Hochzeit in letzter Minute

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Der gut aussehende Brad Kenneally bittet Zoe um einen großen Gefallen: Sie soll sich seinem Chef gegenüber als die Kolumnistin seiner Zeitung ausgeben. Zoe weiß zwar nicht, wer die Frau ist, aber sie scheint Brad sehr wichtig zu sein. So wichtig, wie Zoe ihm gerne wäre.


  • Erscheinungstag 14.12.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787141
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Oh, was für ein schicksalhaftes Netz wir weben, wenn wir uns entschließen, mit chemischen Keulen den Krieg gegen die lästigen roten Spinnmilben und ihre Freunde aufzunehmen! Da lobe ich mir den biologischen Anbau. Er hat sich am Anfang bedeutend schwieriger gestaltet, aber glauben Sie mir, die Mühe zahlt sich aus, wenn ich meinen Gatten Bee und meine Tochter Kate meinen pestizidfreien Zucchiniauflauf essen sehe (Rezept folgt). Oh, wie mein Herz aufgeht, wenn ich sehe, dass sie gesundes frisches Gemüse essen, das ich selbst gezogen habe, und ich schwöre Ihnen, lieber Nachbar, das allein war die viele Extraarbeit wert …

„Boss! Ein Anruf für dich!“

Brad Kenneally legte den Bleistift nieder, ließ aber die Füße auf der Schreibtischkante, als er zum Telefonhörer griff. Er brauchte sich nicht auszustrecken. Der Schreibtisch in seinem Büro war aus Platzgründen noch kleiner als der in seinem Apartment. Allerdings schien Lloyd, seine rechte Hand, von der Enge des Zimmers nicht sehr beeindruckt. Er brüllte stets wie ein Seemann, der die Wassertiefe ausloten wollte.

„Kenneally“, rief er in die Sprechmuschel und erinnerte sich dann, dass er auf den roten Knopf des veralteten Telefons drücken musste. „Kenneally“, wiederholte er, nahm die Füße vom Tisch und wandte sich von Lloyd ab, der wie immer hingebungsvoll lauschte, damit er auch ja nichts verpasste.

„Warum nehmen Sie nicht selbst ab?“ Die tiefe Bassstimme klang scharf und irritiert. Wie immer. „Ich muss Ihnen wohl zu viel Gehalt zahlen, wenn Sie sich eine männliche Sekretärin leisten können.“

„Er arbeitet nur für die Freude, die ihm das Berichten von Kleinstadtklatsch macht. Genau wie ich.“

„Ich bezahle Sie verflixt gut, damit Sie über Fakten und Gemeindeinformationen berichten, von Klatsch ist keine Rede.“

Granite Ames – der Besitzer eines Verlagsimperiums, dem auch eine Reihe von kleinen Regionalzeitungen gehörte, deren Chefredakteur Brad war – besaß einen derben Sinn für Humor. Bei ihrer ersten Begegnung im Ames’ Verlagshaus in Houston, hatte Brad bereits festgestellt, dass der Mann noch mit einem Bein in den Höhlen der Neandertaler stand, aber trotzdem war der Job in der Provinz genau das Richtige für Brad. Er war bereits im großen Geschäft gewesen und wusste, dass Erfolg und Geld immer ihren Tribut forderten. Alles in allem war Granite Ames eher das kleinere Übel.

„Ich habe nur Spaß gemacht“, erklärte er. „Ich wollte den Montagmorgen nur mit ein wenig Humor aufheitern.“

„Wenn ich mit einem Komiker reden wollte, hätte ich Steve Martin angerufen.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er eine Geheimnummer hat.“

„Sie mögen doch Ihren Job, nicht wahr, Kenneally?“ Ames wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr schroff fort. „Hören Sie zu. Ich habe jetzt die Umsatzzahlen zweimal überprüft. Was verflixt noch mal machen Sie da oben?“

Brad war bestimmt nicht auf diesen Job angewiesen, aber er mochte ihn. Er erinnerte sich an die durchaus erfreulichen Zahlen, die er im letzten Bericht gesehen hatte und begann: „Die Abonnements haben beim Chicktown Scoop um sechs Prozent und beim Buckthorn Bugle um vier Prozent zugenommen. Die anderen Zeitungen haben ihre Verkaufszahlen gehalten, aber wir erwarten im September, wenn die großen Auktionen und Ausstellungen beginnen, einen allgemeinen Zuwachs von drei Prozent. Ich werde eine neue Reporterin einstellen, sobald …“

