Hochzeit in Andalusien

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Wilde Leidenschaft empfindet die schöne Isabelle in einer heißen Liebesnacht für ihren Mann Luis. Dabei will sie sich von dem stolzen Spanier scheiden lassen, weil er sie fälschlich der Untreue bezichtigt! Als er sie jetzt plötzlich bittet, mit ihm nach Andalusien zurückzukehren, zögert Isabelle. Nur wenn Luis ihr glaubt, dass sie ihn nie betrogen hat, ist sie bereit, ihr Ehegelübde zu erneuern …


  • Erscheinungstag 08.05.2015
  • Bandnummer 0005
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733179
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Luis de Silva betrachtete die kleine Gruppe fröhlicher Menschen, die auf ihn zukam. Es waren wohl zwölf oder fünfzehn Personen, die sich da munter miteinander unterhielten. Der nahende Frühling zeigte offenbar seine Wirkung. Seit einigen Tagen war das Wetter deutlich wärmer geworden, und die Sonne stand höher am Himmel. Die Vorfreude auf den Sommer stimmte die Menschen heiter, und immer öfter hörte man fröhliches Lachen auf der Straße. Luis de Silva aber hatte nur Augen für eine Frau, die mitten in der Gruppe ging.

„Isabelle …“

Mit zusammengepressten Lippen flüsterte er ihren Namen, als er sie nach so langer Zeit wiedersah. Zwei Jahre waren vergangen, seitdem sie sich das letzte Mal getroffen hatten, doch er hätte sie überall auf der Welt sofort wiedererkannt. Es konnte nicht den geringsten Zweifel geben. In dem hellen Sonnenschein glänzte ihr blondes Haar, und es hatte beinah einen silbernen Schimmer angenommen. Isabelle war hochgewachsen, hatte eine schmale, doch wohlproportionierte Figur und lange, schlanke Beine.

An diesem Tag trug sie ein elegantes hellgrünes Kleid, das die Farbe ihrer Augen vorteilhaft unterstrich. Der Stoff fiel ihr in weichen Falten bis auf die Knie. Dazu ließ der Ausschnitt einen Teil ihrer vollen Brust erahnen, und am Halsansatz glitzerte eine silberne Kette. Da es zu dieser Jahreszeit noch recht kühl werden konnte, hatte sie sich eine dunkle Jacke über die Schultern geworfen.

„Sie ist einfach wunderschön“, flüsterte Luis leise. Dabei löste er den Blick langsam von ihren roten Lippen und ließ ihn über ihre Brust zu den Hüften gleiten. Er seufzte auf. Die Sehnsucht nach dieser Frau war ungebrochen. Dennoch wollte er nicht gleich von ihr gesehen werden. Als die Gruppe sich näherte, zog er sich in den Eingang eines Gebäudes zurück, sodass er sich im Schatten verbergen konnte. Schließlich würde sein Plan nur dann aufgehen, wenn es ihm gelang, Isabelle zu überraschen. Hier auf der Straße in Begleitung einer Gruppe von Touristen aber war sicher nicht der richtige Ort dafür.

Fürs Erste musste er sich damit zufriedengeben, sie heimlich zu beobachten. Wieder atmete Luis tief durch, da es ihm alles andere als leichtfiel, sich noch länger zurückzuhalten. Wie gern wäre er aus dem Schatten getreten und hätte diese wunderschöne Frau wieder in die Arme genommen. Aber, erst einmal musste er damit vorliebnehmen, ihr zuzuhören.

„Hier kommen wir zu einem der dunkelsten Kapitel aus der Geschichte von York“, hörte er sie erklären. Ihre Stimme war hell, klar und hatte einen angenehmen Tonfall. Das hatte Luis schon immer besonders an ihr gefallen. Für ihn klang das beinah wie Musik. „Sie sehen hier den Clifford’s Tower vor sich, in dem sich schreckliche Gruselgeschichten abgespielt haben sollen.“ Luis hörte natürlich genau, was sie sagte, doch irgendwie gelang es ihm einfach nicht, sich darauf zu konzentrieren. Der Anblick von Isabelle und ihre sanfte Stimme ließen ihn unwillkürlich wieder an die Vergangenheit denken. Er sah Bilder vor sich von Augenblicken, in denen sie unendlich glücklich gewesen waren. Zuweilen hatte er das Gefühl gehabt, mit ihr das Paradies auf Erden zu erleben.

