Historical Saison Band 74

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

DIE ROTEN LIPPEN DER REBELLIN von LOUISE ALLEN

Sie ist wunderschön - und aufreizend rebellisch. Nathaniel, Earl of Leybourne ahnt: Es wird nicht einfach, die temperamentvolle Gabrielle nach London zu bringen, wie ihre Tante es ihm befohlen hat. Zumal er nur einen Gedanken hat, seit er in Portugal angekommen ist: diese verführerisch roten Lippen zu küssen …

ADLIGES HERZ IN GEFAHR von CATHERINE TINLEY

Nie wieder wird sie zulassen, dass ein Mann so viel Macht über ihr Herz hat. Das hat Lady Olivia sich damals geschworen, als Jem sie verließ. Jetzt ist er zurück - und Olivia wild entschlossen, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Denn der gutaussehende Lieutenant weckt noch immer eine gefährliche Sehnsucht in ihr …


  • Erscheinungstag 07.07.2020
  • Bandnummer 74
  • ISBN / Artikelnummer 9783733749668
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Louise Allen, Catherine Tinley

HISTORICAL SAISON BAND 74

1. KAPITEL

Anfang Oktober 1815, im Tal des Flusses Douro, Portugal

Alles sah noch so aus, wie er es in Erinnerung hatte, und doch irgendwie anders. Es war fast wie in einem Traum. Der Douro schien breit und harmlos zu sein, aber stromaufwärts lauerten lebensgefährliche Schluchten. Der Himmel strahlte blau und war mit kleinen Wolken gesprenkelt. An beiden Ufern stiegen verschachtelte Reihen uralter Weinbau-Terrassen nach oben. Die Ernte war vorüber, die Trauben gepflückt, und die Blätter an den Weinstöcken begannen sich allmählich herbstlich rot und golden zu verfärben.

Kein Kanonendonner war zu hören, keine Schüsse knallten mehr, und in dem braunen Wasser trieben nicht mehr die Opfer von Gefechten. Im Gebüsch am Ufer sang ein Vogel sein reines Lied, und die sengende Sommerhitze war inzwischen erträglich.

Die Ruhe wirkte beunruhigend, ja beinahe bedrohlich. So war es oft gewesen, kurz bevor der Feind zuschlug. Wenn man abgelenkt und entspannt war, eingelullt von einem Augenblick des Friedens und angesichts all der Schönheit ringsumher. Gray rüttelte sich innerlich wach. Er war nicht mehr Colonel Nathaniel Graystone, der Krieg war endlich vorbei. Vor knapp vier Monaten war Bonaparte endgültig auf den blutigen Schlachtfeldern in Belgien geschlagen worden.

Portugal war frei von Invasoren. Es gab keine Hinterhalte mehr, keine Scharfschützen hinter den Felsen. Gray musste keine Kavallerietruppe in eine Hölle aus Schüssen, Rauch und Blut führen. Er war nur noch der Earl of Leybourne und Zivilist, und er war gekommen, um einen unangenehmen Auftrag auszuführen. Als Titelträger und Familienoberhaupt fühlte er sich dazu verpflichtet.

Die beiden Männer, die das Rabelo lenkten, riefen etwas auf Portugiesisch, als das Segel zu flattern begann. Gray verstand alles, ohne überlegen zu müssen. Er duckte sich zwischen die leeren Fässer, als der Ausleger herumschwang, dann warf er dem Mann am Bug ein Seil zu.

Es war eigentlich unter seiner neuen Würde, in einem Frachtboot anzureisen, doch der Landweg wäre sehr umständlich gewesen und hätte viel länger gedauert. Auch nach zwanzig Monaten verhielt er sich noch immer nicht so, wie es sich für einen Angehörigen des Hochadels gehörte. Jedenfalls nicht nach Meinung seiner Patin, Lady Orford.

Sie und sein Pflichtgefühl waren der Grund für sein Dilemma. Als er nun bis zu den Knöcheln im Bilgewasser stand, sah er sich einer Situation ausgesetzt, für deren Lösung er Diplomat oder Kidnapper hätte sein müssen. Was er beides nicht war.

Der Steuermann rief etwas und wies mit dem Kopf zum Ufer. Dort standen Bäume, durch deren Laub Gray rote Dächer und die weiß gekalkten Mauern eines flachen, geräumigen Gebäudes erkennen konnte. Er sah Gärten und dann einen Bootssteg.

„É aquele Quinta do Falcão?“, rief er.

„Sim, senhor.“

Nun konnte er das ganze Haus sehen, das sich im Herzen der Quinta – des Weingutes – befand. Er fand es sehr hübsch, und seine Laune besserte sich ein wenig. Es zeugte von Wohlstand, sah bezaubernd und sehr gepflegt aus. Er war angenehm überrascht, denn er hatte eine gewisse Verwahrlosung erwartet. Seine Patin war außer sich gewesen.

Das Boot näherte sich der Anlegestelle. Durch ein paar dicht stehende Bäume konnte Gray einen kurzen Blick auf einige Grabsteine werfen, zwischen denen eine Frau sich gerade von den Knien erhob. Ihre roten Röcke setzten sich sehr schön vom Grün der Bäume ab. Er fand, alles sähe aus wie ein romantisches Gemälde.

Das Boot legte an. Der vordere Mann trat mit dem Seil auf den Steg und machte es an einem Pfahl fest. Dann gab er Gray ein Zeichen, sein Gepäck aus dem Boot zu werfen. Drei Taschen landeten auf dem Steg, dann verließ Gray selbst das Rabelo, bevor der Bootsmann das Seil wieder löste, in das Boot zurück sprang und es zurück in den Fluss steuerte.

Gray winkte und die beiden Bootsleute winkten breit grinsend zurück. Ihr habt guten Grund, euch zu freuen, dachte er. Bei dieser Bezahlung. Doch Geld war nicht das Problem – es ging um Schnelligkeit.

„Quem é você?“

Die Frau vom Friedhof wollte wissen, wer er war. Sie sah sehr malerisch aus: granatrote Röcke über weichen, schwarzen Stiefeletten, eine weite weiße Bluse unter einer engen schwarzen Weste. Sie stemmte die Hände in die Seiten, und ihre Miene hieß ihn ebenso wenig willkommen wie ihre Worte.

„Guten Morgen“, sagte Gray auf Englisch, während er sich nach seinem Gepäck bückte. Er richtete sich auf und musterte sie, ohne ihre Frage zu beantworten. Unter seinem Blick errötete sie und kniff sichtlich verärgert die großen braunen Augen zusammen.

„Dies ist der private Landesteg der Quinta do Falcão.“ Sie sprach nun akzentfreies Englisch. Trotz ihrer Tracht und der dunklen Haare war sie offenbar die Herrin des Anwesens.

„Ausgezeichnet, dann bin ich am Ziel. Es wäre ziemlich unangenehm gewesen, wenn man mich in zehn Meilen Entfernung abgesetzt hätte.“ Gray legte sich den Gurt einer Tasche über die Schulter und ergriff dann die Riemen der anderen. „Miss Frost, wie ich annehme?“

Sie kniff wieder die Augen zusammen. „Ich frage noch einmal, Sir, wer sind Sie?“

„Ich bin Leybourne. Ein Brief sollte Sie eigentlich über mein Eintreffen informiert haben. Ihre Tante Henriette, Lady Orford, hat ihn vor mindestens einem Monat geschrieben.“

Eine dunkle Locke löste sich aus den Kämmen in ihrer Frisur und fiel ihr auf die Wange. Miss Frost strich sie zurück, ohne ihren feindseligen Blick von seinem Gesicht abzuwenden. „Dann ist er vermutlich im Feuer gelandet, wie die meisten anderen auch. Und Sie sind dann wohl ihr Patensohn, Lord Leybourne. Sie müssten also wissen, wie sie ist.“

„Ja.“ Gray hielt sein Temperament im Zaum wie früher, wenn er hirnrissige Befehle von vorgesetzten Offizieren bekam, und äußerte keine Meinung über die Witwe. Sie war eine hochfahrende und taktlose alte Schrulle, das stimmte, doch sie hatte zweifellos recht in ihrer Ansicht darüber, was mit ihrer Nichte geschehen sollte.

„Und Sie erwarten, dass Sie hierbleiben können?“ Miss Frost schaute mit aufeinandergepressten Lippen dem schnell entschwindenden Boot hinterher. Es waren keine anderen Boote in Sichtweite, und das nächstgelegene Dorf lag mehrere Meilen entfernt.

Wahrscheinlich waren die Absichten von Patin Orford berechtigt, aber er begann sich zu fragen, ob es so einfach sein würde wie gedacht, diese kratzbürstige junge Frau zu verheiraten. Miss Frost sah zwar ganz reizend aus, aber von ihrer Zunge träufelte Essig, nicht Honig. „Wenn es Ihnen keine Umstände macht. Ich glaube nicht, dass es hier in der Nähe eine andere Unterkunft gibt.“

„Sie können im Männerhaus übernachten.“ Miss Frost drehte sich auf dem Absatz um und ging zu den Gebäuden, ohne sich zu vergewissern, dass er ihr hinterherkam. „Es steht leer zu dieser Jahreszeit“, warf sie ihm mit verächtlicher Stimme über die Schulter hinweg zu. „Wir nutzen es für Besucher und Geschäftspartner. So kurz nach der Ernte ist niemand da.“

Zu seiner Verwunderung war er eher belustigt als verärgert, als er ihr folgte. Ihr Auftritt war beeindruckend und ihre Rückseite sah appetitlich aus. Außerdem empfand er Sympathie für jeden, der die Befehle seiner Patin ins Feuer warf. Andererseits war das hier offensichtlich nicht der Ort, an dem eine alleinstehende junge Frau aus angesehener Familie leben sollte.

Ein untersetzter, dunkelhäutiger Mann in einer weiten Hose, mit roter Schärpe um den umfangreichen Bauch, eilte ihnen aus dem Haus entgegen. „Senhora Gabrielle?“

„Dieser Gentleman ist der Earl of Leybourne, Baltasar“, sagte sie auf Englisch. „Er wird heute im Casa dos Cavalheiros übernachten und mit mir zu Abend essen. Bis dahin schicke bitte einen der Männer hinüber, damit er alles hat, was er braucht. Morgen früh wird er die Kutsche benötigen, um zurück nach Porto zu fahren.“

„Ich danke Ihnen.“ Gray stellte sich neben sie und setzte sein Gepäck auf der Stufe vor dem Eingang ab. „Allerdings fürchte ich, dass unsere Angelegenheit mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als nur eine Nacht, Miss Frost.“

Unsere Angelegenheit?“ Sie zog die Augenbrauen hoch. Grey bewunderte den eleganten Schwung ihrer Brauen und die Länge der Wimpern, als sie ihn nun direkt ansah. Eigentlich bewunderte er alles an ihr, wenn er ehrlich war. Gut, sie hatte den Charme einer wütenden Hornisse, doch ihr Zorn zauberte einen rosigen Hauch auf ihre Wangen. Ihr Teint war leicht olivfarben. Offensichtlich hatten ihre Vorfahren sich irgendwann in der Vergangenheit mit dem einheimischen Landadel vermählt. Dann fiel ihm wieder ein, dass er sie von hier fortbringen musste. Er würde die Stiche dieser Hornisse auf dem ganzen Weg nach England ertragen müssen. Das machte sie etwas weniger anziehend.

„Ich versichere Ihnen, dass ich nicht aus eigenem Antrieb nach Portugal zurückgekehrt bin, Miss Frost.“ Er bemühte sich um einen freundlichen Tonfall, aber das schien sie nur noch wütender zu machen.

