Hochzeit aus 1001 Nacht

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IM PALAST DES PRINZEN

Für sie war es Liebe, für ihn nichts als pure Rache. So schnell wie möglich will sich die hübsche Camille von dem arabischen Königssohn Rayhan wieder scheiden lassen! Doch der nutzt alle Mittel, das zu verhindern. Ganz und gar verbotene, verführerische Mittel …

IM PALAST DER TAUSEND TRÄUME

Die Tage mit Scheich Surim in seinem Palast sind für die junge Melissa schön und traurig zugleich. Sie erwidert seine zärtlichen Küsse, obwohl sie ahnt, dass es nie ein Happy End für sie geben wird. Denn der charmante Wüstenherrscher soll in Kürze die standesgemäße Yasine heiraten …

DAS GESTÄNDNIS DES SCHEICHS

Scheich Khalid ist der begehrteste Junggeselle des Wüstenreichs. Doch er hat sich geschworen, niemals zu heiraten. Die einzige Frau in seinem Leben ist Ella, seine beste Freundin. Auch sie glaubt sich nicht binden zu können, bis ein gefährlicher Einsatz in den Ölfeldern alles zwischen ihnen verändert.

DIE WAHRHEIT KENNT NUR DER WÜSTENWIND

Eine Ehe, die auf einer Lüge aufgebaut ist, kann nicht gutgehen! Rachel ist verzweifelt: Als Scheich Karim ihr einen Antrag macht, nimmt sie ihn an. Dabei hat sie ihn von Anfang an belogen. Soll sie Karim ihr düsteres Geheimnis beichten?


  • Erscheinungstag 18.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747763
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sue Swift, Barbara Mcmahon, Sandra Marton

Hochzeit aus 1001 Nacht

IMPRESSUM

Im Palast des Prinzen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© by Susan Freya Swift
Originaltitel: „In the Sheikh’s Arms“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 222 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733747855

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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PROLOG

Wütend trat Rayhan ibn-Malik al-Rashad das Gaspedal seines Landrovers durch. Der Staub wirbelte hoch, während er mit Höchstgeschwindigkeit sein Anwesen Double Eagle verließ. Mit quietschenden Reifen fuhr er durch das offene Tor der Ellisons.

Nichts hatte sich auf der C-Bar-C-Ranch verändert, seit Rayhan die Unterschrift unter den Kaufvertrag für Double Eagle gesetzt hatte. Nichts war spürbar von dem Skandal, der sich hier in der Weite von Texas ereignet hatte.

Statt der Ölschürfrechte, wie Charles Ellison es ihm vorgegaukelt hatte, hatte er nur das Anrecht auf Weideland erworben.

Die C-Bar-C lag friedfertig da. Ölfördertürme waren am Horizont zu sehen. Eine Baumreihe säumte den Fluss, der die Grenze zwischen den beiden Ranches markierte. Überall sah man gut gepflegte Koppeln, auf denen die Pferde der Ellisons grasten.

Rayhans Herzschlag beschleunigte sich, als er am Stall vorbeifuhr und auf das Haupthaus zusteuerte. Es war nur wenige Tage her, seit er genau in demselben weiß getünchten Anwesen im Kolonialstil Bier getrunken und in aller Freundschaft den Vertrag mit Charles Ellison unterschrieben hatte.

Bitterkeit wallte in Rayhan auf. Eigentlich konnte er Ellison nichts vorwerfen. Vermutlich waren sein eigenes schlechtes Englisch und die Unfähigkeit seines Rechtsanwalts schuld an dem verheerenden Ergebnis. Aber nur zum Teil.

Rayhan krampfte die Hände fester um das Lenkrad, während er den Landrover direkt vor dem Ranchhaus scharf abbremste. Kieselsteine wirbelten hoch, bis er schließlich den Wagen zum Stehen brachte.

Als habe er Rayhan erwartet, tauchte Ellison auf der Veranda auf.

Rayhan konnte Charles’ Gesichtsausdruck nicht genau erkennen, da er im Schatten stand. Mit Wut im Bauch stieg er aus und schlug die Wagentür hinter sich zu. Und dann kam er direkt zur Sache: „Sie haben mich betrogen.“

Ellison lächelte. Aber es war kein triumphierendes Lächeln, er verzog den Mund nur zu einem schmalen Strich. Zu allem Übel gab er sich auch noch herablassend. „Nächstes Mal, mein Junge, schauen Sie sich genauer an, was Sie unterschreiben.“

Rayhan wurde rot vor Wut. Er war zwar erst zwanzig, aber er musste sich sein Alter und seine Unerfahrenheit nicht vorwerfen lassen. „Was heißt nächstes Mal? Dieser wertlose Vertrag hat mich mein ganzes Vermögen gekostet.“

Ellison zuckte abwehrend mit den Schultern. „Sie haben eine gute Ranch gekauft mit einer wunderbaren Herde von Hereford-Rindern.“

„Kühe!“, fauchte Rayhan. „Kühe, nichts als Kühe. Aber das Öl in der Erde kann ich nicht fördern.“ Ohne die zu erwartenden Ölfunde war das Land nutzlos für ihn. So hatte er seiner Familie nichts vorzuweisen. Nichts, was seinen Vater, den König von Adnan, dazu hätte bewegen können, ihm den ersehnten Posten in seiner Regierung anzubieten. Als jüngerer Sohn hatte er zwar akzeptiert, niemals selbst Herrscher werden zu können, dennoch strebte er nach Macht, Verantwortung und Respekt, die ihm aufgrund seiner Geburt und Erziehung zustanden.

„Ich könnte Ihnen die Ölschürfrechte nicht verkaufen, selbst wenn ich es wollte. Sie gehören ihr.“ Der gerissene Fuchs Ellison zeigte in Richtung des gepflegten Rasens, wo ein schmutziges, zerzaust aussehendes Mädchen mit mehreren jungen Hunden wild herumtollte.

Dieser Irrwisch soll ein reicher Ölmagnat sein, fragte sich Rayhan. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. „Die Ölrechte gehören also diesem Kind dort drüben?“

„Ja, meiner Tochter Camille. Aber wir nennen sie Cami“, erklärte Ellison mit stolzgeschwellter Brust. Er stieg die Stufen von der Veranda hinab, marschierte an Rayhan vorbei hinüber zu dem Mädchen, während er weitersprach.

„Dieses Land gehörte der Familie ihrer Mutter. Deswegen heißt die Ranch auch C-Bar-C, das erste C steht für die Crowells, das zweite für Camille. Meine Frau hat alles Cami vermacht. Ich manage natürlich alles für sie. Aufgrund des Testaments kann ich zwar Landanteile verkaufen, aber nicht die Ölrechte. Wenn sie erwachsen ist, gehören sie allein ihr.“

Rayhans Blick wanderte hinüber zu dem blonden Kind, das ihn aus großen blauen Augen anstarrte. Und er schwor sich, dass er es diesem alten Mann, der versucht hatte, ihn hereinzulegen, heimzahlen würde. Aus Mädchen wurden irgendwann junge Frauen, und mit denen konnte er sehr gut umgehen.

Eines Tages, so sagte er sich, würde ihm alles gehören. Dieses Mädchen und die Ölrechte.

1. KAPITEL

Zehn Jahre später

Cami Ellison stand vor dem Badezimmerspiegel und kämmte sich die Haare. Sie schaute grimmig ihr Spiegelbild an, als könne sie so den Pickel an ihrem Kinn zum Verschwinden bringen. „Ich bin beinahe zwanzig und habe noch immer die Haut einer Dreizehnjährigen“, schimpfte sie.

Sie ließ die Bürste mit einem lauten Krachen auf die rosafarbenen Fliesen fallen, verteilte Sonnenschutzcreme auf ihrem Gesicht und verbarg den Pickel mit einem Abdeckstift. Ungeduldig flocht sie sich das blonde Haar zu einem Zopf, der ihr bis über die Schulter reichte. Mit schnellen Schritten durchquerte sie ihr Schlafzimmer und öffnete den riesigen Wandschrank, um seinen Inhalt zu begutachten.

Eine merkwürdige Rastlosigkeit hatte Besitz von ihr ergriffen. Sie wollte, dass etwas geschah, das ihre Alltagsroutine durchbrach. Ihr verwitweter Vater hatte sie maßlos verwöhnt, das wusste sie sehr wohl, aber nach einem Jahr im College fühlte sich Cami auf der C-Bar-C-Ranch, wo ein Tag wie der andere war, wie eingesperrt.

Seit sie aus San Antonio mit neuem betriebswirtschaftlichen Wissen zurückgekehrt war, hatte sie sich jeden Tag mit der Führung der Ranch beschäftigt. Aber heute hatte sie das Gefühl, dem Ganzen für eine Weile entfliehen zu müssen.

Cami verspürte eine innere Anspannung. Vielleicht würde ihr ein Ausritt helfen, zu sich selbst zurückzufinden.

Sie zog einen Sport-BH an, ein pinkfarbenes T-Shirt darüber und Stretchjeans. Dann tat sie noch einen Ledergürtel um. Schnell schlüpfte sie in ihre bereits ziemlich ramponierten Cowboystiefel und nahm sich ihren alten Stetson vom Haken.

Obwohl Cami ihren Vater liebte und auch ihre langjährige Haushälterin Robbie schätzte, erschauerte sie allein bei dem Gedanken, mit beiden irgendwelche Höflichkeiten bei Kaffee und Toast austauschen zu müssen. Sie beschloss, das Frühstück einfach sausen zu lassen, und eilte aus dem Haus in Richtung der Ställe.

Am Eingang atmete sie einmal tief durch. Sie genoss den Blick durch den Stall. Das Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster, und der vertraute Geruch nach Pferden erinnerte sie an ihre Kindheit.

Sie lief die Boxen entlang, begrüßte ihre Freunde, bis sie zu ihrem Lieblingspferd Sugar kam. Sugar war eine Palomino-Stute, die Cami seit ihren Teenagertagen gehörte, als Funnyface, ihr Pony, allmählich zu klein für sie geworden war.

Cami öffnete die Boxentür, und Sugar machte sofort einen Schritt auf sie zu. Sie rieb die Nase an Camis Schulter und begrüßte ihre Reiterin mit einem lauten Schnauben, wie sie das immer tat, wenn Cami auf der C-Bar-C-Ranch war. Cami ergriff Sugars Zügel und führte das Pferd hinaus zum Aufzäumen.

Ein paar Minuten später galoppierte sie über die Weiden der C-Bar-C. In der Ferne sah sie die Büsche und Bäume entlang des gewundenen Flusses, der ihr Anwesen von der Double Eagle Ranch ihres Nachbarn Ray Malik trennte.

In Mc Mahon, dem nächstgelegenen Ort, erzählte man sich, dass Maliks Araberpferde eine Vielzahl von Preisen gewonnen hatten, einschließlich einer Olympiamedaille für Dressur. Obwohl sie seit gut zehn Jahren Nachbarn waren, kannte Cami ihren Nachbarn Ray Malik nicht persönlich. Ihr Vater, der eigentlich mit fast jedem in der Gegend befreundet war, wollte mit Malik nichts zu tun haben. Er hatte ihr nie einen Grund dafür genannt, und Cami hatte auch nie gefragt.

Cami und Sugar suchten den Schatten der Baumwollfelder, die am Flussufer begannen. Cami ließ die Zügel locker, sodass Sugar tun konnte, was sie wollte. Die Stute bahnte sich ihren Weg durchs Gebüsch zu einer Wasserstelle. Dort senkte sie den Kopf und konzentrierte sich voll auf das köstliche Nass.

Nachdem Cami vom Pferderücken hinabgeglitten war, dehnte und streckte sie sich. Obwohl sie eine erfahrene Reiterin war, war sie seit Monaten nicht mehr zu Pferd unterwegs gewesen. Nicht mehr seit ihrem letzten Besuch auf der Ranch. Sie war richtig verspannt.

Durch die Zweige hindurch entdeckte sie einen weißen Fleck, der sich bewegte. Cami reckte ihren Hals vor, um mehr sehen zu können, während sie abwesend Sugars Mähne streichelte.

Ein Reiter mit arabischer Kopftracht tauchte auf einem großen Grauschimmel am anderen Ufer des Flusses auf. Wer um alles in der Welt mochte wohl so eine merkwürdige Kopfbedeckung tragen, fragte Cami sich.

Der Reiter führte sein Pferd zwischen den Pappeln hindurch ans Wasser. Cami und ihre Stute konnte er dabei nicht sehen, weil sie durch die Büsche verdeckt wurden.

Der Mann stieg ab und entfernte die Kopfbedeckung. Er zog auch sein weißes Hemd aus. Sein Oberkörper wirkte in der goldenen Morgensonne fast bronzefarben.

Cami hielt den Atem an. Sie hatte zwar schon Männer mit nacktem Oberkörper gesehen, aber keiner ihrer Studienkollegen war so gut gebaut.