Ihm liefen heiße und kalte Schauer über den Rücken, und er spürte, wie er sich mit jeder Faser seines Körpers nach dieser Frau sehnte. Damals schon, als er sie kennengelernt hatte, war es nicht anders gewesen. Eigentlich war er ein vorsichtiger Mensch und überlegte drei Mal, bevor er sich auf etwas einließ, doch mit Isabelle war das ganz anders gewesen. Vom ersten Augenblick an hatte er sich Hals über Kopf in sie verliebt. Dann aber hatte sie ihn zutiefst enttäuscht. Und jetzt …

„Nein“, sagte er sich entschieden. Es machte doch einfach keinen Sinn mehr, immer an die gleiche alte Geschichte zu denken. War es nicht besser, die Vergangenheit endlich auf sich beruhen zu lassen? Wenn er zu lange daran dachte, was sie ihm angetan hatte, würde er auf dem Absatz kehrtmachen und Isabelle verlassen, ohne sie jemals wiederzusehen. Dafür aber hatte er nicht die Reise nach York unternommen.

Von der nahen Kirche hörte er die Uhr schlagen. Auch Isabelle bemerkte, wie die Zeit vergangen war. Freundlich verabschiedete sie sich von den Touristen, die den Rundgang mit ihr durch die alte Innenstadt offenbar genossen hatten. Und das war ja auch kein Wunder. Isabelle strahlte eine unglaubliche Fröhlichkeit aus. Und sie zeigte deutlich, wie sehr ihr die Stadt gefiel und wie interessant sie deren Geschichte fand. Gekonnt unterbrach sie ihre Vorträge immer wieder mit lustigen Anekdoten, die die Besucher zum Lachen brachten.

Viele der Touristen schüttelten ihr nun die Hand, um sich persönlich von ihr zu verabschieden und ihr zu danken. Dann aber wurde es Zeit, dass Isabelle sich von der Gruppe trennte, da noch mehr Touristen darauf warteten, dass sie ihnen die Stadt zeigte.

Luis ging ihr nach, doch wieder achtete er darauf, nicht von ihr gesehen zu werden. Erst als sie allein war, näherte er sich ihr und sprach leise ihren Namen aus. Zunächst reagierte sie gar nicht. Erneut rief er sie mit dem leichten spanischen Akzent: „Isabelle.“

So hatte nur ein Mann ihren Namen ausgesprochen. Der typisch singende Tonfall aus dem Süden musste sie doch an etwas erinnern. Plötzlich blieb Isabelle stehen, doch sie drehte sich nicht gleich um. Dann warf sie einen Blick über die Schulter. Sie hatte die Stirn in Falten gelegt. Offenbar konnte sie nicht glauben, was sie sah.

„Luis“, sagte sie leise, und ihre Stimme zitterte. Diese Überraschung schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen. „Luis, bist du es wirklich? Was machst du denn hier?“

Der hochgewachsene Mann mit den goldbraunen Augen und den dunklen Haaren machte noch einige Schritte auf sie zu. Auf einmal lag eine unbeschreibliche Spannung in der Luft. Isabelle zog sich der Magen zusammen. Rasch schaute sie sich um, doch es konnte nicht den kleinsten Zweifel geben. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht, da kam tatsächlich Don Luis de Silva, ihr Ehemann, auf sie zu. Was nur sollte sie tun?

Zwei Jahre waren vergangen, doch er hatte sich nicht im Geringsten verändert. Vielleicht war er ein wenig reifer geworden. Außerdem bemerkte Isabelle auch, dass sich eine steile Falte auf seiner Stirn gebildet hatte. Doch noch immer ging von ihm eine unglaublich erotische Ausstrahlung aus. Ein Blick aus diesen Augen konnte jede Frau um den Verstand bringen. Unter dem elegant geschnittenen Anzug zeichneten sich deutlich die breiten Schultern und der mächtige Brustkorb ab.