„Eine neue Reporterin?“, röhrte Ames. „Was zum Teufel ist mit der letzten passiert?“

Brad streckte die Beine aus und seufzte wehmütig beim Gedanken an die quirlige blonde Darby Witham. Woher hätte er wissen können, dass unter ihrer ehrgeizigen, karrierebesessenen Fassade das Herz einer Frau schlug, die sich nichts sehnlicher als einen Ehemann und Kinder wünschte? Wer hätte gedacht, dass sie so sensibel auf Zurückweisung reagierte?

„Darby hat gekündigt, Sir. Die Anforderungen waren ihr wohl zu hoch.“

„Darby, so ein Unsinn. Ich rede davon, dass sich in einer Ihrer Regionen der Verkauf der Zeitungen in drei Monaten fast um siebzehn Prozent erhöht hat. Ich rede von der Daisy-Rose-Kolumne. Wovon zum Teufel sprechen Sie?“

Daisy Rose? Brad setzte die Füße mit einem lauten Knall auf den Boden auf. „Oh“, sagte er, für einen Moment unfähig eine intelligentere Antwort zu finden. „Oh, das meinen Sie.“

„Diese Kolumne ist der Grund, warum Sie überhaupt noch für mich arbeiten. So, und ich will jetzt wissen, wann ich diese Frau treffen kann!“

„D…Darby?“ Er hielt inne und wusste, dass er genauso klang, wie er sich fühlte – ziemlich verzweifelt.

„Ist sie diejenige, die die Kolumne schreibt?“

„Also … nein.“ Brad versuchte zusammenhängend zu denken. „Nein, Sir. Darby schreibt natürlich nicht die Daisy-Rose-Kolumne. Sie hat gekündigt. Selbst als sie noch hier war, hat sie nur die üblichen Artikel geschrieben. Sie wissen schon, was Thelma Lou Baskin auf dem Feuerwehrball trug, wer den Pfannkuchenwettbewerb beim Wohltätigkeitsfest der Kirchengemeinde gewonnen hat und …“

„Ist diese Darby nun Daisy Rose, oder ist sie es nicht?“

„Nein, Sir, sie ist es nicht.“ Der Ausschnitt von Brads Pullover schien auf einmal beängstigend zu schrumpfen und ihm die Luft zum Atmen zu nehmen. „Daisy Rose ist … nun, sie ist eben Daisy Rose.“

„Ich möchte sie kennenlernen.“

Brad fuhr mit dem Finger in den Ausschnitt seines Pullovers, um ihn ein wenig zu dehnen. „Das … das ist nicht möglich, Sir.“

„Sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie sie haben gehen lassen“, brüllte er so laut, dass Brad zusammenzuckte.

„Äh …“

„Ist Daisy Rose immer noch meine Angestellte, oder muss ich ihr Ihren Job geben, damit ich sie zurückbekomme?“

Brad schluckte. „Oh, sie arbeitet für Sie, Sir. Da gibt es keine Zweifel.“

„Dann bestellen Sie sie für zehn Uhr nächsten Dienstag in Ihr Büro. Sorgen Sie dafür, dass sie kommt. Und dass sie ein Kleid trägt.“

Ein Klicken. Ein Moment völliger Stille und dann das Freizeichen. Brad schaute auf den Telefonhörer, der abgenutzt und zerkratzt aussah und fragte sich, wie viele Chefredakteure ihn vor ihm aus Verzweiflung und Hilflosigkeit auf den Tisch geschlagen hatten. Er legte den Hörer auf, schaute zu Lloyd hinüber, der selbstzufrieden grinste. „Ihm gefallen die neuen Zahlen, nicht wahr? Ich sagte dir doch, dass er die Kolumne lesen würde.“

„Ja. Das hast du mir gesagt. Er kommt nächste Woche her, um Daisy Rose zu treffen. Er will, dass sie ein Kleid trägt.“

Für einen winzigen Moment glaubte er, dass Lloyd ihm ein wenig Sympathie entgegenbringen würde, aber dann brach Lloyd in ein herzhaftes Lachen aus, das gar kein Ende mehr nehmen wollte.

Brad nahm einen Stift zur Hand und machte eine Notiz.

Ohrstöpsel kaufen.