Der Mann musste Ray Malik sein, ihr geheimnisvoller Nachbar. Die Jahre harter Arbeit als Züchter von arabischen Vollblutpferden zeigten sich in seinen breiten Schultern und den muskulösen Oberarmen. Er kniete am Ufer nieder und spritzte sich Wasser auf das Gesicht und den Hals. Das rabenschwarze Haar trug er länger, als das normal war für Männer. Es glitzerte richtig im Sonnenlicht.

Wie würde es sich anfühlen, diesen Mann zu berühren, überlegte Cami. Wie mochte es sein, mit den Fingern über seine muskulöse Brust zu streichen?

Bei diesen Gedanken verkrampfte sich ihre Hand unwillkürlich in Sugars Mähne. Die Stute schnaubte laut, machte ein paar Schritte vorwärts und gab so den Blick auf Cami frei.

Ruckartig sprang der Mann auf. Er musterte sie von oben bis unten, dann lächelte er ihr freundlich zu und bedeutete ihr, doch den Fluss zu überqueren und zu ihm zu kommen.

Cami zögerte einen Moment. Sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater nichts mit dem Besitzer des Gestüts zu tun haben wollte. Andererseits hatte er ihr auch nicht verboten, die Double Eagle Ranch zu betreten.

Sie war schon immer neugierig auf diesen Ray Malik gewesen. In all den Jahren als Teenager hatte sie ihn hin und wieder in Mc Mahon von weitem erblickt oder auf einem seiner tollen Araberpferde über seine Ranch reiten sehen. Und sie hatte diverse Gerüchte über ihn gehört.

Es waren Geschichten über ihn in Umlauf, dass er ein arabischer Prinz sei, der wegen seiner politischen Einstellung von seiner Familie getrennt in den USA lebte. Andere hielten ihn für einen früheren Spion, der sich in diesen verlassene Winkel von Texas zurückgezogen hatte. Man munkelte auch viel über seine Frauengeschichten, obwohl man noch keine seiner exotischen Freundinnen hier in Mc Mahon gesehen hatte.

Cami hatte sich gewünscht, dass endlich etwas passierte. Und ein altes Sprichwort kam ihr in den Sinn: „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen … sie könnten in Erfüllung gehen.“

Cami schnappte sich Sugars Zügel und stieg wieder auf. Sie schnalzte leise mit der Zunge und lenkte ihre Stute zu einer engen Furt, um überzusetzen.

Sie spürte so etwas wie Verlegenheit, als sie auf diesen großen Fremden zuritt. Er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn heimlich beobachtet hatte. Zudem war er älter und strahlte Erfahrung und Sinnlichkeit aus. Dieser Mann war ein ganz anderes Kaliber als die Jungen, mit denen sie am College ausgegangen war.

Sie war ehrlich genug, sich selbst gegenüber zuzugeben, dass er sie faszinierte und dass sie wollte, dass er sie als Frau wahrnahm, auch wenn sie nicht wusste, wie sie das anstellen sollte. Mit banalen Fragen wie „Kommen Sie oft hierher?“ oder „Was ist Ihr Sternzeichen?“ würde sie sich nur lächerlich machen. Und die beliebte Eingangsfrage auf dem College, welche Fächer man belegt hatte, war hier auch nicht angebracht. Aber was dann?

Cami wandte ihre ganze Aufmerksamkeit Sugar zu, damit sie Ray nicht in die Augen sehen musste, und führte ihr Pferd durch den Fluss. Erst als sie fast vor ihrem Gastgeber stand, hob sie den Blick.

Sie räusperte sich. „Hi. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Cami, und das ist Sugar“, platzte sie dann einfach heraus.

Er lächelte über das ganze Gesicht. Cami fand ihn einfach umwerfend. Seine Haut hatte die Farbe von wildem Honig. Er besaß volle weiche Lippen, seine Augen wurden umrahmt von dichten Wimpern. Ihr wurde heiß bei seinem Anblick.

„Ich weiß, wer Sie sind, Camille Crowell Ellison. Und ich habe auch schon von Sugar gehört. Sie ist eine wirklich schöne Stute. Sie hat einen sehr guten Stammbaum.“ Er streichelte den Hals des Pferdes, und Sugar reagierte mit einem freundlichen Schnauben.

Cami war erstaunt, dass er ihren vollen Namen kannte. Aber noch mehr war sie überrascht über das, was er über ihr Pferd sagte. „Woher wissen Sie das?“

„Ich weiß alles über Sie.“

Cami fiel fast aus dem Sattel. „Wie soll das gehen? Niemand kann alles über einen anderen Menschen wissen.“

„Ich habe Sie viele Jahre lang beobachtet.“

Das überraschte Cami völlig. War er so etwas wie ein Spanner, der Frauen auflauerte? Aber andererseits hatte auch sie ihn gerade an diesem Tag heimlich beobachtet. „Warum?“, erkundigte sie sich.

„Nun, Sie sind eine hübsche junge Frau. Und Sie reiten fast so gut wie ich selbst.“ Ray blinzelte ihr verschwörerisch zu.

Cami, die bereits viele Reitwettbewerbe gewonnen hatte, war nicht so einfach bereit, sich von diesem eingebildeten Kerl in die zweite Reihe stellen zu lassen. „Wenn Sie meinen“, erklärte sie hochmütig.

Er grinste sie vergnügt an. „Ich wollte Sie nicht beleidigen“, erklärte er. Dann trat er kurz zur Seite, um sein Hemd wieder überzuziehen.

„Was ist mit dem Kopfschmuck?“, fragte Cami.

„Ach, gelegentlich habe ich Heimweh, dann trage ich die traditionellen Gewänder meiner Heimat. Haben Sie einen solchen Kopfschmuck schon einmal getragen?“

„Nein.“

Er ergriff die Zügel seines Arabers und schwang sich elegant in den Sattel.

Cami musste zugeben, dass ihr das so noch nie gelungen war. „Ein schönes Pferd. Aus Ihrer eigenen Zucht?“

„Ich habe Ihnen nicht verraten, wer ich bin.“ Er lächelte sie amüsiert an.

„Sie sind Ray Malik und züchten Araberpferde auf Double Eagle. Zumindest erzählt man sich das.“

„Ah, Sie wissen also auch alles über mich.“ Rayhan hoffte allerdings, dass das nicht stimmte. Wenn ihr Vater ihr von Rayhans Ärger über den missglückten Ölvertrag erzählt hätte, würden sich seine Rachepläne nicht so leicht umsetzen lassen.

In den vergangenen Jahren war Rayhan Charles Ellison gezielt aus dem Weg gegangen. Seit dem katastrophalen Landgeschäft hatte er sich auf die Pferdezucht konzentriert und war viel gereist. Und jetzt wollte er unbedingt die Unterhaltung in eine andere Richtung lenken. Rayhan griff dafür in seine Trickkiste der Schmeicheleien, die bei Frauen immer gut funktioniert hatten.

„Sie sitzen sehr elegant im Sattel. Bestreiten Sie auch Rennen?“

Cami errötete verlegen bei seinen Worten und senkte den Blick. Ich verhalte mich ja geradewegs so, als habe mir noch kein Mann ein Kompliment gemacht, schimpfte sie mit sich. Aber dieser Mann verunsicherte sie.

Ihr T-Shirt und die eng anliegende Jeans ließen ihre weiblichen Rundungen erahnen. Sie hat noch immer so hellblondes Haar wie früher, stellte Rayhan fest und lächelte. Doch jetzt war es zu einem ordentlichen Zopf geflochten. Das hässliche Entlein hatte sich in einen wunderschönen Schwan verwandelt. Die Rache würde süß sein.

„Ja“, antwortete sie. „Ich habe mit Sugar sogar einige Preise gewonnen. Aber ich bin jetzt auf dem College in San Antonio und habe leider nicht mehr genügend Zeit.“

„San Antonio ist eine sehr hübsche Stadt. Welche Fächer haben Sie denn belegt?“

Cami schaute ihn aus großen Augen an. Unwillkürlich zog sie die Zügel fester an. Aus irgendeinem Grund, den er nicht ganz verstand, schien seine Frage sie zu erstaunen.

„Seien Sie vorsichtig“, riet er ihr. „Sie sitzen zwar sehr elegant auf Ihrem Pferd, aber es mag so hektische Bewegungen nicht.“

„Ich weiß. Sie haben mich nur überrascht.“

„Es ist doch nicht ungewöhnlich für einen Mann, dass er sich für eine hübsche Frau interessiert, oder?“

„Sie haben bislang nicht das geringste Interesse an mir gezeigt.“

„Sie waren ja auch etwas zu jung. Es schickt sich nicht für einen erwachsenen Mann, mit einem kleinen Mädchen zu eng befreundet zu sein.“

Sie lachte laut auf. „Ich vermute, Sie haben recht. Aber um Ihre Frage zu beantworten, ich studiere Betriebswirtschaft.“

„So, so. Und wissen Sie schon, was Sie mit diesem Wissen anfangen wollen?“

„Ich möchte hier auf der Ranch bleiben“, erklärte Cami selbstbewusst. „Die C-Bar-C ist mein Zuhause. Ich werde irgendwann das Ölgeschäft der Familie übernehmen. Ich helfe meinem Vater schon seit Jahren bei der Buchhaltung.“

„Und was ist, wenn Sie irgendwann einmal heiraten?“ Er versuchte, möglichst unbeteiligt zu klingen.

„Was soll dann sein? Mein Mann sollte besser Texas so lieben wie ich, das ist alles, was ich dazu sagen kann.“

Rayhan beschloss, dass er Texas lange genug mochte, um endlich das zu bekommen, was er begehrte und ihm eigentlich zustand. Er verzog den Mund zu einem breiten Lächeln. „Dann ist es ja gut, dass ich Texas liebe.“

Ein Gefühl der Verwirrung überfiel Cami, doch sie zwang sich zu einem nervösen Lächeln. Rayhan erkannte, dass er zu schnell vorging.

„Wie schaffen Sie es, einfach so auf Ihr Pferd aufzusteigen? Sugar würde das nicht zulassen“, lenkte Cami vom Thema ab.

„Wie wäre es wenn, wenn wir auf das lästige Sie verzichten würden? Schließlich sind wir Nachbarn.“ Er lächelte sie aufmunternd an.

Cami war nur einen Moment lang verlegen. Dann lächelte auch sie und nickte ihm zu. „Okay!“

„Gut. Dann pass auf. Es ist ganz einfach, aber dein Pferd muss auf das plötzliche Gewicht vorbereitet sein. Versuch doch einmal, auf Kalil aufzusitzen“, befahl er und glitt aus dem Sattel.

Auch Cami stieg ab und näherte sich dem Araberpferd, streichelte ihm über die Nüstern. „Er ist ein Gedicht. Stammt er aus deiner Zucht?“ Auch sie war kurzerhand zum Du übergewechselt.

Sie stand ganz dicht vor Rayhan. Er nahm ihren Duft wahr. Sie benutzte kein schweres Parfüm, sondern nur ein leichtes Eau de Toilette, das Assoziationen an Wind und Himmel in ihm weckte. Ihre Augen waren tiefblau.

Es wird keine unangenehme Pflicht sein, mit ihr ins Bett zu gehen, um meine Rache zu stillen, sagte sich Rayhan.

Schnell wandte er seine Aufmerksamkeit wieder ihrem Gespräch zu. Worüber hatten sie gesprochen? Ah ja, über Kalil. „Ja, ich habe ihn selbst großgezogen. Aber ich habe schon früh gemerkt, dass er sich nicht für die Zucht eignet, daher habe ich ihn kastrieren lassen. Eigentlich ist er mein Lieblingsreitpferd.“

„Armer Kalil.“

Er lachte. „Hengste sind schlechte Reitpferde. Sie sind zu wild und ruhelos. Es würde dir bestimmt keinen Spaß machen, Karim, meinen Zuchthengst, zu reiten. Er würde dich binnen Sekunden abwerfen.“

„Karim und Kalil. Was bedeuten diese Namen?“

„Karim bedeutet ‚der Edle‘ und Kalil ‚der beste Freund‘.“

„Das sind wunderschöne Namen.“ Cami war ganz verzückt. Ray Malik war noch viel aufregender, als sie vermutet hatte. Er war gut aussehend, ausgesprochen nett und hatte ihr geradeheraus erklärt, dass er an ihr interessiert war. Er spielte keine Spielchen. Cami gefiel das.

„Jetzt versuch noch mal aufzusitzen. Der Trick besteht darin, gute Oberschenkelarbeit zu leisten.“

Cami sah zu Kalil hinüber. Sie glaubte Ray durchaus, dass der Wallach gute Manieren hatte, aber er war mindestens einen Meter siebzig hoch. Obwohl sie nicht klein war, würde sie dennoch nicht so elegant wie Ryan aufsteigen können. Und jetzt, da ihr Wüstenprinz Interesse an ihr gezeigt hatte, wollte sie sich nicht blamieren, indem sie ungraziös am Boden landete. „Vielleicht ein anderes Mal“, winkte sie ab.