Isabelle erschauerte. Sie wusste doch nur zu genau, wie traumhaft schön es war, sich an ihn zu schmiegen, ihm sanft über die starken Oberarme zu streicheln und ihn tief und leidenschaftlich zu küssen. Daran aber durfte sie jetzt auf keinen Fall denken, denn sonst wäre sie ihm wehrlos ausgeliefert. Und ganz sicherlich war er nicht nur gekommen, um sich nett mit ihr zu unterhalten. Da galt es, auf der Hut zu sein. Isabelle atmete mehrfach tief durch, um die Selbstbeherrschung zu wahren, während er scheinbar ruhig sagte: „Guten Tag, Isabelle. Ich freue mich, dich wiederzusehen.“

Ihr wurden die Knie weich. So lange schon hatte sie nicht mehr seine warme, weiche Stimme vernommen. Sie hatte den singenden Tonfall immer besonders geliebt. Dazu hatte er einen leichten Akzent, an dem man ihm anmerkte, dass er Spanier war. Das gab ihm noch einen besonderen Charme. Auch jetzt, nach der langen Trennung, gelang es ihr kaum, sich der Ausstrahlung zu entziehen, die von ihm ausging. Dabei aber sagte sie sich entschieden, dass sie nicht ein zweites Mal auf ihn hereinfallen durfte. In der lieblichen Stadt York in ihrer englischen Heimat führte sie doch ein glückliches und ausgeglichenes Leben. Es war schwer genug gewesen, und sie hatte lange dafür gekämpft, auf eigenen Beinen zu stehen. Das durfte sie sich jetzt nicht von Luis zerstören lassen.

„Es ist mir wirklich eine große Freude, dich wiederzusehen“, wiederholte er noch einmal, da Isabelle nicht geantwortet hatte.

Erst langsam gelang es ihr, die Situation zu verstehen. Es war schon unglaublich. Eben noch hatte sie eine Gruppe von heiteren Touristen durch die schmalen Gassen der Altstadt geführt. Plötzlich aber sah sie sich den Schatten der Vergangenheit gegenüber, die sie doch so erfolgreich verdrängt hatte. Zögernd sagte sie: „Ich weiß nicht recht, ob ich mich freuen soll. Schließlich kommt das ein wenig überraschend und …“

„Isabelle, nimm die Dinge von der positiven Seite. Es sollte dich freuen, mich zu sehen, alles andere wäre ein großer Fehler.“ Bei diesen Worten ließ er den Blick über ihre bebende Brust wandern. Isabelle erschauerte. Sie wusste doch nur zu genau, welche erotische Anziehung zwischen ihnen gelegen hatte. Und diesen Blick kannte sie auch nur zu gut.

Vor seine Augen hatte sich ein leichter Schleier gelegt, und um die Mundwinkel spielte ein feines Lächeln. Unwillkürlich atmete Isabelle tief durch. Ihre Brust spannte sich unter dem dünnen Stoff der Bluse.

„Ich jedenfalls freue mich, dich zu sehen, Isabelle. Offen gestanden bist du immer noch genauso reizvoll wie damals.“

„Das hat nichts mehr zu bedeuten, Luis, wir sollten die Vergangenheit auf sich beruhen lassen. Das ist das Beste für uns beide.“

Unsicher schaute sie sich um. Sie standen mitten auf einer Fußgängerstraße im Zentrum der Stadt. Die Menschen schoben sich an ihnen vorbei, da sie es eilig hatten, in der Mittagspause einige Einkäufe zu erledigen. Niemand achtete auf das Paar, das so tief in eine Unterhaltung versunken zu sein schien. Isabelle fühlte sich sehr unwohl in ihrer Haut. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Das Problem war nur, dass sie zu genau spürte, wie sie auf Luis reagierte. Ihr Körper sprach doch eine sehr deutliche Sprache. Wie sollte sie das nur vor ihm verheimlichen?

Sie machte einen Schritt zurück, um sich ein wenig von ihm zu entfernen, doch er hatte sie beim Unterarm gepackt und hielt sie mit stahlhartem Griff fest. Die Berührung jagte Isabelle einen heißen Schauer über den Rücken. Sie bemerkte, wie ihr Herz rasend schnell schlug. Trotz aller Anstrengungen gelang es ihr nicht, sich von seinem Charme zu befreien. Und schlimmer noch: Die Anziehung, die von ihm ausging, schien noch stärker zu sein als damals. Als ob die lange Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, die Sehnsucht noch größer hatte werden lassen.

