Hochzeit unterm Weihnachtshimmel (2 Miniserien)

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DAS GLÜCK IN DEINEN AUGEN
Penny hat sich in ihren Ranchmanager verliebt. Schon nach Jakes erstem Kuss unterm Mistelzweig ist es um sie geschehen. Doch dann taucht die schöne Angela auf und behauptet, dass Jake sie nur umwirbt, um die Ranch zu bekommen. Wahrheit oder Lüge?

ICH SCHENK DIR MEIN HERZ, GELIEBTE
Das erste Weihnachten ohne ihre Eltern: Sally ist traurig. Doch inmitten der bittersüßen Vorweihnachtszeit betritt der attraktive Hunter Bedford ihren Laden, und zum Fest der Liebe küsst er sie. Aber wird er bei ihr bleiben?

KALTER SCHNEE, HEIßE LEIDENSCHAFT
Schneesturm an Heiligabend: Als die unschuldige, junge Holly mit dem Auto liegen bleibt, rettet sie sich zu einem nahen Cottage. Aber ist sie bei dem so attraktiven wie geheimnisvollen Vito aus Florenz wirklich in Sicherheit? Nicht nur das Feuer im Kamin brennt bald immer heißer ...

EIN GRIECHISCHES FEST DER LIEBE
"Ich will keine Ehefrau. Ich brauche nur einen Erben." Die Arroganz des griechischen Milliardärs Apollo Metraxis schockiert Pixie zutiefst! Was für ein absurder Plan - und was hat das mit ihr zu tun? Da trifft sie die Erkenntnis wie ein Blitz: Sie soll ihm einen Erben schenken …


  • Erscheinungstag 21.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728502
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Judy Christenberry, Lynne Graham

Hochzeit unterm Weihnachtshimmel (2 Miniserien)

IMPRESSUM

Das Glück in deinen Augen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2007 by Judy Russell Christenberry
Originaltitel: „The Cowboy’s Christmas Proposal“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 288 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733728533

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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PROLOG

Die beiden attraktiven jungen Frauen hielten sich an den Händen, während sie mit tränenüberströmten Gesichtern an den Gräbern ihrer Eltern standen.

„Wenigstens mussten sie nicht leiden“, flüsterte die Blondine, deren Haar in der Morgensonne glänzte wie gesponnenes Gold.

„Das stimmt. Aber sie waren viel zu jung zum Sterben“, wandte die Brünette ein.

„Jetzt besteht die Familie nur noch aus uns beiden. Wir müssen zusammenhalten, wenn es weitergehen soll.“

„Ja. Das hätten sie sich von uns gewünscht.“

Das Gespräch wurde von den Stadtbewohnern von Bailey, die ihr Beileid zum Ausdruck bringen wollten, unterbrochen. Die beiden Cousinen standen dicht beieinander und schüttelten ihren Nachbarn und Freunden die Hände.

Der Tod ihrer Eltern hatte sie wie ein Blitzschlag getroffen. Während der Heimfahrt von einem Fußballspiel in Denver waren sie frontal mit einem Lastwagen zusammengeprallt, der auf die Gegenspur geraten war. Der tragische Verlust hatte alle erschüttert.

„Ihr müsst uns Bescheid geben, wenn ihr irgendetwas braucht. Ihr seid zu jung, um ganz allein auf der Welt zu sein“, bemerkte eine Nachbarin.

Die beiden jungen Frauen tauschten einen verwunderten Blick, bedankten sich aber höflich für den Rat. Sie waren beide fünfundzwanzig und somit alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen.

Auch von anderen Leuten erhielten sie Angebote zur Unterstützung, aber sie waren entschlossen, ohne fremde Hilfe auszukommen. Denn sie glaubten fest daran, einen unumstößlichen Plan für ihr weiteres Leben und die Fortsetzung der Familientradition parat zu haben.

Allerdings wussten sie nun auch, dass sich manchmal alles ganz anders entwickelte. Schließlich hatten sie nicht voraussehen können, ihr weiteres Leben ohne Angehörige zu meistern.

1. KAPITEL

Penny Bradford eilte hinunter zu der Baracke, in der die Rancharbeiter wohnten. Sie musste dringend mit ihrem Verwalter Gerald Butler reden.

Penny war sehr froh, dass ihr der treue Vormann ihres Vaters zur Seite stand, denn sie verstand nichts von der Führung einer Ranch. Nachdem ihr Bruder mit sechzehn Jahren bei einem Viehtrieb tödlich verunglückt war, hatte ihr Vater sie aus Angst um ihr Wohlergehen von den Arbeitsabläufen ferngehalten und verhätschelt wie eine Prinzessin. Umso mehr litt sie unter dem tragischen Tod ihrer Eltern.

Doch nun war es an der Zeit, dass sie die Ranch zu leiten lernte, und Gerald war bereit, es ihr beizubringen. Eigentlich war sie erst am späten Vormittag zu ihrer ersten Lektion mit ihm verabredet, doch es gab etwas Dringendes zu besprechen, was sie veranlasste, ihn früher aufzusuchen.

Sie erreichte die Baracke und wollte gerade an die Tür klopfen, als lautes Gelächter von drinnen ertönte.

Und dann hörte sie Gerald verkünden: „Ich sehe ja gar nicht ein, warum ich nicht damit weitermachen soll. Wenn ich ihren Dad täuschen konnte, ist es bei ihr erst recht ein Kinderspiel. Sie wird nicht mal ahnen, dass ich absahne. In den letzten vier Jahren habe ich jeweils über fünfzigtausend beiseitegeschafft.“

Schockiert schlich Penny sich davon. Sobald sie wieder im Ranchhaus war, griff sie zum Telefon und rief ihre Cousine an. „Oh, Sally, Gott sei Dank, dass du da bist! Ich habe gerade mit angehört, wie Gerald prahlt, dass er Dad Jahr für Jahr um mindestens fünfzigtausend Dollar geprellt hat! Was soll ich bloß tun?“

„Oje! Das ist ja furchtbar! Da bleibt dir nichts anderes übrig, als ihn fristlos zu feuern. Offensichtlich kann man ihm nicht über den Weg trauen. Aber pass gut auf, dass er verschwindet, ohne etwas mitzunehmen, das zur Ranch gehört. Schaffst du das?“

„Ja, auf jeden Fall, schon aus lauter Wut darüber, dass er meinen Vater so mies behandelt hat. Aber das Problem ist, was ich dann anfangen soll. Ich verstehe doch nichts von Viehwirtschaft. Du weißt ja, dass Dad mir nichts beibringen wollte, aus Angst, mir könnte etwas zustoßen. Gerald ist der Einzige, der sich hier auskennt.“

„Du brauchst Hilfe, das steht fest. Lass mich nachdenken …“ Nach einer kurzen Pause fragte Sally: „War dein Vater nicht mit Dexter Williams befreundet? Er ist der größte Rancher in der Gegend. Vielleicht kann er dir einen vertrauenswürdigen Mann empfehlen.“

„Gute Idee. Danke. Bisher konnte ich noch keinen klaren Gedanken fassen. Am besten rufe ich erst mal den Sheriff an. Ich glaube zwar nicht, dass man Gerald etwas nachweisen kann, aber zumindest will ich ihm Beine machen.“

„Gut. Lass mich wissen, was passiert, ja? Halte mich unbedingt auf dem Laufenden.“

„Das mach ich. Danke, Sally. Ich melde mich wieder.“ Penny legte den Hörer auf, holte tief Luft und schickte sich an, ihre erste große Herausforderung als Ranchbesitzerin anzunehmen.

„Vielen Dank, Mr. Williams, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Ich weiß, Sie und mein Vater waren gut befreundet, und nun brauche ich Ihren Rat.“

„Natürlich. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich brauche einen Verwalter, der für Ehrlichkeit ebenso bekannt ist wie für seine Fähigkeiten als Rancher und der bereit ist, mich auf diesem Gebiet zu unterrichten.“

„Hm, das ist sehr viel verlangt, meine Liebe. Was ist denn mit Gerald?“

„Ich musste ihn fristlos entlassen, weil er meinen Vater übers Ohr gehauen hat. Jetzt brauche ich dringend einen Ersatz für ihn.“

„Das tut mir leid zu hören. Anständige gute Verwalter sind rar.“ Doch ganz plötzlich erhellte sich Mr. Williams Miene. „Aber vielleicht habe ich genau den richtigen Mann für Sie. Er hat durchaus die Qualifikation für einen Verwalter, aber ich habe keine offene Stelle für ihn.“

„Wer ist es denn?“

„Jake Larson. Da wäre nur eine Sache …“ Der alte Mann schmunzelte, während er nach den richtigen Worten suchte. „Er steht in dem Ruf, ein … na ja, ein Schürzenjäger zu sein. Also sollten Sie lieber Abstand zu ihm halten.“

„Ach, das ist bestimmt kein Problem, solange ich ihm die Ranch anvertrauen kann.“

„In dieser Hinsicht ist er völlig vertrauenswürdig. Wenn es Ihnen recht ist, schicke ich ihn gleich morgen früh zu Ihnen.“

„Ja, gern. Ich weiß Ihre Hilfe sehr zu schätzen, Mr. Williams.“

„Es freut mich, wenn ich Ihnen helfen kann, Penny. Sagen Sie mir unbedingt Bescheid, wenn ich noch etwas für Sie tun kann.“

„Vielen Dank. Das werde ich.“ Erleichtert verabschiedete sie sich. Es freute sie, dass eine Lösung ihres Problems in Aussicht stand, und sie brannte darauf herauszufinden, was für ein Mensch dieser Jake Larson war.

Mit grimmiger Miene marschierte Jake zum Ranchhaus hinauf, klopfte an die Tür und wartete. Er hoffte, dass es Dexter war, der ihn zu sprechen wünschte, und nicht dessen wesentlich jüngere Ehefrau Angela.

Sie stellte Jake schon den ganzen Sommer über unverhohlen nach, sodass er schon seit geraumer Zeit mit seiner Entlassung rechnete. Es war nicht fair, da er keinerlei Interesse an der Frau hegte, aber es gelang ihm einfach nicht, ihr das klarzumachen. Noch schlechter standen die Chancen, seine Integrität ihrem Ehemann gegenüber zu beweisen und ihn zu überzeugen, dass ihr ungebührliches Verhalten nur einseitig war.

Dexter öffnete die Haustür. „Kommen Sie herein.“

„Danke, Sir.“

„Gehen wir in mein Büro. Da können wir in Ruhe reden.“

Ich kann wohl von Glück sagen, dachte Jake, wenn er mir überhaupt ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg gibt.

Sobald sie Platz genommen hatten, eröffnete ihm Dexter die Lage. „Wir wissen beide, dass die Dinge nicht so weitergehen können wie bisher. Ich will Sie nicht rauswerfen, weil Sie ein guter Mann sind. Es wäre nicht fair. Aber ich habe eine neue Anstellung für Sie gefunden.“

Jake hob den Kopf und starrte seinen Boss an. „Für gewöhnlich suche ich mir meine Jobs selbst.“

„Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Sie tun mir einen großen Gefallen, wenn Sie diesen Posten annehmen. Die Tochter eines guten Freundes, der kürzlich verstorben ist, braucht einen neuen Verwalter, der ihr gleichzeitig beibringt, wie man die Ranch leitet. Ich denke, Sie sind dazu befähigt.“

Jake runzelte die Stirn. Bereits seit geraumer Zeit hoffte er auf eine derart verantwortungsvolle Anstellung. So gesehen war es eine großartige Nachricht. Eine Frau im Ranchwesen zu unterrichten, sagte ihm allerdings überhaupt nicht zu. „Ich bin nicht sicher, ob ich der Richtige für den Job bin.“

„Das sind Sie ganz bestimmt. Und wir wissen beide, dass Sie nicht hierbleiben können.“

„Ja, aber … welche Ranch ist es denn?“

„Die Rocking B, am anderen Ende der Stadt. Es ist ein guter Betrieb, aber die Tochter meines Freundes hat erst jetzt herausgefunden, dass der bisherige Verwalter vier Jahre lang Gewinne unterschlagen hat.“

„Ist das die Ranch mit dem Brandzeichen, das wie ein Hut aussieht?“

„Genau die.“

„Na ja, ich kann ja mal mit der Frau reden.“

„Gut. Sie werden schon erwartet. Packen Sie gleich Ihre Sachen. Ich sage meiner Frau, dass Sie weitergezogen sind.“

„Ja, Sir.“ Jake dachte sich, dass es nichts schaden konnte, mit der Lady über den Job zu reden. Wenn ihm das Angebot nicht zusagte, konnte er immer noch weiterziehen. Er hatte etwas Geld gespart und konnte sich davon ein paar Monate über Wasser halten.

