Hochzeit in Venedig

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Fasziniert ist die zarte Dr. Lucinda Hallcross auf einem Ärztekongress in Venedig von Dr. Pino Ponti. Seine dunklen Augen ziehen sie in ihren Bann, seine Küsse sind voller Leidenschaft. Doch nach einem Streit muss Lucinda sich fragen: Bleibt die Hochzeit ein Traum?


  • Erscheinungstag 25.07.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530484
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Lucy versuchte sich auf den Vortrag zu konzentrieren, doch es war unmöglich. Die Blicke des dunkeläugigen Mannes auf der anderen Seite des Kongresssaales lenkten sie immer wieder ab.

Dass Männer sie bewundernd anblickten war Lucy gewohnt, doch hier, in der renommierten Spezialklinik Ospedale Civile in Venedig, am zweiten Kongresstag für Herzspezialisten, fand sie das Verhalten des Fremden unpassend.

Neben ihr saß ihr Vater, der ebenfalls Mediziner und zudem auch stellvertretender Gesundheitsminister war. Er wurde von seinem Privatsekretär und seiner Stenotypistin begleitet.

Lucy hatte die ganze Zeit die neugierigen Blicke des Fremden gespürt und wandte sich ihm nun direkt zu, um ihn mit seinem Verhalten zu konfrontieren. Sie dachte nicht im Traum daran, ihn weiter dazu zu ermutigen, sie anzustarren.

Entgegen jeder Erwartung wandte er den Blick nicht ab, als sie ihn direkt ansah, sondern hob unmerklich die schwarzen Augenbrauen und nickte ihr zu. Es war unmissverständlich, dass er ihr seine Bewunderung ausdrücken wollte.

Lucy war leicht verstimmt. Wer war dieser Mann, dass er sich solch eine Freiheit herausnahm? Ein Journalist oder Übersetzer vielleicht? Auf jeden Fall war er jemand, der sich während einer solch wichtigen Konferenz nicht zu benehmen wusste!

Objektiv betrachtet war der Mann ziemlich attraktiv, obwohl Lucy nicht unbedingt auf den Typ Latino stand, mit blitzenden schwarzen Augen und breitem, sinnlichen Mund. Sie beschloss, einfach nicht mehr zu ihm hinzuschauen und wandte ihre veilchenblauen Augen wieder dem Sprecher zu, der gerade seinen Vortrag beendete. Zu ihrem Ärger fiel es ihr äußerst schwer, sich auf die monotone Stimme zu konzentrieren, während sie vorgab, die Blicke aus den dunklen Augen nicht weiter zu bemerken.

Während der Pause nach dem Vortrag beugte sich Aubrey Portwood, der Privatsekretär ihres Vaters, zu ihr hinüber. Wie immer sprach er leise und unaufdringlich.

„Lucinda, der nächste Sprecher ist Findlay d’Arc, ein Frauenarzt und Herzspezialist. Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie anfangs gesagt haben, dass dieser Vortrag über Herzprobleme in der Schwangerschaft Sie ganz besonders interessiert?“

„Ach ja, danke, Aubrey.“ Sie lächelte den Privatsekretär höflich an. Ihren Vater stieß sie sanft in die Rippen, denn er war gerade eingenickt. Mit einem Ruck setzte er sich auf und öffnete die Augen.

„Hat der Gute seinen Vortrag endlich beendet, Liebes? Bestimmt ist die Hälfte der Zuhörer bei ihm eingeschlafen.“

„Schscht, Daddy.“ Lucy blickte sich verstohlen um, ob ihn jemand gehört hatte. „Der nächste Referent soll sehr gut sein.“

„Wirklich?“ Sir Peter Hallcross-Spriggs lächelte seine Tochter erleichtert an. Dann wandte er sich an seine Stenotypistin.

„Bitte halten Sie sich bereit, das Wichtigste zu notieren, Meg.“

„Ach Daddy, lass doch die arme Meg in Ruhe, sie hat schon genug geschrieben“, protestierte Lucy. „Ich kann alleine mitschreiben, was mich interessiert.“

Meg Elstone seufzte erleichtert auf. Lucy kicherte unwillkürlich und zog damit auch noch die Blicke anderer im Saal auf sich.

Sie war eine typische englische Schönheit. Ihr klassisches ovales Gesicht wurde von dichtem braunem Haar gerahmt, und man sah ihr die privilegierte Erziehung einer Oberschicht-Schule an. Kaum ein Betrachter allerdings hätte ihr den versteckten Schmerz angesehen, den sie seit einiger Zeit hegte, den zehrenden Selbstzweifel hinter ihrem kühlen, attraktiven Äußeren.