„Ich bin davon ausgegangen, dass du mich niemals mehr im Leben wiedersehen willst“, stieß Isabelle hervor. „Zumindest hast du das gesagt, als wir uns das letzte Mal gegenübergestanden haben.“

„Mach, was du willst“, hatte Luis damals geschrien. „Schade nur, dass unsere Ehe so kurz gedauert hat. Für dich aber scheint es ja schon zu lange gewesen zu sein. Habe ich dich schon gelangweilt? Sonst hättest du dich ja nicht so schnell nach einem anderen Mann umgeschaut, mit dem du ins Bett gehen kannst.“

Isabelle war so außer sich vor Wut gewesen, dass sie dem nichts entgegensetzen konnte. Luis war ja doch felsenfest davon überzeugt, dass er recht hatte. Was sollte sie da noch sagen? Vielleicht hätte sie doch noch versuchen sollen, ihn davon zu überzeugen, dass er sich in einen Irrtum verrannt hatte, doch sein Gesicht war zu einer Maske erstarrt und der Blick erloschen. Es war nur zu offenkundig, dass er jedes Vertrauen in Isabelle verloren hatte.

Auch jetzt verspürte sie einen schmerzhaften Stich, als sie wieder an die dramatischen Szenen zurückdenken musste. Hastig sagte sie: „Ich hatte wirklich gedacht, dass du es ernst gemeint hast und mich niemals mehr sehen wolltest.“

„Das hatte ich auch vor. Aber die Situation hat sich geändert, ob mir das nun gefällt oder nicht. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als mich der neuen Lage anzupassen.“

„Worauf willst du hinaus, Luis? Vielleicht könntest du mir das ein wenig genauer erklären.“

„Ich denke, es gibt einige Fragen, die wir diskutieren sollten. Deinen Brief zum Beispiel.“

Isabelle zuckte zusammen. War Luis endlich damit einverstanden, in die Scheidung einzuwilligen? Lange Zeit hatte sie noch die schwache Hoffnung gehegt, dass sie eines Tages wieder zusammenfinden könnten, doch dann hatte sie einsehen müssen, dass es keinen Sinn mehr machte, ewig der verlorenen Liebe nachzutrauern, und ihn um die Scheidung gebeten. Offenbar war er endlich zu dem gleichen Schluss gekommen wie sie.

Und dabei hatten sie sich einmal so tief geliebt, dass sie geglaubt hatten, sich niemals mehr zu trennen. Das aber stellte sich jetzt als bittere Illusion heraus. Luis jedenfalls machte ganz und gar nicht den Eindruck, als würde er noch etwas für sie empfinden. Die goldbraunen Augen, die früher so lustig gefunkelt hatten, waren wie erloschen. Sein Blick war kühl und distanziert, während er Isabelle von Kopf bis Fuß musterte.

„Wir sollten hier nicht länger auf der Straße stehen“, sagte Isabelle leise. „Erstens scheint mir das kaum der richtige Ort für eine offene Aussprache zu sein, und zweitens könnten die Leute noch aufmerksam auf uns werden. Und ich habe nicht die geringste Lust, hier Aufsehen zu erregen, schließlich bin ich als Fremdenführerin bekannt.“

Die Gruppe der amerikanischen Touristen, von denen Isabelle sich vor einigen Minuten auf dem Marktplatz verabschiedet hatte, kam auf sie zu. Natürlich erkannten die Amerikaner die sympathische Frau, die sie durch die Stadt geführt hatte, sofort wieder. Einer der Touristen lief ihr entgegen und fragte: „Ist alles in Ordnung, Miss, oder können wir Ihnen helfen?“ Damit wandte der Amerikaner sich an Luis. „Ich rate Ihnen, dieser Frau nicht zu nahe zu treten, sonst …“

Luis wirkte überrascht. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Dann erklärte er höflich: „Ich denke, Sie täuschen sich. Aber vielleicht darf ich mich vorstellen, ich bin Don Luis Alejandro de Silva, Erbe des Herzogtums von Madrigalo.“

Er schaute dem anderen Mann direkt ins Gesicht. Der Amerikaner zuckte zusammen, dann verbeugte er sich höflich. Luis hatte natürlich schon damit gerechnet, da die Nennung seines vollen Namens und seines Titels kaum einmal die Wirkung verfehlte. Lächelnd fügte er hinzu: „Und ich bin der Ehemann der charmanten jungen Frau, die Sie beschützen möchten.“