Als er in die Baracke zurückkehrte, waren die anderen Männer schon zu ihren jeweiligen Einsatzorten aufgebrochen. Sie alle kannten die Sachlage und würden sich daher über Jakes Verschwinden nicht weiter wundern.

Jake brauchte nicht lange, um seine Habseligkeiten zu packen. Der wichtigste Besitz war sein Pferd. Apache war seit vier Jahren sein verlässlicher Partner, es war gut ausgebildet und zog häufig Kaufinteressenten an, aber Jake wollte sich von dem wertvollen Tier nicht trennen.

Sein Pick-up und der Pferdeanhänger waren gut erhalten und konnten sich an jedem neuen Arbeitsplatz als nützlich erweisen.

Ebenso sorgsam wie liebevoll verlud er Apache, warf seine Habseligkeiten auf den Rücksitz und machte sich auf den Weg zur Rocking B.

Penny wanderte in der Küche umher, während sie darauf wartete, dass Jake Larson zu seinem Einstellungsgespräch erschien. Sie rechnete damit, dass er jeden Augenblick eintraf, und hoffte, dass sie eine beidseitig zufriedenstellende Regelung fanden. Sie wusste so wenig von den Entscheidungen, die sie künftig treffen musste. Sie war bereit, fleißig zu lernen, aber sie brauchte dringend jemanden, der sie dabei unterstützte.

Sie hörte ein Fahrzeug in die lange Auffahrt biegen und spähte aus dem Fenster. Ein Pick-up mit Anhänger hielt vor ihrem Haus. Mit angehaltenem Atem, hinter der Gardine versteckt, beobachtete sie, wie sich die Fahrertür öffnete und ein großer, schlanker Mann ausstieg. Da er ja angeblich ein Schürzenjäger sein sollte, wollte sie von vornherein klarstellen, dass sie sich nicht für ihn interessierte.

Während er sich dem Haus näherte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass sie ihn nicht als „hübschen Jungen“ bezeichnet hätte. Er besaß ein markantes Aussehen, das viele Frauen reizen mochte, aber nicht Penny. Umso besser, dachte sie. Schließlich suchte sie einen Lehrmeister und keinen Liebhaber.

Sie wartete, bis er an die Hintertür klopfte, bevor sie tief Luft holte und ihm öffnete. „Ja, bitte?“

„Ich bin Jake Larson. Mr. Williams hat mir gesagt, dass ich mich wegen einer Anstellung, die hier zu vergeben ist, vorstellen soll.“

„Ja, das ist richtig. Mein Name ist Penny Bradford. Kommen Sie doch herein, Mr. Larson.“ Sie wich zurück, damit er eintreten konnte. „Möchten Sie einen Kaffee?“

„Ja, bitte.“

Zumindest hat er gute Manieren, dachte sie, während sie für ihn wie für sich selbst einen Becher einschenkte. Dann bot sie ihm einen Platz am Tisch an und setzte sich ihm gegenüber. „Ich hoffe, Mr. Williams hat Ihnen gesagt, dass Sie mich auch unterrichten müssten. Ich verstehe nicht viel vom Ranchbetrieb.“

„Ja, Ma’am, das hat er erwähnt. Und ich bin nicht sicher, ob ich der Richtige für diesen Job bin. Ich bin nicht daran gewöhnt, das Wie und Warum meiner Arbeit zu erklären.“

„Das kann ich gut verstehen, Mr. Larson, aber ich fürchte, dass dieser Aspekt für die Anstellung unumgänglich ist.“

„Wenn Sie mir zutrauen, die Ranch zu verwalten, warum wollen Sie es dann unbedingt selbst erlernen?“

„Weil ich glaube, dass ich die Arbeit ebenso gut kennen muss wie Sie. Sonst kann ich meine Meinung nicht dazu äußern.“

„Aber Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass ich Ihnen nicht in ein paar Wochen beibringen kann, was ich alles weiß. Das dauert wesentlich länger.“

„Ich verstehe. Aber irgendwo muss ich ja anfangen.“

Für einige Sekunden starrte er sie brütend an. Der Ausdruck in seinen braunen Augen war schwer zu deuten.

Schließlich streckte er eine Hand über den Tisch aus. „Nun gut, Miss Bradford, wenn Sie mich wollen, nehme ich den Job an.“

Glücklich schüttelte sie ihm die Hand, und sein kraftvoller Händedruck gefiel ihr. „Das freut mich. Darf ich Ihnen Ihr Quartier zeigen?“

„Gern, Ma’am.“

Penny stand auf und ging voraus zur Baracke. Am Vortag, nach dem Gespräch mit Dexter Williams, hatte sie ein separates Zimmer auf der Rückseite des Gebäudes hergerichtet.

„Das ist die Unterkunft des Verwalters. Ich hoffe, dass Sie damit zufrieden sind. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie noch etwas brauchen. Ihre Schmutzwäsche können Sie in diesen Korb hier legen. Ich werde eine Haushälterin einstellen, die sich einmal pro Woche darum kümmert.“ Penny holte tief Luft und fügte hinzu: „Falls Sie einen der Cowboys bei einem Diebstahl erwischen, dann zögern Sie nicht, ihn zu feuern.“

„Ja, Ma’am.“

„Sagt Ihnen das Quartier zu?“

„Ja, Ma’am.“

„Dann lasse ich Sie jetzt allein. Die Männer kehren bei Sonnenuntergang zurück. Nur Cookie trifft für gewöhnlich früher ein. Er ist als Koch eingeteilt.“

„Okay.“

Sie nickte ihm zu und ging, bevor sie noch auf die Idee kam, mit „Ja, Sir“ auf sein ständiges „Ja, Ma’am“ zu antworten.

Während sie die Grasfläche zwischen der Baracke und dem Haupthaus überquerte, dachte sie inbrünstig: Hoffentlich macht dieser Mr. Larson seine Sache gut und kann mir viele Jahre lang als Mentor zur Seite stehen.

Jake beobachtete, wie Penny zum Ranchhaus zurückkehrte. Sie wirkte furchtbar jung auf ihn. Vielleicht lag es an ihrem Vornamen, der ihn an ein Kind denken ließ. Nicht, dass sie wie ein kleines Mädchen aussah. Die Rundungen ihres Körpers waren eindeutig weiblich.

Aber er beabsichtigte nicht, Interesse an ihr zu entwickeln. Romanzen und Rancharbeit waren für ihn unvereinbar. Diese Lektion hatte er gelernt. Daher musste er ihr wie auch sich selbst jeglichen Flirt schon im Ansatz versagen.

Kritisch blickte er sich in seinem neuen Zimmer um. Es sagte ihm zu. Vor allem gefiel es ihm, einen Raum ganz für sich allein zu haben. Er war es leid, Schlafsäle mit vielen anderen Männern teilen zu müssen. Wenn auch noch die Verpflegung passabel war, konnte er sich glücklich schätzen.

Bevor er es sich in seinem Zimmer gemütlich machte, ging er hinaus, lud Apache aus dem Anhänger und brachte ihn auf die nächste Koppel. „Du wirst dich hier bestimmt wohlfühlen, mein Junge.“ Er tätschelte dem Tier den Hals. „Ich komme nachher wieder.“

Jake prüfte, ob sich frisches Wasser in der Tränke befand, bevor er in sein Zimmer zurückkehrte und seine Sachen wegräumte. Dass ihm die Wäsche gewaschen wurde, war ihm sehr recht. Außerdem stand ein Schreibtisch unter dem Fenster, an dem er bequem jeglichen Papierkram erledigen konnte.

Aufmunternd redete er sich ein, dass er der Aufgabe des Verwalters sicherlich gewachsen war. Und so schwer durfte es doch nicht sein, Penny Bradford in die wesentlichen Aufgaben ihrer Ranch einzuführen, schließlich liebte er seinen Job über alles.

Penny aß nur wenig zu Mittag und setzte dann ihre Arbeit in der Küche fort. Sie erwartete eine Bewerberin für die Stellung der Haushälterin. Zwar war sie ihrer Mutter immer zur Hand gegangen und daher durchaus fähig, alles allein zu erledigen. Aber da sie künftig den Tag im Sattel zu verbringen gedachte, blieb ihr nicht genug Zeit, um alles in Ordnung zu halten und zu kochen. Eine Hilfskraft war also unumgänglich.

Dennoch war sie sich nicht sicher, ob sie es ertrug, ständig mit einer fremden Person unter einem Dach zu leben. Sie war zwar daran gewöhnt, das Haus mit ihren Eltern und ihrem Bruder zu teilen, aber mit niemandem sonst. Daher war sie nervös.

Ein Fahrzeug bog in die Auffahrt ein. Durch das Fenster begutachtete sie die Frau, die ausstieg: um die fünfzig, ein klein wenig übergewichtig und durchaus sympathisch.

Wie schon am Morgen bei Jake Larsons Eintreffen, öffnete Penny die Tür erst, nachdem geklopft worden war.

„Guten Tag“, wünschte die Frau freundlich. „Ich bin Harriet Buckner.“

„Penny Bradford. Guten Tag. Kommen Sie doch herein.“

„Was für eine wundervolle Küche!“

„Ja. Mein Vater … hat sie erst im vergangenen Jahr für … für meine Mutter renovieren lassen.“

„Oh. Ich habe von Ihrem Verlust gehört. Es tut mir ja so leid für Sie!“

„Danke. Ich habe meiner Mutter im Haushalt und beim Kochen geholfen, aber von jetzt an werde ich jeden Tag mit meinem neuen Verwalter ausreiten, um die Ranch besser kennenzulernen. Da würde es mich überfordern, auch noch zu kochen und zu putzen. Deshalb suche ich eine Haushälterin, die das alles selbstständig erledigt.“

Mrs. Buckner nickte. „Ich habe schon als kleines Mädchen kochen und backen gelernt, das macht mir großen Spaß. Und ich putze sehr gründlich. Gibt es noch irgendwelche besonderen Aufgaben, die Sie erledigt haben möchten?“

„Eigentlich nicht. Allerdings habe ich dem neuen Verwalter gesagt, dass Sie seine Wäsche machen werden. Und vielleicht könnten Sie gelegentlich für die Männer etwas backen?“

„Natürlich, gern. Werden nur Sie und ich die Mahlzeiten hier im Haus einnehmen?“

Penny nickte. „Es sei denn, ich habe Gäste. Meine Cousine und ich besuchen einander, so oft es nur geht. Oder vielleicht lade ich den Verwalter gelegentlich zum Essen ein, damit ich ihm dabei ein paar Fragen über den Betrieb stellen kann. Ich bin eine blutige Anfängerin, was die Rancharbeit angeht.“

„Ich verstehe. Ich kann ja am Abend vorsichtshalber immer für drei Personen kochen. Wenn etwas übrig bleibt, esse ich es am nächsten Tag zu Mittag, damit nichts weggeworfen werden muss.“

„Eine gute Idee. Meinen Sie, dass Ihnen die Stellung zusagt?“

„Ja. Es klingt perfekt.“

Penny atmete auf. „Dann zeige ich Ihnen Ihr Zimmer.“ Sie ging voraus zum Gästezimmer im ersten Stock und öffnete die Tür. „Das ist Ihr Reich. Es hat ein eigenes Badezimmer.“

„Oh, wie hübsch! Ich werde mich hier sehr wohlfühlen.“

„Gut. Müssen Sie zurück nach Trinity fahren, um Ihre Sachen zu holen?“

Mrs. Buckner errötete. „Nein. Ich habe schon alles mitgebracht. Wissen Sie, der Rancher, für den ich bisher gearbeitet habe, wollte mich heiraten. Dabei ist seine Frau erst vor einem Monat gestorben! Offensichtlich wollte er sich meine Dienste sichern, ohne dafür bezahlen zu müssen.“

„Das war bestimmt sehr unangenehm.“

„Allerdings. Daher bin ich sehr froh, dass Sie mir diese Stelle anbieten. Ich werde mein Bestes geben. Sie brauchen mir nur zu sagen, was ich tun soll.“

„Gut. Um mein Schlafzimmer kümmere ich mich selbst. Sie sind nur für die untere Etage zuständig.“

„In Ordnung. Wann möchten Sie das Frühstück auf dem Tisch haben?“

„Ich habe ganz vergessen, meinen neuen Verwalter zu fragen, wann er morgen aufbrechen will. Ich gehe ihn gleich mal fragen.“

Penny verließ das Haus und lief zur Baracke, fand dort jedoch niemanden vor. Sie schaute in die große Scheune, die als Heuschober und Unterstand für verletzte oder kranke Pferde und Rinder diente. Auch dort traf sie keine Menschenseele an.

Doch dann ertönte die faszinierend tiefe Stimme ihres neuen Verwalters von der nahen Koppel.