„Bist du etwa ein Angsthäschen?“

Cami kicherte. Diese Verniedlichung aus Rays Mund klang irgendwie lustig. „Bin ich nicht!“, widersprach sie.

„Oh doch!“ Er lehnte sich gegen Kalil und sah sie aus halb geschlossenen Augen an.

Aus Schlafzimmeraugen. Anders konnte man seinen Blick nicht bezeichnen. „Das ist … lächerlich“, widersprach sie.

„Du nimmst die Herausforderung nicht an.“

Das regte Cami zu Widerspruch an. „Dass ich nicht lache. Ich kann alles, was du kannst, und sogar noch besser.“

„Gut, aber vielleicht sollten wir etwas weniger Anstrengendes ausprobieren, das aber aufregender ist.“

Er stand dicht vor ihr, sodass sie ihn fast hätte berühren können. Sein Hemd trug er offen, es ließ den Blick auf seinen muskulösen Oberkörper frei.

Wie unglaublich sexy er war. Ihr Atem ging unregelmäßig, und sie fühlte sich immer stärker zu ihm hingezogen.

Ray lächelte vieldeutig und strich ihr mit dem Finger über die Wange. Camis Haut begann zu glühen. Sie schloss unwillkürlich die Augen, atmete seinen Duft ein. Irgendwie hatte er es mit einer winzigen Berührung geschafft, ihren Verstand auszuschalten.

Sie wusste, dass sie eigentlich gehen sollte, aber ein Teil von ihr wollte auch bleiben, um die angebotene Herausforderung anzunehmen. Sie schaute hoch zu diesem merkwürdigen Fremden.

Rays Blick fiel auf ihren Mund. „Hast du schon jemals einen Mann geküsst, während du auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hast?“

2. KAPITEL

„Na klar“, behauptete Cami einfach.

Eine jähe Wut erfasste Rayhan. Dass ein anderer Mann seine texanische Prinzessin berührt hatte, machte ihn rasend. Sie gehörte ihm, ihm allein.

Doch er zügelte seine Gefühle und erinnerte sich daran, dass amerikanische Mädchen sehr freizügig sind. Viele von ihnen hüpften einfach so mit dem nächstbesten Mann ins Bett. Warum sollte Cami eine Ausnahme sein. Konnte er wirklich eine solche Frau heiraten, selbst wenn er dadurch endlich an das Vermögen kam, das ihm eigentlich rechtmäßig zustand?

Aber es ging auch um seine Ehre. Die Rache würde ihm großen Spaß bereiten.

Er schaute Cami an, deren Gesicht auf einmal einen träumerischen Ausdruck angenommen hatte. „Als ich noch klein war, hat mich mein Daddy jeden Morgen auf seinem Pferd zu einem Ausritt mitgenommen.“

Rayhan entspannte sich. Sie hatte mit ihrem Vater gekuschelt und nicht mit dem gesamten Footballteam am College geschlafen. „Ich habe da an etwas … Aufregenderes gedacht. Steig auf dein Pferd, dann werde ich es dir zeigen.“ Er schwang sich schnell auf Kalil und steuerte sein Pferd direkt neben Sugar.

Cami hatte ebenfalls aufgesessen und sah ihn gebannt an. Er holte tief Luft und ließ Kalils Zügel fallen. Sein Wallach war gut genug trainiert, um sich auch dann nicht von der Stelle zu rühren.

Rayhan streckte die Arme nach Cami aus, auch wenn er wusste, dass das ziemlich riskant war. Es konnte durchaus sein, dass er seine Beute durch zu frühes Handeln verscheuchte. Doch er konnte ihrem Blick nicht widerstehen.

„Cami!“ Er streichelte sanft ihre Wange, die glatt und weich war wie die Blätter eine Wüstenrose.

Sie öffnete unwillkürlich die Lippen. Er spürte ihre Erregung, ihre Bereitschaft.

Er beugte sich im Sattel zu ihr hinüber und küsste sie auf die Lippen. Und sie erwiderte seinen Kuss mit einer Unschuld, die er nicht erwartet hatte. Ist sie etwa noch nie mit einem Mann zusammen gewesen?, überlegte er.

Bei diesem Gedanken rauschte das Blut noch schneller durch seine Adern. Er wollte mehr, und er nahm es sich.

Cami streckte die Arme aus, klammerte sich Halt suchend an Rays Hemd fest. Ihre Welt war aus den Fugen geraten.

Sie war sehr behütet aufgewachsen, hatte sich der tiefen Zuneigung ihres Vaters immer sicher sein können, aber jetzt stand ihr der Sinn nach einer anderen Form von Liebe, wie dieser hoch gewachsene Fremde sie ihr vielleicht zu bieten hatte.

Sie würde barfuß durch ganz Texas laufen, nur um diesen Mann zu bekommen.

Sie zog ihn noch dichter an sich, während der Kuss immer inniger wurde. Er fuhr ihr verführerisch mit dem Daumen über die Wange, während seine Zunge die Innenseiten ihres Mundes erforschten.

Cami zuckte kurz zurück ob der Glut seiner Begierde, doch dann brach sich auch die in ihr schlummernde Leidenschaft Bahn. Sie wusste, dass es falsch, ja völlig verrückt war, sich auf diesen Fremden einzulassen. Ray war nicht der richtige Mann für sie. Er würde mehr von ihr fordern, als sie – noch immer Jungfrau mit ihren neunzehn Jahren – zu geben bereit war.

Aber ein einziger Kuss von ihm genügte, ihr gesamtes Weltbild infrage zu stellen. Sie war zwar schon von anderen jungen Männern geküsst worden, aber das waren stets vorsichtige Liebkosungen gewesen, und sie hatte nie eine so unglaubliche Lust verspürt.

Ray verstand etwas vom Küssen, das musste sie zugeben. Und sosehr sie es wollte, sie schaffte es nicht, sich von ihm zu lösen. Dabei würde sie, wenn sie so weitermachte, bald in Rays Armen im weichen Gras landen und sich ganz vergessen.

Ihre innere Unruhe musste sich auf Sugar übertragen haben, denn die Stute schnaubte laut und tänzelte unruhig hin und her.

Mit einem Lächeln auf den Lippen löste sich Ray von Cami.

„Azhib.“

„Wenn das so viel bedeutet wie ‚wow‘ oder ‚Wahnsinn‘, muss ich zustimmen. Das war wirklich ein unglaublicher Kuss.“

Ray nickte und schaute sie entschlossen an, die Augen dunkel vor Begierde. Er streckte die Hand nach ihr aus, um sie erneut an sich zu ziehen.

Jetzt oder nie. Cami befeuchtete sich die Lippen und lehnte sich ein wenig in ihrem Sattel zurück, um der Versuchung aus dem Weg zu gehen. „Ich glaube, du solltest wissen, dass ich … das nicht mache.“

Er ließ seine Hand fallen. „Was meinst du mit ‚machen‘? Einen Mann küssen?“ Er klang in keiner Weise überrascht; aus ihrem Zögern schien er geschlossen zu haben, dass sie noch recht unerfahren war.

Vor Verlegenheit färbten sich Camis Wangen tief rot. „Nein. Du weißt schon … ich tue es eben nicht.“

„Es?“ Er schien jetzt doch etwas verwirrt zu sein.

Es sollte ihm doch klar sein, was ich damit meine, überlegte Cami. Aber vielleicht war das Missverständnis auch auf die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen ihnen zurückzuführen.

Sie schluckte, ehe sie sagte: „Ich schlafe mich nicht durch die Betten.“

Es herrschte einen Augenblick lang Schweigen. „Das finde ich sehr gut“, erwiderte er dann genauso offen wie sie. „Dieser Kuss wäre sonst nichts Besonderes gewesen.“ Er sprach schneller. „Wie alt bist du, ungefähr zwanzig, nicht wahr? Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, so jung zu sein.“

„Das klingt ja so, als seist du uralt. Ich bin neunzehn.“

Er verzog den Mund, die Antwort schien ihm nicht zu gefallen. „Ich war zwanzig Jahre alt, als ich vor zehn Jahren nach Texas kam.“

„Du bist schon dreißig?“ Sie ließ die Schultern hängen. „Dad wird das nicht gefallen.“

„Es könnte durchaus sein, dass dein Vater es nicht gutheißt, wenn du dich mit mir triffst.“ Er wählte seine Worte äußerst sorgsam.

„Warum nicht?“

„Ich bin so viel älter. Um die Wahrheit zu sagen, vermutlich solltest du dich mit jemandem wie mir überhaupt nicht abgeben.“ Er wendete sein Pferd, so als wolle er aufbrechen.

„Warte!“ Cami gab ihrer Stute die Sporen und versperrte ihm den Weg. „Ich bin erwachsen. Mein Vater weiß, dass ich mir in meine Beziehungen nicht reinreden lasse.“

„Das klingt ja ganz so, als seist du eine ganz unartige Tochter. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen Streit mit deiner Familie bekommst.“ Ray rümpfte die Nase, was Cami zum Lachen brachte.

„Mein Vater vertraut mir. Ich habe allerdings meine Prinzipien. Und ich habe es dir schon erklärt, dass ich nicht … na ja, du weißt schon.“

„Du hast diese Entscheidung getroffen, obwohl andere Mädchen in deinem Alter viel freizügiger leben?“

Cami verlagerte das Gewicht. „Als ich auf der Highschool war, hat mich mein Vater ziemlich kontrolliert. Aber als ich aufs College kam, erklärte er, dass ich erwachsen und selbst für meine Entscheidungen verantwortlich sei.“ Sie blickte auf.

„Also? Du bist neunzehn und kannst tun und lassen, was du willst. Sehe ich das richtig?“

„Ja, aber auf dem College waren eine Menge Mädchen in meinem Semester, die mit allen möglichen Jungs ins Bett gingen, nur um herauszufinden, wie das ist.“

„Und du findest das nicht gut?“ Er sah sie fragend an.

„Na ja, ich habe nicht erlebt, dass es sie wirklich glücklicher gemacht hat. Einige sind ungewollt schwanger geworden, andere wieder mussten vom College abgehen, weil sie sich mehr auf ihre Freunde als auf den Unterricht konzentriert hatten und durchgefallen sind.“

„Und so hast du beschlossen, es anders zu machen?“

„Genau.“ Sie nickte mehrmals.

Rayhan hätte nicht zufriedener sein können. „Ich glaube, du bist eine sehr kluge Frau, Cami Ellison.“

Er sah sie an und nahm jedes Detail an ihr wahr. Das entschlossene kleine Kinn, den festen Mund. Beides sprach für ihren starken Willen. Diese Frau würde nicht leicht zu erobern sein, aber sie war die Mühe wert.

Das weizenblonde Haar und die tiefblauen Augen nahmen ihn gefangen. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er lebte lange genug in Amerika, um nicht nur an zierlichen dunkelhaarigen Frauen, wie er sie aus Adnan kannte, Gefallen zu finden.

Und Cami war eine texanische Prinzessin, hoch gewachsen, kräftig, klug und unberührt. Sie war einfach perfekt.

Überrascht über seine eigenen Gedanken, erkannte Rayhan, dass er bei all seinen Racheplänen niemals in Betracht gezogen hatte, dass er die Tochter von Ellison eines Tages tatsächlich begehrenswert finden könnte.

Aber das war nicht das Wichtigste. Er würde sie erobern, sie zu seiner Frau machen und endlich über Ellison triumphieren.

Er hatte sie mit seinem Hinweis, dass ihr Vater einer Beziehung zwischen ihnen beiden ablehnend gegenüberstehen könnte, testen wollen. Und sie hatte ihm ihre Unabhängigkeit demonstriert. Cami war bereit, sich seinetwegen den Unwillen ihres Vaters zuzuziehen. Das war gut.

„Wann sehe ich dich wieder?“, erkundigte er sich heiser. Er räusperte sich laut.

Sie blinzelte ihn verführerisch an. „Aber du siehst mich doch jetzt.“

„Nun, ich kann nicht den ganzen Tag hierbleiben.“ Er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. „Ich habe schließlich eine Ranch, um die ich mich kümmern muss. Aber heute Abend hätte ich Zeit. Tanzt du gern?“

„Eigentlich schon.“

„Kennst du das Tanzlokal Nancy’s in Mc Mahon?“

„Ja, klar.“

„Treffen wir uns dort heute Abend um neun Uhr?“

Camis war entzückt. Er bat sie, mit ihm auszugehen!

Doch dann dachte sie kurz nach. Dieser eine Pickel in ihrem Gesicht störte sie, und beim Tanzen würde sie Ray gefährlich nahe kommen. Wenn sie den Termin verschob, konnte sie sich außerdem noch ein neues Kleid kaufen. „Wie wäre es mit Samstag?“, schlug sie vor.

