater, Casinos und Bordelle.

Er runzelte die Stirn. „Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich Sie einfach allein auf den Heimweg schicke.“

„Ich war auch allein, als Sie mir begegnet sind“, rief sie ihm in Erinnerung.

„Dennoch würde ich es mir nie verzeihen, wenn Ihnen etwas zustoßen würde.“

Sie verzog das Gesicht. „Das bekommen Sie doch ohnehin nicht mit. Sie reisen morgen ab, und wir werden uns nie wiedersehen.“ Bei diesen Worten schnürte sich ihr die Kehle zu, und sie fürchtete, Tränen würden ihr in die Augen treten.

Er blickte sie flehentlich an. „Erst recht ein Grund, sich nicht so früh zu verabschieden. Bleiben Sie bei mir und sehen Sie sich mit mir den Sonnenuntergang an.“

Seine atemberaubenden Augen hatten eine magische Wirkung auf sie.

Was konnte es schon schaden? Überdies wollte sie bei ihm bleiben. Sie wollte noch weiter in der Vorstellung schwelgen, dass es einen so liebenswürdigen, attraktiven und charmanten Mann gab, der nichts anderes von ihr wollte als ihre Gesellschaft.

„Also gut“, sagte sie. „Sehen wir uns gemeinsam den Sonnenuntergang an.“

Sie erreichten den Pont Royal und stiegen eine Treppe hinunter, über die man an das Ufer der Seine gelangte. Auf beiden Seiten des Flusses führten Wege entlang, auf denen vor allem Paare flanierten und Straßenverkäufer ihre Waren anpriesen.

„Ich bin froh, dass wir uns nach dem Essen bewegen.“ Er klopfte sich auf den Bauch.

„Es war ganz köstlich.“ So gut hatte sie seit mehr als drei Jahren nicht mehr gegessen. Damals hatte Duncan sie in Brüssel in feine Restaurants ausgeführt.

Dann hatte ihr Gatte den Brief von ihrem Vater erhalten, in dem dieser verkündete, niemals ihre Mitgift auszuzahlen. Seitdem war Duncan klar gewesen, dass er keinen Penny von ihrer Familie zu erwarten hatte.

Vielleicht war Oliver anders als Duncan. Sie konnte zumindest einen Abend lang daran glauben.

Als die Sonne immer tiefer sank, wirkten der Fluss und die Stadt wie verzaubert.

Oliver schien diesen Zauber ähnlich zu empfinden. „Man hat mir schon oft davon vorgeschwärmt, wie schön Paris ist, aber ich habe das zunächst nicht ganz verstanden …“ Er sprach nicht weiter und sah sie an. „Erst heute begreife ich es, und das habe ich Ihnen zu verdanken.“

Sie betastete die Perle, die beinahe zwischen ihren Brüsten ruhte. „Dafür haben Sie sich mehr als revanchiert.“

Er berührte ihren rechten Arm und sorgte dafür, dass sie ihm ins Gesicht sah. „Das Geschenk sollte keine Belohnung dafür sein, sondern nur eine Kleinigkeit, damit Sie diesen Tag in Erinnerung behalten.“

Als ob sie in der Lage gewesen wäre, ihn zu vergessen. Er war ein Mann, der sich wie ein Freund benahm und sie zugleich wie ein Liebhaber in Erregung versetzte.

Sie schlenderten weiter am Ufer entlang. „Ich bin nun schon beinahe drei Jahre hier und kann mich an der Schönheit dieser Stadt noch immer nicht satt sehen.“

Doch wenn sie ehrlich mit sich war, passte sie ebenso wenig in diese Pariser Welt wie er vermutlich in die Welt der britischen Aristokraten. Vielleicht fühlte sie sich gerade deshalb so zu ihm hingezogen.

„Sie haben mir noch viel zu wenig von Indien erzählt“, sagte sie. „Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an Ihre dortige Kindheit denken?“

„Ich erinnere mich an üppige Gärten mit duftenden Blumen und an Wasserbecken, in denen sich die Farbenpracht spiegelte. Auch das Haus meiner Mutter war voller Farben, gewebte Teppiche schmückten die Böden. Der Duft von Sandelholz erfüllte die Zimmer, und anstelle von Stühlen gab es weiche Kissen. Das Haus meines Vaters hingegen war typisch englisch. Er trug einen Lungi, wenn er bei meiner Mutter war, aber sonst war er so gekleidet, als ob er gerade von seinem Maßschneider in der Bond Street käme.“

„Was ist ein Lungi?“

Er lachte. „Im Grunde ist es wie ein Kleid. Es ist ein langes Stück Stoff, das als Beinkleid gewickelt wird. Ich habe auch Lungis getragen. Sie sind viel bequemer als die englische Kleidung.“

Sie hakte sich bei ihm unter und lehnte den Kopf an seine Schulter. Der viele Wein hatte sie müde und anlehnungsbedürftig gemacht. „Erzählen Sie mir mehr von Indien.“

„Ich erinnere mich an die lauten überfüllten Straßen von Kalkutta mit ihren vielen Gerüchen – mal wohlriechend und mal faulig und penetrant.“ Er hielt inne. „Ich habe Elefanten und Kamele vor Augen und spärlich bekleidete Männer, die Schlangen beschwören.“

„Schlangen.“ Sie erschauderte.