Er dachte eine Minute nach und fügte dann hinzu … und ein Kleid.

„Onkel Brad! Onkel Brad, Onkel Brad!“, rief die sechsjährige Laura Kate und rannte auf Brad zu. „Du bist hier! Du bist hier!“

Er stieg gerade rechtzeitig aus seiner Corvette, um sie mit seinen Armen aufzufangen, und für einen Moment genoss er den frischen unschuldigen Duft des Kindes, die Freude über sein Kommen. Niemand hatte ihn je so bedingungslos geliebt, und er wusste, dass er Lark nicht mehr lieben könnte, wenn sie sein eigenes Kind wäre. Sie umarmte ihn stürmisch und presste viele herzhafte Küsse auf seine Wange. „Ich dachte, du würdest überhaupt nicht mehr kommen.“

„Ich bin pünktlich … so wie an jedem Sonntag.“ Er küsste ihre Stupsnase, löste ein wenig den Halt um ihre Taille, ließ sie ein Stück hinunterrutschten und packte dann wieder zu. „Und jeden Sonntag bist du schwerer und schwerer. Du meine Güte, ich kann dich ja kaum noch halten, Larky Malarkey.“

Sie kicherte, entzückt über die Wortspiele, die er stets mit ihrem Namen zu machen pflegte. Für jeden anderen mochte sie einfach Lark sein, aber Brad, ihr Patenonkel, hatte tausend verschiedene Spitznamen für sie. „Ich bin so schwer, weil ich heute meinen ganzen Schmuck trage“, verkündete sie stolz.

Er stellte sie auf den Boden und schaute sich die Ketten und die vielen Spangen an, die sie in ihr dichtes, lockiges Haar gesteckt hatte. Lark liebte Modeschmuck und ging selten hinaus, ohne sich mit mindestens sechs Ketten, Armbändern und Spangen zu schmücken. Auch jetzt trug sie verschiedene Ketten aus bunten Perlen und hatte sich einige davon mehrere Male um ihre dünnen Arme geschlungen.

„Die lässt du besser nicht deine Mom sehen“, sagte er und zog eine Kette heraus, die aus murmelgroßen, glänzenden bunten Perlen bestand. „Sonst wird sie sich die sofort ausleihen wollen.“

Lark riss ihm die Kette mit einem Freudenschrei aus der Hand.

„Oh, danke, Onkel Brad. Danke. Danke. Danke.“ Sie hüpfte vor Begeisterung über ihren neuen Schatz herum, blieb dann stehen und legte sich die Kette mit fast andächtigem Gesichtsausdruck um den Hals. „Das ist das schönste Geschenk, das du mir je gemacht hast.“

„Das hast du mir auch letzten Sonntag gesagt, als ich dir den großen Grashüpfer gekauft habe.“

„Ja, aber der ist weggehüpft, also ist das hier besser.“ Sie lächelte ihn selig an, legte ihre Hand in seine und schwang seinen Arm hin und her, während sie den kleinen Weg zwischen den gepflegten Rasenstücken zu dem Reihenhaus, das Lark und Zoë Martin ihr Zuhause nannten, hinaufgingen. „Ich werde fortlaufen“, erklärte sie fröhlich. „Du darfst mitkommen, wenn du willst.“

„Ich bin doch gerade erst angekommen.“

„Du kannst dich ruhig eine Minute ausruhen“, bot sie ihm an.

„Es dauert vielleicht länger als eine Minute. Schließlich brauche ich von Joplin aus eine Stunde, bis ich hier bin.“ Er lächelte, schaute in Larks blaue Augen, die ihrem Vater so ähnelten, und spürte den vertrauten Schmerz. Tim, der sein bester Freund gewesen war, war nun schon mehrere Jahre tot, aber manchmal, so wie jetzt, glaubte er, durch Tims Kind seinen Freund noch einmal zu sehen, und das Gefühl des Verlustes und die Erinnerungen machten ihm das Herz schwer.

Er sah aber auch den entschlossenen Zug in ihrem Lächeln und wusste, dass Lark auch viel von ihrer Mutter geerbt hatte.