Penny trat hinaus an die frische Luft und sah ihn ein Pferd tätscheln. „Ein schönes Tier. Gehört es Ihnen?“

Überrascht drehte Jake sich herum. Anscheinend hatte er sie nicht kommen gehört. „Ja. Er heißt Apache. Ich habe ein bisschen Heu für ihn aus der Scheune genommen. Kann ich ihn hier stehen lassen?“

„Natürlich. Im Winter stellen die Männer ihre Reitpferde für gewöhnlich immer hierher. Das macht es viel einfacher, sie zu füttern und frühmorgens aufzubrechen.“

„Das dachte ich mir auch.“

„Ich wollte Sie fragen, um welche Zeit Sie anfangen wollen.“

„Jetzt im Winter wird es gegen sieben hell. Dann sollten Sie im Sattel sitzen. Können Sie überhaupt reiten?“

„Ja, sogar ganz ordentlich. Das ist das Einzige, was mein Vater mir beigebracht hat.“

„Okay. Dann sehen wir uns um sieben.“

„Nehmen wir uns das Mittagessen mit?“

„Möchten Sie gern, dass wir ein Picknick zusammen veranstalten?“, hakte er mit sarkastischem Unterton nach.

Penny versteifte sich. „Ich habe keineswegs an ein Picknick gedacht. Aber ich bin es gewohnt, zu Mittag etwas zu essen, und wollte keine Zeit damit verschwenden, zum Haus zurückzukehren.“

„Dann bringen Sie sich ruhig etwas mit. Aber Sie müssen im Sattel essen. Ich mache keine Mittagspause.“

„Prima. Bis morgen früh.“

Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern machte auf dem Absatz kehrt. Mit zusammengebissenen Zähnen marschierte sie zum Haus zurück. Was bildete der Mann sich eigentlich ein? Glaubte er etwa im Ernst, dass sie sich ein Tête-à-Tête mit ihm erhoffte? Dann täuschte er sich aber ganz gewaltig.

2. KAPITEL

Penny klopfte an die offene Tür des Gästezimmers. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“

Mrs. Buckner räumte gerade ihre Kleidung in den Schrank. „Ja, danke. Was hat der Verwalter gesagt?“

„Um sieben geht es los. Er heißt übrigens Jake Larson. Aber erwarten Sie nicht, dass er besonders freundlich ist.“

„Ist er das nicht? Wieso haben Sie ihn dann trotzdem angeheuert?“

„Mir wurde versichert, dass er ehrlich ist. Allerdings wurde mir vorsorglich auch mitgeteilt, dass er sich für einen Frauentyp hält. Anscheinend ist die Warnung berechtigt. Als ich ihn gefragt habe, ob ich morgen etwas zum Mittagessen mitbringen soll, hat er doch glatt gedacht, dass ich ein romantisches Picknick mit ihm veranstalten will!“

„Und das hätte ihm gefallen?“

Penny runzelte die Stirn. „Nein. Er hat es sarkastisch gemeint, als ob es das Allerletzte wäre, was er sich wünscht.“

Mrs. Buckner schwieg geflissentlich.

„Vielleicht hat er ja seine Einstellung zu Frauen inzwischen geändert. Aber ich werde trotzdem auf der Hut sein. Ich bin nicht auf der Suche nach einem Freund.“

„Also nehmen Sie nichts zum Lunch mit?“

„Doch. Aber es muss etwas sein, das ich im Sattel essen kann. Haben Sie eine Idee?“

„Ein Sandwich wäre nicht schlecht. Jetzt im Winter verdirbt es nicht. Äpfel sind auch geeignet, und die Kerngehäuse können Sie gleich an Ihr Pferd verfüttern.“

„Das ist eine gute Idee“, lobte Penny. „Oh, verflixt! Ich habe ganz vergessen, es auf die Koppel zu stellen. Das muss ich schnell nachholen. Ich bin gleich wieder da. Wenn Sie hier fertig sind, können Sie ja schon mal die Vorräte in der Küche checken.“

„Gut.“

Sie zog Mantel, Wollmütze und Handschuhe an, bevor sie aus dem Haus eilte. Mit einem Halfter aus der Sattelkammer marschierte sie zu der Weide, auf der die Reitpferde gehalten wurden. Sie fing ihr Lieblingspferd ein – eine dunkelbraune Stute namens Stormy – und führte es auf die Koppel zu Apache. Dort entfernte sie das Halfter wieder und brachte es zurück in die Sattelkammer, bevor sie zum Haus zurückkehrte.

Als Penny eintrat, stieg ihr das köstliche Aroma von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase.

Mrs. Buckner kam aus der Speisekammer. „Sie haben so ziemlich alles vorrätig, was ich in nächster Zeit brauche. Auch der Gefrierschrank ist gut gefüllt.“

„Gut. Ich mag zum Frühstück gern Kaffee und dazu Haferbrei oder Eier mit Schinkenspeck und Toast, am besten abwechselnd. Samstags und sonntags, wenn ich mehr Zeit habe, esse ich gern Pfannkuchen.“

„Das ist mir recht. Zum Dinner möchte ich heute Steaks braten, weil ich sie schnell auftauen kann, wenn es Ihnen recht ist. Und mögen Sie Salat?“

„Ja, sehr gern. Außerdem bin ich bereit, fast alles zu probieren.“

„Dann werden wir prima miteinander auskommen.“

„Danke, Harriet. Ich bin froh, dass zumindest mit einem meiner neuen Angestellten alles glattläuft.“

Als Penny am nächsten Morgen aus dem Haus kam, war es sehr kalt. Sie trug eine Wollmütze, gefütterte Lederhandschuhe und einen dicken Pullover unter der hochgeschlossenen Jacke, und sie war mit Feldflasche und Lunchpaket ausgerüstet. Denn sie hatte nicht im Geringsten die Absicht, sich stark zu geben und zu darben, nur um Jake Larson zu beeindrucken. Ganz gewiss lag selbst mit einer Stärkung ein sehr harter Tag vor ihr. Sie war eine gute Reiterin, aber sie saß normalerweise höchstens zwei oder drei Stunden im Sattel.

Nachdem sie Stormy aufgezäumt und gesattelt hatte, verstaute sie die Feldflasche in der einen Satteltasche und das Lunchpaket in der anderen.

Pünktlich um sieben Uhr schwang Penny sich in den Sattel. Kurz darauf kamen die Cowboys aus ihrem Quartier. Jake horchte erstaunt auf, als die Männer sie lässig beim Vornamen begrüßten.

Verwundert bemerkte er: „Ich dachte, wir treffen uns im Haus.“

„Und ich dachte, dass es schneller geht, wenn ich Sie hier treffe, zum Aufbruch bereit“, konterte sie spröde.

„Sehr gut. Ich bin in einer Minute fertig.“ Äußerst geschickt sattelte er sein Pferd und saß auf.

Penny ritt voraus und öffnete das Gatter.

Er folgte ihr und erklärte: „Ich würde gern das Grundstück abreiten, um mich mit den Grenzen vertraut zu machen. Fühlen Sie sich dem gewachsen?“

„Natürlich.“

Nach einer Weile begegneten sie mehreren Cowboys, die auf dem Weg zur Arbeit waren, und Jake erklärte: „Ich habe ihnen aufgetragen, vorläufig die Aufgaben fortzuführen, die der frühere Verwalter ihnen übertragen hat.“

„Und? Sind alle damit einverstanden?“

„Allerdings. Andernfalls hätte ich sie fristlos entlassen.“

„Ich verstehe“, murmelte sie, denn sie wusste nicht, was sie sonst dazu sagen sollte.

Im Laufe des Vormittags stellte er ihr einige Fragen zu dem Gelände, das sie passierten, und zu ihrer Erleichterung konnte sie ihm die gewünschten Informationen geben.

Gegen Mittag holte sie ihr Lunchpaket heraus. Nach fünf Stunden im Sattel spürte sie deutlich die Strapazen, aber sie wollte nicht um eine Pause bitten.

Zum Glück schlug Jake eine Weile später einen Stopp an einem Gebirgsbach vor. Nach dem Absitzen führte Penny die Pferde zum Ufer und ließ sie trinken. Dann brach sie einen Apfel entzwei und verfütterte die Hälften an die Tiere.

Als sie zu Jake zurückkehrte, blickte er sie argwöhnisch an. „Was haben Sie den Pferden gegeben?“

„Jedem einen halben Apfel“, erwiderte sie mit trotzig vorgerecktem Kinn.

„Okay. Danke, dass Sie mit Apache geteilt haben. Er mag Äpfel besonders gern.“

„Stormy auch.“

„Aha. Ich war schon gespannt, wie sie wohl heißt.“

Wortlos wandte Penny sich ab und schickte sich an aufzusitzen, obwohl ihr davor graute.

„Haben Sie etwas dagegen, dass wir eine Weile laufen? Ich möchte gern nachsehen, wie hoch der Wasserstand in diesem Bach ist.“

„In Ordnung“, stimmte sie zu, ohne sich das Ausmaß ihrer Erleichterung anmerken zu lassen.

Während sie die Pferde am Ufer entlangführten, berichtete Jake ihr, was Fachzeitschriften zurzeit für die Nutzung feuchter Weiden wie dieser empfahlen.

Penny fragte mehrmals nach, wenn auch zunächst recht zögerlich. Doch er nahm ihr die Scheu, indem er ruhig und gelassen antwortete – ganz unabhängig davon, ob es sich um eine gescheite oder dumme Frage handelte. Dann erkundigte er sich danach, wie ihr Vater gewisse Dinge gehandhabt hatte. Manches konnte sie ihm beantworten, manches nicht.

Unvermittelt verkündete sie: „Jetzt fällt mir gerade ein, dass mein Vater jahrelang eine Art Tagebuch über die Ranch geführt hat. Möchten Sie sich diese Bücher vielleicht mal ansehen?“

„Sehr gern, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich verspreche auch, dass ich sie Ihnen im ursprünglichen Zustand zurückgebe. Ich nehme doch an, dass sie Ihnen sehr wichtig sind.“

„Ja, danke. Ich muss erst nachsehen, wo er sie aufbewahrt hat. Bisher hatte ich noch nicht …“, Penny schluckte schwer, „… die Zeit, um die Sachen meiner Eltern durchzusehen.“

„Es kann warten, wenn Sie noch nicht bereit dazu sind“, entgegnete er leise.

„Nein, nein, schon gut. Ich werde mich heute Abend darum kümmern.“

„Danke. Ich nehme an, die Ranch hat Gewinn abgeworfen?“

„Ja, aber ich wusste nicht, wie viel es ist – bis ich den bisherigen Verwalter damit prahlen hörte, dass er jedes Jahr fünfzigtausend abgezweigt hat, ohne dass mein Vater es gemerkt hat.“

Jake stieß einen Pfiff aus. „Das ist heftig. Das Verschwinden einer so beachtlichen Summe zu übersehen …“

„Ich weiß. Ich kann nur davon ausgehen, dass er seinem Verwalter bedingungslos vertraut hat.“

„Das tut mir leid. Ich werde Ihnen beibringen, solche Dinge schon im Ansatz zu erkennen. Für Mr. Williams habe ich ziemlich viel Papierkram erledigt. Daher weiß ich recht gut, wie man Bücher prüfen kann.“

„Das freut mich.“

„Okay, jetzt sollten wir aber wieder aufsitzen. Ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein.“

Durch den Spaziergang fühlte Penny sich wohler. Sie wusste nicht mit Sicherheit, ob er die Rast nur um ihretwillen eingelegt hatte, aber sie vermutete es und war ihm dankbar dafür.

Fünf Stunden später, kurz vor der Ranch, konnte sie sich kaum noch im Sattel halten. Ihr ganzer Körper schmerzte höllisch, als sie vom Pferd glitt, und sie musste sich am Sattelknauf festhalten, weil sie befürchtete, dass die Beine sie nicht mehr tragen würden.

Zu ihrer Überraschung sagte Jake: „Sie können schon ins Haus gehen. Ich versorge Stormy.“

„Nein, das mache ich selbst.“

„Sie haben sich heute gut gehalten, aber ich weiß, dass Sie normalerweise nicht so lange reiten. Wenn Sie sich erst mal daran gewöhnt haben, können Sie selbst absatteln, aber heute übernehme ich es.“

Flüchtig blickte sie ihm in die Augen. Sie waren warm und braun, und etwas in ihnen drängte sie, ihm ein wenig zu vertrauen. Das Gefühl machte sie nervös. Schließlich nickte sie. „Okay, danke.“ Sie zwang sich, die Finger vom Sattelknauf zu lösen, und fiel beinahe auf die Nase, aber starke Hände packten ihre Arme und stützten sie. Ein Prickeln rann ihr über den Rücken und machte ihr bewusst, dass der Tag ihr mehr Kraft geraubt hatte als erwartet.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ja, danke.“ Sie wich zurück und wankte durch das Gatter von der Koppel. Ganz allmählich, Schritt für Schritt, lockerten sich die verkrampften Muskeln, und sie schaffte es zum Haus. Als sie die Hintertür öffnete, schlug ihr ein Schwall warmer, wundervoll duftender Luft entgegen.