Er fuhr fort und erzählte ihr von den Gewürzen, von Tigern und von den hinduistischen Gottheiten. Seine angenehme tiefe Stimme lullte sie ein, und sie wurde immer schläfriger. Es war so angenehm, seine Wärme zu spüren.

Es war so schön, nicht allein zu sein.

Er blieb stehen und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Sie schlafen mir bald ein. Es wird Zeit, dass ich Sie nach Hause bringe.“

Sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen, mit ihm am Fluss entlangzuspazieren. Die Alchemie des Sonnenuntergangs tauchte den Himmel in Gelb- und Orangetöne und ließ das Wasser wie Gold funkeln. Sie wollte nicht zu den emotionalen Entbehrungen zurückkehren, aus denen ihr Leben bestand.

„Nicht zu mir nach Hause“, murmelte sie.

„Wohin dann?“, seine tiefe Stimme ließ ihren Körper vibrieren.

„Zu Ihrem Hotel.“

Cecilia wusste genau, was sie gerade sagte – was sie damit anbot.

„Sind Sie sich sicher?“, fragte er. „Oder ist es der Wein, der aus Ihnen spricht?“

Der Wein hatte ihr Mut verliehen. „Ich möchte, dass unser Abend noch nicht endet, Oliver. Ich will alles, was diese Nacht uns noch bieten kann.“

Sie wollte nicht, dass der Zauber endete.

3. KAPITEL

Sie überquerten den Place Louis XV., der seinen Namen nach der Revolution mehrfach gewechselt und unter anderem Place de la Concorde geheißen hatte. Sie spazierten über die Rue Rivoli zu dem luxuriösen Hôtel Le Meurice, in dem Oliver untergebracht war.

Ein Hotelpage hielt ihnen die große schmiedeeiserne Tür auf, und der Rezeptionist in der Empfangshalle begrüßte Oliver freundlich beim Namen.

In London hätte ein Gentleman eine Frau, die nicht seine Gattin war, heimlich in sein Zimmer bringen müssen. Andernfalls hätte er riskiert, dass man ihn des Hauses verwies. In Paris sah man über derlei Dinge großzügig hinweg.

Oliver führte Cecilia die Treppe hinauf in den dritten Stock. Es war eine luxuriöse Suite mit einem großzügigen Wohnbereich, einem Schlafzimmer und einem Ankleidezimmer. Olivers Kammerdiener war im Nebenzimmer untergebracht und kam nur herein, wenn Oliver nach ihm läutete.

Oliver hielt Cecilia die Tür auf, und sie ging in die Mitte des Salons und blieb plötzlich stehen, als ob Zweifel sie befallen hätten.

Er schloss die Tür und legte Hut und Handschuhe ab. „Möchten Sie lieber, dass ich Sie nach Hause bringe?“

Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn überrascht an.

Er senkte die Stimme. „Es ist nicht zu spät, Cecilia. Ich bringe Sie heim, wenn Sie es wünschen.“

Sie zog die Handschuhe aus und legte den Hut ab. „Ich möchte nicht nach Hause.“

Er trat einen Schritt auf sie zu, um ihr das Kaschmirtuch abzunehmen. Dabei streiften seine Finger ihre verkrampften Schultern.

„Dann verraten Sie mir, weshalb Sie mit einem Mal so angespannt wirken?“

„Tue ich das?“ Sie bemühte sich, zu lächeln. „Ich habe an etwas … Unangenehmes gedacht.“

Er legte einen Arm um sie und geleitete sie zum Sofa. „Setzen Sie sich und denken Sie nicht an unangenehme Dinge. Ich schenke uns etwas Champagner ein.“

Er begehrte sie heftig, und das hatte sich noch gesteigert, als sie vorgeschlagen hatte, mit in sein Hotel zu kommen. Aber sie war anders als die Frauen, mit denen er sonst die Nächte verbrachte. Sie war keine Eroberung. Dafür mochte er sie zu sehr.

Sie war geheimnisvoll und traurig, aber auch stark. Er wollte wissen, warum. Er wollte alles über sie in Erfahrung bringen, um sie wieder zum Lächeln zu bringen.

Sie blickte sich um, als er die Champagnerflasche öffnete und ihnen einschenkte. „Das ist ein bezauberndes Zimmer.“ Er spürte, dass ihre Anspannung nicht abnahm.

Er reichte ihr ein Glas und setzte sich neben sie. „Cecilia, es wird nichts geschehen, was Sie nicht wollen. Ich habe den Tag mit Ihnen sehr genossen. Ganz sicher werde ich ihn jetzt nicht verderben.“

Sie lächelte zaghaft. „Bestimmt halten Sie mich für seltsam. Erst biete ich mich so unverhohlen an, und dann benehme ich mich wie ein dummes Mädchen, das nicht weiß, was es tut.“

Er sah ihr in die Augen. „Erklären Sie es mir.“

Sie wich seinem Blick aus, und ihr Atmen beschleunigte sich. „Ich … Ich bin es nicht gewohnt, das Zimmer eines Gentleman aufzusuchen.“

Darüber war er froh, obgleich er nicht von sich behaupten konnte, sonst keine Damen in Hotelzimmern zu empfangen.