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie den langen Weg hierher nur als Botenjunge für meine liebe Tante zurückgelegt haben? Ich hatte keine Ahnung, dass man so einfach über einen Earl verfügen kann. Ich nehme an, dass es nicht lange dauern wird. Ich werde sowieso alles ablehnen, was sie will. Aber fühlen Sie sich bitte wie zu Hause, Lord Leybourne.“ Sie machte eine umfassende Geste über das Land. „Und bleiben Sie ruhig für eine Woche, wenn Sie das brauchen, um meine Tante davon zu überzeugen, dass ich nicht das Geringste mit ihr zu tun haben will.“

Gabrielle blickte dem Earl nach, als er Baltasar über den gewundenen Pfad bis hin zu dem kleinen Haus folgte. Als unverheiratete Dame ziemte es sich für sie, männliche Hausgäste getrennt unterzubringen, um ihren guten Ruf zu wahren, obwohl Gabrielle Frost of Quinta do Falcão schon fast als Mann ehrenhalber in der Umgebung angesehen wurde, zumindest in ihren Geschäftsbeziehungen.

Diesen Mann musste sie unbedingt auf Abstand halten. Ihres Wissens hatte sie den Patensohn ihrer Tante nie zuvor getroffen, aber sie war auch seit ihrem siebzehnten Lebensjahr nicht mehr in England gewesen. Schuld daran war der Krieg. Als sie sich nun abwandte, murmelte sie verstimmt in sich hinein, weil sie ihm nachgeschaut hatte. Dieser Mann war sich auch ohne ihre Bestätigung sicher nur allzu bewusst, dass er mit seiner hochgewachsenen Figur die Blicke von Frauen anzog. Er war vermutlich ein ehemaliger Offizier, der im Krieg hier gedient hatte, denn er bewegte sich wie ein Soldat, hielt sich sehr gerade, war aufmerksam und in guter körperlicher Form. Er konnte ihr gefährlich werden – in mehr als nur einer Beziehung. Sie musste sich vorsehen.

Sie stieß die Tür zur Küche auf. Maria, die Köchin und Ehefrau von Baltasar, blickte von ihrer Arbeit am Küchentisch auf. „Maria, wir haben einen Gast. Einen englischen Earl, der in Beziehung zu meiner Familie steht. Er wird mit mir zu Abend essen. Baltasar bringt ihn gerade in das Männerhaus. Bitte schicke ihm etwas zur Erfrischung.“

Sim, senhora.“ Maria stellte die kompliziert geformten Pasteten fertig und bedachte sie mit einem sichtlich zufriedenen Blick. Sie zeigte gern ihre Werke, und Gabrielle bewunderte sie auch immer, konnte aber nie alles aufessen. Und Jane Moseley, ihre Gesellschafterin, war beim Essen sehr wählerisch und sehnte sich auch nach fast zehn Jahren in Portugal immer noch nach guter englischer Hausmannskost.

Alfonso und Danilo unterhielten sich laut in der Spülküche. Wie zu erwarten, war alles unter Kontrolle. Der Haushalt lief wie am Schnürchen, und nur selten entstand eine Situation, die Gabrielle abgelenkt hätte von ihrer Hauptaufgabe – Wein anzubauen und zu verkaufen. Ihr gut geschultes Personal und die ruhige und tüchtige Miss Moseley taten ihr Bestes, um ihr diese Arbeit zu erleichtern.

So konnte sie sich nun wieder ihren Verwaltungsaufgaben widmen. Sie musste die Bücher, die sie in der hektischen Erntezeit etwas vernachlässigt hatte, auf den neuesten Stand bringen. Bald begannen die Herbst- und Winterarbeiten. Sie betrat ihr Büro und setzte sich an den Schreibtisch. Von hier aus hatte sie auch eine gute Aussicht auf das Männerhaus.

Sie öffnete das Tintenfass, tunkte die Feder ein und vervollständigte ihre Aufzeichnungen bezüglich der Terrasse am südlichen Ufer, wo als Nächstes eine Rodung und Neubepflanzung anstand. Ihr Vater hatte sie ein englisches Sprichwort gelehrt: „Bäume pflanzt man für seine Erben.“ Bei Weinreben war es nicht ganz so langwierig, aber dennoch würde es Jahre dauern, bis sie einen guten Ertrag von den neuen Pflanzen haben würde. Sie musste sofort damit anfangen.

Gaby wusste, was Tante Henrietta sie fragen würde: Worin bestand der Nutzen, die Quinta für die Nachwelt zu unterhalten und zu verbessern, wenn es niemanden gab, der das alles erben würde? Sie hatte sich das schon oft genug selbst gefragt. Die Antwort lautete, dass sie irgendwann einen Erben finden musste, den sie für würdig hielt, denn sie war die letzte der Frosts.

Vier Dutzend okulierte Wurzelstöcke … Sie stockte mitten im Satz und knabberte nachdenklich am Ende der Feder. Natürlich kannte sie den Grund, warum Leybourne hier war. Er sollte sie dazu überreden, die Quinta zu verlassen, nach England zurückzukehren und sich den Hochzeitsplänen ihrer Tante zu unterwerfen. Es war ihr ein Rätsel, wie ihre Tante es fertiggebracht hatte, ihn zu dieser Reise zu beschwatzen. Wollte er sich ihrer Bevormundung für eine Weile entziehen? Oder wollte er vielleicht die Kriegsschauplätze noch einmal besuchen, an denen er gekämpft hatte? Es war ihr gleich aufgefallen, wie gut sein Portugiesisch war, als er mit den Bootsleuten redete.

Wo waren Sie denn im Oktober vor fünf Jahren, Mylord? Hinter den Linien vor Torres Vedras mit Wellington, um Lissabon zu beschützen? Ob er wohl mit Major Andrew Norwood befreundet gewesen war? Nein, daran wollte sie lieber nicht denken. Auch nicht an die schrecklichen Geräusche von Fäusten, die auf Haut und Knochen treffen. Oder an das tödliche Wispern einer Messerklinge in der Dämmerung. Und die Gewalttätigkeit in den Herzen der Männer …

Gaby beugte sich über ihr Wirtschaftsbuch. Es gab noch viel zu tun, ein Weingut leitete sich nicht von selbst. Sie durfte sich nicht erlauben, wieder an Norwood zu denken, sonst würden die Albträume wieder losgehen. Er war weg. Tot. Sie würde ihm nicht erlauben, sie noch einmal heimzusuchen.

Die Uhr in der Halle schlug sechs, und sie beendete ihre Eintragungen. Sie legte die Feder weg, ordnete die Papiere und sah schließlich aus dem Fenster. Und da war ihr ungeladener Gast. Barhäuptig schlenderte er durch den Obstgarten, als besichtigte er sein eigenes Land. Und er hielt geradewegs auf die Grabstätten zu.

Wahrscheinlich reagiere ich zu heftig, sagte sich Gaby, als sie die Treppe hinablief und durch die Vordertür eilte. Es gab eigentlich keinen Grund, warum er sich nicht auf dem Gelände umsehen sollte. Es war auch ganz natürlich, dass er die Gräber besuchte, wenn es ihm so gefiel. Doch was er dort vorfinden würde … nun, das ging ihn nichts an. Er war nur auf der Durchreise und würde bald wieder verschwinden. Was er über sie dachte, war absolut nicht von Bedeutung.

Als sie ihn erreichte, stand er mit leicht gesenktem Kopf am Grab ihrer Eltern, offenbar tief in Gedanken versunken. Genau an dieser Stelle stand sie fast täglich, sammelte ihre Gedanken, stellte Fragen und befasste sich mit schwierigen Problemen. Sie erwartete natürlich keine Antwort aus dem Jenseits, aber oft genug fand sie eine Lösung, wenn sie sich vorstellte, was ihre Eltern an ihrer Stelle getan hätten. Ihr Vater hatte ihr nie genaue Anweisungen erteilt, was das Geschäftliche betraf. Er hatte sie durch sein Vorbild gelehrt und zu Innovationen ermutigt. Nur eine einzige Vorschrift hatten ihre Eltern ihr mitgegeben: „Folge immer deinem Gewissen. Bist du im Zweifel, höre auf deine innere Stimme, dann wirst du das Richtige tun.“ Nach dieser Richtlinie lebte sie, so gut sie konnte.

„Dezember 1807, sagte der Earl und schaute auf. „Das war der Monat, als die Franzosen Porto zum ersten Mal einnahmen.“

„Ja. Zu all den Kriegsschrecken kam auch noch der Ausbruch der Influenza hinzu. Wahrscheinlich machten die Angst und die schwere Belastung durch die Invasion meine Eltern besonders anfällig für die Krankheit.“ Inzwischen konnte sie darüber sprechen, ohne ihre Gefühle zu zeigen. Manchmal erschien es ihr wie ein Albtraum. Mit ihrem damals vierzehnjährigen Bruder hatte sie plötzlich ohne Eltern dagestanden. Irgendwie hatten sie in einem Land in Aufruhr die Quinta gegen die kämpfenden Armeen verteidigen müssen. Sie vermisste ihre Eltern jeden Tag. Obwohl der Schmerz erträglicher wurde, verging das Gefühl des Verlustes nie.

„Und hier liegt Ihr Bruder.“ Leybourne stand am nächsten Grabstein. Sie hatte versagt bei dem Versuch, Thomas zu beschützen. Der Earl hockte sich daneben, um die Inschrift zu lesen. „September 1810. Da standen wir hinter den Linien von Torres Vedras, nachdem wir Lissabon gehalten hatten. Ich denke oft an diese Monate.“ Nach seinem Tonfall zu schließen, nicht besonders gern.

„Franzosen töteten Thomas. Keine Krankheit.“ Franzosen und Verrat.

„Das tut mir sehr leid.“ Bei ihren Worten schaute er sie an, dann wieder den Grabstein. „Ich wusste nicht, dass er noch so jung war. Wie ist das geschehen? Waren es Plünderer?“

„Er war gerade erst siebzehn geworden.“

Alt genug, um an Mädchen zu denken, aber zu schüchtern, um mit ihnen zu sprechen. Alt genug, um den ersten Flaum abzurasieren, und jung genug, darauf stolz zu sein. Jung genug, um seiner Schwester einen Kuss zu geben, wenn er heimkam, und alt genug, dass ihre Besorgnis ihn störte …

„Er war bei den Guerillas. Nicht ständig. Nur, wenn der Major ihn einsetzte.“ Ihn ausnutzte.

Er blickte wieder auf. „Andrew Norwood, der Aufklärungs-Offizier?“

„Der Spion, ja. Er freute sich über den enthusiastischen und idealistischen jungen Mann, der sich in den Bergen gut auskannte.“ Thomas war unerfahren gewesen, fast noch ein Kind. Ein Knabe, der wahrscheinlich getötet werden würde. Dass Major Norwood ihn benutzte, hatte sie viel zu spät begriffen. Gaby hielt ihre Stimme absichtlich neutral. Vielleicht war der Earl ja ein Freund Norwoods gewesen, als er hier diente. Es war durchaus möglich, dass er wie Norwood dachte.

„Konnten Sie Ihren Bruder nicht davon abhalten?“ Leybourne stand auf. „Nein, natürlich nicht. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, gegen die Franzosen zu kämpfen, hätte man ihn anketten müssen, um ihn daran zu hindern. Bei uns waren noch jüngere Knaben, die sogar ein falsches Alter angegeben hatten, um in den Kampf zu ziehen.“

„Wenn ich angenommen hätte, dass es helfen würde, hätte ich versucht, ihn anzuketten, das können Sie mir glauben.“ Erneut empfand sie den Schmerz über die Auseinandersetzungen und Zerwürfnisse.