Als sie unmerklich in die Richtung des Fremden blickte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass er verschwunden war. Ob er wohl für den nächsten Vortrag noch rechtzeitig zurückkehren würde? Lucy fühlte sich durch sein Verschwinden etwas verwirrt.

Der Vorsitzende machte eine Ansage. „Leider konnte Mr. d’Arc leider heute nicht kommen, sodass Dr. Giuseppe Ponti sich freundlicherweise bereit erklärt hat, seinen Vortrag für ihn zu lesen.“

Dr. Ponti wurde als ein Allgemeinarzt vorgestellt, der eine eigene Praxis in Venedig betrieb. Ein hochgewachsener Mann betrat das Podium und richtete sich das Mikrofon ein. Lucy verschlug es fast den Atem, es war der Mann, der sie so unverschämt angestarrt hatte!

Nachdem er den Zuhörern kurz zugenickt hatte, begann er zu sprechen. Er strahlte eine ungemeine Vitalität aus. Er besaß zwar einen leichten italienischen Akzent, doch seine klangvolle Stimme schlug alle sofort in den Bann. Sein Gesicht war sehr ausdrucksstark, und seine temperamentvolle Art hauchte den vorgetragenen Fallstudien Leben ein.

Ponti beschrieb das Dilemma des Arztes, der eine Frau mit einer Herzklappenerkrankung behandelte. Im Normalfall war das Problem leicht in den Griff zu bekommen, kam aber eine Schwangerschaft hinzu, wurde es leider ernsthaft bedenklich.

„Sie müssen nun ein zweites Leben, einen weiteren Patienten in Betracht ziehen, dessen Wohlergehen genauso wichtig ist wie das der Frau“, sagte er ernst. „Was tun?“

Er blickte auf, und sein Blick traf sich zufällig mit Lucys.

Lucy wusste, dass sich seine Frage auf den gerade von ihm beschriebenen Fall bezog, doch sie fühlte sich durch seine Worte direkt angesprochen. Diese Frage war wie eine persönliche Herausforderung. Sie wusste, dass sie sich selbst etwas vormachte, wenn sie behauptete, ihre Tätigkeit für die medizinische Statistik sei das Richtige für sie, auch wenn sie sich einredete, dass sie auf diese Weise Zeit für die gesellschaftlichen Verpflichtungen einer adligen Tochter fand.

Ponti beschrieb die geeigneten Maßnahmen bei den betroffenen Patienten so eingehend, dass sich die Versammelten am Ende Mutter und Kind fast bildlich vorstellen konnten, und es erhob sich spontaner Applaus.

„Wirklich, Lucinda, wenn das alle so hinkriegen würden, wäre es viel interessanter!“, bemerkte Sir Peter. „Wenn du am Donnerstag mit unserem Vortrag dran bist, machst du’s bestimmt auch so gut.“

Auch Lucy hatte unter Pontis Bann gestanden. Er strahlte solch eine Begeisterung für seinen Beruf aus, dass ihr ihre eigene große Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer beruflichen Laufbahn plötzlich schmerzhaft bewusst wurde. Sie applaudierte nur halbherzig am Ende des Vortrages.

Ponti winkte mit hoch erhobenen Händen ins Publikum, bevor er abtrat.

Aubrey Portwood neigte sich zu Lucy hinüber und flüsterte ihr ins Ohr. „Eher wie ein Schauspieler nach der Vorstellung, nicht wahr, Lucinda?“ Er lachte zynisch auf.

Lucy konnte sich seiner Meinung nicht anschließen. Sie war noch zu sehr in Gedanken. Sie musste endlich etwas gegen ihre innere Unzufriedenheit tun.

„Ist alles in Ordnung, Liebes?“, erkundigte sich Sir Peter. „Du siehst heute müde aus.“

„Alles in Ordnung, Daddy“, beruhigte sie ihn. Sie strich ihr glänzendes dunkles Haar zurück. „Ich muss nur unbedingt mal an die frische Luft. Ich werde am Meer spazieren gehen.“

„Aubrey wird dich begleiten.“

„Meine Güte, Daddy, ich kann wirklich auch allein spazieren gehen!“, protestierte sie. „Bleibst du noch hier?“

„Ja. Ich muss dem letzten Sprecher noch für seinen Vortrag gratulieren. Wie war noch mal sein Name?“