Sie leerte ihr Champagnerglas, und er schenkte ihr nach.

Dann legte er seine rechte Hand auf ihre. „Indem Sie mit hierhergekommen sind, haben Sie nichts versprochen, außer Zeit mit mir zu verbringen.“

Sie sah ihn misstrauisch an.

Er lächelte. „Nichts.“

„Darf ich das wirklich glauben?“

Erneut blickte er ihr in die Augen. „Ich lüge nicht. Ich verabscheue Lügen.“

Sie sah ihn lange an.

Er nahm ihr das Champagnerglas aus der Hand und stellte die beiden Gläser auf dem Tisch neben dem Sofa ab. „Also … womit wollen wir beginnen?“

Sie senkte den Blick und sah ihm dann wieder direkt in die Augen. „Mit einem Kuss?“

Er lächelte. „Ich glaube, diesen Wunsch kann ich gern erfüllen.“

Sanft umfasste er ihr Kinn und näherte sich langsam, bis sein Mund den ihren berührte.

Ihre Lippen waren warm und weich und zitterten, als er sie küsste. Mit aller Willenskraft hielt er sich zurück, obgleich er sich nichts sehnlicher wünschte, als sie an sich zu ziehen und den zärtlichen Kuss in einen Sturm der Leidenschaft zu verwandeln.

Sie war es, die die Berührung intensivierte und ihm die Arme um den Nacken schlang. Sie schmiegte sich an ihn, und er zog sie an seinen erregten Körper und gab ihr einen Zungenkuss. Vor Verlangen wurde ihm ganz schwindelig.

„Ins Schlafzimmer?“, fragte er.

Sie nickte.

Er hob sie hoch, trug sie zum Bett und legte sie auf die Matratze. Nicht lange fackelnd streifte er Gehrock und Weste ab und beugte sich vor, um Cecilia erneut zu küssen.

Sie beobachtete, wie er an seinem rechten Stiefel zerrte, um ihn auszuziehen. Er fluchte leise, weil es ihm nicht gelang.

Ihr herzliches Lachen war ansteckend.

„Ich helfe dir“, sagte sie.

Er kletterte auf das Bett, und sie drehte und zog so lange an dem Stiefel, bis sie ihn in Händen hielt.

Sie lachte über ihren Sieg und stellte den Stiefel auf dem Boden ab.

Dann befreite sie Oliver auch von dem anderen Stiefel.

Oliver kniete sich auf das Bett. „Und jetzt bin ich dir behilflich.“

Er drehte sie um, löste die Schnüre ihres Kleides und zog es ihr behutsam über den Kopf. Erst nachdem er es sorgfältig gefaltet hatte, legte er es auf den Boden. Anschließend half er ihr, das Korsett auszuziehen. Sie wandte ihm das Gesicht zu und zog ihm das Hemd über den Kopf. Er sprang vom Bett und entledigte sich der Pantalons und seiner restlichen Kleidung.

Nur noch von einem dünnen Unterkleid verhüllt blieb sie auf dem Bett sitzen und löste die Nadeln aus ihrem Haar. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern, während er nackt vor ihr stand und sie ihn betrachtete.

Er war die anerkennenden Blicke von Frauen, mit denen er das Bett teilte, gewohnt, aber Cecilia löste ein feuriges Verlangen in ihm aus, das sich mit nichts vergleichen ließ.

Das konnte ihr nicht entgangen sein.

Er lächelte und wackelte mit dem Zeigefinger.

Sie erwiderte sein Lächeln und streifte sich das Unterkleid über den Kopf.

Er hatte gewusst, dass sie bezaubernd war: ihre cremefarbene Haut, die schlanke Taille, die üppigen Brüste.

„Du bist wunderschön, Cecilia“, sagte er ernst.

Ihr Erröten machte sie nur umso reizvoller.

Er legte sich neben sie auf das Bett und schloss sie in die Arme, um sie erneut zu küssen. Dann streichelte er ihre zarte Haut und strich zärtlich mit den Fingern durch ihr kräftiges lockiges Haar. Sie legte ihm ihre rechte Hand auf die Brust und ließ sie langsam an seinem Körper nach unten gleiten. Als sie seine Männlichkeit mit den Fingern umschloss, war es mit seinem Vorsatz, es langsam angehen zu lassen, vorbei.

„Wie lange willst du noch warten?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Cecilia wusste, dass sie sich schamlos verhielt, aber es war ihr ganz gleich. Der Wein und der Champagner hatten ihr die Hemmungen genommen, und sie sehnte sich danach, sich mit diesem Mann zu vereinigen. Sie erinnerte sich daran, dass sie Duncan anfangs ähnlich unwiderstehlich gefunden hatte. Er war so verführerisch gewesen, dass sie alles für ihn getan hätte. Jetzt wusste sie, dass er sie nur dazu hatte bringen wollen, ihn zu heiraten.

