Hochzeitsnacht mit dem Wüstensohn

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Hochzeit mit dem Prinzen der Wüste: Amber ist überglücklich, denn sie liebt den feurigen Kazim Al Amed, seit sie ihn das erste Mal gesehen hat. Aber die Hochzeitsnacht wird eine Katastrophe: Kazim verbannt Amber! Zweifelt er etwa an der Aufrichtigkeit ihrer Gefühle?


  • Erscheinungstag 04.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747794
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Das war der Moment, auf den Amber sich gefreut hatte. Ihr Hochzeitstag. Ihr Ehemann Prinz Kazim Al Amed von Barazbin war mächtig und einflussreich, und ihre erste gemeinsame Nacht sollte perfekt werden. Obwohl ihr Vater ihn für sie ausgesucht hatte, hatte sie bei ihrer ersten Begegnung ihr Herz an ihn verloren. Sein Ruf eilte Kazim voraus, und sie wollte die routinierte Verführerin spielen, damit er nicht merkte, dass sie noch unschuldig war.

Kaum hatten sie jedoch die Feier verlassen, war alles schiefgelaufen. Sein warmes Lächeln war verschwunden, und nun stand er mit wütender Miene in ihrer Suite.

„Ich will diese Ehe nicht“, teilte er ihr mit. „Du hast keinen Grund, dein Leben zu ändern.“

„Mein Leben zu ändern?“ Natürlich würde sie das müssen. Amber hob herausfordernd das Kinn, um diesem starken Mann gegenüber ja keine Schwäche zu zeigen.

„Genau wie du habe ich aus Pflichtgefühl und Respekt meiner Familie gegenüber geheiratet.“ Als er sie mit seinen dunklen Augen ansah, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Unter ihrer seidenen abaya, dem traditionellen Gewand, ballte sie die Hände zu Fäusten.

Als er dann ihre Hand nahm, begann ihr Herz, wild zu pochen, und für einen Moment schien er verwirrt zu sein.

„Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Jetzt wirst du zu deiner Familie zurückkehren.“

Kazim atmete erleichtert auf. Zum Glück war seine Braut eine ruhige Frau, die nicht zu Hysterie neigte. Das musste an ihrer westlichen Erziehung liegen – die auch ihren Charakter verdorben hatte. Erst vor Kurzem war ihm zu Ohren gekommen, dass sie sich während ihrer Internatszeit heimlich mit Männern in irgendwelchen Hotelzimmern getroffen hatte. Sie war nicht die unschuldige Braut, für die er sie gehalten hatte. Er hatte seine Pflicht erfüllt, denn er hatte die Frau geheiratet, die sein Vater für ihn ausgesucht hatte. Mehr würde er nicht tun.

„Und was soll ich jetzt machen?“ Für einen Augenblick wirkte sie panisch, und er fragte sich unwillkürlich, ob er die falschen Schlüsse gezogen hatte.

„Dein altes Leben weiterführen. Natürlich werde ich dafür aufkommen.“ Irgendwann würde er dann klären, ob er überhaupt mit ihr verheiratet bleiben konnte. „Allerdings erwartet man von uns, dass wir die Ehe vollziehen.“

„Das sollte kein Problem sein. Wir tun einfach so, als hätten wir das getan.“

Kazim traute seinen Ohren nicht. Und während sie erst den Schleier und dann ihr Kleid abzustreifen begann, flammte heiße Begierde in ihm auf, denn sie legte gerade einen Striptease hin. Und mit jeder Bewegung wurde sie mutiger und wirkte verführerischer. In seinen Zorn mischte sich Fassungslosigkeit. Diese Frau war bestimmt nicht unschuldig.

Plötzlich war das Reißen von Stoff zu hören, und sie wirkte schockiert. Dann lächelte sie jedoch verführerisch. „So sieht es umso realistischer aus.“

Nachdem ihr Kleid zu Boden geglitten war, stand sie fast nackt vor ihm, und ihre Blicke begegneten sich. Ihre braunen Augen funkelten herausfordernd. Obwohl er sein Verlangen kaum noch zügeln konnte, durfte er sie jetzt auf keinen Fall nehmen, nicht in diesem Zustand.