„Ich würde dich zwar lieber früher wiedersehen, aber Samstag ist auch in Ordnung.“ Sein strahlendes Lächeln ließ sie schwindeln.

Mit einem scherzhaften Salut verabschiedete er sich von ihr.

„Bis Samstagabend um neun Uhr also.“

Glücklicherweise hatte der Kosmetiksalon in San Antonio gute Arbeit geleistet, und von dem Pickel war nun gar nichts mehr zu sehen. In einem schicken schwarzen Kleid mit V-Ausschnitt saß Cami am Samstagabend schließlich im Nancy’s. Sie war mit Ray verabredet, aber sie war so nervös gewesen, dass sie viel früher aufgebrochen war.

Sie trat nervös mit den spitzen hochhackigen Schuhen gegen den Bartresen, der den Raum beherrschte. An einer Seite waren einige Billardtische aufgebaut, um die Cowboys und Arbeiter von den Ölfeldern herumstanden.

Eine Band spielte Countrysongs auf der Bühne, die sich auf der anderen Seite der Bar befand, wo auch die Tanzfläche war. Hier gab die Besitzerin regelmäßig Tanzunterricht. Eine farbige Glitzerkugel kreiste über der Tanzfläche und tauchte sie in schillerndes Licht.

Cami war hier schon seit ihrer Teenagerzeit Dauergast. Und während sie jetzt an der Bar saß, dem Treiben zusah und den Gesprächen in ihrer Umgebung lauschte, dachte sie über Ray Malik nach.

Sie musste sich eingestehen, dass sich ihre Gedanken seit Tagen praktisch ausschließlich um ihn drehten. Sie sehnte sich nach seiner Berührung, nach seinen Küssen. Und in der Nacht träumte sie davon, in seinen Armen zu liegen.

Aber er war ihr auch ein wenig unheimlich. Sie wusste nicht viel von ihm.

Er war kein Amerikaner.

Er war dreißig Jahre alt.

Er züchtete edle Rennpferde.

Noch nie war ihr ein derart aufregender Mann über den Weg gelaufen.

Camis schreckte auf, als sie seinen Namen hörte. Sie wandte sich um und sah zwei Frauen, die in einer Nische saßen und über Ray sprachen. Es war gar nicht einfach, die Unterhaltung trotz der lauten Musik zu belauschen. Cami nahm ihr Glas und setzte sich unauffällig ein wenig näher zu dem Tisch. Allerdings saß sie jetzt mit dem Rücken zum Eingang und konnte nicht mehr sehen, wer das Lokal betrat.

Eine der beiden Frauen, eine auffallende Rothaarige in einem schwarzen Paillettentop, beendete gerade ihre Geschichte. „Und dann hat er sie einfach in Houston in ein Flugzeug verfrachtet und nie wieder etwas von sich hören lassen.“

„Sie war ein Supermodel?“ Ihre Begleiterin schien völlig fassungslos. „Und er serviert sie einfach so ab?“ Sie schnippte mit den Fingern.

Cami zuckte zusammen. Ray schien seine Freundinnen häufig zu wechseln, dem Gespräch nach zu urteilen.

Sie neigte den Kopf, um noch besser zuhören zu können, aber den beiden Frauen schien ihr neugieriger Blick aufzufallen, denn die Sprecherin wandte sich ab und senkte die Stimme.

Cami hatte allerdings genug gehört. Ich muss vorsichtig sein, sagte sie sich. Sie war Ray in Gefühlsdingen weit unterlegen.

Sie hörte, wie die Eingangstür sich hinter ihr öffnete, und instinktiv spürte sie, dass Ray gekommen war.

Sie wandte den Kopf, als er neben ihr auf einem Barhocker Platz nahm. Ihr Herz klopfte wie wild. Die beiden fremden Frauen verstummten bei seinem Anblick. Cami konnte nicht anders, als den zwei Damen einen kurzen triumphierenden Blick zuzuwerfen, bevor sie ihre ganze Aufmerksamkeit Ray widmete.

Er trug eine Jeans, dazu ein kariertes Baumwollhemd, wie es viele Leute in der Bar trugen, aber an Ray sah es interessant aus. Einzelne Locken seines dunklen Haares wellten sich verführerisch im Nacken. Cami bemerkte den exotischen Duft seines Aftershaves, als er sich zu ihr hinüberbeugte. „Hallo, Cami“, flüsterte er ihr leise ins Ohr. „Ich mag es, wenn du dein Haar offen trägst. Du wirkst damit wild und verführerisch.“

Cami schluckte. Sie hoffte, dass er die Botschaft ihres letzten Gesprächs verstanden hatte. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart zwar verführerisch, aber sie wollte, dass ihre Beziehung sich langsam entwickelte.

Ray stützte die Unterarme auf der Theke auf. Camis Blick fiel auf seine braun gebrannten Handgelenke. An einem Arm trug er eine teuer aussehende goldene Rolex.

Das war gut, fand Cami. Das deutete zumindest darauf hin, dass er einiges an Geld besaß, er war also nicht wegen der C-Bar-C-Ranch hinter ihr her. An ihrem vierzehnten Geburtstag hatte ihr Vater sie darüber aufgeklärt, dass einige Jungs nur des Geldes wegen an ihr interessiert sein würden.

Der Anblick von Rays Händen erinnerte Cami daran, wie gut sich seine Finger auf ihrem Gesicht angefühlt hatten, als er sie vor einigen Tagen geküsst hatte. Ihr Herz schlug heftiger bei diesen Gedanken.

„Hallo, Ray.“ Cami versuchte, beiläufig zu klingen. „Wie geht’s denn so?“

„Gut, jetzt da ich dich endlich wiedersehe.“

Ihr Puls raste, aber Ray schien das nicht zu bemerken. „Was trinkst du?“, erkundigte er sich.

„Ginger-Ale.“

Der Barkeeper näherte sich ihnen. „Was soll’s sein?“

„Ich nehme das Gleiche wie die Dame hier. Und bitte bringen Sie ihr noch einen Drink.“ Er lächelte Cami liebevoll an.

Cami war angespannt, aber auch erwartungsfroh. Ihre Haut prickelte vor Erregung. Fühlt es sich so an, wenn man verliebt ist?, fragte sie sich. Sie hoffte nicht. Denn lange würde sie das nicht mehr aushalten können. Wie sollte sie bloß diesen Abend überstehen? Wie sollte sie sich Ray gegenüber verhalten?

Sie erinnerte sich, dass sie schon oft gehört hatte, dass Männer gern über sich selbst redeten. Und dass sie dafür nur ein wenig Ermunterung brauchten. „Also, Ray“, begann sie. „Erzähl mir ein wenig über dich. Es kursieren da einige Gerüchte.“

„Gerüchte? Was für welche?“

Sie zögerte. Er würde sie vermutlich für eine Närrin halten.

„Bist du ein Prinz? Das bekomme ich am häufigsten zu hören.“

„Ja, die richtige Bezeichnung ist allerdings Scheich.“

Sie hätte fast ihr Glas fallen lassen. War das möglich? Ein echter arabischer Scheich mitten in Texas? „Und wie nennst du dich selbst?“

„Ich heiße Rayhan“, erklärte er und lächelte.

Es gefiel ihr, dass er nicht angab mit seinem Titel. „Hat dieser Name eine besondere Bedeutung?“

„Ja, er bedeutet so viel wie ‚von Gott begünstigt‘.“ Er verzog das Gesicht zu einem ironischen Lächeln.

„Stimmt etwas nicht?“

„Ich bin der vierte Sohn von insgesamt sieben Kindern. Mein Vater ist der Herrscher von Adnan.“

„Liegt das nicht in Nordafrika, in der Nähe von Marokko?“

„Sehr gut. Die meisten Amerikaner haben noch nie von Adnan gehört, geschweige denn, dass sie wissen, wo es liegt.“

Cami war neugierig, sie spürte, dass er hinter seine Ironie etwas verbarg. „Hält dein Vater nicht viel von dir als seinem vierten Sohn?“

„Du hast ins Schwarze getroffen. Mein ältester Bruder ist jetzt König von Adnan. Mein zweitältester Bruder ist sein Großwesir. Er wurde sein ganzes Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet. Mein dritter Bruder ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Meine Schwestern haben alle aus politischen Gründen geheiratet.“

„Und was ist mit dem vierten Sohn?“

„Ich habe lange geglaubt, dass ich so eine Ersatzfunktion habe, ein Vertreter für den Fall, dass einem meiner Brüder etwas zustößt.“ Er tat das mit einem lässigen Schulterzucken ab.

„Das ist unfair.“ Cami wusste, wie sehr ihr Vater sie als seine einzige Tochter verwöhnt hatte.

„Das Leben ist nicht immer gerecht.“ Der harsche Unterton in seiner Stimme überraschte Cami. „Schließlich beschloss ich, nach Amerika zu gehen, um dort mein Glück zu machen, wie man das hier ausdrücken würde. In Adnan hatte ich nichts verloren. Mein Vater hat mir nicht einmal formal einen Posten zugestanden.“

Cami nickte nur und hoffte, dass er das als Mitgefühl betrachten würde. „Ich weiß, was du meinst. Mein Vater hat ein zehn Jahre altes Foto von mir neben seinem Bett stehen. Es ist unglaublich schwer, ihn davon zu überzeugen, dass ich erwachsen bin. Er sieht mich immer noch als seine kleine Tochter.“

Ray kniff die Augenbrauen zusammen. „Unsere Eltern sehen uns meist als diejenigen, die wir als Kinder waren, nicht als das, was wir geworden sind. Wie gesagt, ging ich eines Tages nach Amerika, um mir ein eigenes Leben aufzubauen und Erfolg zu haben.“

„Und hast weltberühmte Vollblutpferde gezüchtet, die viele Preise gewinnen“, bewunderte ihn Cami. „Du hast es ihnen allen gezeigt, nicht wahr?“

„Ja, das habe ich wohl“, antwortete er trocken. „Sprichst du irgendwelche Fremdsprachen, Cami?“

„Nur Englisch und Spanisch.“

„Sprachen sind sehr nützlich. Ich wünschte nur, mein Englisch wäre besser gewesen, als ich vor zehn Jahren nach Amerika kam.“

Cami schaute Ray genauer an. Sie kam nicht ganz mit seinen wechselnden Stimmungen klar.

„Bist du zufrieden mit deinem Leben hier?“, erkundigte sie sich. Sie hoffte nicht, dass er nach Hause zurückkehren wollte. Zu sehr wünschte sie sich, herausfinden zu können, welche Beziehung zwischen ihr und Ray möglich war.

„Mir ist es ganz gut ergangen, aber ich habe erst vor Kurzem den größten Schatz entdeckt.“ Er streichelte ihr zärtlich über den Oberschenkel und erhob sich dann. „Möchtest du tanzen?“

„Oh, ja, sehr gern.“ Sie nippte kurz an ihrem Drink und erhob sich.

Die Band begann ein neues Lied, und die Tänzer stellten sich auf. Cami war entzückt, dass Ray genauso gut tanzen wie reiten konnte.

Sie hatten sehr viel Spaß miteinander, Ray wirbelte sie zu Rock-’n’-Roll-Klängen herum. Schließlich wechselte die Band über zu einem langsamen Song, und Ray nahm Cami in die Arme, streichelte ihr mit einer Hand den Nacken. Während sie sich im Rhythmus der Musik drehten, hatte Cami nur noch Augen für Ray.

Er knabberte an ihrem Ohrläppchen. „Köstlich“, raunte er.

Sie kicherte nervös. „Verschlingst du die Frauen, mit denen du ausgehst, immer auf der Tanzfläche?“

„Nur die, die so gut schmecken wie du.“ Er ließ eine Hand über ihre Hüfte wandern und zog sie fester in seine Arme.

Cami spürte seine Körperwärme und seine Erregung durch die Kleidung, die sie voneinander trennte. Sie zog scharf die Luft ein. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.

Da löste Ray sich wieder von ihr und nahm ihre beiden Hände in seine. „Ich muss kurz jemanden sprechen.“ Er deutete nach hinten, wo es zum Ausgang ging. „Ich sehe dich dann gleich wieder an der Bar, sagen wir in fünf Minuten?“ Er hob ihre Hände an seinen Mund und drückte einen kurzen Kuss auf ihre Handgelenke.

„In Ordnung“, murmelte sie und kehrte zur Bar zurück, wo sie sich noch ein Ginger-Ale kaufte. Beim Tanzen war ihr richtig heiß geworden.

Ray hatte sich unter Kontrolle gehabt, obwohl sie seine Begierde gespürt hatte. Aber sie kannten sich kaum, und die Art und Weise, wie sie aufeinander reagierten, ließ nur eine Vermutung zu, nämlich dass sie früher oder später miteinander im Bett landen würden. Wie sollte sie sich verhalten? Cami biss sich auf die Unterlippe.