Penny schleppte sich zum Küchentisch und sank entkräftet auf einen Stuhl.

Harriet stellte ihr einen Becher Kaffee hin und fragte mitfühlend: „Ein anstrengender Tag?“

Begierig nahm Penny einen großen Schluck. „Oh, das schmeckt herrlich! Ja, es war ein langer Tag. Dabei haben wir erst die Hälfte der Ranch abgedeckt. Morgen geht die Tour weiter.“

„Bestimmt wird es mit der Zeit leichter für Sie. Möchten Sie jetzt sofort essen?“

„Wenn Sie nichts dagegen haben, warte ich lieber noch. Nach einer heißen Dusche kann ich es besser genießen.“

„Natürlich. Ich serviere, wenn Sie so weit sind.“

„Danke.“ Penny verließ die Küche und nahm ihren Kaffee mit.

Eine halbe Stunde später setzten die beiden Frauen sich zu einem köstlichen Mahl an den Tisch. Sie plauderten nur wenig miteinander, denn Penny war zu müde, um viel zu reden.

Als die Teller geleert waren, empfahl Harriet: „Sie sollten jetzt sofort ins Bett gehen.“

„Ich kann nicht. Ich habe versprochen, die Tagebücher meines Vaters herauszusuchen. Jake möchte wissen, wie die Weiden bisher genutzt wurden.“

„Kann ich Ihnen suchen helfen?“

„Würden Sie das tun? Sie dürften nicht schwer zu finden sein, aber … ich war nicht mehr in dem Zimmer, seit … seit sie gestorben sind. Es könnte mir helfen, jemanden dabeizuhaben.“

„Natürlich tue ich es. Lassen Sie mich nur schnell das Geschirr abspülen, während Sie sich etwas entspannen. Dann gehen wir zusammen nach oben.“

Penny blieb sitzen, trank ihren Kaffee und schaute Harriet mit schlechtem Gewissen zu. „Ich fühle mich mies dabei, dass ich Ihnen die ganze Arbeit überlasse.“

„Unsinn, Kind. Dafür bin ich doch hier. Glauben Sie mir, wenn ich den ganzen Tag auf einem Pferd gesessen hätte, könnte ich keinen Schritt mehr gehen.“

Einige Minuten später begaben sich die beiden in das obere Stockwerk. Penny trödelte und schob es auf den anstrengenden Tag, der hinter ihr lag. Aber sie spürte einen dicken Kloß in der Kehle aufsteigen.

Seit Kurzem spielte sie mit dem Gedanken, das Zimmer ihrer Eltern auszuräumen, die nun seit einigen Monaten tot waren, aber sie brachte es noch nicht über sich. Der Gedanke, alle Erinnerungen zu beseitigen, war ihr unerträglich.

„Möchten Sie erst mal ein paar Minuten allein sein, oder soll ich gleich mit hineinkommen?“, wollte Harriet wissen.

„Nein, ich … ich will nicht allein reingehen.“

Harriet öffnete die Tür, trat ein und blickte sich um. „Ihre Mutter war aber eine sehr gute Hausfrau.“

„Das stimmt. Sie mochte keine Unordnung.“ Zögernd folgte Penny ihr in den Raum, der seit ihrer Kindheit unverändert war. Die lavendelfarbene Tagesdecke auf dem Bett war im Laufe der Jahre ein klein wenig verblasst, aber immer noch hübsch anzusehen.

„Haben Sie eine Ahnung, wo die Tagebücher sein könnten?“

„Ich glaube im Nachtschrank. Meine Mutter hat sich immer darüber beklagt, dass er abends hineingeschrieben hat, während sie schlafen wollte.“

Penny ging zur rechten Seite des Bettes und öffnete die Schublade des Nachtschränkchens. Da lag tatsächlich das letzte Buch. Sie nahm es zur Hand und strich gedankenverloren über den Einband. Bedächtig schlug sie es auf und suchte nach dem letzten Eintrag. Dann holte sie auch den vorangegangenen Jahrgang heraus für den Fall, dass Jake Vergleiche anstellen wollte.

„Ist dieses Zimmer eigentlich viel größer als Ihres?“, wollte Harriet wissen.

„Ja. Warum?“

„Ich könnte es für Sie ausräumen, wenn Sie hier einziehen möchten.“

„Oh nein! Das kann ich doch nicht tun!“

„Es ist natürlich Ihre Entscheidung, aber Ihre Eltern können das Zimmer nicht mehr genießen. Das Haus gehört jetzt ganz allein Ihnen.“

„Ich weiß, und Sie haben ja recht, aber das ist mir noch zu früh. Vielleicht in ein paar Wochen.“

„Sagen Sie mir einfach Bescheid. Aber die Kleidung, die Sie nicht behalten wollen, könnte schon jetzt einem guten Zweck zugeführt werden. Es ist kalt hier oben im Winter.“

„Das stimmt. Ich komme morgen Abend wieder her und sortiere die Sachen aus, die ich behalten will. Danach können Sie den Schrank für mich ausräumen, wenn Sie Zeit dazu haben.“

„Das werde ich gern tun.“

„Danke, Harriet.“

Penny ging wieder hinunter, zog sich Mantel, Mütze und Handschuhe an und schlüpfte hinaus in die kalte Abendluft.

Kurz darauf klopfte sie an die Tür der Baracke. Als Barney öffnete, fragte sie: „Sagen Sie Mr. Larson bitte, dass ich ihn sprechen muss.“

„Ja, einen Moment bitte.“

Sie lehnte sich an die Wand und wartete.

Schließlich öffnete sich die Tür wieder, und Jake kam heraus. „Ja, Ma’am?“

„Ich habe hier die Journale meines Vaters aus diesem und dem letzten Jahr. Lassen Sie sich ruhig Zeit damit.“

Er nahm die in Leder gebundenen Bände entgegen. Behutsam drehte er sie in den kräftigen Händen um, als wüsste er von dem großen ideellen Wert. „Danke. Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie mir diese Bücher leihen.“

Penny schluckte schwer und nickte. „Gute Nacht, Jake.“ Abrupt wandte sie sich ab und eilte zum Haus zurück. Erst nach einiger Entfernung hörte sie auch ihn eine gute Nacht wünschen.

Jake hatte an diesem Tag mehrere Dinge über seine neue Chefin in Erfahrung gebracht. Zum einen war sie kein bisschen kokett, und zum anderen pflegte sie nicht zu jammern, wenn es einmal hart auf hart kam. Beide Aspekte brachten ihr gehörige Pluspunkte bei ihm ein.

Er war davon ausgegangen, dass sie eine angemessene Mittagspause verlangte und sich über den harten Tag beklagte. Aber beides hatte sich als Irrtum erwiesen. Anstatt sich über den Imbiss im Sattel groß aufzuregen, schien sie sich fast dafür zu schämen, dass sie überhaupt etwas essen musste. Und obwohl sie ganz offensichtlich nicht daran gewöhnt war, so viele Stunden zu reiten, kam kein einziges Wort der Klage aus ihrem Munde.

Darüber hinaus vertraute sie ihm die Journale ihres Vaters an, die ihr zweifellos sehr kostbar waren. Er erhoffte sich von ihnen eine große Hilfe dabei, die Funktionsweise der Ranch zu ergründen. Ihm brannten bereits viele Fragen auf der Seele, und er bezweifelte, dass Penny ihm alle beantworten konnte.

Als Jake mit den Büchern in die Baracke zurückkehrte, frotzelte einer der Männer: „Hat sie dir Schulaufgaben aufgebrummt, Boss?“

„Ja, in der Tat. Ihr Vater hat Tagebücher über die Ranch geführt. Ich hoffe, dass ich mich durch sie schnell auf den neuesten Stand bringen kann.“

Einige der Cowboys horchten auf und starrten ihn finster an.

„Tagebücher? Du meinst, er hat alles aufgeschrieben?“

„Ja. Habt ihr nichts davon gewusst?“

„Nein. Hat er denn auch was über uns da reingeschrieben?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Jake. „Aber ich sage es euch, wenn ich sie gelesen habe.“

„Okay, Boss, tu das.“

Der Verwalter ging in sein Zimmer und schloss die Tür, damit das Fernsehgerät nicht mehr zu hören war, vor dem sich die Männer nach getaner Arbeit zu entspannen pflegten. Für die bevorstehende Lektüre wollte er Ruhe.

Schon nach einer halben Stunde stellte er fest, dass die Bücher unendlich hilfreich waren. Pennys Vater hatte keine Tinte an schöne Worte verschwendet. Seine Einträge waren rein informativ und auf den Punkt gebracht.

Jake lehnte sich zurück in die Kissen und blätterte zu dem letzten Eintrag, der einen ganz gewöhnlichen Tag schilderte, ohne die geringste Vorahnung auf die bevorstehende Tragödie. Es ging vornehmlich um die Herde auf der oberen Weide und den zu erwartenden Profit bei einem Verkauf. Außerdem waren Bedenken gegen Gerald und ein paar andere Rancharbeiter erwähnt.

Mit Sicherheit hätten einige der Männer diese Bücher nur zu gern in die Finger bekommen. Deshalb holte Jake die Kassette hervor, die er stets bei sich führte, egal, wo er gerade lebte. Dort legte er sie hinein, verschloss die Box gewissenhaft und schob sie weit unter das Bett. Bis er sich am folgenden Abend wieder mit den Tagebüchern beschäftigte, wollte er sie in Sicherheit wissen.

Ihm war aufgefallen, dass einige Männer nicht sehr erfreut über die Existenz dieser Aufzeichnungen zu sein schienen, und zwar ausgerechnet diejenigen, gegen die er auf den ersten Blick eine spontane Abneigung gefasst hatte. Vielleicht irrte er sich, aber er hielt es für angebracht, diese Typen im Auge zu behalten.

In den Büchern befanden sich vereinzelt argwöhnische Kommentare, aber ganz offensichtlich war es Gerald jedes Mal gelungen, sämtliche Zweifel zu zerstreuen. Penny hatte recht: Ihr Vater schien seinem Verwalter bedingungslos vertraut zu haben.

Jake wollte ihr bei nächster Gelegenheit sagen, dass ihr Vater durchaus das richtige Gespür besessen hatte, aber von Gerald auf sehr gerissene Weise in die Irre geführt worden war. Vielleicht konnte dieses Wissen den Kummer ein wenig lindern, den er in ihren Augen gesehen hatte. Ihm war außerdem nicht entgangen, wie hübsch sie war. Allerdings war sie auch sehr jung – und vor allem seine Chefin. Daher beabsichtigte er keineswegs, irgendwelchen Trieben nachzugeben.

Er dachte zurück an Angela Williams, doch er verspürte keine Sehnsucht nach ihr, obwohl viele Männer sie für begehrenswert hielten. Dexter hatte sich ihre Schönheit erkauft und sich nach dem Tod seiner ersten Frau Hals über Kopf in die Ehe mit dieser Frau gestürzt, die dreißig Jahre jünger war als er. Er hoffte immer noch auf ihre Treue, obwohl sie nichts unversucht ließ, um diese Hoffnung zu vernichten.

Jake hingegen hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Er hielt sehr viel von Ehre, ob nun bei einem Mann oder einer Frau. Nach diesem Merkmal suchte er bei jeder Person, die ihm begegnete. Was Penny anging, konnte er in dieser Hinsicht noch nichts Definitives sagen. Ihre Schönheit war offenkundig, aber ihren Charakter konnte er noch nicht einschätzen. Was er an diesem ersten Tag von ihr gesehen hatte, beeindruckte ihn allerdings, und sie stammte eindeutig aus einer anständigen, ehrlichen Familie.

Von ihrem Vater hingegen konnte er sich bereits ein recht gutes Bild machen, obwohl sie sich nie begegnet waren. Er freute sich schon darauf, wieder in seinen Tagebüchern zu lesen.

Mit diesem Gedanken ging er ins Bett und schaltete das Licht aus.

3. KAPITEL

Am nächsten Morgen saß Penny wiederum im Sattel, noch bevor Jake die Koppel erreichte.