„Zieh dir etwas an“, stieß Kazim mühsam beherrscht hervor. In nur wenigen Minuten hatte sie bewiesen, dass sie sich überhaupt nicht als seine Frau eignete.

Zehn Minuten später kam sie in einem Frotteemantel aus dem Bad und setzte sich aufs Bett. Wieder blickte sie ihn frech an. „Wenn wir den Anschein erwecken wollen, dass wir die Ehe vollzogen haben, muss das Bett zerwühlt sein.“

Während Amber beobachtete, wie Kazim ihrem Vorschlag nachkam, setzte ihr Selbsterhaltungstrieb ein. Auf keinen Fall würde sie sich so einfach von ihm nach Hause schicken lassen. Es musste so aussehen, als hätte sie mit ihm geschlafen, sonst würde sie ihren Eltern nicht gegenübertreten können.

Und wenn er so kühl und berechnend war, dann konnte sie es auch sein. Nur noch wenige Stunden, und sie würde von hier verschwinden, um vielleicht dann an Orte zu reisen und Dinge zu tun, die sie als einzige Tochter ihres Vaters und Prinzessin von Quarazmir niemals hätte machen können.

1. KAPITEL

Zehn Monate später

Er hatte sie gefunden.

Amber beobachtete, wie Prinz Kazim Al Amed von Barazbin sich in dem Pariser Club einen Weg zwischen den Tischen hindurch bahnte und dabei den Blick über die Tänzerinnen schweifen ließ. Selbst in dem schummrigen Licht konnte sie seinen verächtlichen Gesichtsausdruck erkennen.

Wie erstarrt stand sie da und betrachtete ihn ganz gegen ihren Willen fasziniert. Jede seiner Bewegungen verriet Autorität und ungezügelte Männlichkeit. Mit dem dunklen Teint, dem glänzenden schwarzen Haar und dem teuren Anzug hob er sich von den Stammgästen des Clubs ab, und sie war sicher nicht die Einzige, die ihn bemerkt hatte.

Panik überkam sie, und wieder spürte sie jene starke Anziehungskraft wie bei ihrer ersten Begegnung. Amber verstärkte ihren Griff um das Tablett mit den Gläsern, damit diese nicht aneinanderklirrten. Fast ein Jahr lang hatte sie davon geträumt, dass er sie aufspüren und ihr seine Liebe gestehen würde, aber offenbar hatte sie sich falsche Hoffnungen gemacht.

Kazim hatte sie nie geliebt, und sie bezweifelte, dass sie noch eine brutale Zurückweisung von dem Mann ertragen konnte, den sie einmal über alles geliebt hatte. Er war ihr Traummann gewesen, der Einzige, den sie je geliebt hatte.

Da er sie noch nicht entdeckt hatte, stellte sie vorsichtig das Tablett ab und zog sich in den nicht erleuchteten Bereich zurück, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Ihr Herz klopfte im Takt der Musik, als sie sah, wie er stehenblieb und argwöhnisch die Stirn runzelte. Flüchtig ruhte sein Blick auf ihr, und sie erwiderte ihn unwillkürlich.

Dann machte Kazim einen Schritt auf sie zu. Sie glaubte bereits, dass es das gewesen wäre, als er sich erneut im Club umsah. Er hatte sie nicht erkannt. Eigentlich hätte sie sich darüber freuen müssen, doch sie verspürte einen schmerzhaften Stich.

Und gerade als Amber glaubte, sie könnte aufatmen, richtete er erneut den Blick auf sie. Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu und dem harten Zug um seinen Mund nach zu urteilen, hatte er sie erkannt und war alles andere als erfreut.

Unwillkürlich fasste sie sich an die blonde, von pinkfarbenen Strähnen durchzogene Perücke, die sie immer bei der Arbeit trug. Eigentlich konnte er sie nicht erkannt haben – oder doch? Doch sie würde kein Risiko eingehen. Sie war noch nicht bereit, ihm gegenüberzutreten, jedenfalls nicht hier und nicht in diesem Aufzug. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln und all die Träume zu verdrängen, die er zerstört hatte.