„Wir sind Engländer und Portugal ist unsere Heimat“, hatte Thomas ihr an den Kopf geworfen. „Die Franzosen sind unsere Feinde und die Feinde Portugals. Es ist unsere Pflicht, gegen sie zu kämpfen.“

„Ich sagte ihm, dass es unsere Pflicht sei, die Quinta in Schwung zu halten, unseren Leuten Arbeit und ein Dach über dem Kopf zu geben. Und die Wirtschaft zu unterstützen, damit das Land sich erholen könnte, wenn der Krieg vorbei sein würde. Die Franzosen würden irgendwann abziehen, hielt ich ihm vor.“

„Wir verstecken uns hier wie einfache Bauern und Händler, obwohl wir von Earls abstammen“, hatte ihr Bruder in leidenschaftlichem Ton geantwortet. „Aber wir Frosts sind Kämpfer.“

Gaby kam wieder zu sich. Wütend stellte sie fest, dass ihr Blick getrübt war. Sie blinzelte die Tränen weg. „Ich war so stolz auf ihn, aber ich hatte auch sehr große Angst um ihn. Er war ein Knabe mit dem Herzen eines Mannes. Und am Ende wurde er verraten.“

„Von wem? Einem Guerillakämpfer? Einige der Kämpfer in Spanien wurden von den Franzosen mit Geld bestochen oder mit Drohungen eingeschüchtert.“ Der Earl legte eine Hand auf den Grabstein.

„Nein. Aber das ist nicht mehr von Bedeutung. Der dafür Verantwortliche ist tot.“ Ihre Stimme klang wieder gleichmütig, und sie hatte ihre Emotionen wieder im Griff. Sie gab auch nicht dem Impuls nach, zu der Stelle am Flussufer zu blicken, wo zwei Männer im Kampf auf Leben und Tod in die Strömung gestürzt waren. Heute stand dort ein Holzstoß, obwohl es keine Spuren gegeben hatte, die man hätte verwischen müssen.

Wie hatte dieser Mann sie dazu gebracht, ihm so viel zu erzählen und so viele Gefühle preiszugeben? Gaby lächelte mühsam und wandte sich ab, um mit ihm diesen Ort zu verlassen. Vorbei an den Gräbern ihrer Großeltern, Thomas und Elizabeth, und denen ihrer Urgroßeltern, Rufus und Maria Frost, den ersten Besitzern der Quinta. Der halb verwitterte alte Stein trug noch das Wappen, nach dem die Quinta benannt worden war. Es war nur noch schwach zu erkennen, trotzte aber immer noch der Witterung.

„Lord Leybourne, kommen Sie mit, dann zeige ich Ihnen den Rosengarten.“ Die Rosen waren zwar schon fast alle verblüht, aber für sie war es besser, sich auf ein weniger heikles Terrain zu begeben.

Aber nein. „Nennen Sie mich Gray, wie alle anderen“, sagte er und ging statt zum Tor auf direktem Weg in die südliche Ecke des Friedhofs. „Was ist das?“ Er blieb bei einem einfachen weißen Stein stehen, der so geneigt war, dass das Licht der aufgehenden Sonne direkt auf ihn traf.

L.M. stand darauf eingemeißelt. Er schaute sie stirnrunzelnd an, als sie näherkam, dann widmete er sich wieder der Inschrift. 25. März 1811. Zur Erinnerung. „Das ist der Tag der Schlacht um Campo Major. Für wen ist dieser Stein?“

Sie lächelte ihn an. Trotz ihrer Gefühle war sie ein wenig belustigt darüber, wie er sie ansah. Es störte ihn offensichtlich, wenn er nicht mit allen Fakten einer Situation vertraut war. Der Wunsch, ihn zu überrumpeln, war unwiderstehlich.

„Für meinen Geliebten.“

2. KAPITEL

Gray richtete sich gerade auf. Er war nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte.

„Ihren Geliebten? Sie meinen wohl Ihren Verlobten.“

„Sie haben mich richtig verstanden, Mylord. Er war mein Geliebter. Und nein, ich will mit Ihnen nicht darüber sprechen.“

Sie bückte sich und wischte ein welkes Blatt von dem Stein, dann ging sie davon – als wäre ihr nicht bewusst, dass sie ihm gerade eine gezündete Handgranate zugeworfen hatte.

Ein Geliebter? Also war sie entehrt. Seine Patin würde Anfälle bekommen, denn nun würde niemand außer vielleicht einem bankrotten jüngeren Sohn sie noch heiraten wollen. Was zum Teufel bezweckte sie damit, dass sie dies so schamlos preisgab?

Gray riss sich zusammen und ging hinter ihr her. Er verließ nach ihr den kleinen Friedhof und ließ das kleine schmiedeeiserne Tor hinter sich zufallen. Ihre roten Röcke strichen raschelnd durch das Gras. Sie hatte offenbar lange Beine, denn er musste große Schritte machen, um sie einzuholen.

„Miss Frost, bitte, bleiben Sie stehen.“ Es klang mehr wie ein Befehl als eine Bitte, und sie reckte das Kinn noch höher. Als hätte er nichts gesagt, setzte sie ihren Weg fort, bis sie durch einen bogenförmigen Durchgang in einer immergrünen Hecke trat.

„Dies ist der Rosengarten. Hier kann man uns vom Haus aus nicht beobachten.“ Sie ging zu einer Steinbank und ließ sich darauf nieder. Es war ein bezaubernder Platz, von dem aus man einen Teich und einen Springbrunnen inmitten von runden Rosenbeeten bewundern konnte. Doch Gray war nicht in der richtigen Stimmung dafür.

Er blieb neben ihr stehen. Mit seiner Schulter streifte er Rosenblütenblätter in der Farbe ihrer Röcke ab, die ihr auf den Kopf fielen. Wie Konfetti aus Blut. Gray musste ein Schaudern unterdrücken bei dieser grausigen Vorstellung. Die Erinnerung an den Krieg musste Bilder in ihm wachgerufen haben, die er in den letzten vier Jahren verdrängt hatte.

„Ist es allgemein bekannt?“, erkundigte er sich. „Ich habe kein Gerede in Porto gehört, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand.“

„Selbstverständlich nicht. Halten Sie mich für eine lockere Person, die sich ihrer … Abenteuer brüstet?“

„Warum haben Sie es dann mir erzählt, einem völlig Fremden?“

„Weil Sie ein völlig Fremder sind, der mich nach England zurücklocken soll, wie ich vermute. Sie sind ein englischer Gentleman und werden gewiss nicht ausplaudern, was Sie von mir erfahren. Nun wissen Sie, warum ich Sie nicht begleiten möchte.“ Sie legte den Kopf leicht schräg und schaute ihn von unten her an wie eine neugierige Katze.

„Sie überraschen mich, Miss Frost.“ Hatte diese Frau kein Schamgefühl?

„Dann tut es mir leid, ihr Zartgefühl verletzt zu haben, Mylord.“

„Ich habe kein Zartgefühl, Miss Frost, Ihre Tante hingegen durchaus.“ Sie wäre auf jeden Fall äußerst empört.

Sie zog die Schultern hoch, und er hätte sie gern geschüttelt. „Oh ja, meine Tante hat gewiss viele zarte Gefühle. Doch sie ist weit weg, und ihre Meinung kümmert mich nicht.“

Angesichts dieser dreisten Gleichgültigkeit hatte es keinen Sinn, ihr weitere Vorhaltungen zu machen. Der Krug war zerbrochen, man konnte ihn nicht wieder zusammenfügen.

Miss Frost furchte nachdenklich die Stirn. „Haben Sie auch an den Kämpfen in Campo Major teilgenommen, Mylord?“

„Ja. Warum? Und nennen Sie mich Gray.“ Es hatte keinen Zweck zu streiten, und er hasste es, wenn man ihn ständig Mylord nannte.

„Warum ich frage? Weil Sie vielleicht ganz in seiner Nähe waren, als er getötet wurde.“ Sie sagte es, ohne sich irgendwelche feindseligen Gefühle anmerken zu lassen. Eher so, als überlegte sie, wie sie ihn umbringen konnte, ohne dabei zu viel Dreck zu verursachen.

„Welches Regiment?“, fragte er.

„Infanterie.“

„Ich war bei der Kavallerie, vermutlich an der entgegengesetzten Flanke.“

„Dann gibt es dazu nichts mehr zu sagen, oder …?“

Gaby schaute in den Garten. Etwas hüpfte aus dem Teich, vielleicht ein Frosch. Ein paar Elstern kreischten. „… Gray“, fügte sie mit Verspätung hinzu.

„Wir müssen uns unterhalten“, meinte Gray nach einer kurzen Pause, die seltsamerweise beinahe freundschaftlich wirkte. Er störte die friedliche Atmosphäre des Gartens nicht gern.

„Sie müssen das vielleicht.“ Gaby seufzte. „Dann haben Sie Ihre Pflicht erfüllt und können nach England zurückkehren. Ich hoffe, Sie haben noch andere Geschäfte in Portugal zu erledigen, denn es wäre ein weiter Weg gewesen – nur für ein Gespräch.“

„Es ist der einzige Zweck meiner Reise.“ Ein Gespräch und die Rückkehr mit einer jungen Lady, die sich bereits zehnmal vielschichtiger erwiesen hatte, als er gedacht hätte. „Ich könnte jedoch vielleicht meine Vorräte an Portwein ergänzen, solange ich hier bin.“

„Natürlich.“ Gaby wandte sich ihm zu, und etwas schien in ihren braunen Augen zu erwachen, etwas Lebendiges und Leuchtendes. Nun hatte er endlich ihre volle Aufmerksamkeit. „Wie viel haben Sie noch im Keller? Wie hoch ist Ihr Verbrauch? Möchten Sie junge Weine erwerben, die noch reifen müssen, oder auch in gute alte Jahrgänge investieren? Ich kann Ihnen gute Preise anbieten. Natürlich müssen Sie sie erst einmal probieren und vergleichen.“

Sie brach ab, wohl um zu kalkulieren. „Wie lange werden Sie bleiben? Ich könnte Sie in das Factory House einführen und dann mit Ihnen zu den besten Häusern gehen – nicht unbedingt zu den größten und bekanntesten.“

„Factory House? Ist das nicht eine Art Club? Da habe ich ein paarmal gespeist, nachdem wir Porto zum zweiten Mal eingenommen hatten.“

„Dort treffen sich die Vertreter der englischen und schottischen Häuser mit den hier ansässigen Weinbauern und Spediteuren. Es ist eine Mischung aus Club und Handelshaus und dient der gegenseitigen Unterstützung.“

„Aber Sie als Frau sind vermutlich kein Mitglied?“

Gaby stand auf und zwang damit Gray, sich ebenfalls zu erheben. Obwohl kleiner als er, gelang es ihr, verächtlich auf ihn herabzusehen. „Dies …“, sie machte eine umfassende Handbewegung, „ist die Quinta do Falcão. Es ist eines der großen Anwesen, und ich bin die Eigentümerin. Um mich vom Factory House auszuschließen, müsste ich ein größeres Verbrechen begehen, als keinen Penis zu besitzen oder lockerer Moral verdächtigt zu werden.“

Gray atmete tief durch. Er hatte den Angriffen der französischen Kavallerie und Wellingtons Gebrüll standgehalten. Er würde sich nicht zu einer heftigen Reaktion hinreißen lassen, nur weil eine junge Frau Penis sagte, ohne rot zu werden. Und zugab, einen Liebhaber gehabt zu haben.