Er hatte nicht gut geschlafen und war in sehr gereizter Stimmung. „Möchten Sie früher als sieben Uhr aufbrechen, Ma’am?“

Sie blickte ihn mit ihren großen blauen Augen verwundert an. „Nein. Ich wollte nur nicht zu spät kommen.“

„Ich kann es verkraften, ein paar Minuten zu warten. Machen Sie sich deswegen also keinen Kopf.“

„Okay. Geht es Ihnen nicht gut, Mr. Larson?“

„Es geht mir ausgezeichnet“, erwiderte er schroff. Dann, da sie nun einmal seine Chefin war, fragte er versöhnlich: „Haben Sie heute wieder Ihr Mittagessen mitgebracht?“

„Natürlich. Möchten Sie etwas davon?“, konterte sie keck.

„Einen Apfel lehne ich nicht ab, falls Sie einen für mich übrig haben.“

„Ich reite schnell zum Haus und hole noch einen.“

Jake wollte protestieren, aber sie machte sich schon auf den Weg. Vielleicht war es besser so. Denn so konnte er in Ruhe sein Pferd satteln, ohne dass sie ihm dabei auf die Finger schaute.

Er ritt gerade aus der Koppel, als Penny zurückkehrte. Sie reichte ihm einen großen roten Apfel. „Sie dürfen ihn selbst in Ihrer Satteltasche tragen.“

„Das habe ich wohl nicht anders verdient“, murmelte er mit einem Grinsen und verstaute das Obst. „Kann es losgehen?“

„Ja.“

Heute ritt er in die entgegengesetzte Richtung vom Vortag. Nach einigen Minuten eröffnete er: „Vielleicht interessiert es Sie, dass Ihr Vater Bedenken gegen mehrere seiner Männer gehegt hat.“

„Wirklich?“

„Ja. Er hat sich Gerald anvertraut, aber der hat es ihm immer wieder ausgeredet.“

„Und mein Vater hat sich einfach überzeugen lassen?“

„Eigentlich nicht, aber ohne handfeste Beweise wollte er nichts unternehmen. Er hat die Augen offen gehalten, um sie auf frischer Tat zu ertappen und dann zu feuern. Dass Gerald die treibende Kraft hinter allem war, hat ihm erst zum Schluss gedämmert.“ Jake schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Ich denke mir, dass Sie sich vielleicht besser fühlen, nachdem Sie das wissen.“

Penny horchte in sich hinein. Sie fand es nett von ihm, dass er ihr von den Bedenken ihres Vaters erzählte, und sie fühlte sich tatsächlich besser. „Danke. Werden Sie gegen die Männer vorgehen, denen er misstraut hat?“

„Nur wenn ich sie auf frischer Tat ertappe, wie Ihr Vater es beabsichtigt hat. Einige von ihnen hat es jedenfalls merklich alarmiert, dass er Tagebuch geführt hat.“

„Woraus schließen Sie das?“

„Aus der Angst auf ihren Gesichtern.“

Sie seufzte schwer. „Dann bezweifle ich, dass Sie mir die Bücher wie versprochen zurückgeben können.“

„Keine Sorge. Ich habe sie in einer verschlossenen Kassette versteckt. Falls jemand versucht, an sie heranzukommen, hinterlässt er Spuren.“

Penny wirkte keineswegs überzeugt von seinen Sicherheitsmaßnahmen und bemerkte bissig: „Sagen Sie mir Bescheid, wenn die Bücher vernichtet wurden.“

„Das wird bestimmt niemand versuchen.“

Um ihm zu zeigen, dass sie nicht länger über das Thema reden wollte, trieb sie Stormy an und ritt voraus.

Für die nächsten anderthalb Stunden überließ Jake ihr die Führung. Dann stellte er einige Fragen, die sie jedoch nicht beantworten konnte. Er bedrängte sie nicht weiter. Bestimmt befanden sich die gesuchten Informationen in den Tagebüchern. „Ist es nicht längst Zeit für Ihr Mittagessen?“

Sie blickte ihn überrascht an. „Eigentlich schon. Ist das ein Problem?“

„Für mich nicht. Ich suche nach einem Vorwand, um in den Apfel zu beißen, aber ich wollte keine Schwäche zeigen. Sie scheinen heute keinen Hunger zu haben. Dabei ist es schon zwölf durch.“

„Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es ist. Die Zeit ist nur so verflogen.“

„Und nun? Wollen Sie jetzt etwas essen oder nicht?“

„Ja, unbedingt!“ Penny holte ihr Lunchpaket aus der Satteltasche. „Das Sandwich ist ziemlich groß. Möchten Sie ein Stück?“

Argwöhnisch musterte er sie. Offensichtlich vermutete er ein verborgenes Motiv hinter ihrem Angebot.

„Ich versuche nicht, Sie zu bestechen oder mir irgendeinen Vorteil zu erschleichen. Ich biete Ihnen einfach nur an, das Sandwich mit Ihnen zu teilen.“

„Gut. Ich hätte gern ein Stück, wenn Sie sicher sind, dass Sie es erübrigen können.“

Sie schmunzelte über seine gestelzte Wortwahl, teilte das Brötchen in zwei Hälften und reichte ihm das eine Stück.

Er aß begierig und steckte sich bereits den letzten Bissen in den Mund, als sie gerade einmal die Hälfte verzehrt hatte. „Danke, das war sehr gut.“

„Ich lasse Harriet für morgen zwei Sandwiches zubereiten, wenn Sie möchten.“

„Ich will ihr keine Mühe machen.“

„Sie macht es gern. Ich glaube, dass sie momentan nicht genug zu tun hat. Als ich aus dem Haus gegangen bin, hat sie gerade Kuchen für Sie und die Männer zum Abendessen gebacken.“

„Welche Sorte?“

„Apfel.“

„Mm, lecker. Ich kann es kaum erwarten.“

Penny musterte ihn forschend. „Sie mögen gern Süßigkeiten?“

„Na klar. Mag die nicht jeder?“

„Wahrscheinlich.“ Sie fühlte sich angesteckt von seinem warmen offenen Lächeln. Allmählich ahnte sie, dass in Jake Larson viel mehr steckte als nur ein guter Rancher.

„Wie schmecken Ihnen denn die Mahlzeiten in der Baracke?“

„Nicht schlecht. Cookie macht seine Sache ganz ordentlich, was gewöhnliche Haumannskost angeht.“

„Ich denke, dass Harriets Backwaren die Mahlzeiten gehörig aufpeppen werden.“

„Ich schließe daraus, dass Sie zufrieden mit ihr sind?“

„Ja, bisher schon. Sie ist eine gute Köchin, und sie ist bereit, alles zu erledigen, was ich ihr auftrage. Ich fühle mich etwas schuldig, weil ich ihr den ganzen Haushalt allein überlasse.“

Er grinste. „Dafür leisten Sie doch hier draußen einen anstrengenden Vollzeitjob.“

Penny seufzte. „Das Gefühl habe ich allerdings auch.“

Sie erreichten eine Hügelkuppe, von der sich ein Blick auf einen hübschen kleinen See eröffnete. „Wird der von einer Quelle gespeist?“, fragte Jake.

„Ja. Selbst mitten im Sommer ist er eiskalt.“

„Ändert sich der Pegel sehr stark?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Ihr Vater wird sich sehr auf diese Wasserquelle verlassen haben.“

„Ja, das glaube ich auch.“

Sie ritten den Hang hinunter. Dicht am Ufer stieg Jake vom Pferd und steckte eine Hand in das Wasser. „Es ist wirklich eisig.“

„Es ist ja auch Winter. Derzeit ist doch alles kalt.“

„Stimmt. Wollen wir hier eine kleine Rast machen und die Äpfel essen?“

„Okay.“

Die beiden aßen schweigend und verfütterten die Kerngehäuse an die Pferde, bevor sie den Ritt fortsetzten.

Das Gelände, das sie am Nachmittag abdeckten, war recht unzugänglich. Schmale Pfade führten über steile Berghänge und durch tiefe Schluchten. Sie mussten sehr konzentriert im Gänsemarsch reiten und brauchten sich daher keine großen Gedanken über geeignete Gesprächsthemen zu machen.

Bei Einbruch der Abenddämmerung erreichten sie das Gehöft. Leise eröffnete Jake: „Morgen möchte ich prüfen, was die Cowboys so treiben. Aber bitte erwähnen Sie ihnen gegenüber nichts davon. Ich möchte sie überraschen.“

„Okay“, flüsterte Penny, obwohl keiner der Männer in Hörweite zu sein schien.

Sie versorgte ihr Pferd, räumte das Zaumzeug fort und verließ den Stall, ohne Jake auch nur eine gute Nacht zu wünschen.

Nachdenklich blickte er ihr nach. Offensichtlich war sie nicht besonders glücklich mit ihm als Verwalter. Sei’s drum, dachte er. Was sollte er dagegen tun? Sie hatten einen langen harten Tag hinter sich, aber schließlich war sie es selbst, die unbedingt die Leitung einer Ranch erlernen wollte. Er beabsichtigte keineswegs, sie übermäßig zu schonen, nur weil sie eine Frau war.

Jake marschierte in die Baracke, doch sobald er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, spürte er, dass es jemand betreten hatte. Es war nicht Harriet gewesen, denn seine Schmutzwäsche befand sich noch in dem Korb. Er schloss die Tür und holte die Kassette unter dem Bett hervor. Mit angehaltenem Atem drehte er den Schlüssel im Schloss und hob den Deckel. Beide Journale waren noch da. Erleichtert nahm er sie heraus und verstaute die Kassette wieder unter dem Bett.

Dann steckte er sich die Bücher in das Hemd, zog die Jacke darüber und ging hinaus in den Gemeinschafsraum. Ihm fiel auf, dass einige der Männer ihn verstohlen beobachteten. Vermutlich waren es diejenigen, die in sein Zimmer eingedrungen waren. Er prägte sich ihre Namen ein und legte ein Lächeln auf. „Wie ich höre, gibt es heute Kuchen zum Nachtisch.“

„Ach, Boss“, maulte Cookie, „das sollte doch eine Überraschung sein!“

„Tut mir leid, Cookie, das wusste ich nicht.“ Verstohlen blickte Jake zu den Männern, die er insgeheim verdächtigte. Sie wirkten nicht besonders begeistert von der Aussicht auf süßes Gebäck. Und plötzlich verging auch ihm die Vorfreude.

Mit letzter Kraft, noch erschöpfter als am Vortag, schleppte Penny sich ins Haus.

Nach einem kurzen Blick in ihr Gesicht schenkte Harriet ihr eine Tasse Kaffee ein. „Dusche oder Dinner zuerst?“

„Ich glaube, ich wasche mich nur schnell hier unten. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt die Treppe hochkomme.“

„Ich sollte erwähnen, dass Ihre Cousine heute zum Dinner kommt. Sie hat am Nachmittag angerufen und ziemlich niedergeschlagen gewirkt. Deshalb habe ich sie eingeladen. Ich dachte, dass Sie nichts dagegen hätten.“

„Danke. Es wird mir sehr guttun, Sally zu sehen.“ Penny sprang auf und stöhnte, denn ihr geschundener Körper protestierte. „Oh! Ich gehe doch schnell duschen.“

„Gut, Honey, ich decke inzwischen den Tisch.“

Sie verweilte wesentlich länger als beabsichtigt unter der Dusche, denn der heiße kräftige Wasserstahl, der ihre verkrampften Muskeln lockerte, wirkte unendlich wohltuend.

Als sie schließlich in sauberer Kleidung in die Küche zurückkehrte, saß Sally bereits am Tisch. „Ich bin ja so froh, dass du gekommen bist! Hast du dich schon mit Harriet bekannt gemacht?“

Sally sprang auf und umarmte Penny. „Ja. Sie hat mich überredet herzukommen und ihren legendären Apfelkuchen zu probieren.“

„Dazu musste sie dich erst überreden?“, hakte Penny schmunzelnd nach.

„Eigentlich nicht. Das war nur eine Ausrede.“

„Okay, es sei dir verziehen.“

Harriet trug dampfende Schüsseln auf, und dann saßen sie zu dritt am Tisch und genossen die köstlichen Gerichte.

„Also, Cousinchen, jetzt erzähl mir, wie sich der neue Verwalter so macht“, bat Sally.

Penny hielt den Blick auf den Teller gesenkt. „Das weiß ich noch nicht.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja, wir sind in den letzten zwei Tagen die Grenzen der Ranch abgeritten, und er hat mir viele Fragen gestellt. Aber ich habe nicht gerade viele Antworten parat.“

„Ich dachte, er sollte dich unterrichten und nicht umgekehrt.“

„Das dachte ich auch. Aber er muss wohl die Ranch erst mal selbst kennenlernen. Ich habe ihm Dads Journale geliehen, in der Hoffnung, dass sie ihm helfen könnten. Aber ich fürchte, dass er nicht ausreichend auf sie aufpasst und sie abhandenkommen.“

„Wieso das denn?“, wollten Harriet und Sally wie aus einem Munde wissen.