„Nun – eigentlich müsstest du Findlay d’Arc gratulieren, schließlich war das sein Vortrag. Na ja – bis nachher, beim Abendessen. Ungefähr um acht.“

„Lieber eine halbe Stunde später, an der Bar. Ich muss noch das Programm für morgen mit Aubrey besprechen, und nach dem Essen ist dafür keine Zeit mehr.“

Lucys Augen verdunkelten sich. „Ich mag es gar nicht, wenn du so spät schwer isst, Daddy, du weißt, dass das nicht gut für deinen Blutdruck ist, genauso wie die Brandys und Zigarren.“

Ihr rundlicher Vater sah sie wohlwollend an. Für den Baron war sie immer noch sein kleines Mädchen und sein ganzer Stolz, doch nahm er sie nicht ganz ernst.

„Hab ein Herz, Liebes. Wir lockern die Regeln ein wenig, solange wir hier sind, nicht wahr?“

„Du willst niemals auf mich hören, Daddy“, seufzte Lucy. „Bis nachher, an der Bar.“ Sie beugte sich über seinen Sessel und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Und keine Zigarre bis dahin“, mahnte sie mit erhobenem Zeigefinger.

„Nein, Liebes.“

„Und zum Hotel gehst du zu Fuß, nimm kein Wassertaxi.“

„Nein, Liebes … ich meine, wie du willst …“

Lucy lächelte, als Portwood ihr in die rote Kaschmirjacke half.

„Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde schon auf Sir Peter Acht geben, Lucinda“, versicherte er ihr.

„Danke, Aubrey. Ich weiß, dass ich mich immer auf Sie verlassen kann.“

Sie winkte und lief die Eingangstreppe des Krankenhauses hinunter auf den Platz Campo San Zanipolo. Dann bog sie rechts ab und ging einen Kanal entlang in Richtung Meer.

Wie gut, dass sich Aubrey um meinen Vater kümmert, dachte sie im Gehen. Er nimmt ihm alle lästigen Belange ab. Aubrey ist immer da, zuverlässig und diskret. Und er sieht mit seinen fünfzig Jahren immer noch gut aus.

Nach dem Tod seiner Frau war Aubrey Portwood mehr und mehr zum Freund der Familie geworden, und Lucy hatte sein wachsendes Interesse an ihr bemerkt. Da er dieser Tage immer öfter nach Hallcross Park eingeladen wurde, spürte Lucy, dass er ihren Eltern durchaus auch als Schwiegersohn willkommen sein würde, wenn sie selbst einwilligte.

Aubrey würde mir Sicherheit bieten, dachte sie im Stillen. Ich wäre bei ihm so gut aufgehoben sein, wie in meinem Elternhaus. Ich würde ihm eine charmante Ehefrau sein, eine gute Gastgeberin, und die demütigenden Erfahrungen der letzten zwei Jahre wären vergessen.

Sie wanderte mit entschlossenen Schritten die Fondamenta Nuove an der Lagune entlang. Wie schön war es doch, der Konferenz für eine Stunde entkommen zu sein! Uns wo sonst konnte man besser Zeit finden, nachzudenken?

Es war ein klarer Märztag, wärmer als in England, auch wenn ein frischer Wind aus dem Süden wehte. Quer über das blaue Wasser konnte man die grüne Insel San Michele sehen.

Es gibt viel zu wenig Zeit, alles Schöne hier zu erkunden, dachte Lucy wehmütig.

Sie nahm sich vor, nach der Konferenz noch das Wochenende zu bleiben. Eine Freundin aus Universitätstagen arbeitete mittlerweile im Krankenhaus hier auf dem Lido. Lucy überlegte, ob sie ihr einen Überraschungsbesuch abstatten sollte.

Valeria Corsini hatte eine englische Mutter. Sie war in England aufgewachsen und hatte dort studiert. Sie und Lucy hatten zusammen am St.-Margaret’s-Hospital in London die Ausbildung zum Arzt abgeschlossen. Als sie dann aber mit ihren Eltern nach Italien gezogen war, hatten sie und Lucy den Kontakt verloren.

Nach einem katastrophalen Jahr am Manchester-Suburban-Hospital war Lucys Karriere als Ärztin abgebrochen. Sie wollte lieber nicht daran denken, denn sie hätte damals darüber fast einen Nervenzusammenbruch erlitten. Erst jetzt, mit achtundzwanzig Jahren, hatte sie etwas von ihrem alten Selbstvertrauen wieder gewonnen, indem sie für Sir Peter medizinische Statistiken in seinem Ministerium erarbeitete.