„Außerdem ist es eine Frage des Geldes“, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns. „Portwein wird verschnitten. Die Herstellung ist anders als in Burgund oder Bordeaux. Wir arbeiten zusammen, um gemeinsam unsere Weine zu kreieren. Für keinen hier wäre es ratsam, sich mit Gabrielle Frost von der Quinta do Falcão anzulegen.“

„Ich verstehe. Es geht also um das Geschäft.“ Selbst in seinen eigenen Ohren klang er kleinlich. Wie ein verständnisloser Ignorant. Warum schaffte er es eigentlich nicht, mit dieser Frau normal zu reden? Er war achtundzwanzig, sie war drei Jahre jünger, das wusste er. Obwohl er ein Earl und Colonel war, hatte er nicht den leisesten Schimmer, wie er mit ihr umgehen sollte.

Seine Ehe war leidenschaftslos gewesen. Wenn Portia unglücklich gewesen war, hatte sie geschmollt und sich zurückgezogen, wie es einer Lady anstand, und nicht mit scharfen Worten zurückgeschlagen oder sich über jeglichen Anstand hinweggesetzt. Andererseits war ihm bewusst, dass er kein besonders guter Ehemann gewesen war. Er hatte keine Ahnung, was im Kopf einer Frau vor sich ging, besonders dieser Frau.

„Ja, es dreht sich immer um das Geschäft.“ Gabys Stimme war honigsüß. „Es ist leider nicht sehr angesehen, etwas Wunderbares herzustellen, das ihr Aristokraten dann genießen könnt, obwohl ihr uns dafür verachtet. Ich muss Gewinne erzielen, Mylord, so wie der Schneider Ihrer gut sitzenden Jacken oder der Schuster, der die Stiefel an Ihre Waden anpasst. Oder sogar der Büchsenmacher, der den perfekten Griff für Ihre Hand herausfindet.“

„Gibt es Teile des männlichen Körpers, die Sie heute Nachmittag nicht erwähnen werden, Miss Frost?“ Gray hoffte, seine Missbilligung deutlich zu machen, ohne wieder hochtrabend oder engstirnig zu wirken.

„Ich erspare Ihnen zu erröten und werde keine Hosen erwähnen, Mylord“, sagte sie mit einem Blick auf seine Oberschenkel.

Gray hoffte, dass er nicht allzu rot geworden war, und ging wieder zum Angriff über. „Sie stammen selbst aus einer aristokratischen Familie, Miss Frost, und sollten sich nicht über meinen Titel lustig machen.“

„Das tue ich nicht, Gray. Ich spotte nur über Ignoranten, die auf Handwerk und Gewerbe hinabsehen – auf Menschen, die sich ihr Geld verdienen.“ Als sie ihn kurz anlächelte, stockte ihm der Atem. „Ich hoffe, Sie kommen nachher zum Dinner und probieren unseren Portwein.“

Dann war sie verschwunden, bevor er etwas erwidern konnte. Was wahrscheinlich gut war, denn um Haaresbreite hätte er sich zu ihr hinabgebeugt, um ihre vollen roten Lippen zu küssen.

„Herrjemine.“ Gray setzte sich wieder. Was war nur über ihn gekommen? Abgesehen von Lust, Wahnsinn und Gehirnfieber … Gabrielle Frost war empörend anders als jede Frau, der er je begegnet war, einschließlich einiger sehr freizügiger Witwen. Sie war selbstständig, geradeheraus und … anstößig. Ein verdammtes Ärgernis für einen Mann, der möglichst schnell zu seinen eigenen Angelegenheiten zurückkehren wollte. Er hatte keine Ahnung, wie er sie von ihrer wertvollen Quinta wegholen sollte, ohne sie gewaltsam zu entführen.

Eigentlich hatte er etwas völlig anderes erwartet – eine einsame, am Hungertuch nagende junge Frau, niedergedrückt von der Last ihres Erbes, die nur zu gern den Luxus und Glanz der Londoner Saison erleben wollte. Gabrielle Frost hingegen machte einen gesunden, lebhaften, wohlhabenden und ganz sicher ungebeugten Eindruck. Sie war keine ängstliche Unschuld vom Lande, sondern eine Dame von Welt, die sichtlich stolz auf das war, was sie erreicht hatte.

Doch er konnte sie nicht hier zurücklassen, ohne zumindest den Versuch unternommen zu haben, sie zu überzeugen. Er musste sein Wort halten. Außer ihrem Eigensinn sah er eigentlich keinen Hinderungsgrund für ihre Rückkehr. Sie war eine junge unverheiratete Lady aus guter Familie und sollte in England unter dem Schutz ihrer Tante stehen, bis ein passender Gemahl für sie gefunden war. Allerdings bekam er allmählich eine Vorstellung davon, warum noch kein Gentleman aus der Umgebung ihr einen Antrag gemacht hatte.

Sie hatte sich mit einem Liebhaber kompromittiert, es sei denn, sie hatte dies nur erfunden, damit er voller Entsetzen wieder abreiste. Doch für wen war dann der Grabstein? Für jemanden, den sie keusch geliebt hatte?

Gray lehnte sich zurück und versuchte, das Problem wie ein Soldat anzugehen. Wenn Miss Frost der Feind wäre und sich hinter den Mauern einer Festung verschanzt hätte, wie würde er sie hervorlocken? Jedenfalls wollte er nicht monatelang untätig vor ihrer Tür sitzen, bis er sie zermürbt hatte. Gewalt stand ebenfalls nicht zur Debatte, was auch eine Entführung ausschloss. Spionage oder Diplomatie schienen die einzigen durchführbaren Methoden zu sein. Am besten versuchte er es bei ihrer Gesellschafterin, vorausgesetzt, dass die Dame gesetzten Alters noch nicht von Gabrielle Frost entlassen oder in den Wahnsinn getrieben worden war. So etwas traute er ihr durchaus zu.

Gray schloss die Augen und überlegte, wie eine Anstandsdame ihm nützlich sein könnte. Doch rasch öffnete er sie wieder, denn vor seinem inneren Auge sah er keine gebeugte Witwe, sondern Miss Frost selbst. Und egal, womit er sich abzulenken versuchte – er fand diese Frau äußerst verführerisch.

Als er sich jetzt bewegte, fielen die roten Rosenblätter von seinen Schultern auf die Hände. Weich, samtig und unglaublich feminin. Gray legte sich die Hände vors Gesicht und stöhnte.

Nun. Dies war so stimulierend wie ein Wespenstich. Gaby eilte durch die Hintertür und stieg über die Steintreppe hinab in den Keller. Sie sah Lichter am hinteren Ende, also war ihr Kellermeister an der Arbeit.

„Jaime!“, rief sie in die Dunkelheit hinein.

„Sim, senhora?“ Mit einer Flasche in der Hand lugte er hinter einer dicken Säule hervor. Die Drahtgestellbrille saß ihm schief auf der Nase.

„Wir haben heute Abend einen Gast zum Dinner“, sagte sie in schnellem Portugiesisch. „Es ist ein englischer Aristokrat, der Portwein für seinen Keller braucht.“

„Braucht?“

„Jeder englische Lord braucht unseren Wein. Auch, wenn er es noch nicht weiß.“

„Kennt er sich gut aus?“

„Wahrscheinlich nicht bis ins Detail, aber vermutlich hat er einen guten Gaumen.“ Sie wusste allerdings nicht, woher sie diese Meinung nahm. Seine Kleidung war klassisch-elegant im englischen Stil, was jedoch nichts über seine Weinkenntnis aussagte. „Er hat während des Krieges hier gekämpft.“

Jaime gab einen gutturalen Laut von sich. „Also wollen Sie ihm den besten Wein servieren?“ Er mochte jeden Engländer, der gegen die Franzosen gekämpft hatte, denn er war bei den Guerillas gewesen, ebenso wie sein Sohn, der nie heimgekehrt war.

„Ja. Und den jungen weißen.“

Der Kellermeister zog die Brauen hoch, aber er nickte und folgte ihr den Regalen entlang, während sie den Wein auswählte, der zum Essen passte. Man trank guten Portwein nicht zum Essen, weil der Gaumen dadurch vom Wein abgelenkt wurde. Am Ende des Abends würde der Earl of Leybourne anerkennen müssen, warum sie hierbleiben wollte. Wenn er kein Banause war, würde er einsehen, wie wichtig ihre Arbeit war.

Und dann würde er abreisen und sie wäre nicht weiter durch gewisse Gedanken abgelenkt, die nichts mit Weinreben zu tun hatten, aber umso mehr mit seinem großen, muskulösen Körper.

Laurent. Gaby biss sich auf die Unterlippe, bis das Stechen unter den Augenlidern nachließ. Sie waren Liebhaber und Freunde gewesen, aber nicht richtig verliebt. Sie war eine junge Frau und wusste, dass irgendwann wieder jemand kommen würde, der ihr Blut in Wallung brachte. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass es ein englischer Offizier sein würde.

Als sie wieder ins Tageslicht trat und sich die Spinnweben von den Händen wischte, stellte sie erleichtert fest, dass es nur ihr Körper war, der sich von ihm einnehmen ließ, nicht ihr Kopf. Mit dem Verstand erkannte sie die Gefahr, wenn sie ihr gegenüberstand.

Nach dem Dinner würde sie sich anhören, was er zu sagen hatte, und ihm gestatten, ihr die Nachricht von Tante Henrietta zu verkünden. Danach konnte sie ablehnen, was immer er verlangte. Diesmal würde sie höflich Nein sagen. Sie hätte ihn im Rosengarten nicht verärgern sollen. Er war sogar rot geworden, doch sie wusste, dass es nur der Schreck über ihr schamloses Verhalten gewesen war. Er war kein errötender Jugendlicher mehr, sondern ein reifer, erfahrener, gebildeter Mann.

Lord Leybourne würde sie wohl kaum gewaltsam entführen – sie würde auf ihn schießen, falls er es versuchte – aber er hatte die Macht, ihre mühsam erworbene Gemütsruhe zu stören. Und diese konnte sie nicht mit ihren Pistolen verteidigen.

„Lord Leybourne.“ Baltasar kämpfte mit den schwierigen Vokalen, als er die Tür zum Speisezimmer öffnete und ihren Gast hereinführte.

Sehr stilvoll gekleidet, nicht nur gebildet, erfahren und so weiter. Gaby setzte ihr freundliches Lächeln auf und erhob sich. Neben ihr legte Jane ein Lesezeichen in ihr Buch und stand ebenfalls auf. Elegant, aber kein Stutzer, fügte Gaby ihrer Liste seiner Eigenschaften hinzu, als sie sah, wie er sich bewegte.

„Lord Leybourne, darf ich Sie mit meiner Gefährtin bekannt machen, Miss Moseley. Jane, Lord Leybourne, der für kurze Zeit bei uns zu Gast sein wird.“ Sehr kurze Zeit.

Selbstverständlich hatte er Abendkleidung eingepackt, und selbstverständlich befand sie sich in makellosem Zustand, obwohl er keinen Kammerdiener mitgebracht hatte. Und zweifellos war seine hautenge formelle Hose diesen Monat der modische Höhepunkt in London.

„Miss Frost. Miss Moseley.“ Er nahm Platz, nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, und lächelte Jane an. „Sind Sie auch so interessiert an der Weinproduktion, Miss Moseley?“ Gaby musste ihm Punkte geben für seine Höflichkeit gegenüber einer unscheinbaren Angestellten mittleren Alters. Für die meisten Gentlemen war Jane mehr oder weniger unsichtbar. Sie drängte sich nicht in den Vordergrund, und als Anstandsdame war sie gleichgültig, fast nachlässig. Das kam ihnen jedoch beiden entgegen.

„Nein, überhaupt nicht“, antwortete Jane auf ihre direkte Weise.