Sie musste sich eingestehen, dass es bisher sehr leicht gewesen war, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Sie hatte niemanden getroffen, der sie wirklich in Versuchung geführt hätte … bis sie Ray kennengelernt hatte.

Jemand zog Cami am Haar, und sie wirbelte herum. Jenelle Watson und ihr Ehemann Jordy standen vor ihr.

„Hallo, Cami!“ Jordy zog sie vom Stuhl und umarmte sie.

Cami löste sich schnellstmöglich aus seinen Armen. „Hi, Jordy. Hallo Jenelle.“ Nachdem sie Jenelle liebevoll begrüßt hatte, schaute Cami ihre Freundin genauer an. Obwohl diese ihren Schwarm aus der Highschool direkt nach dem Abschlussjahr geheiratet hatte, sah sie nicht gerade glücklich aus. Jenelle wirkte irgendwie traurig trotz der offensichtlichen Schwangerschaft.

Warum ist das so, fragte sich Cami. „Kommt, ihr beiden, suchen wir uns einen Tisch.“ Sie führte Jenelle zu einem etwas ruhigeren Platz, weit weg von den Lautsprecherboxen. Jordy hatte bereits Bier geholt.

Er reichte seiner Frau ein Glas.

Sie verzog den Mund. „Du weißt doch, dass ich wegen des Babys nichts trinken kann.“

Jordy ging wortlos an die Theke zurück.

Cami war irritiert. Was zum Teufel war hier los? Jenelle wirkte sehr angespannt.

Cami beschloss, das Thema zu wechseln. „Wie läuft es denn mit eurem Restaurant?“ Jenelle und Jordy hatten ein Fast-Food-Lokal eröffnet.

„Lausig.“ Jenelle machte eine Kopfbewegung in Richtung Jordy. „Du siehst ja, wie er ist. Er vertrinkt praktisch den ganzen Gewinn.“

„Oh.“ Cami schaute sich suchend um. Wo Ray nur blieb?

Einer der Cowboys kam auf ihren Tisch zu und bat sie um einen Tanz. Cami schüttelte ablehnend den Kopf, sie blieb lieber bei Jenelle, um mehr über die momentane Situation ihrer Freundin zu erfahren.

Doch Jenelle nahm nach einem Seitenblick auf ihren Mann, der noch immer an der Theke stand, die Einladung an. Sie tat Cami leid. Die frühere Cheerleader-Queen tanzte mit Fremden, um die Aufmerksamkeit ihres Mannes zu erregen.

Die Band wechselte zu einem Slowfox. Cami wünschte sich sehnlichst, dass Ray zurückkam. Sie vermisste schon jetzt die Erregung, die sie in seinen Armen verspürt hatte.

Einige Augenblicke später gesellte sich Jordy zu ihr und bat Cami um einen Tanz. Dieses Mal stimmte sie aus Langeweile zu.

Doch schon binnen Sekunden bereute sie ihre Entscheidung. Jordy roch unangenehm nach Schweiß, Essen, Zigaretten und Bier. Am liebsten wäre sie einfach verschwunden.

Doch da drängte sich Jordy noch näher an sie und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte, weil sie direkt vor den Lautsprecherboxen tanzten. „Was hast du gesagt?“, schrie sie so laut zurück, dass er richtig zusammenzuckte.

„Ich sagte, du bist hübscher als je zuvor, Cami Ellison.“ Jordy warf einen kurzen Blick auf seine Frau, die einige Schritte von ihnen entfernt tanzte. Er musterte ihren Bauch mit Widerwillen.

Sie schaute sich suchend um. Wo war Ray? „Entschuldige mich bitte.“ Cami löste sich von Jordy und machte sich auf dem Weg Richtung Toiletten.

Da packte er sie plötzlich an der Taille und zog sie hinter sich her durch den Seitenausgang nach draußen.

Die kalte Nachtluft und die helle Straßenbeleuchtung waren ein richtiger Schock für Cami.

„Wir sind noch nicht quitt, meine Süße.“ Jordy schob sie gegen die Hausmauer. „Weißt du noch, wie du mich in der Highschool immer angemacht hast? Nun, jetzt bekommst du deine Chance.“

Völlig verblüfft von seinen Lügen öffnete sie den Mund, um nach einer Antwort zu suchen, doch schon hatte er seine Lippen auf ihre gepresst. Mit einer Hand zerriss er ihr Oberteil.

Cami trug keinen BH, und so war ihr Busen leichte Beute für Jordy. Doch Cami war nicht bereit, sich das gefallen zu lassen. Da der Mann ihrer Freundin sie an den Händen festhielt, streckte sie den Kopf vor und biss ihm ins Ohr.

Jordy schrie auf. Sie trat ihm mit ihrem spitzen Absatz auf den Fuß und hob ein Knie an, um es ihm genau dahin zu rammen, wo es am meisten wehtun würde.

Plötzlich ließ ihr Angreifer sie los. Ray war da und versetzte Jordy einen Kinnhaken, sodass dieser lautlos zusammensackte und sich wimmernd am Boden wälzte.

„Cami? Bist du okay?“

„Mir geht es gut“, murmelte sie.

„Das sehe ich nicht so.“ Ray half ihr auf.

Sie stolperte und nahm es gern an, dass er sie stützte. Er legte ihr vorsichtig einen Arm um die Schulter.

Sie wollte ihm eigentlich für seine Hilfe danken und schaute hoch in sein Gesicht. Da bemerkte sie, dass sein Blick verächtlich auf ihre entblößten Brüste gerichtet war.

3. KAPITEL

Cami versuchte Ray von sich wegzuschieben. Sie suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel für ihren Pick-up.

„Du solltest nicht so hier herumlaufen“, erklärte Ray mit vorwurfsvoller Stimme.

„Warum? Du hast doch schon alles gesehen!“ Cami stand noch immer völlig unter Schock.

„Du hast Angst gehabt, nicht wahr?“ Er strich ihr tröstend über die Wange. „Aber jetzt ist alles vorbei. In Zukunft musst du vorsichtiger sein.“

Sie nickte und deutete mit dem Kopf auf Jordy, der zusammengekauert an der Wand lehnte. „Ich kenne ihn seit meiner Kindheit.“

„Aber Menschen verändern sich. Und Orte ebenso.“ Ray bedeckte ihre Blöße mit den zerrissenen Stofffetzen.

„Du hast recht“, gestand sie mit einem lauten Seufzer.

Er hob ihr Kinn an, sodass sie ihn anschauen musste. „Ich möchte nicht, dass du allein ausgehst. Mc Mahon ist nicht mehr die ruhige Kleinstadt, in der du aufgewachsen bist.“

„In Ordnung“, wisperte sie. Sie schloss die Augen, ließ sich von ihren Gefühlen übermannen. Als sie nach San Antonio gezogen war, war sie abends immer mit Freunden unterwegs gewesen. Hier zu Hause hatte sie geglaubt, vor Belästigungen sicher zu sein.

Ray nahm sie fester in den Arm und führte sie hinüber in den kleinen Park hinter dem Nancy’s. Er setzte sich mit ihr auf eine Bank. „Es tut mir leid, dass das passiert ist, Cami. Ich hätte dich nicht so lange allein lassen sollen.“

„Was war los? Wo warst du?“

„Ich habe kurz jemanden wegen eines Pferdes sprechen müssen. Wir sind nach draußen gegangen, um uns zu unterhalten. Und dann musste ich diese Szene mit ansehen …“ Mit einem Seufzer des Bedauerns hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange.

Seine Zärtlichkeit ließ Camis Zurückhaltung schwinden. Als er sie auf den Mund küsste, brachte sie ihm keinen Widerstand mehr entgegen.

Sie legte die Hände um seinen Nacken, um ihn noch dichter an sich zu ziehen. Sie erforschte seinen Mund mit ihrer Zunge, spürte seinen harten männlichen Körper fest an sich. Er reagierte instinktiv auf sie, aber Cami spürte, dass er sich dennoch unter Kontrolle hatte. Zumindest im Augenblick.

Schließlich löste Ray sich von ihr und atmete tief durch. Er hauchte ihr ein paar federleichte Küsse auf den Hals.

Zärtlich hielt er sie in seinen Armen. „Ich begehre dich, das weißt du, nicht wahr? Und ich will, dass du nur mir gehörst“, erklärte er mit leiser rauer Stimme.

Sie schaute ihn sprachlos an.

„Das bedeutet, ich will nicht, dass du mit anderen Männern ausgehst. Mit ihnen flirtest, mit ihnen tanzt oder sie sogar küsst. Verstanden?“

Cami brachte kein Wort heraus. Sie schaute ihn nur stumm an.

Mit einer sinnlichen Bewegung strich Ray ihr über den Hals, ließ die Finger hinabwandern zu ihrem Dekolleté.

Cami schob seine Hand weg und rutschte an das äußerste Ende der Bank.

Er lächelte. „Sehr gut.“

„Ich will, dass man mich mit Respekt behandelt.“

Ray streckte den Arm über die Rückenlehne der Bank aus. „Das tue ich. Wieso bezweifelst du das? Ich begehre dich. Und ich bin bereit, mich dir völlig auszuliefern.“

Cami starrte Ray fassungslos an. Der Abgrund zwischen ihren beiden Kulturen schien riesengroß. Was bedeuteten seine Worte? Wollte er damit ausdrücken, dass er gern ihr Freund sein wollte? Was fand er nur an ihr? „Ich weiß nicht so recht …“, begann sie.

„Hast du in letzter Zeit nicht mehr in den Spiegel geschaut? Du bist eine wunderschöne Frau.“

Cami errötete und wandte sich ab. Sie fühlte sich ungeschickt wie eine Vierzehnjährige.

„Hör zu. Wir haben viel zu besprechen, nicht wahr? Lass uns morgen gemeinsam frühstücken.“

Ein Gefühl der Unsicherheit überfiel sie. Glaubte Ray, dass sie die Nacht mit ihm verbringen würde?

Er verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. „Wir treffen uns nur zum Frühstück, sonst nichts. In der Stadt bei Pete’s.“ Er deutete in Richtung der Hauptstraße.

Sie entspannte sich merklich. Pete’s Diner war berühmt für sein fantastisches Frühstück.

„Um zehn Uhr“, legte er den Termin fest. „Und jetzt fahre ich dich nach Hause.“

„Mein Pick-up …“

„Du solltest jetzt nicht Auto fahren, nach allem, was passiert ist.“ Er griff nach ihrer Hand.

Ihre Finger zitterten. Entschlossen ballte Cami die Hände zur Faust. „Es geht schon. Ich fahre einfach ganz langsam.“

„Dann folge ich dir mit meinem Wagen, damit ich mich überzeugen kann, dass du sicher nach Hause kommst. Ja?“

Rayhan folgte Cami im Schritttempo auf ihrem Heimweg zur C-Bar-C-Ranch und hing dabei seinen Gedanken nach.

Zehn Jahre waren eine lange Zeit, um seinen Racheplan zu hüten. Aber er hatte die Zeit nicht nutzlos verstreichen lassen. Stattdessen hatte er sich voll und ganz der Pferdezucht gewidmet. Das war zu seiner wahren Leidenschaft geworden. Wunderschöne Araber, die so schnell waren wie der Wind. Nachdem er erkannt hatte, dass er auf seiner texanischen Ranch nicht nach Öl bohren konnte, hatte er sich seiner ersten Liebe zugewandt: den Pferden. Sein Zuchtprogramm hatte gute Früchte getragen. Seine Araberpferde waren begehrt sowohl als Reit- und Rennpferde als auch als Zuchtpferde.

Aber seiner Ehre war er es schuldig, für die ihm angetane Schmach Rache zu nehmen. Er hielt nicht viel davon, sein Recht in einem Streit vor Gericht zu erkämpfen. Er hatte sich geschworen, Ellison einmal das wegzunehmen, was ihm am meisten am Herzen lag – seine Tochter. Durch sie würde er bekommen, was ihm zustand, und seine Ehre wäre wiederhergestellt.

Dass er Cami nicht liebte, tat nichts zur Sache. Als Mitglied einer Königsfamilie war ihm von jeher vorbestimmt gewesen, sich seine Frauen mehr nach politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszusuchen. Er hatte in den vergangenen Jahren Cami hin und wieder gesehen, hatte miterlebt, wie sie sich von einem Kind in einen Teenager und jetzt langsam in eine Frau verwandelt hatte.

Und es gefiel ihm, was er sah. Sie war eine intelligente junge Frau mit einem klugen Verstand, Entschlossenheit und einer ausgeprägten weiblichen Intuition.

Ihm ging das Herz auf. Sie würde eine gute Mutter für seine Kinder abgeben. Und eine zauberhafte Geliebte sein. Bereits beim Küssen war sie unglaublich leidenschaftlich gewesen. Er hatte sich sehr zusammennehmen müssen, um sie nicht auf der Parkbank zu verführen, aber wenn er noch ein wenig warten würde, würde ihre Vereinigung später umso wunderbarer sein.