„Weil einige der Männer alarmiert darauf reagiert haben, dass diese Bücher existieren und er sie liest. Anscheinend befürchten sie, dass sie in ihnen erwähnt sind. Ich mache mir Sorgen, dass die Bücher inzwischen schon vernichtet wurden.“

„Hat er sie denn nicht in Sicherheit gebracht?“, fragte Sally.

„Angeblich schon. Aber wer weiß, wo er sie versteckt hält? Ich wünschte, ich hätte gewartet, bis ich ihn besser kenne, bevor ich sie ihm anvertraue“, erklärte Penny mit einem Seufzen.

Im nächsten Moment ertönte ein Klopfen am Hintereingang. Sie stand auf und öffnete.

Jake stand auf der Schwelle. „Es tut mir leid, dass ich Sie beim Dinner störe, aber ich wollte Ihnen die Bücher zurückgeben. Ich glaube nämlich, dass heute jemand in mein Zimmer eingedrungen ist, während wir unterwegs waren. Zum Glück sind die Bücher nicht gefunden worden, aber das könnte sich ändern, wenn sie länger bei mir bleiben.“

Sie nahm ihm die Tagebücher ab und gestand sich dabei ein, wie sehr sie sich in ihm geirrt hatte. Plötzlich regte sich ihr Gewissen wegen der Verdächtigungen, die sie soeben geäußert hatte. „Aber wie wollen Sie denn jetzt mehr über die Ranch erfahren?“

„Ich habe mir gedacht, dass ich vielleicht sonntags hierher ins Haus kommen und die Bücher lesen kann.“

„Ja, natürlich.“

„Gut.“ Er wandte sich zum Gehen.

Plötzlich wollte Penny, dass er noch eine Weile blieb. „Haben Sie schon zu Abend gegessen?“

„Nein. Ich habe mich schnell verdrückt, nachdem sich die Männer an der Essensausgabe angestellt haben.“

Harriet rief vom Tisch her: „Es ist genug da!“

Penny wandte sich wieder an Jake. „Nun? Essen Sie mit uns?“

„Wenn es Ihnen recht ist, gern.“ Erst als er die Küche betrat, merkte er, dass ein Gast anwesend war. „Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben.“

„Das macht doch nichts. Sally, das ist Jake Larson, mein neuer Verwalter. Jake, das ist Sally Rogers, meine Cousine.“

„Es freut mich, Sie kennenzulernen. Sie führen den Gemischtwarenladen in der Stadt, oder?“

„Stimmt.“

Harriet stellte einen sauberen Teller auf den Tisch. „Setzen Sie sich, Jake. Und keine Scheu. Greifen Sie einfach zu.“

„Es sieht köstlich aus. Jetzt kann ich verstehen, wieso Penny so zufrieden mit Ihnen ist.“

„Oh, vielen Dank“, erwiderte Harriet mit einem hocherfreuten Lächeln.

Penny hegte den leisen Verdacht, dass alle auf Anhieb Gefallen an Jake fanden – nur nicht sie selbst. „Woran haben Sie denn gemerkt, dass jemand in Ihrem Zimmer war?“

„Ein paar Sachen lagen nicht mehr ganz genau an ihrem Platz. Außerdem habe ich Kratzspuren an der Kassette entdeckt, in der die Bücher lagen. Die können unmöglich von selbst entstanden sein, während sie unter dem Bett stand. Demnach muss jemand herumgeschnüffelt haben.“

„Wann hätte er denn die Gelegenheit dazu haben sollen?“

„Ich glaube, dass ein paar Männer früher von der Arbeit zurückgekommen sind. Cookie hat nichts davon erwähnt, aber ich werde ihn mir nachher, wenn niemand sonst dabei ist, mal vorknöpfen.“

Harriet drängte: „Jetzt nehmen Sie sich doch, solange es noch warm ist.“

Er bediente sich und begann zu essen.

Penny lagen weitere Fragen auf der Zunge, aber sie war nach den strengen Anstandsregeln ihrer Mutter erzogen worden. Es war unhöflich, einen hungrigen Menschen beim Essen zu stören.

Als Harriet den Apfelkuchen auftischte, leuchteten seine Augen auf. „Mann, sieht der lecker aus!“

„Ich hoffe, dass er auch so gut schmeckt.“

Eifrig kostete er und lobte ihre Backkünste in den höchsten Tönen. „Den könnte es von mir aus jeden Tag geben.“

„Trotzdem backe ich nächstes Mal lieber eine Torte, damit ihr Jungs meinen Nachtisch nicht satt bekommt.“

„Wir freuen uns über alles, was Sie uns zukommen lassen“, erklärte Jake. Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab und legte sie zusammengefaltet neben seinen Teller.

Erneut fielen Penny seine guten Manieren auf. Ihr Gewissen regte sich, weil sie ihm nicht völlig vertraute. Aber schließlich war es eine Tatsache, dass die Bücher ihres Vaters durch seine Schuld in Gefahr geraten waren, weil er den Cowboys so unbedacht von ihnen erzählt hatte.

Er stand auf und bedankte sich für das Mahl. Dann versicherte er Sally erneut, wie sehr ihn ihre Bekanntschaft freute.

Penny argwöhnte, dass zwischen den beiden eine gewisse Anziehungskraft herrschte. Die Vorstellung, dass die beiden ein Paar werden könnten, ging ihr gewaltig gegen den Strich. Den Grund dafür konnte sie sich nicht erklären, da sie ihn ja kaum kannte. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass die Erschöpfung sie für gewisse Gefühlsregungen besonders empfänglich machte.

Betont nüchtern verabschiedete sie sich von Jake, in der Hoffnung, dass ihr der innere Aufruhr nicht anzumerken war. Der wissende Ausdruck in seinen Augen ließ jedoch darauf schließen, dass es ihr nicht richtig gelang. Mit glühenden Wangen zwang sie sich, seinem Blick standzuhalten. „Morgen um sieben?“

„Richtig. Gute Nacht allerseits.“

Sobald sich die Tür hinter ihm schloss, sagte Sally: „Also, ich finde ihn sehr nett. Er ist charmant, höflich und gibt ganz bestimmt einen hervorragenden Verwalter ab.“

Penny setzte sich wieder an den Tisch. „Ich weiß noch nicht, was ich von ihm halten soll. Aber ich bin sehr froh, dass ich Dads Aufzeichnungen wiederhabe.“ Sanft strich sie über die Bücher und wunderte sich dabei über die wirren Gedanken und Gefühle, die sie hegte. Es war ihr erstaunlich leichtgefallen, sich in Jakes Gegenwart zu entspannen, und sie freute sich unwillkürlich auf den bevorstehenden Tag.

Schließlich riss sie sich aus ihren Betrachtungen und wies Harriet an: „Falls irgendwer Sie fragt, Sie haben diese Bücher nie gesehen.“

„Sicher. Was wollen Sie nun mit ihnen machen?“

„Ich schließe sie in den Safe im Zimmer meiner Eltern.“ Penny stand vom Tisch auf. „Sally, kommst du mit?“

„Okay.“

Oben angekommen, legte sie die Journale in den Safe. „Hier ist noch Platz. Bringst du mir bitte die anderen Bücher aus Dads Nachttisch?“

„Gern.“ Sally blickte sich um. „Wie ich sehe, hast du hier nichts verändert.“

„Hast du die Sachen deiner Eltern denn schon weggeräumt?“

„Nein. Es erscheint mir irgendwie so … so endgültig.“

„Mir auch. Harriet hat mir angeboten, die Kleidung, die ich nicht behalten will, der Wohlfahrt zu stiften, damit sie Bedürftigen zugutekommt.“

„Das ist eine gute Idee. Vielleicht kann ich mich auch aufraffen, mich darum zu kümmern.“

„Wenn du möchtest, kann ich Harriet ja fragen, ob sie dir am Samstag helfen kommt.“

„Brauchst du sie denn nicht?“

„Nein. Ich arbeite samstags nicht, und es ist bestimmt angenehm, einen Tag ganz für mich allein zu haben.“

„Dann nehme ich das Angebot gern an. Es wäre sehr schwer für mich, es allein zu machen.“

„Ich weiß. Komm, wir fragen sie gleich.“

Penny ging voraus in die Küche und erklärte ihr Anliegen. Harriet stimmte bereitwillig zu.

Sally bedankte sich erleichtert und verkündete nach einem Blick zur Uhr: „Jetzt muss ich aber nach Hause.“

Penny begleitete sie hinaus zum Wagen und umarmte sie zum Abschied. „Pass auf dich auf, ja?“ Sie blieb im Finstern stehen, blickte dem Auto nach, bis die Rücklichter verschwanden, und fühlte sich plötzlich sehr einsam.

Schließlich kehrte sie in die Küche zurück und wies Harriet an: „Lassen Sie bitte niemanden von den Cowboys ins Haus. Falls jemand kommt, sagen Sie, dass es warten muss, bis ich wieder da bin, welcher Grund Ihnen auch immer genannt wird.“

„Verstanden. Glauben Sie wirklich, dass es jemand auf diese Bücher abgesehen hat?“

„Ich halte es durchaus für möglich. Wenn diese Männer glauben, dass Dad etwas niedergeschrieben hat, wofür sie belangt werden können, wollen sie die Bücher ganz gewiss in die Finger kriegen.“

„Vielleicht sollte ich morgen meine Schrotflinte mitbringen und griffbereit halten, wenn ich jemandem die Tür öffne.“

„Sie haben eine Flinte?“, wunderte sich Penny.

„Ja. Wenn man außerhalb der Stadt wohnt, muss man sich doch verteidigen können. Der Sheriff kann nicht immer rechtzeitig kommen.“

„Daran habe ich noch nie gedacht. Ich musste mir nie Sorgen um meine Sicherheit machen. Mein Dad war immer da und hat auf mich aufgepasst. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie Angst.“

Mitfühlend blickte Harriet ihre junge Arbeitgeberin an. „Jetzt kann Ihr Daddy aber nicht mehr auf Sie aufpassen. Sie müssen selbst für Ihre Sicherheit sorgen.“

„Da haben Sie wahrscheinlich recht. Seit er nicht mehr da ist, habe ich einfach so viel um die Ohren, dass ich mich bisher nie mit so etwas beschäftigt habe. Ich werde Jake fragen, ob er einige Ratschläge für mich hat. Ach ja, bevor ich es vergesse: Er möchte morgen auch gern ein Sandwich.“

„Ich freue mich, wenn ich Mr. Larson beköstigen darf. Er sieht verflixt gut aus, oder?“

Penny zog es vor, nicht zu antworten. Er sah in der Tat sehr gut aus. Aber sie wollte nur von ihm lernen und war nicht auf eine Romanze aus. Von seinen braunen Augen und seinen kräftigen Händen zu träumen, konnte die Situation nur verkomplizieren.

Als sie hinaufging, dachte sie über den Rat nach, für Selbstschutz zu sorgen. Sie hatte noch nie eine Schusswaffe abgefeuert. Bei der Vorstellung, auf einen Menschen zu schießen, wurde ihr regelrecht übel. Aber nun, da sie auf sich selbst gestellt war, musste sie sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen.

Sollte sie Jake bitten, ihr das Schießen beizubringen? Sie wusste nicht, ob er sich mit Schusswaffen auskannte und ob er den Umgang mit ihnen befürwortete. Wenn sie es sich recht überlegte, wusste sie überhaupt herzlich wenig über ihren Verwalter.

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen wurde Jake bewusst, dass er sich auf einen neuen Tag mit Penny freute, was ihn beunruhigte. Eigentlich war ihm bewusst, dass es besser war, Arbeit und Vergnügen nicht miteinander zu verbinden. Daher nahm er sich fest vor, ihr gegenüber ganz nüchtern aufzutreten. Er straffte die Schultern und schritt zur Koppel, um aufzusatteln, bevor Penny auftauchte.

Sie erschien, als er mit beiden Pferden fertig war, und wirkte verwundert. „Sie haben Stormy für mich gesattelt! Das wäre nicht nötig gewesen.“

„Ich war heute früh dran. Es hat mir nichts ausgemacht.“

„Okay, dann bedanke ich mich. Ach ja, hier ist Ihr Lunch.“

„Danke.“ Er nahm das Paket und verstaute es in einer Satteltasche.