„Dann muss das Leben inmitten von so viel Weinwirtschaft für Sie doch eintönig sein.“

„Durchaus nicht. Der Einfluss von Boden und Gestein auf die Weinqualität und das Ergebnis der standardisierten Anbaumethoden im Tal ist aus wissenschaftlicher Sicht höchst interessant.“

„Das muss es wohl.“

Es gelingt ihm, einen interessierten Eindruck zu machen, dachte Gaby. Die meisten Besucher wurden von Jane zum Schweigen gebracht, wenn sie einmal in Fahrt kam. Viele fühlten sich von ihrer Art eingeschüchtert. Sie entschied sich, Mitleid mit ihm zu haben. „Miss Moseley ist Naturphilosophin, Mylord.“

„Gray“, sagte er stirnrunzelnd. „Bitte nennen Sie mich alle beide Gray.“

Er sollte häufiger die Stirn runzeln, dachte Gaby träumerisch. Es passte gut zu seinen strengen Gesichtszügen und den dunklen Brauen.

Als er dann lächelte, fiel es ihr jedoch erstaunlich schwer, nicht zurückzulächeln. „Ich habe mich beim Militär so daran gewöhnt, dass ich mich immer wieder umschaue, um nachzusehen, wo dieser Leybourne ist.“

Er wandte sich wieder an Jane. „Kennen Sie die Karte, die William Smith in diesem Jahr herausgebracht hat, Miss Moseley? Sie zeigt die Gesteinsformationen in England und Süd-Schottland.“

Ein Wunder. Der Mann interessiert sich für Steine – wie Jane.

Gaby lehnte sich etwas zurück und überließ die beiden ihrer Unterhaltung. Solange er über Naturphilosophie redete – und mittlerweile waren sie bei Erasmus Darwins seltsamen Ideen und noch seltsameren Gedichten angekommen – würde er sie nicht zur Heimkehr nach England überreden.

„Madam, ich bringe den Wein.“ Baltasar zeigte ihr die staubige Flasche, die sie vorhin ausgewählt hatte.

„Ein Aperitif“, sagte Gaby, und die beiden anderen unterbrachen ihr Gespräch über Fossilien und schauten Baltasar zu, wie er die Flasche öffnete.

Wie von ihr angewiesen, zeigte Baltasar Gray das Etikett.

„Ein weißer Portwein?“

„Ja, und er kommt nur von dieser Quinta, was sehr selten ist.“ Sie schenkte ihnen ein. „Normalerweise, wie schon gesagt, ist Portwein verblendet und besteht aus Trauben von verschiedenen Böden und Lagen, um ein besonders reichhaltiges und komplexes Aroma zu erzielen. Ich habe nun damit experimentiert, nur unsere eigenen Trauben zu verwenden, allerdings von beiden Ufern des Flusses und verschiedenen Höhen am Hang. Über das Ergebnis bin ich wirklich sehr erfreut.“

Gray hob das Glas, schnupperte, probierte und zog die Brauen hoch. „Ein sehr feines Aroma. Bisher war ich nie begeistert von weißem Portwein, aber dieser ist ausgezeichnet.“

„Das finde ich auch“, sagte sie ohne falsche Bescheidenheit. Es war in der Tat ein Triumph. „Jetzt müssen wir noch abwarten, wie er sich entwickelt, weil ich ihn noch weitere drei Jahre im Wald lassen will. Währenddessen beginnen wir damit noch einmal in diesem Jahr und werden die doppelte Menge mit dieser Methode behandeln.“

„Drei Jahre?“ Gray ließ seinen Blick vom Weinglas zu ihrem Gesicht wandern. Er war nicht so unsensibel, dass er ihr Engagement nicht wahrgenommen hätte.

„Ja.“ Sie sah ihm gerade ins Gesicht. „Es ist mein Lebensinhalt, solchen Wein zu entwickeln und heranzuziehen.“

Und Sie werden mich nicht von hier wegbringen.

„Für mich klingt es nach Leidenschaft, nicht nur Befriedigung.“ Gray sprach in neutralem Ton, als machte er eine gewöhnliche Bemerkung, aber in seinen Augen sah sie noch mehr. Einen warmen Schimmer, der den Worten Leidenschaft und Befriedigung eine ganz andere Bedeutung gab, und sie spürte einen sinnlichen Schauer ihren Rücken hinablaufen. Er blickte auf ihren Mund, und jetzt erst merkte Gaby, dass sie sich auf die Unterlippe biss. Anscheinend hatte sie sich draußen im Garten nicht nur eingebildet, dass er sie küssen wollte.

„Jantar está servido, Senhora.“ Baltasar hatte es aufgegeben, Englisch zu sprechen.

Gabrielle leerte ihr Glas. „Sollen wir hinübergehen?“

Gray bot Jane seinen Arm und erntete dafür einen Blick widerwilliger Anerkennung von ihr. Jane war an Missachtung von Fremden gewöhnt, aber das bedeutete nicht, dass sie solches Benehmen guthieß. Doch sie zeigte ihren Ärger niemals offen. Wenn es besonders schlimm für sie wurde, holte sie ein Buch hervor und las.

Das Dinner verlief erstaunlich angenehm. Gray gab eine intelligente Beurteilung ab zu dem einfachen Wein, der zum Essen serviert wurde, und er lobte die verschiedenen Gerichte. Die Themen England und Tante ließ er zu Gabys Erleichterung unerwähnt.

Nach dem Essen erhob sie sich, und höflich stand auch er auf. „Möchten Sie sich mir im Salon auf ein Glas Portwein anschließen, Gray? Es ist besser, ihn nicht im Esszimmer zu trinken, weil der Geruch den Gaumen abstumpft.“

Er zeigte seine Überraschung nicht und folgte ihr und Jane. Allerdings sah er doch ein wenig verblüfft aus, als Jane ihm Gute Nacht wünschte und zur Treppe ging.

„Miss Frost, Ihre Anstandsdame hat Sie verlassen.“ Er hielt ihr die Tür auf.

„Offenbar hat sie beschlossen, dass Sie mich heute Abend nicht mehr verführen wollen. Kommen Sie doch herein und schließen die Tür. Sie sind hier sicher, wissen Sie.“

Ich? Das ist doch wohl nicht das Problem. Sie sollten nicht mit mir allein sein, Miss Frost.“

„Da außer meinen treuen Dienern und uns niemand im Haus ist, werden wir wohl kaum einen Skandal verursachen, Gray. Nun kommen Sie schon herein und setzen Sie sich, damit Sie diesen ausgezeichneten Portwein probieren können. Ich werde Ihnen dabei erklären, dass Sie sagen können, was Sie wollen – ich werde nicht nach England gehen, weder jetzt noch jemals.“

3. KAPITEL

Und nennen Sie mich bitte Gabrielle“, fügte Miss Frost mit einem so süßen Lächeln hinzu, dass es ihn ganz durcheinanderbrachte. Sie füllte zwei Gläser mit bernsteinfarbiger Flüssigkeit aus der Karaffe auf dem Beistelltisch, reichte ihm eines und ließ sich graziös in einem Sessel nieder.

Gray hätte viel Geld darauf verwettet, dass sie ihn mit ihrer Anmut ebenso provozieren wollte wie mit dem süßen Lächeln. Er nahm das Glas entgegen und lächelte dabei ebenso falsch wie sie, dann ließ er sich auf dem Sessel ihr gegenüber nieder. „Nun gut, Gabrielle. Erzählen Sie mir, warum Sie entschlossen sind, jegliche Bitte Ihrer Tante von vornherein abzulehnen.“

„Also liege ich richtig mit meiner Vermutung. Sie will, dass ich nach England komme, und hat Sie geschickt, um mich zu holen.“

„Ja“, bestätigte Gray unumwunden. Er schlug die Beine übereinander, hob sein Glas und schnupperte daran. Er war entzückt. Seine Nase versprach ihm ungeahnte Genüsse. „Mir scheint es ein sehr vernünftiger Vorschlag zu sein.“ Er teilte die Meinung seiner Patin, dass Gabrielle Frost zu jung, zu gebildet und schön war, um allein zu leben und in einem fernen Land ein Unternehmen zu leiten, nur mit einer blaustrümpfigen und nachlässigen Gesellschafterin.

„Wenn ich nach London fahre, wird sie darauf bestehen, dass ich George heirate.“ Gabrielle presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. „Was ich natürlich nicht tun werde, und ich habe keine Lust, überhaupt darüber zu diskutieren.“

„Ich kann verstehen, dass Sie keinen Cousin ersten Grades heiraten wollen, aber Lord Welford ist der Stiefsohn Ihrer Tante und nicht blutsverwandt mit Ihnen.“ Er nahm einen unbedachten Schluck von dem honigfarbenen Portwein. Das herrliche Aroma verschlug ihm fast den Atem, und er starrte verblüfft das Glas an. „Der Wein ist vortrefflich.“

„Das ist er wirklich. Doch George ist nur ein verwöhnter, begriffsstutziger, selbstsüchtiger und wichtigtuerischer kleiner Lord.“ Gabrielle nippte an ihrem Getränk.

„Gar nicht mal so klein. Er ist jetzt so groß wie ich.“ Aber immer noch verwöhnt und wichtigtuerisch. Ob George selbstsüchtig war, wusste Gray nicht, obwohl er davon ausging, dass der verwöhnte Erbe des Titels einen ausgeprägten Sinn für seine Würde hatte. Ihm selbst hatte die Army jeden Gedanken an die eigene Wichtigkeit ausgetrieben, doch George, Viscount Welford, war es nie erlaubt worden, sich so etwas Gefährlichem wie einer militärischen Übung auch nur von Weitem zu nähern, geschweige denn einem wirklichen Schlachtfeld. „Ich muss zugeben, dass er nicht der Hellste ist, aber er ist auch kein Dummkopf, und außerdem eine gute Partie.“ Er trank noch einen kleinen Schluck. „Und Ihre Tante kann Sie nicht zwingen, mit ihm vor den Altar zu treten.“

„Sie wird aber ständig herumnörgeln, mir Vorträge halten und mich herumkommandieren. Das wird mir den ganzen Besuch verleiden. Doch angenommen, ich wäre töricht genug zu tun, was Sie möchten, und schwach genug, um meiner Tante nachzugeben. Was wären eigentlich die Vorteile für mich?“ Sie zählte die Punkte an den Fingern ab. „Ich heirate den Erben des Titels eines Earls mit der Aussicht, eines Tages selbst Countess zu sein, und ich komme in den Genuss des englischen Klimas. Regen soll ja sehr gut für die Haut sein. Im Gegenzug muss ich auf mein Erbe verzichten, die Arbeit aufgeben, die ich liebe, und mich einem Mann unterordnen, der weniger intelligent ist als ich und in kurzer Zeit mein Geschäft herunterwirtschaften würde. Außerdem würde ich ständig von meiner Tante schikaniert werden. Ich finde nicht, dass der Titel und reine Haut das alles aufwiegen.“

„George hingegen bekäme ein sehr wertvolles Weingut … und mich. In aller Bescheidenheit – ich glaube, ich bin reicher, intelligenter und besser aussehend als er. Allerdings gibt es auch für ihn einen Nachteil, denn ich würde ihm das Leben zur Hölle machen.“

So gesehen, konnte Gray sie gut verstehen. An ihrer Stelle würde er Lord Welford auch nicht heiraten. „Wenn wir Lord Welford einmal außer Acht lassen …“

„Oh ja, bitte.“ Nun lächelte Gabrielle wirklich. Eine Locke rutschte aus dem Kämmchen im spanischen Stil und fiel ihr auf die Schulter und ins Dekolleté. Wie Schokolade auf Sahne.