Die Vereinigung mit einem Mann konnte geradezu überirdisch sein, sich aber auch rasch in das brutale Gegenteil verkehren.

Nach den Erfahrungen mit Duncan war sie dieses Risiko nicht mehr eingegangen. Bis jetzt.

Aber gegen eine einzige Nacht ließ sich doch nichts sagen, oder? Eine Nacht, um noch einmal körperliche Freuden zu genießen.

„Wie lange?“, fragte sie noch einmal im Flüsterton.

Er sah ihr in die Augen. „Vorher möchte ich wissen, ob du über die nötigen Mittel verfügst, um ein Kind zu verhindern?“

Bei Duncan hatte sie sich darüber keine Sorgen machen müssen. „Ich weiß, was zu tun ist.“

Er lächelte sie herausfordernd an. „Dann bin ich dir zu Willen.“

Er rollte sich auf den Rücken.

Ohne zu zögern kletterte sie auf ihn, doch anders als seine Worte vermuten ließen, verhielt er sich nicht passiv. Er packte sie an der Taille und schob sie auf sich, bis er ganz in sie eingedrungen war. Sie stöhnte auf.

Sie bewegten sich beide in einem Rhythmus, der das Verlangen immer weiter steigerte. Dabei erwies er sich als ein erfahrener Liebhaber, der genau wusste, wie er ihre Lust bis an die Grenze zur Raserei treiben konnte.

Was für eine beglückende Ekstase!

Er stieß immer schneller zu und stimmte in ihre lustvollen Schreie ein, bis sie gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Er hielt sie fest, bis sie wieder ruhiger atmen konnte und sich ihr Körper weich wie Butter anfühlte.

Sie ließ sich neben ihn auf die Matratze sinken. „Nun, das war ziemlich schön.“

Er lachte leise. „Offenbar eigne ich mich als Empfänger magerer Komplimente.“

Sie liebte seine humorvolle Art. Wäre es nicht wunderbar, einen Mann an der Seite zu haben, von dem eine solche Leichtigkeit ausging?

Er spielte mit einem Finger an der Perle, die an ihrer Halskette hing. „Ich kann dir kein mageres Kompliment machen, Cecilia. Ich fürchte, ich muss mein Lob an dich geradezu ausposaunen.“

Ihr wurde ganz warm zumute. „Ich bin froh, dass ich dich in dein Hotel begleitet habe.“

„Ebenso wie ich.“ Er lächelte.

Er drehte sich auf die Seite, zog sie an sich und gab ihr einen Kuss, der ihr Feuer erneut entfachte.

Diesmal legte er sich auf sie, drang in sie ein und bewegte sich ganz langsam in ihr, als wollte er jeden Moment für sie so lustvoll wie möglich gestalten.

Sie war froh, dass sie sich diese Nacht mit ihm gönnte. Viel zu lange hatten ihre Gefühle in einer Winterstarre verharrt. Wie schön es nun war, die Sonne hineinscheinen zu lassen.

Dieser wundervolle Mann behandelte sie wie ein kostbares Geschenk.

Als er schneller zustieß, konnte sie an nichts anderes mehr denken als an Begierde, grenzenlose Lust und die nahende Erfüllung.

„Mir fehlen die Worte“, murmelte er, als sie schließlich schwer atmend nebeneinander lagen. Zärtlich wickelte er sich eine ihrer Locken um den rechten Zeigefinger.

Sie kuschelte sich an ihn, atmete seinen Duft ein und genoss es, die Wärme seiner Haut zu spüren.

„Ich frage mich, ob ich meinen Aufenthalt in Paris nicht ein wenig ausdehnen könnte …“

Sofort bekam sie es mit der Angst zu tun. Nein, das wollte sie nicht! Sie hatte sich vorgenommen, dass es nur diese eine Nacht geben sollte. Was konnte nicht alles geschehen, wenn sie ihm verfiel.

Anstatt ihm zu antworten, schloss sie die Augen. Es war schön, nackt neben dem Mann zu liegen, mit dem sie sich gerade vereinigt hatte.

Nur noch ein paar Stunden, aber nicht länger, würde sie in dieser wundervollen Illusion schwelgen. Auch wenn er sich wünschte, die Zeit auszudehnen, musste sie rechtzeitig verschwinden, um nicht zu verderben, was ihr immer noch wie ein herrlicher Traum erschien.

Oliver schlummerte mit dem Gedanken ein, die Heimreise nach England zu verschieben. Was spielten ein paar Tage schon für eine Rolle? Selbst eine weitere Woche würden sie im Vitium et Virtus ohne ihn auskommen.

Zufrieden, Cecilia in den Armen zu halten, sank er in tiefen Schlaf.

Oliver erwachte erst, als jemand laut gegen die Tür klopfte.

„Sir! Sir!“ Es war sein Diener, der klopfte. „Die Kutsche steht in einer Stunde bereit. Sie sollten jetzt besser aufstehen.“

Oliver setzte sich ruckartig auf.