„Warum willst du denn weglaufen? Was ist denn diesmal dein Ziel?“

„McDonald’s.“

„Hast du Hunger?“

Sie nickte entschlossen. „Und ich werde dort einen Job annehmen.“

„Wirklich? Warum das?“

Sie nickte erneut. „Dann kann ich dir Pommes verkaufen. Und Apfeltaschen und Erdbeermilchshakes. Und zwar so viel, wie du willst.“

„Wow, das ist großartig. Aber glaubst du, die Leute von McDonald’s werden das auch so sehen?“

„Ich sage Ihnen einfach, dass du mein Patenonkel bist.“

„Glaubst du, das wird sie beeindrucken.“

„Es beeindruckt mich“, erklärte sie mit ihrem kindlichen Charme. „Du könntest mich doch jetzt hinfahren, und wir könnten beide ein Happy Meal essen.“

„Und was ist mit deiner Mom?“

Ein Wolke legte sich über ihr hübsches Gesicht. „Wenn sie mitkommt, ist es doch kein Weglaufen mehr.“

Er schaute auf die rot gestrichene Tür, die wie die Rasenstücke obligatorisch in dieser Reihenhausanlage waren und fragte sich, nicht zum ersten Mal, warum Zoë aus dem hübschen Einfamilienhaus mit dem Garten in einem Vorort von Tulsa in dieses zwar gepflegte, aber sterile Viertel in der Nähe der City gezogen war.

Sie hätte doch nicht die Gartenarbeit oder die diversen Reparaturarbeiten am Haus machen müssen. Brad hätte sich um alles gekümmert, wie er es bereits getan hatte, als Tim krank war. Aber zwei Monate nach der Beerdigung hatte sie das Haus verkauft und war hierhergezogen, ohne sich um seine Meinung zu kümmern. Zoë schien überhaupt nicht viel von seinen Ratschlägen zu halten.

Lark auf der anderen Seite hielt ihn für überaus weise. Er ging in die Hocke und legte die Arme auf die Oberschenkel, damit er der Kleinen in die Augen schauen konnte. „Wenn wir sie nicht einladen, wird sie sich furchtbar aufregen, und du weißt, wie viel Angst sie mir macht, wenn sie böse ist.“

Ein Lächeln erhellte Larks Gesicht. „Du hast gar keine Angst vor ihr“, erklärte sie. „Du hast überhaupt vor gar nichts Angst, weil du …“ Sie warf den Kopf zurück und gab einen wilden Schrei von sich. „… weil du Superman bist! Nicht wahr, Onkel Brad!“

Er musste auch lächeln. „Ja, Larka Lou, das bin ich. Gehen wir hinein und stellen wir uns der Löwin.“

„Sie ist im Schlafzimmer“, informierte ihn Lark.

„Also gut, gehen wir hinein und fragen wir deine Mom, ob sie mit uns wegläuft.“

„Ich sagte dir doch, sie wird nicht mitkommen.“ Lark steckte die Zunge heraus und zog eine Grimasse. „Sie hat eine Verabredung?“

Eine Verabredung? Brad verzog ebenfalls das Gesicht. „Mit wem?“

Lark rümpfte die Nase. „Mit diesem Nudel-Roni aus ihrem Büro.“

Newton Rooney. Brad kannte den Namen und auch den aalglatten Wichtigtuer, der sich dahinter verbarg. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was Zoë in diesem Kerl sah. Lark war gerade erst sechs Jahre alt geworden und hatte schon erkannt, dass der Mann nicht mehr wert war als eine zu weich gekochte Nudel.

„Willst du deswegen weglaufen?“, fragte er.

Lark nickte bestimmt. „Er will mit uns essen gehen.“

„Mit dir und Mom?“

Die Wolken auf ihrer Stirn wurden immer düsterer. „Sie sagt, ich soll ein liebes Mädchen sein und darf nur eine Kette und eine Haarspange tragen, und ich soll auf keinen Fall dazwischenreden, wenn die Erwachsenen sprechen, und ich kann auch keinen Burger mit Pommes bestellen, weil es die dort gar nicht gibt, und ich muss still sitzen und Bitte und Danke sagen und darf nicht zwanzig Fragen stellen und …“ Ein abgrundtiefer Seufzer entrang sich ihrer schmalen Brust. „… und deswegen laufe ich fort.“

Brad fand, dass sie Grund genug hatte. „Nun, aber jetzt, da ich hier bin, darfst du vielleicht bei mir bleiben.“