Gray rollte den Stiel des Glases zwischen den Fingern und verbot sich selbst jede Reaktion. Es war ihm schon immer schwergefallen, mit feindlichen Mächten zu verhandeln. Darum war er in die Army eingetreten, nicht in den diplomatischen Dienst. „Sie können hier aber nicht allein leben.“

„Warum in aller Welt denn nicht?“

„Sie sind unverheiratet.“

„Portugal ist voll von alleinstehenden Frauen.“

„Ihre Anstandsdame ist der Aufgabe nicht gewachsen.“

„Papperlapapp.“

„Wie bitte? Sie geben doch offen zu, dass Sie einen Liebhaber hatten. Welche Art von Anstandsdame würde das zulassen?“

„Die Art, die ich will. Ich bin sehr froh, dass ich einen Geliebten hatte. Diesen Geliebten.“ Sie hob energisch das Kinn, aber ihre Augen glänzten feucht.

„Nun gut.“ Offenbar konnte er sie nicht davon überzeugen, aus Scham das Richtige zu tun. „Wem werden Sie jedoch einst diese Quinta hinterlassen? Ich wünsche Ihnen ein langes und gesundes Leben, aber eines Tages werden Sie einen Erben brauchen.“

„Es wäre ideal, wenn ich alles einem leiblichen Kind hinterlassen könnte. Leider müsste ich dafür heiraten. Womit wir wieder beim Heiratsproblem wären.“

Er versuchte es mit einem verbindlicheren Ton. „Wäre das wirklich so ein Problem?“

„Wenn ich einen Einheimischen heirate, wird die Quinta mit einem noch größeren Weingut verschmelzen und ihre eigene Identität verlieren. Wenn ich dumm genug bin, in England zu heiraten … welcher Ehemann würde den Aufwand mit einem Weingut auf sich nehmen, das so weit entfernt liegt? Er würde es verkaufen oder einem unpersönlichen Verwalter überlassen. In beiden Fällen wäre es nicht mehr Frost’s. Durch die Eheschließung werden Braut und Bräutigam vor dem Gesetz zu einer Einheit. Das eigenständige Leben einer verheirateten Frau wird vor dem Gesetz aufgehoben. Ich habe alles darüber gelesen. Wie würde Ihnen so etwas gefallen? Mehr Wein?“

„Vielen Dank. Und es würde mir nicht gefallen. Aber ich bin ja auch ein Mann.“ Mit dem Glas in der Hand, stand Gray auf, während sie ihn mit zusammengepressten Lippen ansah. Er musste sich bewegen, damit ihn nicht das Verlangen überwältigte, diese Frau zu schütteln. Oder zu küssen. Er fand ihre Mischung aus Temperament, Intelligenz und sinnlicher Schönheit berauschend. Aber er war auch verärgert – und müde nach einer schlaflosen, unbequemen Nacht auf dem Boot. Und auch gegen seinen Willen erregt.

Wenn er sich nicht auf das Seitentischchen konzentriert hätte, wo die Karaffen standen, hätte er gesehen, dass auch sie sich erhoben hatte. Doch so stießen sie zusammen, und sie traf mit ihrer Stirn gegen sein Kinn. Auch er verlor ein wenig das Gleichgewicht, und sie prallten Brust an Brust gegeneinander.

Sie duftete nach Rosen, Rosmarin und einem unbekannten Kraut. Er spürte ihren warmen Atem durch sein Hemd hindurch. Seine Brust war hart, doch ihr Körper fühlte sich weich und geschmeidig an. Gray brachte sie beide schnell wieder ins Gleichgewicht, schob sie zur Sicherheit ein Stück von sich fort und nahm ihr das Glas aus der Hand. „Ich hole den Wein.“

Sie hielt ihr Glas sehr fest. Offenbar hatte der Zusammenprall sie ebenso erschüttert wie ihn. Gray ließ sich viel Zeit beim Einschenken der Gläser, damit sie beide Zeit hatten, sich wieder zu fassen nach dem, was gerade geschehen war.

„Danke.“ Als er sich wieder umdrehte, saß Gabrielle wieder in ihrem Sessel. Sie nahm das Glas mit ruhiger Hand von ihm entgegen, und er bewunderte ihre Selbstbeherrschung. Er setzte sich ebenfalls wieder.

„Welche Pläne haben Sie für morgen? Bitte, stehen Sie auf, wann immer Sie wollen. Auf dem Weg zu Ihrem Zimmer kommen Sie an der Küche vorbei. Dort können Sie Bescheid sagen, für wann Sie heißes Wasser und Ihr Frühstück wünschen.“

Gray versuchte sich abzulenken von dem Gedanken, wie wohl ihre Haut schmeckte. Pläne? Hatte es noch einen Sinn hierzubleiben, außer um sich selbst zu quälen? Gabrielles Antwort war sehr deutlich gewesen, und er konnte es keiner Frau verübeln, George nicht heiraten zu wollen.

Andererseits hatte er versprochen, es zu versuchen, und vielleicht hatte er ja morgen eine neue Idee, wenn er eine Nacht darüber geschlafen hatte. Sie musste ja nicht unbedingt George heiraten. London war voll von geeigneten jungen Männern, die jede vernünftige Frau nur zu gern heiraten würde. Selbst seine Patin musste einsehen, dass die Verbindung mit ihrem Stiefsohn aussichtslos war, und bestimmt würde sie dann versuchen, einen anderen akzeptablen Partner für ihre Nichte zu finden.

Gabrielle war attraktiv, hatte als Mitgift ein florierendes Weingut und den Handel mit Portwein. Auch ihre Beziehungen waren gut, und von dem Liebhaber musste ja niemand erfahren. Es sei denn, es belastete ihr Gewissen, und sie beichtete es selbst. Sie würde eine sehr gute Verbindung eingehen können, wenn sie ihre zerstörerische Offenheit in den Griff bekam. Er nahm sich vor, morgen noch einen Überzeugungsversuch zu wagen.

Gabrielle räusperte sich. Er hatte ihr noch nicht geantwortet. „Pläne? Ich würde gern die Weinberge besichtigen, wenn das möglich ist, und etwas darüber erfahren, wie dieser Zaubertrank hergestellt wird.“ Er hob sein Glas, und sie nickte bestätigend. Die Locke glitt über ihre volle Brust, und er war sicher, dass bald eine weitere Locke dazukommen würde. Atme. „Dieser Wein ist besser als jeder, den ich besitze. Sie haben recht, ich brauche etwas davon für meinen Keller.“

Gabrielle schien nichts gegen seine Absicht zu haben, noch ein wenig zu bleiben. Möglicherweise bot die Gelegenheit, ihm teuren Wein für seinen Keller zu verkaufen, einen Ausgleich zu seiner störenden Gegenwart.

„Dann bleiben Sie“, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. Sie schien nicht im Geringsten verwirrt zu sein wegen des … Moments vor wenigen Minuten, und offenbar war sie auch nicht feindselig gegenüber ihrem Überraschungsgast eingestellt. Falls es ihr aufgefallen war, dass er ein wenig gepresst atmete, machte es ihr offenbar nichts aus.

„In einigen Tagen werde ich per Boot geschäftlich nach Porto reisen. Sie können mit mir kommen“, schlug sie vor. „Ich kann Ihnen dort Unterkünfte empfehlen, wo Sie bleiben können, bis Sie ein Schiff aufgetrieben haben, das Sie nach Hause bringt. Das sollte aber nicht allzu schwierig sein.“

„Vielen Dank. Das passt mir gut.“ Bis morgen hatte er hoffentlich seinen Verstand wieder unter Kontrolle und Argumente gefunden, mit denen er sie überreden konnte, ihn zu begleiten.

„Es tut mir leid, dass Sie vergeblich hierhergereist sind“, sagte sie, als er aufstand.

„Meine Reise ist noch nicht vorbei. Wer weiß jetzt schon, ob sie vergeblich war. Gute Nacht, Miss Frost.“

4. KAPITEL

Gute Nacht.“ Gaby trank ihr Glas leer. Warum hatte sie eigentlich mit ihrem idiotischen Vorschlag Gray die Möglichkeit eröffnet, fünf Tage länger hierzubleiben?

Sie würde auf keinen Fall mit ihm nach England fahren. Doch eigentlich lag ihr Problem mit ihm ganz woanders. Sie fühlte sich stark zu ihm hingezogen und war überzeugt davon, dass er ihre Gefühle erwiderte. Es war ganz bestimmt nur eine rein körperliche Anziehungskraft, aber trotzdem …

Gaby stand auf und ging im Zimmer umher. Es war unerträglich heiß im Haus. Nein, ihr war heiß. Sie hatte schon lange nicht mehr ihr Bett mit einem Mann geteilt, und anscheinend genügte harte Arbeit ihr nicht mehr als Ablenkung von ihren Bedürfnissen.

Warum nahm sie sich nicht einen der charmanten Einheimischen oder den Händler in Porto als Liebhaber? Von ihnen gab es doch genug. Intelligente, attraktive und witzige Männer, von denen sie einen womöglich sogar hätte heiraten können, wenn die Hochzeit nicht eine Falle gewesen wäre. Denn wenn sie heiratete, wurde sie mit allem, was sie besaß, zum Eigentum ihres Mannes. Sie würde Frost’s verlieren.

Auf der Terrasse war es ein wenig kühler, weil der Wind vom Fluss her wehte. Sie schloss die Glastüren und schlenderte draußen auf und ab. Die Blumen der Nacht dufteten betörend, ein paar Fledermäuse jagten flatternde Motten, doch sie blieb angespannt.

Seit einigen Monaten hatte sie schon ein Gefühl der Rastlosigkeit. Ihre anfangs tiefe Trauer war allgemeiner Traurigkeit gewichen, und sie zog sogar schon in Betracht, einen anderen Mann zu lieben. Nein, zu begehren. Sie hatte fast schon Liebe für Laurent empfunden, und wenn sie länger zusammengeblieben wären, hätten diese Gefühle vielleicht noch tiefer und intensiver werden können.

Wenn ich einen Mann fände, den ich wirklich gernhätte. Und wenn wir ein Kind hätten, aber ohne zu heiraten …

Gaby blieb stehen. Das war ihr als mögliche Lösung bisher noch nicht eingefallen. Wie war eigentlich der Status illegitimer Kinder in Portugal? Vermutlich der gleiche wie in England. Sie hatten keine legalen Ansprüche auf ihr Erbe. Aber eine unverheiratete Frau konnte doch gewiss ihr Eigentum vererben, wem sie wollte.

Warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Sie müsste natürlich einen verbindlichen Vertrag aufsetzen. Gabys Schritte wurden langsamer. In diesem konservativen Land war die Position eines unehelich geborenen Kindes sicherlich schwierig Sie würde den Eindruck einer verheirateten Frau erwecken müssen, aber ohne einen gesetzlichen Ehemann zu haben, der alles kontrollierte. Also musste sie Witwe sein.

Wie konnte sie das erreichen, ohne zu heiraten? Oder einen Mord zu begehen?

„Oh senhor está fora“, berichtete Baltasar, als er ihr das Frühstück servierte.

„Er ist draußen? Seit wann?“

„Schon sehr früh. Er hatte um heißes Wasser und Frühstück für sechs Uhr gebeten, und er war schon wach, als Danilo es ihm brachte. Ich glaube, er war zu Fuß unterwegs. Nun sitzt er am Kai und schaut auf den Fluss.“ Baltasar verdrehte die Augen. „Ich verstehe diese englischen Gentlemen nicht. Er ist doch ein Lord und müsste nicht so früh aufstehen.“

„Ich glaube, er ist unruhig, weil er keine sinnvolle Beschäftigung hat.“ Das Pflichtbewusstsein hatte ihn hierhergeführt, aber seine Mission war bisher erfolglos und er hatte Zwangsurlaub.