Der Tourist schaute zweifelnd zu Isabelle hinüber, dann fragte er stotternd: „Ich … Nun, ich möchte nur ganz sichergehen, dass alles in Ordnung ist. Stimmt es, was der Mann sagt?“

Einen Augenblick lang verspürte Isabelle die Versuchung, auf diese Frage mit Nein zu antworten. Sollte Luis doch sehen, wie es ihm dann gelang, sich aus der ungemütlichen Lage zu befreien. Dann aber sagte Isabelle sich, dass es unfair sei, ihn in so eine missliche Situation zu bringen. Sicher würde der übereifrige Tourist nicht eine Sekunde zögern und die Polizei rufen. Und das konnte wirklich ungemütlich für Luis werden, da die Presse wohl rasch darauf aufmerksam werden würde.

„Ja, es stimmt“, erwiderte Isabelle endlich. „Don Luis ist mein Ehemann. Es ist nur ein wenig überraschend gekommen, ihn hier zu sehen, deshalb stehen wir noch mitten auf der Straße und diskutieren miteinander. Sie sehen, es ist alles in bester Ordnung.“

„Ich denke, jetzt können Sie beruhigt sein“, fügte Luis hinzu und gab sich wenig arrogant. Er bedachte den Amerikaner erneut mit einem Lächeln und schaute zu den anderen Touristen hinüber, die sich nicht weit entfernt hielten und bereit standen, um jederzeit einzugreifen, wenn es zu einer handfesten Auseinandersetzung kommen sollte. Der Amerikaner aber schien tatsächlich davon überzeugt zu sein, dass der spanische Herzog Isabelle nichts Böses anhaben wollte. Als Luis ihm die Hand entgegenstreckte, griff er freundlich lächelnd zu.

Isabelle war wieder einmal erstaunt, wie charmant Luis sich verhalten konnte. Er hatte sofort verstanden, wie es ihm gelingen konnte, den anderen Mann um den kleinen Finger zu wickeln, da Amerikaner doch immer besonders beeindruckt von alten europäischen Adelstiteln waren. Luis ging mit strahlendem Lächeln auf die anderen Touristen zu, um ihnen einem nach dem anderen die Hand zu schütteln und freundlich einige Worte zu wechseln. Rasch war er zum Mittelpunkt geworden. Heiter erklärte er, dass er seine Frau schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen habe, da es ein bedauerliches Missverständnis zwischen ihnen gegeben habe.

Verwundert trat Isabelle ein wenig näher. Sie glaubte zunächst, ihren Ohren nicht trauen zu können, da Luis das schwere Zerwürfnis zwischen ihnen als einen harmlosen Vorfall darstellte. Und dann erklärte Luis auch noch, wie sehr er sich die ganze Zeit über nach seiner Frau gesehnt hatte.

„Ich konnte einfach nicht mehr länger warten“, betonte er. „Das kann sicher jeder von Ihnen verstehen, der schon einmal im Leben solch tiefe Liebe erfahren hat.“

Dabei gab er sich als stolzer Spanier, der viel mit den Händen redete. Das beeindruckte die Amerikaner natürlich ganz besonders. Isabelle aber kannte ihn zu gut, um zu wissen, was gespielt und was wirklich echt war. Und doch klang er so überzeugend, dass sie beinah selbst auf ihn hereingefallen wäre. Dann hörte sie Luis sagen: „Sie werden sicherlich verstehen, dass ich Isabelle ein wenig für mich allein haben möchte. Wir brauchen einfach Zeit füreinander.“

Die Touristen nickten zustimmend mit dem Kopf. Leise wurde in der Gruppe getuschelt, doch so schnell wollte der Mann, der sich zunächst als Isabelles Retter aufgespielt hatte, wohl nicht nachgeben. Noch einmal wandte er sich an sie: „Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Ja. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Luis hat Ihnen doch erklärt, wer er ist. Ich werde in guten Händen sein.“

Und das war ganz sicher die Wahrheit. Man konnte von Luis denken, was man wollte, doch er würde niemals einer Frau ein Haar krümmen. Er war temperamentvoll und bildete sich ein, etwas Besseres zu sein. Das war natürlich sehr arrogant. Isabelle aber wusste genau, dass es sich dabei nur um eine schützende Fassade handelte. Dahinter verbarg sich ein höchst sensibler Mann. Das aber würde Luis ganz sicher nicht zeigen.