Er blickte auf die leere Stelle neben sich. Cecilia war verschwunden, ebenso wie ihre Kleidung.

„Sir!“ Der Diener klopfte erneut.

„Einen Moment!“, rief er und stand vom Bett auf.

Er sah sich um, ob sie eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte, aber im Schlafzimmer ließ sich nichts dergleichen entdecken. Er betrat den Salon und suchte auch dort vergeblich.

Es gab nichts, was darauf hingewiesen hätte, dass sie je bei ihm gewesen war.

Er hatte keine Möglichkeit, sie zu finden. Weder kannte er ihren Nachnamen noch ihre Adresse.

Vielleicht war sie wieder am Ufer der Seine, um den Straßenkindern Geld zu geben. Er eilte zurück ins Schlafzimmer und zog sich so rasch wie möglich an.

Als er durch die Fenster blickte, verließ ihn der Mut. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Er hatte fast den ganzen Morgen verschlafen. Sie würde nicht mehr am Ufer der Seine sein, sondern längst woanders.

„Sir!“, rief der Diener wieder.

„Ich komme!“ In dem Wissen, dass er Cecilia nie wiedersehen würde, ging er zur Tür und öffnete.

4. KAPITEL

Cecilia hatte Olivers Bett im Morgengrauen verlassen und war zum Fluss geeilt, um Münzen an die Straßenkinder zu verteilen, die sich hungrig um sie scharten.

Von nun an würde sie jedes Mal an ihn denken, wenn sie die Kinder sah. Sie würde vor Augen haben, wie er ihr zur Hilfe geeilt war. Auch sein Lächeln und sein Lachen würde sie nie vergessen.

Konnte sie jemals wieder eine Messe in Notre Dame besuchen, ohne sich daran zu erinnern, wie er – ebenso verzaubert von der Aura des Ortes wie sie – neben ihr gesessen hatte? Auch wenn sie künftig vor ihren Lieblingsgemälden im Louvre stand, würde sie sich daran erinnern, wie aufmerksam er ihren begeisterten Worten über die Kunstwerke gelauscht hatte.

Während sie sich auf den Heimweg machte, ließ sie die Perle durch die Finger gleiten, welche die Kette zierte. Wann immer sie das Schmuckstück künftig trug, würde sie an ihn denken.

Wie gut, dass nichts die Erinnerung an diesen Tag und diese Nacht mit ihm trübte. Es war ein Segen, den vielen unglücklichen Erfahrungen ihrer Vergangenheit eine glückliche entgegenzusetzen.

Auf dem Weg nach Hause kaufte sie die Dinge ein, die nötig waren, um ein Kind zu verhindern. Anschließend kehrte sie auf ihr Zimmer zurück.

Ihre Unterkunft war nur halb so groß wie Olivers Salon im Hotel, aber sie war sauber, und Cecilia hatte das Zimmer liebevoll eingerichtet. Ein Strauß mit Blumen stand in der Vase, und Vorhänge aus Spitze, für die sie wochenlang gespart hatte, zierten die Fenster. Sie löste die Schnüre an ihrem Rücken, streifte sich das Kleid über den Kopf und faltete es sorgsam zusammen. Als sie sich ausgezogen hatte, benutzte sie die Mittel, die sie beim Apotheker erworben hatte.

Nachdem sie Duncan geheiratet hatte, hatte sie sich zunächst nach einem Baby gesehnt. Es hatte nicht lange gedauert und sie hatte inständig gebetet, dass es dieses Kind nie geben würde. Sie hatte gelernt, wie sich eine Empfängnis vorher oder nachher verhindern ließ. Allerdings war sie oft genug nicht dazu gekommen, sich der nötigen Mittel zu bedienen. Dennoch war sie nie in andere Umstände geraten. Daraus hatte sie geschlossen, dass Duncans Schläge sie unfruchtbar gemacht hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie das für einen Segen gehalten.

Als sie die Prozedur abgeschlossen und sich gereinigt hatte, legte sie sich auf das Bett und zog sich die Steppdecke, die wie ein Kunstwerk aussah, obgleich sie aus lauter Stoffflicken zusammengenäht war, bis über die Nase. Während der Jahre ihrer Ehe hatte die Arbeit an der Decke ihr geholfen, die Erniedrigungen zu ertragen.

Auf dem Bett liegend dachte sie an die gemeinsame Nacht mit Oliver. Sie hatte es sehr genossen, in seinen Armen zu liegen. Um nicht einzuschlafen, hatte sie aus dem Fenster gesehen.

Als die Dämmerung einsetzte, hatte sie sich aus seiner schützenden Umarmung gelöst. So leise wie möglich hatte sie ihre Kleidung eingesammelt und war damit auf Zehenspitzen in den Salon geschlichen, um sich anzuziehen. Auf dem Tisch hatte sie einen Stapel von Olivers Visitenkarten erblickt. Sie hatte eine davon mitgenommen, als Andenken an den Mann, mit dem sie wundervolle Stunden verbracht hatte. Als sie bis auf die Schuhe, die sie in Händen hielt, vollständig angekleidet war, hatte sie noch einen Blick in das Schlafzimmer geworfen, um ihn ein letztes Mal zu betrachten.