Einem Wiedersehen mit Valeria sah sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Wer von ihnen beiden wohl wen beneidete?

In Gedanken versunken hörte sie plötzlich einen Ruf. Zwei Jungen, Teenager, hatten ihre schlanke Gestalt am Ufer entdeckt. Nun versuchten sie, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, um sich ein bisschen vor ihr zu produzieren. Sie hissten das Segel ihres kleinen Bootes fachmännisch und segelten im Zickzackkurs los.

Das Segel flatterte heftig und blähte sich dann im Wind voll auf. Die beiden jungen Männer stemmten sich sorglos lachend dagegen. Sie schienen sich offensichtlich zu amüsieren. Lucy winkte ihnen fröhlich zu.

Sie wandte sich von der See ab und ging durch eine schmale Gasse, die wiederum auf einen kleinen Platz führte. Von hier aus gingen in alle Richtungen weitere Gassen ab. Lucy war sich nicht ganz sicher, welche sie nun nehmen musste, um zu ihrem Hotel, der Albergo Cicliami, zu kommen.

Sie wählte eine der Gassen und kam zu einem ruhigen kleinen Kanal. In regelmäßigen Abständen führten ein paar moosbedeckte Stufen hinunter, damit von kleinen Ruderboten aus alle Arten von Diensten angeboten werden konnten. Hier wurden Gemüse, Obst und Fisch verkauft, Wäsche geholt und gebracht und auch die Post erreichte auf diesem Wege die angrenzenden Häuser und Hotels, die mit ihren schmiedeeisernen Balkonen und bunten Fensterläden den Kanal säumten.

Nach einer Weile erreichte Lucy eine kleine steinerne Brücke, an deren Brüstung Kästen voller roter Begonien prangten. Eine dicke Katze döste auf dem erhabensten Punkt des Brückengeländers.

So muss Venedig schon vor hundert Jahren gewesen sein, dachte Lucy. Ich wünschte, ich hätte eine Kamera, um dieses zeitlose Idyll festzuhalten.

Als Lucy die Bücke überquerte, glitt ein schmales Boot den Kanal entlang. Helles Lachen war zu hören, und Lucy sah dem Boot wehmütig nach. Niemals würde sie mit David, Hand in Hand, auf einem Boot die Kanäle erkunden können. Es war an der Zeit, zu vergessen.

Sie schien nun doch etwas die Orientierung verloren zu haben. Nach einer weiteren schmalen Gasse war sie auf einen kleinen Platz mit einer mittelalterlichen Kirche gelangt. Von dort aus hatte die nächste Gasse sie wieder zu dem kleinen Kanal gebracht, wo sie wieder auf die dicke Katze zwischen den roten Blumen traf.

Lucy konnte sich kaum vorstellen, im Kreis gegangen zu sein. Sie war sich eigentlich sicher, immer die richtige Richtung eingehalten zu haben. Etwas ratlos und verärgert blieb sie nun stehen.

Zweifelsohne hatte sie sich tatsächlich im Gewirr der Gassen verlaufen. Im Hotel wartete man sicherlich mittlerweile auf sie. Zum Ausruhen lehnte sie sich einen Moment an eine stuckverzierte Wand. Sie ärgerte sich, keinen Stadtplan mitgebracht zu haben. In welche Richtung sie nun wohl gehen sollte?

Eine tiefe Stimme neben ihr ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. „Sind Sie zum ersten Mal in Venedig?“

Lucy blickte sich um. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie nicht alleine war. Neben ihr stand der hochgewachsene Dr. Ponti. Sie riss sich zusammen, um sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.

„Nein, ich bin schon einmal hier gewesen“, antwortete sie kühl.

Sie konnte sich noch gut an ihre Klassenfahrt nach Venedig erinnern. Sie hatte Italienisch als Abiturfach gehabt und konnte auf der Reise ihre Sprachkenntnisse vertiefen. Damals, mit siebzehn, kurz vor dem Abitur, war sie noch sorglos und selbstbewusst gewesen.

„Willkommen zurück, Signorina.“ Dr. Ponti machte eine ironische kleine Verbeugung. „Darf ich mich vorstellen? Pino, für meine Freunde. Ich habe Sie und Ihren Chef heute auf der Konferenz gesehen. Er sieht ja aus wie Winston Churchill. Fehlen nur noch Melone und Zigarre.“

Was für ein frecher Kerl, dachte Lucy. Er scheint zu denken, ich sei Daddys Sekretärin. Er glaubt wohl, er kann sich alles erlauben, nur weil er so gut aussieht. Aus der Nähe wirkt er noch attraktiver, als im Kongresssaal.