Erneut blickte Kazim zu den Tänzerinnen und dann wieder zu ihr. Und obwohl keiner von ihnen sich in diesem Moment von der Stelle gerührt hatte, schien der Abstand zwischen ihnen sich zu verringern, und Amber nahm Kazims Argwohn und sein Entsetzen wahr. Sie musste verschwinden. Und zwar sofort.

Schnell öffnete sie die nächste Tür und eilte den engen Flur zu den Garderoben entlang, wobei sie blinzelte, weil das grelle Licht sie blendete. Ihr Herz raste. Sie konnte nicht fassen, dass Kazim tatsächlich hier war, nicht nach seinen grausamen Worten und ihrer einzigen gemeinsamen Nacht.

„Amber!“, hörte sie ihn jetzt im Befehlston rufen.

Sofort blieb sie stehen und erstarrte. Ihr Herz pochte noch wilder, als sie seine Schritte hinter sich vernahm und dann erschauerte. Wie konnte Kazim immer noch eine derartige Wirkung auf sie ausüben?

Die Tür zum Club fiel ins Schloss, und schließlich verstummten seine Schritte. Amber spürte, dass er jetzt hinter ihr stand. Schließlich erwachte sie aus ihrer Starre und eilte weiter, ohne sich umzudrehen. Sie wagte es nicht, denn bei seinem Anblick würden all jene Erinnerungen wieder auf sie einstürmen.

„Du kannst weglaufen, Amber, aber du kannst dich nicht verstecken.“ Sein harter Unterton veranlasste sie, sich umzuwenden, als sie ihre Garderobe erreichte. Vor diesem Moment hatte sie sich fast ein Jahr lang gefürchtet.

Es war Zeit, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

„Ich laufe nicht weg.“ Amber straffte sich und wunderte sich selbst darüber, dass sie so mutig klang.

Kazim hatte sich verändert. Er war immer noch sehr attraktiv, sah aber verändert aus. Als er einige Schritte auf sie zu machte, betrachtete sie sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen und dem energischen Mund, das in dem grellen Neonlicht noch markanter wirkte. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, wie nervös sie war.

„Und ich versuche auch nicht, mich zu verstecken, Kazim.“

„Das dürfte dir in diesem lächerlichen Aufzug ohnehin schwerfallen.“ Seine dunklen Augen funkelten wütend, als er ihre Perücke betrachtete.

„Das gehört zum Job“, erwiderte sie forsch, während er weiter auf sie zukam und dann dicht vor ihr stehenblieb.

Verächtlich betrachtete er sie, genauso wie bei ihrer letzten Begegnung. Die Bilder, die plötzlich vor ihrem geistigen Auge auftauchten, waren so deutlich, als wäre all das erst am vergangenen Abend geschehen.

In jener Nacht hatte Kazim sie zurückgewiesen und ihre Liebe verhöhnt. Er hatte sich von ihr abgewandt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was es für sie bedeutete. Und deswegen hatte sie sich verändert. Sie war stärker geworden. Er würde ihr nie wieder wehtun.

„Und gehört das hier auch dazu?“ Er zog an den Federn, die an ihrem engen Korsett in Pohöhe befestigt waren.

„Ja“, antwortete sie scharf, während sie seine Hand wegstieß. Niemals würde sie ihm verraten, wie sehr er sie verletzt und ihr Leben zerstört hatte. „Womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, geht dich nichts mehr an. Dafür hast du ja gesorgt.“

Zorn flammte in ihr auf, als sie sich ins Gedächtnis rief, wie Kazim sich von ihr abgewandt hatte, als könnte sie einfach in ihr altes Leben zurückkehren. Dieses hatte sich völlig verändert, und ihn hatte es überhaupt nicht interessiert.

Plötzlich schien er sich zu verspannen. „Lebensunterhalt? So nennst du das also?“ Zorn blitzte aus seinen Augen, und sein Blick war so durchdringend, als wollte Kazim all ihre Geheimnisse ergründen.