Und da gab es noch etwas, was Isabelle einfach nicht vergessen konnte. Luis war ein Mann, der sie körperlich immer angezogen hatte. Sein Blick nahm zuweilen einen erotischen Ausdruck an, der ihr heiße Schauer über den Rücken jagte. Und dann musste sie wieder daran denken, dass sie sich im Bett fantastisch miteinander verstanden hatten.

Leider aber hatte es viele Missverständnisse zwischen ihnen gegeben. Manchmal hatte Isabelle gedacht, dass sie einfach noch nicht reif für die Ehe waren. Es war sogar vorgekommen, dass sie an seiner Liebe gezweifelt hatte. Und hatte er ihr denn wirklich vertraut? Isabelle seufzte auf. Luis konnte ein charmanter Liebhaber sein, doch sie hatte auch erfahren müssen, wie gemein er sein konnte. Mehr als einmal hatte sie sich geschworen, dass sie sich das nie mehr gefallen lassen würde.

Jetzt aber sah es wieder ganz so aus, als wollte er nicht nur die Touristen, sondern auch sie um den Finger wickeln. „Es tut mir leid, Luis“, erklärte Isabelle entschieden, „aber ich fürchte, ich habe keine Zeit für dich. Ich bin bei der Arbeit, und sicher wartet schon eine andere Gruppe auf mich.“

„Das ist mir selbstverständlich bewusst“, erwiderte er ein wenig förmlich. „Und genau deshalb habe ich schon einige Maßnahmen getroffen. Ach, da ist ja auch Señor Morris.“ Isabelle stockte der Atem. Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte Luis etwa ihren Kollegen Andy angeheuert, damit er ihre Arbeit übernahm?

Sie brauchte gar nicht weiter darüber nachzudenken, da Andy mit einem strahlenden Lächeln auf sie zutrat und erklärte: „Ich übernehme heute deinen Job, Isabelle. Es ist mir ein besonderes Vergnügen, die Touristen bei so schönem Wetter durch unsere Stadt zu führen.“

„Aber …“ Isabelle war so verblüfft, dass sie gar nicht wusste, wie sie antworten sollte. Luis aber hatte die Dinge schon in die Hand genommen. Er nahm Isabelle beim Arm und führte sie zum Touristenbüro, wo eine Gruppe Ausländer darauf wartete, dass ein Fremdenführer ihnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigte.

Luis wandte sich an die Touristen und erklärte: „Entschuldigen Sie bitte die kleine Verspätung. Aber ich freue mich, dass ich Ihnen jetzt Ihren Fremdenführer vorstellen darf. Andy wird es eine besondere Freude sein, Sie durch die verwinkelten Gassen unserer schönen alten Stadt zu führen.“

Bis Isabelle so richtig verstanden hatte, was eigentlich vor sich ging, hatte Andy schon die Leitung der Gruppe übernommen. Verblüfft starrte Isabelle ihnen nach. Was sollte sie jetzt tun? Luis hatte sich wie üblich durchgesetzt. Ihr blieb nur noch, sich in die Situation zu fügen. Auch das war ja nichts Neues mit ihm. Und dennoch hatte Isabelle keinesfalls die Absicht, so einfach aufzugeben. Sie wirbelte auf dem Absatz herum und schaute Luis direkt in die Augen.

„Was soll das eigentlich?“, zischte sie. „Ich finde deinen Auftritt ziemlich unmöglich.“

„Es blieb mir ja nichts anderes übrig“, erwiderte er und zuckte mit den Schultern. „Ich muss mit dir reden …“

„Das habe ich auch schon verstanden“, unterbrach Isabelle ihn. „Aber was gibt es denn so Wichtiges?“

Autor

Kate Walker
Kate Walker wurde zwar in Nottinghamshire in England geboren, aber ihre Familie zog nach Yorkshire, als sie 18 Monate alt war, und deshalb sah sie Yorkshire immer als ihre Heimat an. In ihrer Familie waren Bücher immer sehr wichtig, und so lasen sie und ihre vier Schwestern schon als Kind...
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