„Wohin geht es heute?“

Jake blickte über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand in Hörweite war. „Wir werden kontrollieren, ob die Cowboys ihre Arbeit ordnungsgemäß ausführen.“

„Müssen wir dazu nicht sehr große Entfernungen zurücklegen?“

„Ja. Wird es Ihnen zu viel?“

„Nein.“ Sein herablassender Tonfall ärgerte sie. Warum unterstellte er ständig, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen war? „Ich denke nur, dass wir eine größere Strecke bewältigen können, wenn wir den Geländewagen nehmen.“

„Ich wusste gar nicht, dass Sie so etwas besitzen.“

„Er steht fahrbereit in der zweiten Scheune.“

„Dann nehmen wir ihn doch und gönnen unseren Pferden eine Ruhepause.“

„Gut. Vergessen Sie Ihr Mittagessen nicht“, erinnerte sie ihn.

Sie sattelten die Pferde ab und versorgten sie mit Heu, bevor sie mit ihren Lunchpaketen in die Scheune gingen.

„So ein Fahrzeug kann sich als sehr nützlich erweisen“, bemerkte Jake.

„Stimmt. Soll ich fahren?“

„Das übernehme ich lieber selbst. Ich weiß, wo die Cowboys sein sollen.“

Sie vermutete, dass er ihr nicht zutraute, das Fahrzeug zu beherrschen. Doch sie fügte sich stillschweigend. Sicherlich ergab sich bald eine andere Gelegenheit, ihm ihr Können zu beweisen. Penny stieg ein und legte ihr Lunchpaket in das Handschuhfach. Jake setzte sich ans Steuer und fuhr los.

Gute zehn Minuten lang schwiegen beide. Dann drehte Penny sich zu ihm um und eröffnete widerstrebend: „Darf ich Sie etwas fragen?“

Er nahm etwas Gas weg und wandte ihr den Kopf zu. „Ja?“

„Können Sie schießen?“

Die Frage verblüffte ihn. Ihr deutliches Unbehagen hatte ihn an ein anderes Thema denken lassen. Er rief sich in Erinnerung, dass er Privates und Berufliches zu trennen gedachte. „Ja, das kann ich.“

„Würden Sie es mir beibringen?“

„Warum sollte ich das tun?“

„Damit ich mich schützen kann.“

„Wollen Sie etwa Annie Oakley nacheifern?“

„Nein. Aber Harriet hat mir bewusst gemacht, dass der Sheriff in Notsituationen nicht immer rechtzeitig kommen kann und ich mich deshalb vielleicht irgendwann einmal selbst verteidigen muss.“

„Warum hat Ihr Dad es Ihnen nicht beigebracht?“, wollte Jake wissen, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.

Penny seufzte. „Dad wollte nie, dass ich überhaupt etwas lerne, was mit der Ranch zusammenhängt. Er hat mir immer gesagt, dass ich mich um solche Dinge nicht zu kümmern brauche, weil er dafür zuständig ist. Aber jetzt muss ich auf mich selbst aufpassen.“

Jake dachte darüber nach. Ihre Bitte beinhaltete, dass sie noch mehr Zeit als bisher miteinander verbringen würden. Diese Vorstellung erweckte Unbehagen. Aber der Gedanke, dass Penny wehrlos war, gefiel ihm noch weniger.

„Ich könnte es Ihnen zeigen, aber es braucht viel Zeit und Disziplin. Es reicht nicht, nur mal eben ein paar Schüsse abzufeuern.“

„Ich weiß, dass es nicht leicht ist.“ Penny seufzte. „Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt auf jemanden schießen könnte. Aber ich glaube, dass ich die Wahl haben sollte.“

„Okay. Wir fangen morgen an.“

„Schon? Ich wollte eigentlich nicht …“

„Wann denn sonst? Nächstes Jahr?“, konterte er mit einem sarkastischen Unterton.

„Nein. Morgen passt mir gut.“

„Ich nehme an, Sie haben kein Gewehr?“

„In meinem Besitz sind alle Gewehre meines Vaters. Ich weiß aber nicht, mit welchem ich lernen sollte.“

„Ich werde sie mir mal ansehen. Wissen Sie, wo er die Munition aufbewahrt hat?“

„Ich weiß überhaupt nicht, was vorhanden ist. Ich erinnere mich nur, dass er immer ein Gewehr mitgenommen hat, wenn er durch das bergige Gelände geritten ist, das wir gestern abgeritten haben.“

„Das ist verständlich. Ich habe den Männern aufgetragen, auch immer ihre Gewehre mitzunehmen, wenn sie dort arbeiten.“

„Wirklich? Warum?“

„Weil Bären und Berglöwen oben in den Bergen gesichtet wurden und man nie wissen kann, wie weit sich die Tiere hinunterwagen. Es hat wenig geregnet in diesem Jahr. Deshalb zieht der See vermutlich mehr Wildtiere an als üblich.“

„So etwas hätte ich nie bedacht.“

„Das gehört zu den Dingen, die ich Ihnen beibringen soll.“

„Aha.“

Unvermittelt deutete Jake auf zwei kleine Gestalten in der Ferne. „Da sind die ersten Cowboys.“

„Womit waren sie beauftragt?“

„Den Zaun abreiten und reparieren, falls sie auf Löcher stoßen.“

„Sind sie dort, wo Sie es erwartet haben?“

Er nickte. Als sie sich den Cowboys näherten, verlangsamte er das Tempo, um die Pferde nicht zu erschrecken. „Ist bei euch alles okay, Jungs?“

„Ja, Boss. Hier ist alles bestens.“

„Gut. Macht weiter so.“ Jake hob eine Hand zum Gruß und lenkte den Geländewagen in eine andere Richtung.

„Wozu war es gut, sie so direkt anzusprechen?“

„Sie sollen wissen, dass sie beobachtet werden. Das ist sehr wichtig. Andernfalls erledigen einige nicht die Arbeit, die ihnen zugeteilt ist.“

„Tun diese Kontrollen Ihrer Stellung unter den Männern denn keinen Abbruch?“

Jake zog eine Augenbraue hoch. „Dachten Sie etwa, es wäre ein Kinderspiel, Verwalter zu sein?“

Für Penny war seine Entgegnung erneut ein Wink darauf, dass sie in seinen Augen der Aufgabe einer Chefin nicht gewachsen war, und das ärgerte sie maßlos. „Hat der Verwalter von Dexters Ranch Ihnen auch ständig auf die Finger geschaut?“

„Ja, am Anfang schon. Nach einer Weile hat er gemerkt, dass ich immer gewissenhaft arbeite.“

„Demnach müssen Sie nach einer gewissen Zeit auch nicht mehr jeden kontrollieren?“

„Das kann sein. Aber ich fürchte, dass ich einigen der Männer niemals trauen kann.“

„Sie meinen diejenigen, die verstimmt auf die Tagebücher reagiert haben?“

„Ja. Schon seit ich hier bin, verhalten sie sich irgendwie seltsam. Ich glaube, Ihr Vater könnte etwas entdeckt haben.“

„Können Sie die Betroffenen nicht einfach entlassen?“

„Nein. Das würde sich schlecht auf die Arbeitsmoral der anderen auswirken.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und erklärte entschieden: „Ich finde, sie sollten entlassen werden.“

Das Auto holperte über eine Bodenwelle, die Penny gegen seine Schulter schleuderte. Erschrocken schrie sie auf.

Jake drosselte das Tempo und hielt sie am Arm fest. „Sind Sie okay?“

Hastig wich sie zurück, aufgewühlt von dem Kontakt mit seinem durchtrainierten Körper und der prickelnden Anziehungskraft, die er ausstrahlte. „Ja. Alles klar. Ich habe nur vergessen, mich festzuhalten.“

„Gut.“

„Also, werden Sie diese Männer nun entlassen? Ich will sie nicht mehr auf der Ranch haben.“

Jake schüttelte den Kopf. „Ich tue es trotzdem nicht, ohne dass die Männer mir einen guten Grund dafür liefern.“

„Aber ich bin die Besitzerin!“

„Stimmt, aber Sie haben mich nicht nur angeheuert, um die Ranch zu leiten, sondern auch, um Ihnen zu zeigen, wie man das macht. Ich werde Ihnen ganz gewiss nicht beibringen, ohne triftigen Grund jemanden zu entlassen, nur weil Ihnen gerade danach zumute ist.“

„Was ist, wenn ich Ihnen den direkten Befehl erteile?“

„Dann müssen Sie sich einen anderen Verwalter suchen“, sagte er schlicht und gab Gas. „Halten Sie sich lieber fest.“

Penny unterdrückte ihre Wut und verfiel in brütendes Schweigen. Ihr Verstand sagte ihr, dass er recht hatte und sich im Sinne ihres Vaters verhielt. Aber sie wollte keine Diebe auf der Ranch beschäftigen, und sie war es leid, wie ein unbedarftes kleines Mädchen behandelt zu werden, so wie ihr Vater es bereits ihr Leben lang getan hatte.

Aber wenn sie Jake gehen ließ, fand sie aller Wahrscheinlichkeit nach keinen neuen Verwalter, und zwar genau aus dem Grund, aus dem er die Cowboys nicht feuern wollte. Es hätte sich sehr schnell herumgesprochen, dass sie ihren Arbeitern aus purer Launenhaftigkeit kündigte.

Hinter dem nächsten Hügel stießen sie auf vier Männer, die eine Rinderherde auf eine tiefer gelegene Weide trieben.

„Wie läuft es hier bei euch?“, fragte Jake.

„Gut, Boss. Diese Tiere sind auf Viehtrieb trainiert. Wir schaffen es früher als geplant. Sollen wir uns danach was anderes vornehmen?“

„Nein, lasst es gut sein, und macht früher Feierabend.“

Die vier Männer klatschten Beifall und bedankten sich johlend.

Penny beobachtete Jake aus den Augenwinkeln und fragte sich, ob er ihr mit dieser großzügigen Entscheidung lediglich irgendetwas beweisen wollte.

Sobald er weiterfuhr, fragte sie pikiert: „Das haben Sie doch nur gemacht, um mir unter die Nase zu reiben, wie ich mit den Männern umzugehen habe, oder?“

Mit gerunzelter Stirn blickte er sie an. Ihre leuchtend blauen Augen funkelten. Sie sah verdammt hübsch aus, wenn sie zornig war. Schroff erklärte er: „Das war keineswegs der Grund. Ich tue genau das, wofür Sie mich eingestellt haben: Ich zeige Ihnen, wie man die Dinge auf einer Ranch handhabt. Wenn Sie glauben, dass Sie alles besser können, dann übernehmen Sie eben die Leitung. Aber solange ich hier bin, erledige ich die Dinge auf meine Weise.“

Penny errötete vor Beschämung. „Es tut mir leid.“

„Haben Sie beschlossen, mich zu entlassen? Dann möchte ich gern jetzt gleich Bescheid wissen.“

„Nein! Aber ich habe doch wohl das Recht, Fragen zu stellen! Oder etwa nicht?“

Ohne auf ihren Einwand einzugehen, entgegnete er: „Holen Sie Ihr Lunchpaket heraus. Es ist Mittagszeit.“

Nur um ihn zu ärgern, dachte sie daran, auf das Essen zu verzichten. Aber das war natürlich kindisch. Sie wickelte das Sandwich aus, nahm einen großen Bissen und kaute gedankenverloren. Jake tat es ihr gleich und lenkte dabei das Fahrzeug nur mit einer Hand. Keiner von beiden äußerte auch nur ein einziges Wort.

Nach einer Weile hielt er an und drehte sich zu ihr um. „Natürlich haben Sie das Recht, Fragen zu stellen. Aber Kritik an meinem Charakter ist unangebracht. Wenn Sie an meiner Person zweifeln, dann müssen Sie mich feuern. Und damit basta!“

„Ich zweifle nicht an Ihrem Charakter“, versicherte sie hastig. „Es wundert mich einfach, dass Sie den Männern ohne ersichtlichen Grund freigeben.“

„Es geht um höchstens zwei Stunden, und es lohnt sich nicht, sie in ein anderes Einsatzgebiet zu schicken, das sie erst kurz vor Feierabend erreichen. Das wäre total unproduktiv.“

„Oh.“

„Und wenn ich das nächste Mal eine zusätzliche Leistung von den Männern brauche, werden sie sich daran erinnern, dass ich ihnen früher freigegeben habe, und sich freiwillig zur Verfügung stellen.“

„Okay, jetzt verstehe ich es. Warum haben Sie es mir nicht vorher so erklärt?“

„Weil ich nicht ahnen konnte, dass es nötig ist!“, rief Jake frustriert. Musste er ihr denn alles beibringen! Er griff hinter den Rücksitz nach seinem Apfel und biss übertrieben heftig hinein, um seinen Unmut abzureagieren.

Penny war nicht minder ungehalten. Schließlich hatte er von Anfang an gewusst, dass er ihr die Ranchleitung von Grund auf beibringen musste. Warum also wurde er wegen jeder Kleinigkeit gleich so wütend?