Wie schön er war! Seine im Schlaf entspannten Züge betonten nur die Vollkommenheit seines Gesichts.

Er hatte den verführerischen Vorschlag unterbreitet, länger zu bleiben und mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Nach den Freuden, die sie mit ihm geteilt hatte, hatte sie das in schwere Versuchung gebracht. Aber sie wollte kein Risiko eingehen. Eine weitere Nacht mit ihm, und sie würde sich einreden, ihn zu brauchen. Und bevor sie sich umsah, würde er Macht über sie haben. Dann könnte er sich ändern und gewalttätig werden.

Das wollte sie nicht noch einmal durchmachen.

Dennoch sehnte sie sich danach, von ihm umarmt zu werden, als sie nun auf ihrem schmalen Bett lag. Wie sollte sie diese Gefühle wieder wegsperren?

Es muss aber sein, ermahnte sie sich. Es geht nicht anders.

An diesem Abend betrat Cecilia den Club durch den Hintereingang. Das Maison D’Eros befand sich in der Nähe des Palais Royal – zu dieser späten Stunde verwandelte sich die Gegend in einen ganz anderen Ort als den, durch den sie mit Oliver spaziert war. Sie war froh, dass er nie erfahren würde, dass sie zu dieser nächtlichen Welt gehörte. Zu dieser Uhrzeit kamen die Kurtisanen aus den Theatern und flanierten mit ihren Gönnern, und Prostituierte wackelten mit den Hüften, um Kundschaft anzulocken.

Cecilia hätte eine dieser unglücklichen Gestalten sein können, wenn Vincent, ihr französischer Freund und Mitstreiter, sie nicht vor dem Schlimmsten bewahrt hätte. Damals besaß sie bereits keinen Sou mehr, und niemand wollte eine Engländerin einstellen.

Nur Vincent hatte Mitleid mit ihr gehabt. Nie zuvor war sie jemandem wie ihm begegnet. Er liebte alle Gegenstände, die mit Weiblichkeit zu tun hatten, gab aber Männern gegenüber Frauen den Vorzug. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher. Er nahm sie unter seine Fittiche und brachte sie zum Maison D’Eros. Dort überredete er den Geschäftsführer sie im Gegenzug für die Trinkgelder Getränke servieren zu lassen.

„Du musst ein bisschen mit den reichen Gentlemen flirten, damit sie mehr Getränke bestellen und dir hohe Trinkgelder geben“, hatte Vincent ihr geraten und ihr gezeigt, wie sie es am besten anstellte. Indem sie vorgab, eine andere zu sein als sie war, gelang es ihr immer besser. Die Männer begannen, sie Coquette zu nennen. Auf diese Weise war sie zu Coquette geworden.

Coquette ließ sich von nichts aus der Ruhe bringen. Coquette führte Männer an der Nase herum und wies sie in ihre Schranken. Coquette konnte über die dummen Scherze der Männer lachen und so tun, als ob sie ihre Prahlerei bewunderte. Coquette konnte unzüchtige Lieder singen und verführerisch tanzen. Coquette sprach ausschließlich Französisch.

Schon bald stritten die Männer um ihre Gunst, und Vincent ersann einen neuen Plan.

„Ich wüsste, wie du die begehrteste Kurtisane der Stadt werden könntest!“, verkündete er ihr eines Abends.

Mit ihren Trinkgeldern kam sie gerade so über die Runden. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich keine Kurtisane sein möchte, Vincent. Mit fremden Männern das Bett zu teilen, ist mir zuwider.“

Er seufzte. „Dir vielleicht. Mir bereitet es das größte Vergnügen.“ Für einen Moment legte er eine Hand aufs Herz. „Aber das spielt keine Rolle. Du musst mit niemandem das Bett teilen.“

„Wie soll ich denn dann als Kurtisane arbeiten?“, fragte sie.

Er hatte es ihr erklärt.

Auf diese Weise war sie Madame Coquette geworden, die wählerischste Kurtisane von Paris. Nur zwei Abende pro Woche gewährte sie jemandem ihre Gunst – ohne sich dabei auf Intimitäten einzulassen.

Heute Abend begrüßte Vincent sie im Hinterzimmer. Er trug einen purpurfarbenen Gehrock, eine dunkelblaue Weste und ein hellgelbes Krawattentuch – sein Arbeitskostüm. Lockig umrahmte sein blondes Haar das jungenhafte Gesicht. Und auf seine Lippen und Wangen hatte er Rouge aufgetragen.

„Madame Coquette, chérie!“ In seiner überschwänglichen Art küsste er sie auf beide Wangen. „Du siehst einfach hinreißend aus!“

„Du auch, mon cher.“ Auch sie küsste ihn auf die Wangen.

„Wen unterhältst du heute Abend?“, erkundigte er sich.