Die Heirat mit Cami Ellison würde bedeuten, dass er seiner Familie in Adnan eine reiche Ehefrau präsentieren könnte. Auch wenn das dort nicht ausschließlich auf Zustimmung stoßen würde.

Er biss die Zähne zusammen. Sein Bruder, der König, hatte in seinem letzten Brief angekündigt, dass man ihn mit der Tochter eines wichtigen Wüstenfürsten verheiraten wolle und dafür reichlich belohnen würde. Rayhan vermutete, dass man ihm dafür ein Ministerium zuweisen würde. Ein geringeres Amt würde die Familie der möglichen Braut beleidigen.

Zumindest haben sie nach all diesen Jahren Verwendung für mich, murmelte er bitter. Er wusste allerdings noch nicht, ob er sich auf dieses Angebot einlassen würde …

Sein Bruder hatte gemeint, Adnan brauche Rayhan. War Cami ein Königreich wert?

Cami umklammerte das Steuer ihres Pick-ups fest mit den Händen, um bei den vielen Schlaglöchern nicht vom Weg abzukommen. Als sie sich dem Ranchtor näherte, verlangsamte sie das Tempo und öffnete es mit dem elektronischen Türöffner. Ray verabschiedete sich mit Lichthupe und setzte seine Fahrt nach Double Eagle fort.

Nachdem sie das Tor wieder hinter sich geschlossen hatte, parkte Cami den Pick-up in der Auffahrt.

Die Beziehung zu Ray entwickelte sich für ihren Geschmack etwas zu schnell. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn als Person mochte, obwohl sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlte.

Die Art und Weise, wie er sie in den Armen gehalten und getröstet hatte, war einzigartig gewesen. Sie hatte sich sicher und behütet gefühlt. Und sie begehrte ihn mehr als jemals einen Mann zuvor.

Vorsichtig stieg sie aus. Sie schloss die Türen so leise wie möglich, um den leichten Schlaf ihres Vaters nicht zu stören.

Cami wurde schwer ums Herz, als sie an ihren Vater dachte. Ihre Mutter kannte Cami nur von Fotos. Ihr Dad war ihr als Kind Vater und Mutter gewesen. Er hatte alles für sie getan, hatte ihr Erbe verwaltet, so lange sie sich erinnern konnte, selbst vom Krankenhausbett aus nach diesem schrecklichen Verkehrsunfall. Und seit er an den Rollstuhl gefesselt war, hatte er sich weitgehend von allem gesellschaftlichen Treiben zurückgezogen und widmete sich allein seiner Tochter.

Vorsichtig zog Cami ihre Cowboystiefel aus und schlich sich in ihr Zimmer. Ihr Vater würde ihre Beziehung zu Scheich Rayhan sicherlich nicht befürworten. Abgesehen von der mangelnden Kommunikation zwischen den beiden, würde ihr Vater Ray sicher auch für zu alt für sie halten. Und dessen Herkunft aus einer fremden Kultur würde er wohl auch nicht gutheißen.

Und sie würde ihm das nicht vorwerfen können.

Entschlossen marschierte Cami ins Badezimmer, um sich abzuschminken. Sie würde Ray beim Frühstück am nächsten Morgen sagen, dass sie sein schmeichelhaftes Angebot nicht annehmen konnte.

„Ich bin viel zu jung für so etwas“, murmelte sie, während sie in die Küche ging, um sich ein Glas Wasser zu holen.

Doch später, als sie versuchte, Schlaf zu finden, holten sie ihre Gefühle wieder ein. Wie gut sie sich in seinen Armen gefühlt hatte, wie sehr sie seine Küsse genossen hatte.

War Ray der Mann, den sie wollte? Der sie wollte? Sie hatte noch mit keinem Mann geschlafen; war Ray es wert, ihre Jungfräulichkeit aufzugeben?

Sie dachte an die geheimnisvolle Atmosphäre, die ihn umgab – einen Scheich aus einem Land wie Tausendundeiner Nacht. Ob das überhaupt stimmte, was er ihr erzählt hatte über seine Heimat?

Cami seufzte und beschloss aufzustehen, da sie sowieso keinen Schlaf finden konnte. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, startete ihren Laptop und ging ins Internet.

Zu ihrem Erstaunen fand sie die notwendigen Informationen auf Anhieb. Der Name der Herrscherfamilie von Adnan lautete Malik al-Rashad. Ihr Wappen war ein doppelköpfiger Adler, der Adnans Rolle als Wüstenstaat und als Volk von Seefahrern gerecht wurde. Drei Brüder hatten die Macht unter sich aufgeteilt. Einer war König, ein zweiter Großwesir, der dritte Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Ein vierter Bruder lebte laut Internetauskunft auf einer Ranch in Texas.

Er hat mir also die Wahrheit erzählt, dachte Cami. Aber das macht keinen Unterschied, sagte sie sich, während sie wieder ins Bett ging. Ray war viel zu erfahren, außerdem will er mehr von mir, als ich im Moment zu geben bereit bin.

Freundlich, aber bestimmt, werde ich ihm klarmachen, dass ich mich nicht weiter auf ihn einlassen werde, beschloss sie. Cami war nicht bereit, den allerletzten Schritt zu tun, zumindest jetzt nicht. Scheich hin oder her.

Am Sonntagmorgen ging es in Pete’s Diner wie immer ziemlich hektisch zu. Alle Hocker an der Theke waren besetzt. Kellnerinnen in altmodischen pinkfarbenen Uniformen aus Polyester, über denen sie gestärkte weiße Schürzen trugen, eilten ständig in die Küche und wieder zurück, sie trugen dampfende Kaffeekannen oder waren bepackt mit Tellern mit Pfannkuchen, Rührei oder Würstchen.

Ray saß in der zweitletzten Nische und unterhielt sich mit Billie Mae MacPherson. Sie arbeitete hier als Bedienung. Cami kannte sie noch aus der Schule, sie hatte die Mc Mahon Highschool ein Jahr vor ihr beendet. Es hieß allgemein, dass sie schnelle Autos und noch schnellere Männer mochte. Ein Gefühl von Eifersucht, wie sie es noch nie erlebt hatte, durchzuckte Cami. Schnell nahm sie sich zusammen.

„Guten Morgen“, begrüßte Ray sie. „Wie hast du geschlafen?“

„Gut.“ Er brauchte ja nicht zu wissen, dass sie die halbe Nacht kein Auge zugetan hatte.

„Musstest du noch lange über diesen Typen nachdenken, der dich angegriffen hat?“, hakte Ray nach, der die Ringe unter ihren Augen bemerkte. „Wir könnten ihn auch anzeigen, wenn du willst.“

„Ich habe nicht über Jordy nachgegrübelt.“ Cami spielte mit einer ihrer Haarlocken. „Du bist mir nicht aus dem Kopf gegangen.“

„Aha.“

„Ja, leider.“ Und dann brach es aus ihr heraus. „Hör mal, Ray, wir können nicht einfach so weitermachen wie bisher.“

4. KAPITEL

Rayhans Brustkorb hob und senkte sich. Er begriff nicht ganz, was sie damit sagen wollte. „Was meinst du damit? Ich dachte, wir mögen einander!“

„Ich mag dich ja auch, aber … du verlangst von mir mehr, als ich zu geben bereit bin.“

Innerlich verfluchte er sich für seine Ungeduld. Er begehrte sie so sehr, dass er nicht länger warten wollte, aber er durfte sie andererseits auch nicht verschrecken. „Es tut mir leid. Du hast gestern Abend Schlimmes durchmachen müssen. Ich wollte dich eigentlich nur trösten. Ich hoffe, du hast das nicht missverstanden.“

„Nein“, wisperte sie und senkte den Blick. „Du warst wunderbar … zu wunderbar.“

„Ich glaube, ich verstehe dich. Ich finde dich auch ganz wunderbar. Aber dir geht alles zu schnell, nicht wahr?“

Sie hob den Kopf; so etwas wie Hoffnung keimte in ihr auf. „Verstehst du mich wirklich?“

„Ja. In Adnan erwartet ein Mann, dass sein Mädchen tugendhaft bleibt.“ Er sah sie forschend an. „Ich war mit anderen Frauen zusammen, aber das ist jetzt vorbei. Ich bitte dich, uns die Chance zu geben, einander besser kennenzulernen. Und ich möchte nicht, dass du mit anderen Männern ausgehst, solange wir zusammen sind.“

„Oh!“ Cami nahm sich eine Papierserviette aus dem Ständer und wischte sich damit über die Stirn. Sie sah ihn erleichtert an. „Das ist in Ordnung. Ich glaube, ich habe das gestern missverstanden. Ich dachte …“

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich dich nicht begehre.“ Er ließ seinen Blick bedeutungsvoll über ihre Lippen und ihre vollen Brüste wandern. „Aber ich verstehe, dass du noch nicht bereit bist.“

„Nein, das bin ich nicht.“ Sie schaute ihn etwas verlegen an.

Er beeilte sich, sie zu beruhigen. „Das ist in Ordnung. Ich kann warten.“

Die Kellnerin kam mit dem Kaffee für Cami und der Speisekarte. Cami schüttete einfach von allem, was auf dem Tisch stand, etwas in ihre Tasse.

„Wieso du da auch noch Zimt reingeben willst in den guten Kaffee, verstehe ich nicht ganz“, neckte Rayhan sie.

„Findest du unseren amerikanischen Kaffee nicht zu schwach für deinen Geschmack?“, erkundigte sie sich neugierig.

„Ich habe mich daran gewöhnt“, gestand er. „Er schmeckt natürlich anders als bei uns zu Hause. Bei uns trinkt man allerdings auch sehr viel Pfefferminztee. Ich möchte dir eines Tages meine Heimat zeigen.“

„Das würde mir Spaß machen. Erzähl mir mehr über Adnan.“

„Es ist ein wunderschönes Land.“ Rayhan lehnte sich in die Polster zurück und schloss die Augen. Er ließ vor seinem geistigen Auge das Bild der weiß getünchten Häuser und der mosaikverzierten Minarette seines Landes erstehen. „Das Wort ‚Adnan‘ bedeutet so viel wie angenehm. Und das Leben bei uns ist wirklich mehr als angenehm.“

„Warum bist du weggegangen? Du scheinst deine Heimat sehr zu lieben.“

Rayhan öffnete die Augen und begegnete Camis Blick fragendem Blick. Er überlegte, wie viel er ihr verraten konnte. „Nun, nach dem Studium wollte ich gern für die Regierung arbeiten. Mein Vater war damals König, aber er gab mir kein Amt. Später hoffte ich, dass mein Bruder, der ihm auf den Thron nachfolgte, mir eine sinnvolle Aufgabe zuteilen würde, aber der sah in mir den jüngeren nutzlosen Bruder. Und nichts, was ich auch anstellte, überzeugte ihn davon, mir irgendwelche Verantwortung zu übertragen.“

Die Kellnerin kam, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Cami orderte Müsli und Früchte, dazu fettarme Milch. Rayhan bat um ein Omelett mit Würstchen.

„Du isst Schweinefleisch?“, erkundigte sich Cami neugierig.

„Gelegentlich. Ich bin kein fundamentalistischer Moslem.“

„Glaubst du an … die Liebe?“

Rayhan schaute ihr tief in die Augen. Sie war eine so süße Romantikerin. „Wenn ich mit dir zusammen bin, schon.“

Cami errötete bei seinen Worten vor Verlegenheit. Zum Glück brachte die Kellnerin ihr Frühstück, und Cami konnte sich über ihr Essen hermachen.

Rayhan war ziemlich hungrig. Er war sehr früh aufgestanden, um auszureiten, hatte aber Cami nicht unterwegs getroffen, wie er sich das gewünscht hatte.

Cami öffnete die kleine Schachtel mit Cornflakes und schüttete sie in eine Schale. Sie schälte eine Banane und schnitt sie in dünne Scheiben. Über das Ganze gab sie dann die Milch.

„Möchtest du mein Omelett probieren?“ Rayhan hielt ihr seine Gabel hin.

„Nein, danke. Machst du dir keine Gedanken wegen Cholesterin und Fett?“

„Machst du dir etwa Gedanken um dein Gewicht? Dabei hast du so eine hübsche Figur.“

„Also, ich finde mich schon ein wenig zu mollig“, beschwerte sich Cami.

„Ich verstehe euch amerikanische Frauen nicht“, regte sich Rayhan auf. „Ihr wollt alle spindeldürr sein. Dabei bist du einfach perfekt.“

„Aber wenn ich dich mich füttern lasse, ist das irgendwie so …“ Sie suchte nach dem richtigen Wort.

„So intim?“ Rayhan wusste, dass das gemeinsame Essen sie einander näherbringen würde. „Aber, Cami“, zog er sie ein wenig auf, „das sind nur Eier. Das bedeutet noch keine Verlobung mit Verlobungsring.“

Sie starrte ihn mit offenem Mund an.„Ein Verlobungsring?“

Sie kann so süß verlegen werden, fand Rayhan und konnte sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen. „Komm, iss dein Müsli auf. Möchtest du noch den Rest dieser Banane?“ Rayhan erhob sich und setzte sich zu ihr auf die Bank.