Nach dem Frühstück trat sie ans Fenster. Tatsächlich, da war er. Sie sah seinen dunklen Kopf durch das dichte Gebüsch hindurch. Sie füllte zwei Tassen mit Kaffee und trug sie nach draußen bis zu den Stufen am Kai, wo er auf den Douro blickte.

Gray saß auf den Planken, hatte das linke Bein hochgezogen und stützte sich auf den rechten Arm. Die andere Hand lag lässig auf dem linken Knie. Sein langer, geschmeidiger Körper wirkte sehr entspannt.

„Guten Morgen.“ Er drehte sich nicht um, aber er wusste, dass sie da war, obwohl sie kein Geräusch gemacht hatte.

„Sie haben gute Ohren.“

„Ich rieche den Kaffee.“

Sie ging die Stufen hinab, stellte die Tassen ab und setzte sich daneben, eine Armlänge von ihm entfernt. „Es hätte ja auch Baltasar sein können.“

„Der bewegt sich nicht so leise.“ Nun wandte er ihr doch noch den Kopf zu und lächelte leicht. Die Linien neben seinen Mundwinkeln vertieften sich, und er blinzelte in der Sonne, als er sie ansah. Dann schaute er wieder hinaus auf das Wasser. „Danke.“

„Sie haben noch ein wenig Rasierseife an der Wange.“ Gaby streckte den Finger aus, und als er den Kopf zu ihr drehte, berührte sie seine glatte Haut. Rasch zog sie die Hand zurück.

Er war frisch rasiert und hatte die Haare mit Wasser an den Kopf gelegt, doch alles andere an ihm war lässig und entspannt. Er hob seine freie Hand und rieb sich die Wange.

„Es ist weg.“ Ihre Stimme war fest, obwohl sie sich fühlte, als wäre sie von etwas gestochen worden.

Sie lehnte sich zurück, stützte sich auf beide Hände und ließ die Beine über dem Wasser baumeln, während sie ihn aus den Augenwinkeln heraus ansah. Er trug ein weites Leinenhemd mit ärmelloser Weste, ein gepunktetes Halstuch in der Art von Kutschern und eine locker sitzende Hose aus grobem Tuch, deren Hosenbeine in abgenutzten Stiefeln steckten. Sein breitkrempiger Strohhut lag auf den Planken neben ihm. Wahrscheinlich kannte er die Temperaturen in diesem Tal, seit er sich in voller Uniform durch Staub und Hitze des Sommers hatte kämpfen müssen. Jetzt im Oktober war es nicht mehr ganz so heiß, aber seine Kleidung war immer noch geeignet, um damit durch die Landschaft zu wandern.

„Wie ist es für Sie, in Friedenszeiten hier zu sein?“

Gray schwieg, und sie fragte sich, ob ihre Frage taktlos war. Sie hatte keine Ahnung, was für Erfahrungen er hier in diesem Land während des Krieges gemacht hatte. Für manche war es die Hölle gewesen, wie sie wusste. Für andere, die an weniger gefährlichen Orten kämpften, war es nur wie ein Spaziergang gewesen.

„Es ist schön, das Land im Frieden zu sehen. Spielende Kinder, arbeitende Menschen, junge Männer, die flirten können, ohne ständig eine Hand auf der Waffe zu haben. Doch es kommt mir in manchen Augenblicken vor wie ein Traum. Manchmal höre ich Schüsse und muss mir klarmachen, dass es einfache Jäger sind. Dann wieder rieche ich Rauch und sage mir, dass es wohl nur ein Bauer ist, der Gestrüpp abbrennt. Wenn die Vögel einen Moment verstummen, vermute ich immer gleich einen Hinterhalt. Es fällt mir schwer, nach neun Jahren des Kampfes alle Gewohnheiten und Reflexe abzulegen, die so lange für mich überlebenswichtig waren. Ich schaue auf diesen Fluss …“ Er brach ab und schüttelte den Kopf.

Also ist er durch die Hölle gegangen.

„… und Sie sehen immer noch die Leichen stromabwärts treiben“, ergänzte sie, bei der Erinnerung schaudernd. Es waren zu viele gewesen, um sie anständig zu begraben. Viele hatten ihren letzten Ruheplatz im Meer gefunden. Soweit sie wusste, war die Leiche Major Norwoods nie gefunden worden.

„Ich bin froh, dass es in England keine Geier gibt.“ Gray nahm seine Tasse und schaute Gaby über den Rand hinweg an. Stahlgraue Augen. „Ich sollte so etwas nicht zu einer Lady sagen.“

Gaby wandte den Blick von seinen Augen ab, die viel zu viel gesehen hatten. „Ich habe das alles auch erlebt. Die Leichen, die Wunden, den Hunger. Die meiste Zeit ist es besser, alles zu vergessen, aber manchmal will man darüber sprechen und kann es nicht, weil die anderen es nicht ertragen, davon zu hören.“

Gray gab ein kleines, zustimmendes Geräusch von sich. Er hatte sicherlich Männer, mit denen er sprechen konnte, und traf Offiziere, die das Gleiche durchgemacht hatten. Sie hatte niemanden, mit dem sie über das Erlebte sprechen konnte. Diese Bürde trugen wahrscheinlich alle Frauen, die den Krieg erlebt hatten. Keine wollte zugeben, dass ihr schreckliche Dinge widerfahren waren, und was sie gesehen hatte. Es war einfacher, so zu tun, als hätte man nichts gesehen.

Gray war verheiratet gewesen. Ihre Tante hatte es in einem ihrer ersten Briefe geschrieben, die Gaby noch nicht ungeöffnet weggeworfen hatte. Allem Anschein nach war es eine gute Ehe gewesen, nach der Definition ihrer Tante von gut. Doch seine Frau war vor ein paar Jahren verstorben. Eine taktvolle Person hätte es nicht angesprochen, aber sie wollte ihn verstehen.

„Hat Ihre Frau Sie denn nicht danach gefragt? Oder dachte sie, es hätte nur schöne Uniformen, Paraden und ruhmreiche Taten gegeben?“

„Wir waren nur drei Jahre verheiratet, von denen wir gerade einmal sechs Monate zusammen verbrachten. Ich wurde in Talavera verwundet und danach für drei Monate nach Hause geschickt. Sie konnte sehen, dass nicht alles nur ein Spaziergang war.“ Er fasste sich beim Sprechen an die Schulter, wahrscheinlich in Erinnerung an frühere Schmerzen.

„War es eine schwere Verwundung?“ So, wie er über seine Frau sprach – oder vielmehr nicht sprach – fragte sie sich, was für eine Ehe es gewesen war.

„Schwer genug, um mich nach Hause zu schicken. Nicht so schwer, dass ich meine Frau nicht schwängern konnte.“ Nun klang er sehr kalt.

„Sie haben ein Kind?“

„Zwillinge. Junge und Mädchen, James und Joanna.“ Wieder blickte er hinaus auf den Fluss. Im Profil sah er starr und ausdruckslos aus, und plötzlich begriff sie. Wahrscheinlich war seine Frau bei der Geburt gestorben. Wie schuldig musste er sich fühlen, dass er seine schwangere Frau zurückgelassen hatte, die er kaum kannte und die dann gestorben war.

„Dann sind sie jetzt ungefähr fünf Jahre alt. Wo leben sie denn?“

„In Winfell, meinem Haus in Yorkshire.“ Er trank einen großen Schluck Kaffee.

„Sie müssen sie vermissen.“

„Meine Mutter ist bei ihnen. Im vergangenen Jahr haben sie sich daran gewöhnt, dass ich daheim war. Ich bin sehr froh, meine kleinen Kinder aufwachsen zu sehen, und vermisse sie.“

Ohne es zu wollen, war Gaby bezaubert und hatte einen leichten Anflug von Schuldgefühl. „Sie haben sie zurückgelassen, um den Auftrag Ihrer Patin auszuführen.“

„Ich hielt es für meine Plicht.“ Die strengen Linien in seinem Gesicht waren weicher geworden, als er von seinen Kindern sprach, aber jetzt verhärteten sie sich wieder. „Mir gefiel … gefällt … es nicht, eine englische Lady aus guter Familie allein und schutzlos in einem fremden Land zu wissen.“

„Es ist nicht fremd für mich. Hier ist meine Heimat. Während des Krieges kam übrigens niemand auf den Gedanken, mich nach England zu bringen.“

„Ich wusste zu der Zeit nicht, dass Sie keine Eltern mehr hatten.“

Aber meine Tante wusste es. Allerdings wurde ich erst zur Erbin, als Thomas getötet wurde. Vorher hatte sie keinen Anlass, sich mit mir zu befassen.

„Und wenn Sie es gewusst hätten?“

„Dann hätte ich mein Bestes getan, um Sie nach Lissabon zu bringen. Sie und Ihren Bruder.“

„Wir wären nicht fortgegangen, weil wir die Quinta und unsere Leute nicht im Stich gelassen hätten. Wenn ein Feind in England einmarschieren würde, würden Sie dann von Ihrer Mutter erwarten, dass sie Winfell, das Personal und die Pächter im Stich ließe? Ihr Erbe?“

Er machte ein Geräusch, das an unterdrücktes Lachen erinnerte. „Ich würde von ihr erwarten, dass sie die alte Kanone aus dem Bürgerkrieg instand setzen lassen und sich auf eine Belagerung vorbereiten würde. Wehe dem Feind, der sie oder die Ihren angreifen würde.“

Gaby hakte nicht weiter nach. Sie trank ihren Kaffee aus und erkundigte sich nach seinen Plänen für den Tag.

„Was haben Sie denn vor?“, fragte er.

„Ich begehe die Terrassen. Jetzt nach der Ernte muss ich alles kontrollieren.“

„Können das nicht Ihre Leute machen?“

„Natürlich. Ich habe bereits ihre Berichte vorliegen. Aber ich möchte mich selbst überzeugen, damit ich entscheiden kann, welche Arbeit zuerst ansteht. Ich muss auch längerfristig planen. Überlassen Sie ihr Anwesen in Yorkshire ausschließlich den Händen Ihres Verwalters und kontrollieren nie, was er Ihnen erzählt? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Darf ich Sie begleiten?“

„Wenn Sie möchten.“ Sie schaute auf seine Stiefel, die ziemlich robust aussahen, aber sie wollte ein wenig sticheln. „Können Sie weit laufen darin?“

„Denken Sie, ein Kavallerist kann nicht laufen?“ In einer schnellen, fließenden Bewegung stand er auf und streckte ihr eine Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen.

Mit trockenen, warmen Fingern zog er sie hoch. „Ich weiß es nicht. Können Sie es denn?“ Sie ging voraus zum Haus.

„Viele Meilen, wenn nötig. Aber können Sie nicht reiten?“

„Nein, nicht auf den Weinterrassen. Ich müsste fortwährend auf- und absteigen.“ Sie öffnete die Küchentür. „Maria, etwas zu essen für Seine Lordschaft, bitte.“

Ihr eigener großer Lederranzen stand schon bereit, ausgebeult von einer Wasserflasche, Notizbüchern und Proviant. Maria eilte aus der Vorratskammer herbei mit einem weiteren Ranzen, den sie Gray breit lächelnd überreichte. Seine Komplimente über ihre Kochkunst waren ihr wohl schon zu Ohren gekommen.

Gaby hängte sich ihren Ranzen über eine Schulter. Sie erlaubte Gray nicht, ihn für sie zu tragen. Dann ging sie voraus, an der Kellerei vorbei und zu dem Pfad, der hinauf zu den Terrassen führte. „Heute will ich diese Seite des Flusses überprüfen, morgen die andere. Die entlegeneren Flächen habe ich mir schon früher angesehen.“

Sie stieg mit großen Schritten den Hang hinauf und bog auf die erste Terrasse ab. Jorge, ihr Verwalter, hatte hier nichts bemängelt, aber sie schaute lieber selbst noch einmal nach. Gray ging hinter ihr her und sah ihr zu, wie sie an den Pfosten rüttelte, die Drähte abtastete und die Mauern mit den Blicken absuchte. Dann gingen sie weiter zur nächsten Ebene.