„Allora! Come ti chiami?“ Er fragte sie nach ihrem Namen.

„Mi chiamo Lucy Hallcross“, antwortete sie. „Sono inglese.“

Er lachte. „Sie brauchen mir nicht zu erzählen, dass Sie Engländerin sind, Lucia. Das sieht man.“

Er sprach ihren Namen italienisch aus. Das c sprach er wie tsch, und ihr Name klang völlig anders als sonst.

„Sagen Sie mir, Lucia, wieso die englischen Teilnehmer die hübschesten Sekretärinnen haben?“, scherzte er.

Sie ignorierte seine Frage und blickte betont auf ihre Armbanduhr. „Entschuldigen Sie bitte, Dottore, können Sie mir den Weg zur Albergo Cicliami beschreiben?“, fragte sie auf Italienisch. Sie hatte zum Glück noch immer beeindruckend gute Schulkenntnisse der Sprache. Es sollte ihm hiermit klar sein, dass sie mit ihm kein Gespräch anfangen wollte, selbst wenn er ein attraktiver Arzt war, der sich anscheinend für unwiderstehlich hielt.

Ihm schien seine Aufdringlichkeit leidzutun, und er lächelte sie entschuldigend an.

„Ich begleite Sie gerne, Signorina.“

„Nein, das ist wirklich nicht nötig“, fing Lucy an, doch dann besann sie sich anders. In diesem Gassengewirr war es schwer, sich zurechtzufinden, und eine Wegbeschreibung würde ebenfalls schwierig sein. Sie entschloss sich, sein Angebot anzunehmen, und lächelte zurückhaltend.

Bellissima. Endlich scheint die Sonne in Ihrem Gesicht, Lucia. Gehen wir.“

Er griff nach ihrer Hand, doch Lucy zuckte zurück. Verlegen rückte sie ihren Handtaschenbügel auf der Schulter zurecht.

„Machen Sie viele berufliche Reisen?“, erkundigte Ponti sich bei ihr.

„Einige. Letztes Jahr war ich in Genf bei der Weltgesundheitsorganisation.“

„Ach, der Aids-Kongress.“ Er wirkte plötzlich ernster. „Ihr Chef hat es gut mit Ihnen“, sagte er nach einer Weile. „Ist die Zusammenarbeit mit ihm angenehm?“

Lucy hatte keine Lust, sich in ein Gespräch über ihre Arbeit verwickeln zu lassen. Diese Dinge gingen ihn nichts an. „Sir Peter ist der ideale Mann für seine Aufgaben“, sagte sie abwehrend. „Und was machen Sie, Dr. Ponti? Gefällt Ihnen die Arbeit als Allgemeinarzt?“

Er blickte sie amüsiert an. „Es vertreibt mir die Zeit.“

Sie hob die Augenbrauen. Anscheinend hatte auch er keine Lust, sich über seine Arbeit zu unterhalten. Schweigend gingen sie nebeneinander her.

„Verzeihen Sie, Lucia“, hob er schließlich an. „Ich bin nicht der einzige Mann, dem Sie auffallen. Dieser Begleiter Ihres Chefs kann die Augen nicht von Ihnen lassen. Sie sind sich aber noch nicht im Klaren darüber, ob Sie sich etwas daraus machen sollten, nicht wahr?“

Lucy war sprachlos über seine Unverschämtheit. Sie kniff verärgert die Lippen zusammen. „Dr. Ponti, ich habe nicht die geringste Absicht, persönliche Dinge mit Ihnen zu diskutieren“, sagte sie eisig. „Im Übrigen erkenne ich die Gegend hier wieder. Ich werde allein zum Hotel finden. Guten Tag.“ Sie stapfte wütend davon.

Ponti merkte, dass er sie ernsthaft beleidigt hatte, und bereute seine Offenheit. Schnell holte er mit ihr auf. „Entschuldigen Sie bitte vielmals, Lucia. Ich hatte vergessen, wie empfindlich die Engländer sind. Warten Sie doch bitte. Haben Sie heute Abend etwas vor? Was halten Sie von einem Ausflug zum Lido? Ich habe ein eigenes kleines Boot. Vielleicht darf ich Sie zum Essen einladen, um mein Vergehen wieder gutzumachen?“

Man konnte ihm sein Bedauern anhören, doch Lucy blickte ihn ungerührt an. „Ich werde tatsächlich heute Abend zum Lido fahren“, begann sie.

Autor

Margaret Holt
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