„Ja, vielleicht.“

Er strich ihr mit der Hand über den Nacken. Er wusste, dass diese Berührung in der Öffentlichkeit so etwas wie eine offizielle Bestätigung ihrer Beziehung war. Sie kuschelte sich an ihn, während er seine Hand über ihren Hals zu ihrem Arm wandern ließ.

Als Cami einen kleinen sinnlichen Seufzer von sich gab, durchströmte Rayhan ein Gefühl heißen Begehrens.

Ein wenig schuldbewusst begab sich Cami nach der Rückkehr auf die C-Bar-C-Ranch in das Büro ihres Vaters. Sie hatte ihn in den vergangenen Tagen etwas vernachlässigt. Seit sie dreizehn Jahre alt gewesen war, hatte sie jeden Nachmittag mit ihrem Vater vier Stunden über den Geschäftsbüchern und Buchhaltungsunterlagen gesessen, von ein paar freien Tagen abgesehen.

Cami war sich immer der Tatsache bewusst gewesen, dass sie die Erdölvorkommen von ihrer Mutter erben würde, daher waren die Besitzverhältnisse nie wichtig für sie gewesen. Sie war sowieso die Alleinerbin. Ihr Vater hatte sie stets vor Glücksrittern gewarnt. Wenn sie endlich das Examen bestanden hatte, könnte sie ihr Vermögen eigenständig verwalten, sodass ihr Vater sich aus dem Geschäft zurückziehen konnte, wenn er es wollte.

„Und, startklar für die Arbeit, Dad?“

Charles Ellison faltete den Sportteil der Zeitung, den er gerade gelesen hatte, zusammen und musterte seine Tochter mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was ist los, mein Küken?“

Cami seufzte. Sie hätte es wissen müssen, dass ihrem Vater ihr aufgewühlter Gemütszustand nicht entgehen würde. Sie war für ihn wohl so etwas wie ein offenes Buch.

Unglücklicherweise wusste sie gar nicht, wie sie auf seine Frage antworten sollte. Zu viele widersprüchliche Gefühle hatten von ihr Besitz ergriffen. Zum einen war es wahnsinnig aufregend, mit jemandem wie Ray auszugehen, aber seine Erfahrenheit und sein Alter machten sie auch etwas nervös. Außerdem hatte sie Angst, dass ihr Vater diese Verbindung nicht gutheißen würde. Und zu allem Übel wusste sie selbst nicht, was genau sie von Ray wollte.

Cami suchte nach den richtigen Worten. Seit einem Unfall saß ihr Vater im Rollstuhl, denn er konnte ohne fremde Hilfe keine längeren Strecken mehr gehen. Cami wollte ihn nicht aufregen, um seinen Gesundheitszustand nicht zu gefährden.

„Ich bin nur irgendwie ein wenig unruhig. Ich sollte vielleicht mehr ausgehen. Obwohl ich gestern Abend tanzen war und mich heute Vormittag mit Freunden zum Frühstück getroffen habe.“ Obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.

„Wunderbar, Liebes.“ Cami bekam Schuldgefühle bei den zustimmenden Worten ihres Vaters. „Ich bin froh, dass du allmählich deine eigenen Wege gehst. Du musst nicht ständig bei deinem alten Dad zu Hause herumsitzen, um mit ihm alte Filme im Fernsehen anzuschauen.“

„Oh, Daddy.“ Cami beugte sich hinab und drückte ihren Vater innig. Er war so schmal geworden, fand sie. „Ich habe nicht gesagt, dass ich mich hier zu Hause mit dir langweile.“

„Ich weiß das, mein Liebling.“ Ihr Vater griff nach seinem Inhaliergerät, das er stets in seiner Schreibtischschublade bereithielt. Während des Sommers verbrachte Charles Ellison die meiste Zeit im Haus, weil er auch an Asthma litt und Pollen und Staub vermeiden musste. „Es ist doch ganz natürlich in deinem Alter, dass du ein wenig mehr Unterhaltung und Anregung brauchst.“

„Davon hatte ich gestern Abend mehr als genug.“ Cami erzählte ihrem Vater eine geschönte Version der Begegnung mit Jordy, gab nur preis, dass er sie angemacht hatte. Details würden ihren Vater nur unnötig aufregen.„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mir gefällt es überhaupt nicht, wenn ich nur daran denke, dass er Jenelle betrügt und das ganze Geld, das sie eigentlich für das Baby braucht, vertrinkt.“

„Nun, gut, was seine Alkoholprobleme angeht, kann ich mich vielleicht einmischen und mal mit seinem Vater reden. Der wird schon wissen, was zu tun ist.“

„Wirklich?“ Cami nahm an ihrem Computerschreibtisch Platz und schaltete das Notebook ein.

„Natürlich.“ Charles griff nach seinem Adressbuch. „Und du, hast du einen jungen Mann kennengelernt?“

Cami zuckte richtig zusammen. Ihren Vater konnte man nicht hinters Licht führen. „Oh, jaa, ich …“

Ihr Vater hob abwehrend die Hand. „Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst, Cami. Ich vertraue dir voll und ganz, dass du die richtigen Entscheidungen triffst.“

„Ich bin mir nicht sicher, was ihn angeht, Dad.“

„Wo liegt das Problem?“

„Er ist wesentlich älter.“ Gut, sie hatte es getan. Sie hatte ihrem Vater die Wahrheit gesagt!

„Ist er verheiratet?“

„Oh, nein!“ Ein Gefühl der Erleichterung schwang in ihrer Stimme mit. „Er hat gesagt, dass er mit niemand anderem ausgehen wird, solange wir zusammen sind. Und dass er umgekehrt das Gleiche von mir erwartet.“

Charles schaute nachdenklich vor sich hin. „Klingt doch ganz vernünftig. Wie soll man sonst einander wirklich vertrauen können?“

Die Unterstützung ihres Vaters hob ihre Stimmung sichtlich, obwohl sie auch Schuldgefühle hatte. Sie hatte ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt. Andererseits hatte er auch keine Einzelheiten hören wollen.

Das Schlimmste allerdings war, dass Ray sich nach dem Frühstück bei Pete’s einfach verabschiedet hatte, ohne ein neues Rendezvous auszumachen. Er hatte die Rechnung bezahlt, sie höflich zu ihrem Pick-up begleitet und sich dann mit einem ziemlich sittsamen Kuss verabschiedet.

Er hatte nichts von einem neuen Treffen gesagt. Cami war bekümmert. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Normalerweise würde sie bei einem gleichaltrigen Freund einfach anrufen oder eine E-Mail schreiben. Aber Ray war nicht einfach irgendwer. Er war älter als sie und kam aus einer viel traditioneller ausgerichteten Gesellschaft. Sie glaubte nicht, dass er es gut finden würde, wenn eine Frau den ersten Schritt machte. Er hatte ihr gegenüber klargestellt, dass er bei Frauen Zurückhaltung bevorzugte. „In Adnan erwartet ein Mann, dass seine Freundin tugendhaft bleibt.“

Sie wollte mit Ray zusammen sein, aber sie wusste nicht, ob sie die Freiheiten aufgeben könnte, die sie als moderne amerikanische Frau gewohnt war.

Vielleicht ist es gar nicht so schwer, Tradition mit modernen Lebensformen zu verbinden, überlegte Cami und bekam bei dem Gedanken schon wieder etwas bessere Laune. Ray hatte doch schließlich zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass er wieder nach Adnan zurückkehren wollte. Und sicher würde er von ihr auch nicht erwarten, irgendwo anders als auf der geliebten C-Bar-C-Ranch zu leben. Und wenn sie in Texas blieben, würde sie alles haben: die Wüste, ihren Prinzen und ihr Zuhause.

Sie hatten kein weiteres Treffen vereinbart, aber Rayhan verspürte so etwas wie Hochstimmung darüber, wie sich alles entwickelte. Er wollte Cami nicht zu sehr unter Druck setzen, daher hatte er beschlossen zu warten, bis sie aus freien Stücken zu ihm kam.

Er versuchte dennoch, es ihr leichtzumachen, indem er häufig bei Sonnenaufgang und in der Abenddämmerung am Fluss, der die Grenze zwischen ihren beiden Anwesen darstellte, entlangritt. Jetzt im Sommer wurde es erst spät dunkel, daher machte er seine Ausritte meist so gegen neun Uhr. Er genoss die langen Tage, sie erinnerten ihn an seine Heimat.

Aber der heutige Sonnenuntergang war eindeutig sehr texanisch, mit feuchter Schwüle, Staub in der Luft, dem Geruch von Pferden und Baumwollfeldern. Nachdem er den ganzen Tag damit verbracht hatte, ein Fohlen an die Zügel zu gewöhnen, ließ Rayhan seinem Wallach freie Hand bei der Wahl der Strecke, und Kalil wählte den schon altbekannten Weg zur Wasserstelle nahe der C-Bar-C-Ranch.

Um diese späte Stunde waren seine Arbeiter bereits in ihre Quartiere zurückgekehrt, um sich zu entspannen, oder sie waren auf einen Drink in die Stadt verschwunden. Nur Rayhan war von einer solchen Rastlosigkeit gepackt, dass er noch nicht den Heimweg antreten mochte.

Breite pinkfarbene und korallenrote Streifen überzogen den Himmel, der sich zunehmend verfinsterte. Bald würde der Himmel jenen magischen Blauton annehmen, der Rayhan an die Augen von Cami erinnerte.

Würde er sie an diesem Abend treffen? Sein Puls beschleunigte sich allein bei dem Gedanken.

Kalil wieherte laut, sein Wallach schien etwas entdeckt zu haben.

Rayhan hörte lautes Planschen. Er stieg ab, um nachzuschauen, wer da wohl sein mochte.

Es war Cami. Er vermutete, dass sie einen ziemlich harten Ritt hinter sich hatte, denn Sugar stand im seichten Wasser und trank. Von Cami war nur der blonde Schopf zu sehen. Nachdem sie eine Weile geschwommen war, legte sie sich auf den Rücken und ließ sich treiben.

Rayhan ging näher an das Ufer heran.

Cami tauchte auf, sie stand knietief im Wasser. Sie trug nur Spitzenunterwäsche und wirkte auf Rayhan wie eine Meerjungfrau, die einem verwunschenen See entstiegen war.

Er brachte kein Wort heraus, war keines klaren Gedankens mehr fähig. Sie übte eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.

Er ging in ihre Richtung und trat dabei absichtlich auf einen Ast. Er wollte ihr die Gelegenheit geben, seine Anwesenheit zu bemerken und von allein zu ihm zu kommen.

5. KAPITEL

Cami bekam Gänsehaut. Wer war da?

Aufmerksam blickte sie hinüber zum Ufer, konnte aber im Schatten der Abenddämmerung nichts erkennen.

Ein Zweig knackte. Und dann löste sich ein Schatten aus dem Gebüsch.

Bekleidet mit einem wallenden Gewand kam er ihr vor wie ein Abenteurer aus vergangenen Zeiten. Er schien mehr zu schweben, als zu gehen, während er sich dem Flussufer näherte.

Instinktiv bewegte sich Cami auf ihn zu, ihr Verstand war völlig ausgeschaltet. Sie war sich ihrer Umwelt intensiv bewusst, des Dufts der Blüten, des sanften Rauschens des Flusses. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Ray stand in abwartender Haltung wie ein Sultan da, der seine Geliebte zu sich gerufen hatte.

Und doch hatte er nicht ein einziges Wort gesprochen. Das brauchte er nicht. Seine Anziehungskraft war auch so stark genug.

Im Halbdunkel konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Vermutlich gefiel es ihm nicht, dass sie spontan in Unterwäsche geschwommen war. Vielleicht erwartete ein Mann aus Adnan von einer tugendhaften Frau, dass sie so etwas nicht tat.

Als sie vor ihm stand, zitterte sie am ganzen Körper vor Erregung.

„Cami!“ Er zog sie in seine Arme, beugte den Kopf hinab und umspielte mit der Zunge ihre Brustspitzen. Aufreizend langsam schob er eine Hand zwischen ihre Schenkel und entfachte dort ein Feuer der Erregung.

Cami öffnete erwartungsvoll den Mund und schloss die Augen. Ihr sanftes Stöhnen verriet Rayhan, dass sie bereit war, hier und jetzt von ihm geliebt zu werden. Sie bebte vor Verlangen, als sie sich an ihn presste.

Bald würde er sie die Liebe lehren, aber nicht heute. Auch wenn es ihm schwerfiel. Mit letzter Willenskraft widerstand er der Versuchung und strich ihr nur zärtlich einige Haarlocken aus dem erhitzten Gesicht.