Ein Wunder. Ein Mann, der nicht ununterbrochen über sich selbst redet.

Hier sahen die Stützpfosten abgenutzt aus. Gaby nahm ein Notizbuch heraus, notierte es und ging weiter. Sie konnte die Rebstöcke kontrollieren, ohne darüber nachzudenken, was sie tat. So konnte sie ihren verrückten Gedankengängen von gestern weiter nachhängen.

Sie brauchte einen Erben oder eine Erbin, und das Kind musste legitim sein, wenigstens dem Anschein nach, denn sie konnte nicht riskieren zu heiraten und alles per Gesetz ihrem Gatten zu überlassen … Ich brauche einen überzeugenden Ehemann, um ihn zu töten.

Was haben Sie gesagt?“

„Hm?“ Oh je. Hatte sie etwa laut gedacht?

Gray starrte sie an. „Sie haben davon gesprochen, jemanden zu töten.“

„Schildläuse.“ Gaby zeigte ihm ein geflecktes Blatt mit dunkelbraunen Knötchen. „Sie sind sehr schwer zu töten, weil sie eine Art Panzer haben. Ein bisschen wie Napfschnecken. Sie saugen das Blatt aus und verbreiten Krankheiten.“

Angenommen, ich fände einen geeigneten Mann, mit dem ich gern ein Kind hätte. Einen intelligenten Mann. Verstand wurde vererbt, und dieses Kind würde einen guten Verstand brauchen. So denkt man bei der Viehzucht, fiel ihr auf, und sie schauderte ein wenig.

Also – ich muss erst einmal den richtigen Mann finden, und dann muss ich dafür sorgen, dass die Leute mir glauben, wenn ich als schwangere trauernde Witwe zurückkehre.

Vom Himmel erklang der Schrei eines Falken. Gaby legte den Kopf in den Nacken, Gray ebenso, und ihre Blicke begegneten sich. Er lächelte und schob seinen Strohhut zurück.

Etwas machte ihr zu schaffen. Konnte sie so einen Mann ausnutzen und dann mit seinem Kind einfach verschwinden? Hatte er nicht das Recht zu erfahren, dass er Vater wurde? Würde sie denn etwas mit einem Mann zu tun haben wollen, dem so etwas gleichgültig war? Ihr Plan war voller Fallstricke. Um ihr Gewissen zu beruhigen, musste sie sichergehen, dass er keine Einwände hatte. Vielleicht hatte sie aber auch zu viele Skrupel. Männer heirateten überall auf der Welt, nur um Erben zu zeugen. Ihr dummes Gewissen stand ihr nur im Weg.

„Diese Mauer scheint mir nicht stabil zu sein!“, rief Gray und hockte sich nieder. „Etwas hat hier gewühlt oder gegraben.“

„Wahrscheinlich ein Fuchs.“ Sie untersuchte die Terrassenmauer.

„Welches Recht?“ Plötzlich stand Gray dicht hinter ihr. „Menschenrecht? Wegerecht?“

Habe ich etwa wieder laut gedacht?

„Wasserrecht“, improvisierte Gaby schnell. „Von hier aus kann man den Weg zur nächsten Ebene abkürzen.“

Sie brauchte einen intelligenten Mann, der nicht nur bereit war, sein Recht an dem Kind aufzugeben, sondern es sich auch nicht anders überlegte, um sie später damit zu erpressen. Sie kletterte nach oben, bis sie direkt oberhalb von Gray stand. Er hatte sich an die Steinmauer gelehnt, hielt seinen Hut in der Hand und beobachtete den Falken, der am Himmel kreiste. Er hatte dichte Haare, die sich oben ein wenig lockten und ihn sehr männlich und attraktiv machten. Sie hätte ihn gern berührt. Gaby setzte sich unter einen Feigenbaum, trank aus ihrer Flasche und verglich ihre Notizen mit denen von Jorge. Das war besser, als sich vorzustellen, wie die Haare eines Mannes sich in ihrer Hand anfühlen würden. Wie es wäre, sein Gewicht auf sich zu spüren und seine breiten Schultern …

Schluss damit!

Sie machte ein paar Anmerkungen, aber die Sonne blendete sie, und Gray war irgendwo auf der Ebene unterhalb von ihrer. Sie zog sich den Hut über die Augen und dachte nach.

5. KAPITEL

Gray stapfte über das kurze Gras vor den Reihen von Weinstöcken. Er hörte keinen Ton von Gabrielle, nicht einmal das gelegentliche Murmeln, das sie von sich gab, wenn sie nachdachte.

Ihre Arbeit hier beeindruckte ihn. Sie hatte auch jeden Grund, auf ihre Quinta stolz zu sein. Wenn Gabrielle ein Mann gewesen wäre, hätte er seiner Patin geraten, ihn in Ruhe zu lassen. Doch sie war kein Mann. Wie sie unversehrt den Krieg überstanden hatte, konnte er sich nicht einmal vorstellen. Der Tod ihres Bruders und ihres Geliebten musste tiefe Narben auf ihrer Seele zurückgelassen haben.

Irgendwann würde ihr Glück jedoch vielleicht vorbei sein. Wenn sie hierblieb, würde sie früher oder später Hilfe und Unterstützung brauchen und die Kraft, die ihr nur ein Ehemann geben konnte. Allerdings hing sie sehr an ihrer Unabhängigkeit und ihrer Quinta.

Ein Farbfleck unter den Ästen eines Feigenbaums zeigte an, wo sie war. Heute trug sie dunkelblaue Röcke mit passender Bluse und einer schwarzen Weste. Es war wahrscheinlich ihre Arbeitskleidung, praktisch aber feminin. Und sie schlief. Nur ihr Kinn und Mund waren unter dem Strohhut zu sehen. Sie lächelte ein wenig, als träumte sie von etwas Schönem.

Leise ging Gray durch das trockene Gras und setzte sich im Schneidersitz neben Gabrielle. Das Notizbuch war ihren Fingern entglitten und lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß. Er versuchte die Worte zu entziffern.

3 Pf auf 2 verrottet

3 Drähte

5 Mauer – Fuchs?

Erpressung

Er blinzelte und schaute noch einmal hin. Die geheimnisvollen Notizen bezogen sich vermutlich auf verschiedene Terrassen, und Pf hieß gewiss Pfosten, aber Erpressung? Versuchte etwa jemand, Geld von ihr zu erpressen? Oder glaubte sie, ihre Tante würde sie erpressen, damit sie heimkehrte? Vielleicht sammelte sie Argumente, die sie verwenden konnte, falls er sie noch einmal überreden wollte.

Gabrielle konnte ihm mehr an den Kopf werfen als nur Argumente, denn sie trug bei der Arbeit ein Messer in einem schmalen Futteral an ihrem Gürtel. Momentan lag es neben ihr. Sie hatte es benutzt, um einen Pfosten auf Fäulnis zu überprüfen und den abgeknickten Zweig eines Weinstocks abzuschneiden.

Die Oktobersonne schien sehr warm vom Himmel, doch hier im Schatten des Feigenbaums war es sehr angenehm. Er spürte, wie seine Muskeln sich entspannten und seine Schultern herabsanken. War er so angespannt gewesen? Offenbar war es so. Seit dem Tod seines Vaters und dem Austritt aus der Army lasteten viele alte und neue Pflichten auf seinen Schultern, und er hatte sich noch nicht ganz an seine neue Rolle gewöhnt.

Zu Hause hatte er die Kinder, ja, aber sie waren noch ziemlich durcheinander. Ihr geliebter Großpapa war nicht mehr da, und ihre Großmama trauerte noch. Er selbst musste darum kämpfen, sich in einem Haus heimisch zu fühlen, das ihn ständig an sein Versagen als Ehemann erinnerte.

Doch er war der Ansicht, dass er alles besser zurückgelassen hatte, als es anfangs gewesen war. Jamie und Joanna liefen jetzt auf ihn zu, wenn sie ihn sahen. Sie lächelten ihn an und hoben die Arme, damit er sie trug. Seine Mutter fand sich auch allmählich mit ihrem Verlust ab, und er selbst widmete sich seinen Aufgaben, als hinge der Sieg in einer Schlacht davon ab.

Wenn er jetzt nach England zurückkehrte, wollte er sich nur noch um die Bedürfnisse seiner engsten Familie und um sein Anwesen kümmern. Er wollte nur noch für Gegenwart und Zukunft leben, denn er hatte genug von den Schuldgefühlen der Vergangenheit.

Hier konnte er schon einmal üben, wie man nur für den Augenblick lebt. Man setzte sich in die Sonne, betrachtete eine schöne Frau und lauschte dem Gesang der Vögel und dem Rauschen des Flusses aus dem Tal.

Sie war eingeschlafen. Gaby fühlte sich so behaglich, dass sie keine Lust hatte, ganz wach zu werden. Sie öffnete nur ein wenig die Augen. Durch das lockere Geflecht ihres Strohhuts konnte sie Gray sehen, der im Schneidersitz neben ihr saß und die Schultern entspannt herabhängen ließ. Zum ersten Mal sah er nicht aus wie ein ehemaliger Offizier, sondern nur wie ein großer, ziemlich müder, aber verwirrend attraktiver Mann.

Und er schaute auf ihren Mund. Sie leckte sich die Lippen, und sein Blick wurde intensiver. Sofort fühlte sie Hitze und ein leichtes Pulsieren weiter unten. Gray öffnete seine Tasche. Als er seine Wasserflasche hervorzog, verging allmählich die Hitze in ihr und hinterließ nur ein leichtes Prickeln.

Er ist der erste interessante Mann in deinem Leben, seit du begonnen hast, dich von Laurents Verlust zu erholen, sagte sie zu sich. Aber sie musste es als das sehen, was es wirklich war … nur ein unvermittelter Anfall von Lust. Der betreffende interessante Mann trug das Seine dazu bei, indem der den Kopf zum Trinken in den Nacken legte. Er entblößte dabei seine Kehle, die ein wenig glänzte, und eine Andeutung von schwarzem Brusthaar war an der Stelle zu sehen, wo sein Halstuch zur Seite gerutscht war.

Gaby setzte sich schnell auf, schob den Hut zurück und griff ebenfalls nach ihrer Wasserflasche. „Habe ich lange geschlafen?“

Ihre Stimme klang erstaunlich normal in ihren Ohren, ohne eine Andeutung von „Lass mich an deinem Hals knabbern und herausfinden, wie du schmeckst.“

„Zehn Minuten.“ Gray drückte den Korken zurück in die Flasche. „Nur ein kleines Schläfchen.“ Er stand auf und ließ lässig den Ranzen vor sich baumeln. Doch er war nicht schnell genug, denn Gaby hatte bereits festgestellt, dass nicht nur sie ein wenig … erhitzt war.

Fast boshaft streckte sie ihm eine Hand entgegen, damit er ihr auf die Füße half. Seine Hand war groß, und er hatte die Schwielen eines Reiters. Plötzlich hatte sie den Wunsch, ihn zu Pferd zu sehen.

„Dies ist schon fast die oberste Terrasse.“ Sie ließ ihn los und nickte zum Dank. Man konnte einen Mann auch zu weit treiben mit Sticheleien, und sie wollte ihn nicht provozieren. „Wir können dort oben essen. Die Aussicht ist sehr schön.“

Autor

Louise Allen
<p>Louise Allen lebt mit ihrem Mann – für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden – in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.</p>
Mehr erfahren
Catherine Tinley
Mehr erfahren