Für einen Moment hellte sich ihr Gesicht auf, doch es verfinsterte sich sofort wieder. „Das darf ich bestimmt nicht. Sie will, dass ich seine Freundin werde. Aber ich mag ihn nicht, und ich wünschte, Mom würde ihn auch nicht mögen.“

„Vielleicht hat sie einfach nur Lust auszugehen?“

„Warum konnte sie dann nicht mit dir ausgehen?“

Es war eine unschuldige Frage, aber Brad wusste darauf keine Antwort. Wenn er ehrlich war, glaubte er nicht, dass Zoë großes Interesse daran hatte, mit ihm auszugehen. Sie war freundlich, lachte über seine Witze – nun, zumindest meistens – und schien seine Freundschaft zu Tim, die über den Tod hinaus bestand, ehrlich zu schätzen. Aber irgendwie hielt sie immer Distanz zu ihm.

„Ich sag dir was“, wich er aus. „Wir werden jetzt zu ihr hineingehen und sie fragen, ob es ihr etwas ausmacht, wenn du bei mir bleibst.“

Lark überlegte. „Okay. Geh und frag sie, aber wenn sie Nein sagt, laufen wir einfach fort und gehen zu McDonald’s.“

Er dachte über das Ultimatum des Kindes und seinen wahrscheinlichen Ausgang nach. „Nun, aber was ist, wenn sie Bimbam oder Bimbim oder Bimbamboria sagt?“

Das Kind lachte laut über seinen Unsinn. „Das wird sie bestimmt nicht sagen, Onkel Brad.“

„Es könnte aber passieren. Also gut, komm, wir werden sie fragen.“

Aber Lark rührte sich nicht von der Stelle. „Du gehst. Ich warte in deinem Wagen.“

Sehr viel Vertrauen schien sie in seine Fähigkeiten als Unterhändler nicht zu haben. „Komm schon, Kleines. Ich brauche deine moralische Unterstützung.“

Sie schüttelte energisch den Kopf, zog angewidert die Nase kraus und senkte ihre Stimme. „Sie stinkt wie ein ganzes Freudenhaus.“

Wow! Wo hatte sie das wieder aufgeschnappt. „Lark, Schätzchen, woher hast du nun wieder diesen Ausdruck?“

„Von Sonchie. Sein Vater hat es zu seiner Mutter gesagt. Er hat ihr dabei auf den Po geklopft und gelacht.“

Hm. Brad warf einen Blick zu der rot gestrichenen Tür auf der anderen Seite der Straße hinüber, wo der berüchtigte Sonchie Wilcox lebte. Sonchie. Brad hatte noch nicht herausgefunden, ob das der Spitzname des Jungen war, oder ob Lark den Namen einfach falsch aussprach, aber er wusste, dass der achtjährige Sonchie so einiges von seinem Vater aufschnappte und es gleich an Lark weitergab, die alles begeistert in ihr Vokabular aufnahm. Das bestätigte Brad einmal wieder in seiner Meinung, dass diese Nachbarschaft völlig ungeeignet für ein kleines Mädchen war.

„Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn du das nicht vor deiner Mutter wiederholst.“

„Schon passiert“, gab Lark mit einem tiefen Seufzer zu. „Sie sagte, sie hätte meinen Mund mit Seife ausgewaschen, wenn sie nicht alles schon verbraucht hätte, um sich für ihre Verabredung fertig zu machen.“

„Glück gehabt, Splarky. Das muss heute dein Glückstag sein.“

„Sie hätte mir sowieso keine Seife in den Mund getan. Sie wollte nur, dass ich rausging und sie nicht weiter mit Nudel-Roni nerve. Aber vielleicht solltest du ihr das sagen und ihr dabei auch auf den Po klopfen. Sonchies Mom hat dann gelacht. Vielleicht lacht Mom dann ja auch und will gar nicht mehr mit dem blöden Nudel-Roni ausgehen. Und wir können dann zu McDonald’s gehen und ihr einen Vanilleshake mitbringen. Findest du nicht, dass das ein guter Plan ist, Onkel Brad?“

Oh, Junge. Er könnte sich gleich beerdigen lassen, wenn er so dumm wäre, Zoë einen Klaps auf den Po zu geben. Obwohl er zugeben musste, dass er insgeheim und hin und wieder ihren hübschen kleinen Po bewundert hatte – Tims bester Freund zu sein, hatte ihn schließlich nicht blind gemacht, verflixt noch mal. Aber wie sollte er jetzt Larky erklären, dass ihre Idee alles in allem doch nicht so gut war.