Aufgebracht stemmte Amber die Hände in die Hüften. „Keine Angst, niemand weiß, wer ich wirklich bin.“

Das wusste sie ja selbst kaum noch. Sie versuchte sich genauso wie ihrer Mitbewohnerin weiszumachen, dass sie eine ganz normale junge Frau war, die über ihren Liebeskummer hinwegzukommen versuchte.

„Das erklärt, warum du so schwer zu finden warst“, sagte Kazim gereizt.

„Ich wollte ja auch nie gefunden werden. Ich habe noch einmal ganz von vorn angefangen.“

„In einem zweifelhaften Milieu wie diesem?“, spottete er.

„Ich habe mich für einen Kunstkursus angemeldet, Kazim.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wünschte Amber, sie könnte sie zurücknehmen.

Er atmete tief durch. „Und was ist mit deinen Verpflichtungen?“

„Was hattest du noch in unserer Hochzeitsnacht gesagt?“, erkundigte sie sich scharf. „Ach ja … Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Jetzt wirst du zu deiner Familie zurückkehren.

Einen Moment lang hoffte sie, ihm würde klar werden, dass er sie liebte, doch schnell verdrängte sie diese Gefühle wieder. Warum war Kazim hier? Er hatte ihr doch unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte und sich am liebsten wieder von ihr hätte scheiden lassen.

Seine dunklen Augen, in die sie sich damals sofort verliebt hatte, funkelten, und es lag ein bitterer Ausdruck darin. „Ich fasse nicht, dass du dich ausgerechnet in Paris versteckt hast, noch dazu in diesem Stadtteil.“

„Soll ich also lieber in die ganze Welt hinausposaunen, dass ich hier bin?“ Ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, denn er presste die Lippen zusammen. Falls er glaubte, er könnte einfach so wieder bei ihr auftauchen und über sie urteilen, täuschte er sich gewaltig.

„So habe ich es nicht gemeint.“ Er kam noch näher, und sie versuchte, seinem Blick standzuhalten. Sein würziger Duft quälte ihre Sinne, und sie rang um Fassung.

„Wie dann, Kazim?“ Um sich abzulenken, nahm Amber die Perücke ab und schüttelte ihr glänzendes schwarzes Haar. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war seine Reaktion.

Seine Augen wirkten plötzlich noch dunkler, und goldene Sprenkel erschienen darin. Kazim schluckte mühsam, einen harten Zug um den Mund.

Die ungezügelte Männlichkeit, die er ausstrahlte, schlug sie in seinen Bann und machte es ihr unmöglich, den Blickkontakt zu unterbrechen. Amber konnte nicht einmal vor dem Feuer zurückweichen, das zwischen ihnen aufgelodert war und sie zu verbrennen drohte. Doch sie fühlte sich dazu hingezogen wie eine Motte zum Licht.

Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete er sie. „Sicher hast du unsere letzte Begegnung nicht vergessen. Du konntest es nicht erwarten, dich deiner Sachen zu entledigen. Dass du in diesem Loch arbeitest, überrascht mich deshalb nicht.“

Bei der Erinnerung an jenen Striptease hätte sie am liebsten beschämt die Augen geschlossen. In ihrer Unschuld hatte sie damals geglaubt, sie würde genau das Richtige tun, und die Verführerin gespielt.

„Ich habe keine Zeit, mit dir zu streiten.“ Wütender denn je, widerstand sie der Versuchung, ihm die Perücke entgegenzuschleudern. „Sag mir einfach, was du willst, Kazim, und dann verschwinde, und zwar für immer.“

„Was ich will?“ Seine Augen funkelten kalt, und er fixierte sie gnadenlos.

„Raus damit.“ Amber wandte sich ab. Sie musste sich etwas anziehen, damit sie sich weniger verletzlich fühlte. „Du willst bestimmt die Scheidung.“

Amber öffnete die Tür zur Garderobe, in der Annahme, Kazim würde ihr nicht folgen, und warf die Perücke auf den Frisiertisch. Erst jetzt merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie musste ihre Gefühle unbedingt in den Griff bekommen.