„Monsieur Legrand.“

Legrand war ein wohlhabender Kaufmann, dem es immer wieder gelang, sich bei den jeweils Mächtigen beliebt zu machen. Eine Nacht mit der legendären Madame Coquette zu verbringen gehörte zweifellos zu seiner Strategie, Eindruck zu schinden.

„Legrand.“ Vincent nickte ihr aufmunternd zu. „Der stellt gar keine Herausforderung dar. Den wirst du im Nu um den kleinen Finger wickeln.“

Sie runzelte die Stirn. „Hercule bleibt aber in der Nähe, oder?“

Hercule, groß, stark und von einschüchternder Gestalt, war angestellt, um die Frauen vor Misshandlungen zu schützen. Normalerweise blieb er in Reichweite, für den Fall, dass etwas schiefging.

„Aber natürlich.“ Vincent hakte sich bei ihr unter. „Es wird Zeit, dass du dich in Madame Coquette verwandelst.“

Sie stieg die Dienstbotentreppe hinauf zu ihrem Zimmer im ersten Stock. Die Ankleiderin frisierte Cecilia die Haare und tupfte ihr einen Hauch Rouge auf Wangen und Lippen.

„Welches Kleid soll es heute Abend sein, Coquette?“, erkundigte sich die Frau.

„Ich glaube, das rote.“

Das rote Kleid war aus feinster Seide, und die Ärmel und der Saum waren mit einer Goldstickerei eingefasst. Der Ausschnitt erschien Cecilia zu tief, aber für Madame Coquette war er genau richtig. Die Kleider entsprachen in der Tat dem, was man von einer hochpreisigen Kurtisane erwarten konnte, aber es waren nicht ihre. Der Besitzer des Clubs bezahlte die Kleider.

Als Cecilia sich von der Ankleiderin verabschiedet hatte, schloss sie für einen Moment die Augen, um sich in ihr Alter Ego zu verwandeln.

Danach reckte sie das Kinn und betrat leicht die Hüfte schwingend das Gesellschaftszimmer, in dem Monsieur Legrand auf sie wartete.

Zielstrebig schritt sie auf ihn zu, doch er starrte sie nur an und verschüttete beinahe seinen Wein. Erst als sie schon fast vor ihm stand, fiel ihm ein, sich zur Begrüßung zu erheben.

„Monsieur Legrand“, begrüßte sie ihn mit einer tieferen Stimme als sonst, wobei sie die zweite Silbe seines Namens betonte. „Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen heute Abend Gesellschaft zu leisten.“

Legrand war ein rundlicher Mittfünfziger, dessen Körperfülle sich auch durch die feine maßgeschneiderte Kleidung nicht verbergen ließ. Seine Nase glänzte rötlich wie bei jemandem, der sich zu viel Wein genehmigte, und sein Hals verschwand hinter den Hängebacken. Dessen ungeachtet brachte er sich vor ihr in Pose, als ob er unwiderstehlich wäre. Kein Wunder, dass so viele Kurtisanen zuvor am Theater gearbeitet hatten! Es gehörte eine Menge Schauspieltalent dazu, um einem Mann wie diesem vorzugaukeln, ein erfreulicher Anblick zu sein.

Er hatte viel Geld für diesen Abend mit ihr bezahlt, auch wenn der Besitzer des Maison D’Eros den Löwenanteil einstrich. Cecilias Ziel war es, genug zur Seite zu legen, um irgendwo ein bescheidenes Leben führen zu können – vorzugsweise in England, denn das Heimweh hatte sie nie ganz losgelassen. Es würde noch lange dauern, bis sie eine solche Summe gespart hatte. Sie hatte anderthalb Jahre daran gearbeitet, um Madame Coquettes besonderen Ruf zu begründen. Die Einnahmen aus dieser Zeit reichten für nicht viel mehr als eine Rückreise nach England.

„Wollen wir uns auf mein Zimmer zurückziehen?“, fragte sie und berührte seinen rechten Unterarm.

„Ja, ja“, stammelte Legrand.

Sie gingen hinauf zu einem Zimmer im zweiten Stock, das nicht nur von ihr genutzt wurde. Vincent und andere empfingen dort an anderen Wochentagen ihre Kundschaft.

Gemeinsam mit Legrand betrat sie den Raum, dessen Wände mit rotem und silbernem Tuch bespannt waren. Die Sessel und das Sofa waren mit weißem und goldenem Damast bezogen, und ägyptische Motive, die sich seit Napoleons ägyptischer Expedition großer Beliebtheit erfreuten, zierten die Mahagonitische. Auf den Tischen standen Karaffen mit Brandy, Champagnerflaschen und Teller mit Trauben und Käse. Doch nichts bestimmte das Zimmer mehr als das große Bett, dessen pompöser Baldachin aus einem ähnlichen Stoff bestand wie die Bezüge der Sitzmöbel.

Cecilias rotes Kleid passte vorzüglich in das Zimmer. Es wirkte, als ob sie selbst ein Teil der Dekoration wäre.

Legrand schloss hinter ihnen die Tür und zog Cecilia sofort an sich, um seine Lippen auf ihren Mund zu pressen.