„Hör zu, Kind, ich glaube kaum, dass dein Plan die Wirkung hat, die wir wünschen, besonders nicht, wenn ich sie auch noch um einen Gefallen bitten will.“

Lark legte den Kopf in den Nacken und schaute ihn mit unverhüllter Neugierde an. „Was für einen Gefallen?“

Auf keinen Fall würde er Lark erzählen, dass er eventuell Zoë darum bitten würde, für Granite Ames Daisy Rose zu spielen. Eine Sechsjährige könnte solch ein Geheimnis unmöglich für sich behalten. Wahrscheinlich würde er Zoë auch gar nicht um Hilfe bitten. Es war nur so ein Gedanke gewesen, ein flüchtiger Impuls. Es sei denn, die perfekte Gelegenheit darauf einzugehen, würde ihm sozusagen in den Schoß fallen. „Ich werde Sie bitten, dass du mit mir zu McDonald’s gehen darfst, während sie zu ihrer Verabredung geht. Findest du nicht, dass ich sie damit um einen großen Gefallen bitte?“

Lark sah ihn skeptisch an. Entweder schien er sie nicht überzeugt zu haben, oder sie bezweifelte den Erfolg seiner Mission. Doch dann nahm sie eine grün- und pinkfarbene Glasperlenkette aus der Kollektion, die um ihren Hals hing, und reichte sie ihm. „Es ist besser, du trägst meine Glückskette, wenn du sie fragst. Sie hat keine sehr gute Laune.“

Brad war zwar nicht der Meinung, dass Grün und Pink besonders gut zu seinem Hemd passten, aber er hätte noch ein Dutzend mehr Halsketten getragen, wenn Lark ihn darum gebeten hätte. Zum einen, weil er alles für das kleine Mädchen tun würde, zum anderen, weil er alles Glück dieser Welt gebrauchen konnte, um mit ihrer Mutter zu verhandeln. Aus irgendeinem Grund verliefen die Gespräche mit Zoë nie so, wie er es sich vorstellte. Vielleicht sollte er zur Vorsicht noch ein oder zwei von Larks Glückspangen ins Haar stecken. Er seufzte. Nein, auch Superman musste irgendwo eine Grenze setzen.

Zoë lehnte sich näher an den Spiegel heran und überlegte, welche der beiden Lippenstiftfarben sie auswählen sollte. Sageplum Sugar war ein zartes Mauve, während Fairydust Berry einen kräftigen Pinkton besaß. Sie hatte beide Töne aufgetragen und schaute sich nun einmal von rechts und einmal von links an. Sie wusste, dass Newton das zurückhaltende Sageplum Sugar besser gefallen würde. Er überhäufte sie stets mit Komplimenten, wenn sie gedecktere Farben für Kleidung oder Make-up wählte. Das Fairydust Berry war weitaus auffälliger, aber irgendwie fand sie, dass es ihrem Gesicht mit den Sommersprossen ein wenig Pfiff gab.

Seit wann misst du einer Lippenstiftfarbe so viel Bedeutung bei? fragte sie sich. Nach der Vorspeise sieht man sowieso nichts mehr davon.

Seufzend griff sie zu einem Kosmetiktuch, um sich die Farben abzuwischen, und erstarrte, als ihr Blick im Spiegel auf ein kariertes Hemd im Türrahmen fiel. Ein Schrei blieb ihr in der Kehle stecken und kam als gepresstes „Aack!“ heraus.

Brads und ihr Blick trafen sich im Spiegel, und obwohl ihre Reaktion ihn offensichtlich amüsierte, entschuldigte er sich sofort. „Verzeih mir, Zoë“, sagte er. „Aber es ist Sonntag.“

Wie treffend ausgedrückt, dachte sie und versuchte nicht zu bemerken, wie attraktiv er wieder aussah. Seitdem bei Tim die Diagnose unheilbar krank wie ein Todesurteil ausgesprochen worden war, hatte es keinen Sonntag gegeben, an dem Brad nicht erschienen war. Morgens ging die Sonne auf, und an Sonntagen kam Brad. Seine Besuche hatten sie getröstet und gestört, sie freute sich darauf, und sie ärgerte sich darüber. Sie wusste, dass er kam, jeden Sonntag, ob es regnete oder die Sonne schien, denn er hatte es Tim versprochen. Sie wusste – denn sie hatte es oft genug probiert –, dass kein Protest und keine Überredungskünste ihn aufhalten konnten. Sie wusste, dass Brad ein eigensinniger, aber liebenswerter Chauvinist mit einem großen Herzen war, und dass sie ihm niemals zurückzahlen könnte, was er für sie tat, ob sie es nun brauchte oder nicht.