Ein Klicken verriet ihr, dass Kazim ihr gefolgt und die Tür hinter sich abgeschlossen hatte. Als sie zu ihm herumwirbelte, sah sie ihn mit verschränkten Armen dastehen. Wie immer wirkte er ungemein überheblich.

„Eine Scheidung steht überhaupt nicht zur Debatte“, entgegnete er schroff.

Ihre Gedanken jagten einander. Was wollte er dann von ihr? Was mochte so wichtig sein, dass er sie ausfindig gemacht und sogar selbst aufgesucht hatte?

Kazim beobachtete, wie Amber das Blut aus dem Gesicht wich. Als einziger Sohn und Erbe des Scheichs von Barazbin war er dazu verpflichtet gewesen, die Frau zu heiraten, die dieser für ihn ausgesucht hatte. Und sein Vater hatte ihn auch gezwungen, Amber ausfindig zu machen. Allerdings hätte er nie damit gerechnet, sie an einem solchen Ort anzutreffen.

Seine Frau, Prinzessin Amber von Barazbin, arbeitete als Kellnerin in einem Etablissement, das nicht viel besser als ein Stripclub war. Wie tief war sie gesunken? Kazim verdrängte sein Entsetzen und konzentrierte sich auf den Grund für sein Kommen.

Amber wandte sich ab und fasste ihr Haar, das kürzer war als damals, zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie blickte starr in den Spiegel, als könnte sie Kazims Anblick nicht ertragen. Er hingegen betrachtete fasziniert ihre vollen Lippen.

Er würde sie nach Barazbin zurückholen, denn sie sollte dort an seiner Seite leben.

„Für mich ist eine Scheidung die einzige Wahl, Kazim. Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass unsere Ehe beendet war, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte“, erklärte sie streng und mit einem heiseren Unterton. Dann schminkte sie sich ab, und als sie ihn wieder ansah, wirkte sie jünger als dreiundzwanzig. Doch selbst ohne Make-up war sie wunderschön.

„Bestimmt hast du gehört, dass es meinem Vater gesundheitlich nicht gutgeht.“ Kazim ließ die Arme sinken und ballte die Hände zu Fäusten, denn wie immer, wenn er von seinem Vater sprach, verspürte er Zorn und gleichzeitig Reue.

„Was in Barazbin passiert, interessiert mich nicht“, erwiderte Amber kurz angebunden, was seine Wut noch verstärkte. „Warum auch? Ich werde nie wieder dorthin reisen.“

Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn so herausfordern würde. Sie machte ihn ebenso wütend, wie sie ihn erregte. Sie war nicht mehr die liebenswerte Braut, der er den Rücken gekehrt hatte. Doch sie war immer noch seine Frau.

Nun sah sie ihn überheblich an. „Ich würde mich jetzt gern umziehen, wenn es dir nichts ausmacht.“

„Ich habe nichts dagegen, wenn du dir etwas überziehst.“ Dann könnte er vielleicht endlich klar denken.

Sie stemmte die Hände in die Hüften, und genau wie vorher schlugen ihn der Anblick ihrer langen Beine und ihrer schmalen Taille, die durch das Korsett mit den lächerlichen pinkfarbenen Federn noch betont wurden, in ihren Bann.

„Damit meinte ich, dass du gehen sollst“, sagte sie gereizt.

Damit sie vor ihm weglaufen konnte, genau wie sie es am Morgen nach ihrer Hochzeit getan hatte? Er war sich noch gar nicht im Klaren darüber gewesen, wie sie getrennte Wege gehen sollten. Er durfte nicht riskieren, dass sie ein zweites Mal floh. Das hatte sein Vater deutlich gemacht.

„Wenn ich gehe, dann nur mit dir, und da ich nicht mit einer Stripperin in den Straßen von Paris gesehen werden möchte, ziehst du dich besser an.“ Kazim ging auf sie zu, doch ihre scharfen Worte ließen ihn abrupt innehalten.

„Ich bin keine Stripperin!“ Amber wich einige Schritte zurück.