Der letzte Arbeitstrupp, den Jake überprüfen wollte, war nicht dort, wo er hätte sein sollen. Auch auf der Strecke, die zurück zum Gehöft führte, fand sich keine Spur. Es handelte sich ausgerechnet um die drei Männer, die ihm verdächtig erschienen.

„Ich werde versuchen, Cookie zu befragen, ohne dass jemand etwas merkt“, erklärte Jake, als er den Geländewagen vor der Baracke abstellte. „Wenn ich etwas herausfinde, sage ich Ihnen Bescheid.“

„Okay.“ Penny eilte zum Haus und fand Harriet wie erwartet in der Küche vor. „Hatten Sie heute zufällig Besuch?“

„Allerdings. Vor ein paar Stunden waren drei Cowboys an der Tür. Sie wollten irgendwelche Bücher abholen, die Sie ihnen angeblich zu lesen aufgetragen haben. Als ich gesagt habe, dass Sie mir nichts dagelassen haben, wollten sie sich selbst umsehen. Aber ich habe sie nicht hereingelassen.“

„Sehr gut. Sind sie dann gleich wieder gegangen?“

„Nein. Sie haben sehr einfallsreiche Vorwände geäußert. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich neu hier bin und nicht riskieren will, entlassen zu werden.“

Beide Frauen erschraken durch das lautes Klopfen an der Hintertür. Vorsichtig öffnete Penny einen Spaltbreit. Sie atmete erleichtert auf, als sie Jake erblickte. „Kommen Sie herein.“

Er folgte der Aufforderung. „Guten Abend, Harriet.“

„Guten Abend. Möchten Sie einen Kaffee?“

„Das wäre prima. Ich habe mich noch nicht richtig aufgewärmt.“

Harriet stellte ihm und auch Penny eine wohlduftende Tasse Kaffee hin. „Ich kann in mein Zimmer gehen, wenn Sie unter vier Augen reden wollen.“

Penny schüttelte den Kopf. „Nein, Sie müssen Jake erzählen, was Sie vorhin erlebt haben.“

Harriet berichtete, was vorgefallen war.

„Das ist sehr interessant“, murmelte er. „Entweder hat Cookie mich gerade belogen, oder sie haben sich an der Baracke vorbeigeschlichen und sind direkt hierhergekommen. Aber wo stecken sie jetzt?“

Penny runzelte die Stirn. „Wieso sind sie denn nicht in ihrem Quartier? Wir haben doch ihre Pferde auf der Koppel gesehen.“

„Genau. Harriet, wissen Sie zufällig, um welche Zeit sie hier waren?“

„Ja. Es war fünf vor halb zwei. Das weiß ich genau, denn ich schaue mir doch immer diese Fernsehserie an. Ich habe die letzten fünf Minuten verpasst, weil ich mit den Männern geredet habe.“

Er wandte sich an Penny. „Wissen Sie, was für Fahrzeuge sie haben?“

„Nein. Glauben Sie, dass sie sich verdrückt haben?“

„Das ist durchaus möglich. Falls sie wiederkommen, habe ich einige Fragen an sie.“ Er trank seinen Kaffee aus und wandte sich zum Gehen.

„Essen Sie doch mit uns, Jake“, schlug Harriet vor. „Es ist alles fertig und reichlich da.“

„Ich will Ihnen nicht zur Last fallen.“

Penny fing einen erwartungsvollen Blick von Harriet auf und sagte daher: „Bleiben Sie ruhig. Wenn Sie später in die Baracke zurückgehen, sind die drei Männer vielleicht wieder da.“

Harriet legte ein weiteres Gedeck auf und stellte dampfende Schüsseln auf den Tisch.

Er schnupperte genüsslich. „Da kann ich nicht widerstehen. Das schmeckt bestimmt besser als das, was Cookie heute auftischt.“

„Ich habe eine Torte für die Baracke gebacken“, verkündete Harriet, „und natürlich auch eine für uns.“

„Das ist wirklich nett von Ihnen. Über Ihren Apfelkuchen habe ich allerhöchstes Lob gehört.“

Sie strahlte ihn an. „Auf meine Backwaren bin ich auch stolz.“

Penny wollte das Thema wieder auf die gegenwärtige Situation bringen. „Falls die drei Männer endgültig weg sind, werden wir dann Ersatz für sie finden?“

„Das wird nicht leicht sein. Gute Cowboys gibt es nicht gerade wie Sand am Meer.“

„Was sollen wir tun? Schilder am Tor aufstellen?“

„Nein. Annoncen in die Zeitung setzen und einen Aushang am Schwarzen Brett im Gemischtwarenladen anbringen.“

„In Sallys Laden, natürlich! Daran habe ich gar nicht gedacht!“

„Es ist eine ungünstige Jahreszeit, um Rancharbeiter zu finden. Die meisten sind den Winter über irgendwo untergekommen. Zu Weihnachten herrscht nicht viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt.“

„Ich verstehe“, murmelte Penny. Dann rief sie erschrocken: „Oh nein! Wir haben ja schon Dezember! Wir müssen einen Weihnachtsbaum für die Gemeindefeier suchen! Wir stellen ihn jedes Jahr. Wie konnte ich das nur vergessen!“

„Ich wusste gar nicht, dass die Bäume von hier stammen.“ Jake lächelte sie an. „Ich bewundere sie schon seit einigen Jahren.“

„Wir müssen ein besonders schön gewachsenes Exemplar suchen, und wir haben dafür nur ein paar Tage, damit noch genügend Zeit zum Schmücken bleibt.“

„Wer kümmert sich denn für gewöhnlich darum?“

Penny blinzelte die Tränen fort, die ihr in die Augen gestiegen waren. „Mein Vater und ich haben den Baum immer gemeinsam ausgesucht. Danach hat er ihn mit mehreren Männern gefällt und in die Stadt transportiert.“

Jake spürte, dass es ein heikles Thema für sie war. „Und woher wussten Sie, ob er den richtigen Baum wiedergefunden hat?“, fragte er sanft.

„Ich habe ihn immer mit einem roten Schal markiert.“ Sie seufzte. „Wir sollten gleich morgen auf die Suche gehen.“

Harriet setzte sich an den Tisch. „Ich glaube nicht, dass es morgen möglich ist.“

„Warum nicht?“, wollte Penny wissen.

„Weil für morgen ein schwerer Schneesturm vorausgesagt ist. Und jetzt lassen Sie uns essen, bevor es kalt wird.“ Sie reichte die Schüsseln herum, zuerst an Jake und dann an Penny.

„Ein Glück, dass wir die Herde heute schon heruntergetrieben haben“, bemerkte er. „Auf der neuen Weide ist es einfacher, sie zu füttern.“

„Werden die Cowboys denn auch am Samstag arbeiten?“, fragte Penny.

„Natürlich. Das ist ein normaler Arbeitstag“, erklärte Jake, bevor er den ersten Bissen probierte.

Penny begann ebenfalls zu essen, während sie über seine Antwort nachdachte. Für sie war der Samstag kein Wochentag. Ganz offensichtlich hatte sie noch sehr viel zu lernen.

„Ihr Vater hat es so arrangiert, dass eine Hälfte der Männer samstags und die andere sonntags arbeitet. Aber sie sind alle darauf gefasst, dass sie bei schlechtem Wetter zu Überstunden herangezogen werden. Übrigens setzt der Sturm angeblich schon vor Sonnenaufgang ein.“

Harriet nickte. „Im Radio haben sie gesagt, dass es gegen vier Uhr morgens losgeht und dafür am Nachmittag schon wieder abflaut.“

„Die Cowboys bleiben in der Baracke, bis das Unwetter vorbei ist, und werden dann das Vieh füttern.“

„Gibt es sonst noch etwas zu tun?“

Er nickte. „Das Eis auf den Tränken brechen und die Herden nach kalbenden Kühen absuchen, obwohl es dazu eigentlich noch zu früh ist.“

„Und wann fangen wir an?“

„Die Männer und ich legen los, sobald der Sturm nachlässt. Sie bleiben morgen hier.“

Penny straffte die Schultern. „Mein Vater ist immer mit seinen Leuten mitgeritten. Er ist nie wegen eines Sturmes zu Hause geblieben. Außerdem sind Sie unterbesetzt, wenn die drei Männer wirklich weg sind.“

Jake hielt den Blick auf den Teller geheftet. „Wir kommen schon zurecht.“

„Nicht ohne mich. Ich halte mich bereit.“

„Waren Sie jemals in einer solchen Kälte für längere Zeit draußen unterwegs?“

„Nicht für sehr lange, aber ich kann mich ebenso gut einmummen wie jeder andere.“

„Frauen frieren aber leichter als Männer. Sie werden ständig jammern.“

„So ein Unsinn! Haben Sie mich schon mal jammern gehört?“

„Nein, aber das heißt noch lange nicht, dass Sie nicht morgen damit anfangen. Es wird bitterkalt.“

„Sie sollten lieber die Teller leeren, bevor das Essen bitterkalt wird“, mahnte Harriet.

Jake lächelte sie dankbar an. „Sehr richtig.“

Auch Penny aß weiter, aber sie war nicht so erleichtert über die Ermahnung. Sie beabsichtigte keineswegs, ihm seinen Willen zu lassen, sondern wollte als Besitzerin der Ranch ihre Frau stehen, wie es sich gehörte. Er hatte kein Recht, sie wie eine Dreijährige zu behandeln. Sie mochte nicht in Watte gepackt werden und legte großen Wert darauf, ihm zu beweisen, dass sie der Situation wie auch ihrer Position gewachsen war.

Nach dem Hauptgang servierte Harriet die Torte, die wundervoll aussah und noch besser schmeckte.

Penny beobachtete, wie genüsslich Jake sein Stück verzehrte. Völlig unerwartet rann eine Hitzewelle durch ihren Körper.

Als das Essen beendet war, dankte er Harriet und trug sein Geschirr zur Spüle.

„Das ist aber nicht nötig“, protestierte sie.

„Meine Mutter hat darauf bestanden, dass jeder am Tisch sein Geschirr wegräumt.“

Sie lächelte. „Nun, das hat sie sehr gut gemacht.“

Auch Penny räumte ihren Teller und dann die Schüsseln ab. Als Jake sich anschickte, ihr zur Hand zu gehen, wandte sie ein: „Ich akzeptiere Ihre Hilfe nur, wenn Sie morgen meine akzeptieren.“

„Das ist doch etwas ganz anderes.“

Sie reckte das Kinn vor. „Ich bin jetzt die Besitzerin dieser Ranch und werde die Männer begleiten wie schon mein Vater vor mir.“

Er holte tief Luft und atmete ganz langsam wieder aus. „Starrsinn ist nicht immer ratsam. Vielleicht ist das die erste Lektion, die Sie lernen sollten.“ Und damit verabschiedete er sich und ging zur Hintertür hinaus.

„Oh!“, rief Penny entrüstet. „Dieser Mann macht mich so wütend!“

„Sie sollten aber wirklich im Warmen bleiben. Sie müssen nicht alle Dinge tun, die Ihr Vater getan hat, sondern Ihren eigenen Weg finden. Außerdem wird es kalt genug, wenn Sie den Weihnachtsbaum aussuchen.“

Penny setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. „Vielleicht haben Sie ja recht. Ich kann nicht alles auf einmal lernen, und ich bin so müde.“ Sie seufzte. „Jake hatte eigentlich vor, morgen früh mit den Schießübungen anzufangen, aber das muss wohl warten.“

„Ich bin froh, dass Sie lernen wollen, sich zu schützen.“

„Ich auch. Eigentlich hätte ich Jake die Gewehre zeigen sollen, wo er schon mal hier war.“

Harriet lächelte in sich hinein. „Ach, ich denke, er wird bald wiederkommen. Er ist kein Kostverächter.“

5. KAPITEL

Die drei Cowboys hatten sich tatsächlich aus dem Staub gemacht. Auf erneutes Befragen gestand Cookie, dass sie am Nachmittag in die Baracke zurückgekehrt und mit ihren Habseligkeiten verschwunden waren.

„Sie haben gedroht, mir was anzutun, wenn ich vor Einbruch der Dunkelheit ein Sterbenswort darüber verliere“, erklärte er betreten.

„Schon gut, Cookie. Ich habe mir schon so etwas gedacht“, räumte Jake ein.

Am nächsten Morgen teilte er die verbliebene Belegschaft auf. Für die Versorgung von drei Herden auf weit auseinanderliegenden Weiden standen insgesamt acht Männer zur Verfügung. Er teilte zwei Dreiergruppen ein und wählte Dusty, den besten Cowboy, zu seiner eigenen Begleitung aus.

Autor

Judy Christenberry
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Lynne Graham
<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
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