„Du hättest anklopfen können“, bemerkte sie und wandte sich wieder dem Spiegel zu.

„Ich rief Hallo, als ich die Treppen heraufkam. Wahrscheinlich warst du so beschäftigt, dich für deine Verabredung hübsch zu machen, dass du mich nicht gehört hast.“ Er sah interessiert zu, wie sie den Lippenstift abwischte. Irgendwie brachte seine Anwesenheit sie immer durcheinander. In seiner Gegenwart konnte sie sich einfach nicht entspannen.

„Willst du Lippenstift auftragen oder dich abschminken?“

Er hatte eine nervenaufreibende Art, sich über sie lustig zu machen. „Ich konnte mich nicht zwischen zwei Farben entscheiden.“ Sie nahm entschlossen einen Lippenstift auf und trug ihn auf … oh … es war Fairydust Berry.

„Gute Wahl“, erklärte Brad. „Diese Farbe gibt dir irgendwie noch mehr Pfiff.“

Sie hätte sie am liebsten sofort wieder abgerieben, aber zu erklären, warum sie das tat, hätte mehr Energie erfordert, als sie zurzeit zur Verfügung hatte. Lark hatte sie bereits mit einer Ladung Fragen und Klagen erschöpft, und jetzt sah es so aus, als wollte Brad dort anknüpfen, wo ihre Tochter aufgehört hatte.

„Danke“, sagte sie mit gepresster Stimme. „Deine Meinung bedeutet mir sehr viel.“

„Und ich bin froh, sie dir sagen zu können“, erwiderte er unbeschwert. Dann begann er wie ein Bluthund zu schnuppern, der gerade eine Fährte aufgenommen hatte.

Zoë seufzte. „Ich warne dich, wehe du sagst, dass ich wie ein ganzes Freudenhaus stinke.“ Wie sehr hätte sie sich gewünscht, von ihm zu hören, wie gut sie duftete. Nicht, dass sie auf sein Kompliment angewiesen war, aber es wäre nett, wenn er ihr hin und wieder zu verstehen geben würde, dass er sie auch als Frau und nicht nur als Tims Witwe und Larks Mutter zur Kenntnis nahm.

„Ich hatte überhaupt nicht vor, etwas zu sagen.“

Das war eines der Hauptprobleme mit Brad. Er brauchte nichts zu sagen. Sie brauchte ihn nur anzuschauen, um zu wissen, was in ihm vorging.

„Ich habe etwas Badeöl verschüttet“, erklärte sie. „Weitere Bemerkungen kannst du dir also sparen.“

„Du duftest ganz wunderbar“, sagte er so betont höflich, dass sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt hätte. „Wie ein ganzes Freudenhaus stinkst du wirklich nicht.“

Zoë wusste, dass er ein Lachen kaum noch unterdrücken konnte, und seufzte. „Ich weiß wirklich nicht, wo meine Tochter solche Ausdrücke auffängt, und schon gar nicht, warum sie glaubt, sie jedem mitteilen zu müssen.“

„Ich bin nicht jeder, Zoë. Und sie fängt sie von dem Jungen auf, der euch gegenüber wohnt. Du solltest sie von ihm fernhalten.“

„Die Wilcoxs scheinen ganz in Ordnung zu sein.“

„Wenn Larky vierzig Jahre alt und mit einem Schwachkopf verheiratet ist, der anrüchige Komplimente macht, während er ihr den Po tätschelt, dann komm bitte nicht und wirf mir vor, ich hätte dich nicht gewarnt.“

Autor

Karen Toller Whittenburg
Karen Toller – Whittenburg hat an beiden Küsten Amerikas gelebt – der Atlantik- und der Pazifikküste. Sie bevorzugt die Landschaft von Nordost – Oklahoma, wo sie aufgewachsen ist. Sie mag den Wechsel der Jahreszeiten in Tulsa, wo sie mit ihrem Ehemann, einem Fotografen lebt. Schon in frühen Jahren hat Karen...
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