Sie streckte die Hand nach ihm aus, um ihn noch dichter an sich zu spüren, und schmiegte ihre Kurven gegen seine harte Männlichkeit. Es kostete ihn alle Kraft, Cami nicht auf der Stelle zu nehmen. Als sie versuchte, sich wieder von ihm zu lösen, umfasste er ihren Po und drückte sie noch fester an sich.

„Dachtest du etwa, das lässt mich kalt?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Er küsste sie sanft, dann heftiger. Schließlich ließ er von ihrem Mund ab, um zärtlich an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.

Sie erschauerte, sank in seine Arme, suchte die Wärme seines Körpers.

Bei Ray fühlte sich Cami völlig sicher, eingehüllt in seine schützende Umarmung. Doch seine fordernden Küsse und sein pochendes Verlangen bewiesen ihr auch, dass sie mit dem Feuer spielte. Er schien beängstigend nahe an dem Punkt zu sein, wo er die Kontrolle über sich verlieren konnte.

„Bald ist es so weit“, hauchte er ihr ins Ohr.

Sie versuchte, sich zu befreien.

„Bald, Cami. Ich weiß, wie man eine Frau glücklich macht. Ich verspreche dir, ich werde es dir zeigen.“ Er legte ihr einen Finger unter das Kinn und schaute sie an.

„Wie willst du es mir zeigen?“

„Komm zu mir. Komm nach Double Eagle. Allein. Sagen wir, in drei Tagen bei Sonnenuntergang.“

„Bei Sonnenuntergang?“

„Ja, dann, wenn die Helligkeit und die Dunkelheit aufeinandertreffen. Frau und Mann.“ Er fuhr ihr zärtlich mit der Hand über die Brüste, erreichte durch leichtes Reiben, dass sich die Brustwarzen hart aufrichteten.

Brennendes Verlangen durchzuckte sie wie ein Blitz.

„Komm zu mir.“

Komm zu mir. Ray verstand es, eine normale Verabredung wie ein Abenteuer erscheinen zu lassen.

Vermutlich hatte es mit seiner Herkunft zu tun. Er war eben ein Scheich, ein Mann aus dem fernen Orient. Cami drückte das Gaspedal ihres Pick-ups heftiger durch und schüttelte den Kopf. Seine Worte waren ihr in den vergangenen Tagen nicht aus dem Kopf gegangen. Was für eine Närrin sie doch war.

Ich weiß, wie man eine Frau glücklich macht. Heute würde sie das jedenfalls nicht herausfinden. Sie hatte ihre Kleidung entsprechend gewählt. Trotz der Hitze hatte sie eine Strumpfhose angezogen, die ihr jetzt unangenehm an den Beinen klebte. Sie hätte auch einen Keuschheitsgürtel angelegt, hätte es so etwas in Texas gegeben.

Zusätzlich zur Strumpfhose trug sie einen langen Rock, darüber eine Tunika.

Mit etwas Glück würde sie einen netten Abend haben und etwas Leckeres zu essen bekommen. Und ich werde mich nicht allzu spät auf den Heimweg machen, schwor sie sich, und mich nicht näher mit Ray Malik – oder vielleicht besser Scheich Rayhan ibn-Malik al-Rashad – einlassen.

Sie seufzte. War es dafür nicht schon lange zu spät? Ihre Finger zitterten leicht, sodass sie die Hände fester um das Steuer klammern musste. Sie murmelte einen Fluch. Was war sie doch für eine Närrin!

Aber es gelang ihr nicht, ihre freudige Erregung zu unterdrücken. Ihr war heiß geworden bei dem Gedanken, was der Abend womöglich alles für sie bereithielt.

Langsam näherte sie sich Double Eagle. Sie bremste den Wagen dann neben einem Wächterhäuschen ab, wo ein Diener mit arabischem Kopfschmuck den Zugang zur Ranch bewachte. Er winkte sie jedoch einfach durch, sie schien wahrscheinlich angekündigt worden zu sein.

Cami schaute sich neugierig um, als sie über das weitläufige Gelände fuhr. Sie entdeckte großzügige Pferdekoppeln, Viehweiden, ja sogar Getreidefelder. Ray schien Alfalfa anzubauen. Wahrscheinlich für die Pferde. Aber sie entdeckte nirgends Ölpumpen und Förderanlagen – was sie sehr wunderte. Sie wusste, dass es in der Gegend um Mc Mahon riesige Erdölvorkommen gab. Ihr Land war reich an Öl. Ob das bei Ray nicht so war?

Sie verdrängte diese Gedanken, als sie sich seinem Anwesen näherte, das auf einer kleinen Anhöhe lag, etwa einen Kilometer von dem kleinen Wachhaus entfernt. Sie vermutete, dass Ray selbst das Haus entworfen hatte. Welcher Texaner sonst würde eine Ranch mit einem Minarettturm bauen?

Sie hielt vor dem Haupteingang mit einem aufwendig gestalteten schmiedeeisernen Tor. Die Fassade des Hauses war eine Kombination aus südamerikanischen und arabischen Stilelementen, die Wände waren weiß getüncht, und es hatte ein rotes Ziegeldach. Vor den Fenstern waren Eisengitter angebracht – wohl mehr zur Zierde denn als Schutz, wie die wunderschönen Rosenranken an den Gittern vermuten ließen.

Ray erwartete sie am Eingangstor. Er trug ein fließendes weißes Gewand und wirkte kühl und gelassen, während er mit einem Lächeln das Tor für sie öffnete.

„Cami, wie schön, dass du da bist.“ Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Stirn und nahm sie bei der Hand. Dann führte er sie über eine breite geflieste Treppe die Stufen hoch in sein Heim.

Es gab gar keine richtige Eingangstür, vielmehr ging es erneut durch ein kunstvoll verziertes schmiedeeisernes Tor und vorbei an mit Mosaiken verzierten Wänden in die eigentlichen Wohnräume. Als das Tor hinter ihnen ins Schloss fiel, spürte sie, wie ihr Puls sich unwillkürlich beschleunigte.

Ray legte freundschaftlich den Arm um sie und führte sie einen gefliesten Gang entlang, in dem es herrlich kühl war, zu einer riesigen Halle, die ganz in Türkis gehalten war.

Von dort ging es hinaus in einen Innenhof mit vielen Palmen und anderen exotischen Pflanzen, in dessen Mitte sich der wundervollste Swimmingpool befand, den Cami je gesehen hatte und dessen Wasser im Licht der Dämmerung aquamarinblau wirkte.

„Du scheinst etwas erhitzt, Cami.“ Ray schaute sie besorgt an. „Möchtest du vielleicht ein kurzes Bad nehmen? Das Wasser ist angenehm frisch.“

In seinen Augen konnte Cami ein verführerisches Glitzern entdecken.

„Ich verspreche dir, dass dich niemand stören wird. Das Personal hat heute sowieso Ausgang.“

Sie hatte Angst vor sich selbst. Cami wusste, welche Wirkung Ray auf sie hatte. Wenn sie sich jetzt hier auszog zum Schwimmen, wer weiß, wie es dann weiterging … Vom Swimmingpool war es sicher nicht weit bis zu seinem Bett.

Aber der Gedanke, in dieses köstliche Nass zu tauchen, war einfach zu verlockend.

„Komm, ich zeige dir die Umkleidekabinen.“ Ray ergriff sie erneut am Arm und führte sie zu einem kleinen Holzhaus neben dem Pool. Da der Innenhof nach oben offen war, roch es nicht unangenehm nach Chlor, sondern nach Rosen und Zitrusfrüchten, die in wunderschönen Pflanztöpfen um den Pool herum angeordnet waren.

Schließlich öffnete Ray eine große Doppeltür, die zu einem Raum mit einem Bett, einer Kommode und einem Schrank führte. Ray holte aus einem Wandschrank einen weißen Frotteebademantel für Cami. „Du kannst natürlich in BH und Slip schwimmen, wenn du möchtest. Wir können nachher alles wieder trocknen.“ Ein verführerisches Lächeln spielte um seine Lippen. „Aber du kannst auch gern nackt baden, wenn du möchtest. Ich gehe uns inzwischen etwas Kühles zu trinken holen“, sagte er und verschwand.

Cami zog sich bis auf die Unterwäsche aus und beäugte sich kritisch im Spiegel. Die schmucklose Unterwäsche, die sie extra für diesen Abend ausgesucht hatte, versteckte ihre Figur besser als jeder Bikini.

Schnell griff sie nach dem Bademantel und ging hinaus in den Innenhof. Mit einem Kopfsprung tauchte sie in das herrliche Wasser.

Es war wie der Himmel auf Erden. Sie hatte in letzter Zeit nicht viel Zeit zum Schwimmen gehabt, daher holte sie mit langen gleitenden Bewegungen aus, um den Pool zu durchqueren.

Schon bald kehrte Rayhan mit einem Tablett zurück, auf dem ein Krug, dazu ein Eiskübel und zwei Gläser standen. Er setzte es auf dem Tisch ab und nahm Platz.

Obwohl Rayhan gern zu Cami in den Pool gesprungen wäre, beschloss er, sie allein schwimmen zu lassen. Er hatte ihr versprochen, dass niemand sie belästigen würde.

Und er würde dieses Versprechen halten, selbst wenn er es vor Verlangen kaum noch aushielt.

Rayhan hatte Camis Besuch sehnsüchtig erwartet. Schon bei ihrem Anblick hatten seine Hormone verrückt gespielt. Er hatte sofort begriffen, warum sie sich so hochgeschlossen angezogen hatte. Und das bei dem heißen Wetter.

Wenn sie erst verheiratet waren, würde er dafür sorgen, dass sie besser auf sich Acht gab. Dann würde es kein einsames Schwimmen mehr im Fluss geben, wo Pferde und Cowboys Halt machten.

Er hoffte, dass Charles Ellison zumindest mit diesem Teil seiner Pläne einverstanden war. Er hatte fast ein wenig Mitgefühl mit dem Mann. Er hatte es nicht leicht gehabt nach seinen schweren Verletzungen. Und zusätzlich noch einen trotzköpfigen Teenager zu beaufsichtigen war sicher anstrengend gewesen.

Wenn alles nach Plan ging, würde Ellison bald nicht mehr für die Belange seiner Tochter verantwortlich sein. Ihr Ehemann würde über das Leben von Cami bestimmen und auch über ihr Geld.

Das Planschen ließ nach. Rayhan warf einen Blick auf Cami, die aufgehört hatte, ihre Bahnen zu ziehen, und sich einfach auf der Wasseroberfläche treiben ließ.

Rayhan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und genoss ihren Anblick. Lange würde er sich allerdings nicht mehr mit einem harmlosen Flirt zufriedengeben. Cami war für ihn bestimmt, ob sie das wollte oder nicht. Er musste sie nur noch davon überzeugen, dass sie zusammengehörten.

Überrascht öffnete Cami die Augen. Ray stand lachend am Pool und bewarf sie mit Eiswürfeln.

„Hey!“ Cami tauchte unter, um dann wieder emporzuschnellen und Ray nass zu spritzen. Sie hatte ihn voll erwischt, sein Gewand war klatschnass geworden, der nahezu durchsichtige Stoff klebte von der Hüfte abwärts an seinem wunderbaren Körper.

Cami schnappte nach Luft. Sie konnte den Blick nicht mehr von Ray abwenden.

Sein Gelächter schreckte sie aus ihrer Versunkenheit. Er hatte sich in einen Liegestuhl fallen lassen und hörte nicht auf zu lachen.

Langsam wurde Cami wütend. Sie ging wieder auf Tauchstation und hoffte, dass er verschwand, ehe sie ertrunken wäre. Aber sie hatte kein Glück. Er setzte sich an den Beckenrand, planschte mit den Füßen im Wasser und schien sich bestens zu amüsieren.

Dieser Mann war ihr ein Rätsel. „Ich dachte, du magst sittsame Frauen.“

„Ich mag dich. Komm heraus.“ Er hielt ihr die Hand hin.

Sie ließ sich aus dem Wasser ziehen. Er reichte ihr ein Handtuch und den Bademantel und schenkte ihnen beiden einen Drink ein.

Nachdem Cami sich abgetrocknet und den Mantel übergezogen hatte, griff sie dankbar nach dem Glas und trank den köstlich frischen Orangensaft. „Das schmeckt himmlisch. Sind die von deinen eigenen Bäumen?“

„Ja. Eigenhändig für dich gepresst.“

Cami legte den Kopf leicht schräg. „Du machst gern Dinge selbst, nicht wahr?“

Er schaute sie fast ein wenig erschrocken an. „Wie bitte? Prinzen tun nichts, sondern leben eitel vor sich hin. Wir sind wertlose Kreaturen. Vor allem die an vierter Stelle stehenden Söhne.“

Cami schüttelte nur den Kopf. „Aber du doch nicht! Du hast es nicht nötig, aber du presst deinen Orangensaft selbst, und du züchtest Pferde. Du bist überhaupt gern aktiv.“

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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