Sie stieß ihn von sich. „Monsieur Legrand!“, rief sie empört. „Wie können Sie es wagen, mich wie ein räudiger Hund anzufallen! Eine solche Respektlosigkeit dulde ich nicht!“

„Verzeihen Sie mir, Madame.“ Er katzbuckelte. „Ich konnte einfach nicht anders! Allein Ihr Anblick entfacht in mir ein Feuer, das niemals gelöscht werden kann.“

Sie glättete ihr Kleid. „Nun, ich schlage vor, dass Sie sich augenblicklich wieder zusammennehmen. Denken Sie daran, welche Vereinbarung diesem Treffen zugrunde liegt, Monsieur. Sie müssen meine Gunst erringen, wenn Sie mehr als meine Zeit von mir wollen.“

Das war die brillante List, die Vincent für sie ersonnen hatte. Ihre Kunden sollten sie so umwerben, dass sie mit ihnen das Bett teilen wollte. Für diesen Fall versprach sie ihnen eine Hingabe, die sich nicht in Worte fassen ließ.

Natürlich kam es nie dazu, dass sie einen der Männer wollte.

„Was kann ich tun, um Ihre Gunst zu gewinnen?“, fragte Legrand.

Sie ließ sich auf das Sofa sinken. „Zunächst können Sie mir gern etwas Champagner einschenken und mich mit Ihrer Schlagfertigkeit unterhalten.“

„Oh ja, ja.“ Legrand stolperte beinahe über die eigenen Füße, so eilig hatte er es, eine der Flaschen mit Champagner zu öffnen.

Sobald Cecilia einen Schluck Champagner getrunken hatte, fiel es ihr immer ein wenig leichter, Madame Coquette zu spielen.

Legrand prahlte damit, Talleyrand getroffen zu haben, dem Mann, der unter Louis XVI, während der Revolution, unter Napoleon und nun auch während der Restaurationszeit die höchsten Ämter bekleidete.

„Talleyrand“, sagte sie in spöttischem Tonfall. „Soll ich Sie etwa dafür bewundern, dass Sie stolz auf die Bekanntschaft mit einem Verräter sind?“

Wenn Legrand sich abschätzig über Talleyrand geäußert hätte, hätte Cecilia denselben Mann als größten Staatsmann Frankreichs gepriesen. Schließlich war es ganz gleich, was Legrand sagte oder tat. Er würde in jedem Fall daran scheitern, ihre Gunst zu gewinnen. Nur darum ging es.

Legrand versuchte, sie mit seinem Reichtum und seinen Erfolgen als Kaufmann zu beeindrucken. Als ihm nichts mehr anderes einfiel, begann er, ihr zu schmeicheln. „Madame, ich möchte Ihre wundervolle Haut berühren. Sie sind die hinreißendste Kurtisane von Paris. Für die Nacht mit Ihnen hätte ich auch das Doppelte, ja Dreifache, bezahlt.“

Cecilia wünschte sich, es wäre tatsächlich ein höherer Preis ausgehandelt worden.

„Sie schmeicheln mir, Monsieur“, sagte sie den Blick senkend und mit den Wimpern klimpernd.

Legrand fühlte sich in seinem Werben bestärkt. „Bitte, setzen Sie sich zu mir, Madame.“

„Mit Vergnügen.“ Cecilia wappnete sich und nahm neben ihm Platz.

Legrand legte einen Arm um sie. „So ist es viel besser. Viel besser.“

Sie seufzte. „Ich hätte gern noch ein Glas Champagner.“

„Ganz wie Sie wünschen.“ Er schenkte ihr und sich nach.

Sie stieß mit ihm an. „Auf diesen wundervollen Abend.“

Er leerte sein Glas in einem Zug und schlang ihr wieder den Arm um den Schulter. Während Cecilia an dem Champagner nippte, begann er, sie zu streicheln, wurde immer kühner und legte ihr eine Hand auf den linken Oberschenkel.

„Darf ich Sie küssen?“, fragte er und besaß die Dreistigkeit, ihr in den Oberschenkel zu kneifen.

Sie trank das Glas mit Champagner aus und lächelte. „Natürlich dürfen Sie mich küssen.“

Er presste seine dünnen fleischlosen Lippen auf ihren Mund und schloss Cecilia in die Arme.

Autor

Diane Gaston
<p>Schon immer war Diane Gaston eine große Romantikerin. Als kleines Mädchen lernte sie die Texte der beliebtesten Lovesongs auswendig. Ihr Puppen ließ sie tragische Liebesaffären mit populären TV- und Filmstars spielen. Damals war es für sie keine Frage, dass sich alle Menschen vor dem Schlafengehen Geschichten ausdachten. In ihrer Kindheit...
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Sophia James
Romane von Georgette Heyer prägten Sophias Lesegewohnheiten. Als Teenager lag sie schmökernd in der Sonne auf der Veranda ihrer Großmutter mit Ausblick auf die stürmische Küste. Ihre Karriere als Autorin nahm jedoch in Bilbao, Spanien, ihren Anfang. Nachdem ihr drei Weißheitszähne gezogen wurden, lag sie aufgrund starker Schmerzmittel tagelang flach....
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