„Wenn ich mich recht entsinne, bist du, was das Ausziehen betrifft, ziemlich versiert. Hast du das in unserer Hochzeitsnacht nicht auch getan?“

Nun atmete sie tief durch. Dass niemand ihre wahre Identität kannte, stimmte tatsächlich. Er hatte Monate gebraucht, um sie ausfindig zu machen.

„Ich bin Kellnerin. Aber wenn ich mich unbedingt umziehen soll, dann mach dich wenigstens nützlich und hilf mir.“

Zuerst konnte Kazim nur ihre bloßen Schultern betrachten, ihre gebräunte Haut, die so verführerisch war, dass er am liebsten die Fingerspitzen darüber hätte gleiten lassen. Dann schweifte sein Blick zu den vielen Häkchen, mit denen das Korsett geschnürt war. Was tat sie ihm bloß an?

Seufzend begann er dann, die Bänder zu lösen, und presste die Lippen zusammen, weil heiße Begierde in ihm aufflammte und es ihn wütend machte.

„Was ist denn mit deinem Vater?“, erkundigte Amber sich leise.

Sofort überkamen ihn schmerzliche Erinnerungen, während das Korsett auseinanderklaffte und ihren verführerischen Rücken offenbarte. In diesem Moment lenkte sie ihn von allem ab – dem Grund für sein Kommen und dem Trauma seiner Kindheit.

Wie gebannt verfolgte er, wie Amber das Korsett festhielt und hinter einen Paravent eilte. Sobald sie es darüberwarf, ging seine Fantasie mit ihm durch, und er sah Bilder ihrer Hochzeitsnacht vor sich.

Schnell riss Kazim sich zusammen. „Er ist hinfällig und schwach.“ Zumindest äußerlich. Ganz bewusst hatte er ausdruckslos gesprochen, weil er nicht grübeln wollte. Er schloss die Augen und verdrängte die Erinnerungen, die er bis an sein Lebensende mit sich herumtragen musste.

„Das tut mir so leid“, sagte Amber sanft, als sie hinter dem Paravent hervorkam – in einem weiten Pullover, Jeans und hohen Stiefeln. Sie erinnerte überhaupt nicht mehr an die Frau, die er geheiratet hatte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sie eine Prinzessin auf der Flucht war.

„Und deswegen musst du zurück nach Barazbin kommen. Ich bin sein einziger Erbe.“ Kazim widerstand dem Drang, ihr zu eröffnen, dass sie einen Erben zeugen mussten.

Amber schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall, Kazim.“

Er seufzte ungeduldig. „Ich mache mir Sorgen um unser Volk. Es gibt Unruhen, und die Nomadenstämme zahlen einen hohen Preis. Viele Menschen zweifeln an meiner Fähigkeit zu regieren, weil du nicht da bist. Also wirst du mich begleiten.“ Scheinbar ungerührt, zog sie ihren Mantel an und nahm ihre Handtasche. „Hörst du mir überhaupt zu, Amber?“

Das Mitgefühl für seinen Vater wich Ärger. „Ja, Kazim.“ Amber langte an ihrem Ehemann vorbei, um die Tür aufzuschließen, und fragte sich dabei, warum sie das nicht vorher getan und ihn hinausgeworfen hatte. Als sie seinem Blick begegnete, wusste sie jedoch, warum.

Irgendetwas schwelte zwischen ihnen. „Du glaubst also, du kannst mich aus einer Laune heraus wegschicken und mich dann wieder zurückbeordern.“ Als er herumwirbelte und die Tür zuhielt, schüttelte sie den Kopf. „Lass mich durch, Kazim, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst.“

„Den Sicherheitsdienst? Hier?“ Sein Tonfall war genauso eisig wie sein Blick. „Ich möchte sehen, wie diese Leute damit umgehen, wenn ein Mann und seine Frau sich unterhalten wollen.“

„Ich fühle mich nicht wie deine Frau, Kazim. Wir haben vor zehn Monaten geheiratet und uns seitdem nicht mehr gesehen.“ All der Kummer und der Zorn, die sie seit jener Nacht unterdrückt hatte, kochten nun hoch.

Autor

Rachael Thomas
Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...
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