Höhenflug der Leidenschaft

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Der Brief war privat und streng vertraulich - wo ist er nur? Ihre geheimsten Fantasien hat Violet darin aufgeschrieben! Doch er ist spurlos verschwunden. Dafür taucht plötzlich der attraktive Dominick auf, der ihr Nächte bereitet, als kenne er jeden intimen Wunsch …


  • Erscheinungstag 11.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767662
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sechs Tage bis Weihnachten

„Was du brauchst, ist etwas Warmes und Kuscheliges zu Weihnachten.“

Violet Summerlin runzelte die Stirn, während sie das Handy zwischen Kinn und Schulter klemmte. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich viel zu beschäftigt bin, um mich um ein Haustier zu kümmern.“ Sie schaute auf den flauschigen karamellfarbenen Pekinesen hinunter, den sie im Park ausführte. „Um ein eigenes jedenfalls.“

Nan seufzte. „Ich sprach eher von einem Mann.“

„Auch dafür habe ich keine Zeit.“

„Du arbeitest zu hart. Wann gibst du endlich ein paar Aufgaben an deine neue Assistentin ab? Hast du sie nicht deshalb eingestellt?“

Violet kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich weiß immer noch nicht genau, was ich von ihr halten soll. Sie ist nett, aber sie hat einen ganz anderen Arbeitsstil als ich.“

„Du meinst, sie ist nicht so pingelig wie du? Vielleicht wird diese Lillian dir helfen, ein bisschen lockerer zu werden.“

„Weihnachten gehört nun mal zu den Zeiten im Jahr, an denen am meisten los ist. Da kann ich es mir nicht leisten, ausgerechnet jetzt lockerer zu werden.“

„Violet“, meinte Nan nachsichtig, „es ist vielleicht gar keine schlechte Idee, ein bisschen Tempo herauszunehmen. Seit dem Tod deiner Großeltern wirkst du noch angespannter als sonst.“

„Ich vermisse sie schrecklich“, gestand Violet. „Obwohl Mom und Dad wieder in der Stadt wohnen, fühle ich mich manchmal so verloren.“

„Ich weiß, Süße, aber dein Arbeitspensum ist ungesund. Eines Tages wirst du deiner vergeudeten Jugend nachtrauern.“ Weil der Pekinese stehen blieb und anfing zu kläffen, blieb Violet ebenfalls stehen. „Danke für den Rat. Aber jetzt muss ich mich beeilen. Winslow will nicht weitergehen, solange ich telefoniere.“

„Du machst Witze, oder?“

„Nein, er ist ein verwöhnter kleiner Kerl und braucht meine volle Aufmerksamkeit, damit er … na, du weißt schon.“

„Ich würde ja lachen, wenn ich nicht wüsste, dass die alte Lady Kingsbury dir wahrscheinlich ein Vermögen zahlt, damit du nach ihrer Pfeife tanzt.“

„Ich bin eine persönliche Concierge, ich tue, was meine Kunden mir auftragen.“

„Besonders dieser tolle Dominick Burns.“

Nans Lieblingsthema war Violets bester Kunde, der außerdem ein stadtbekannter Playboy in Atlanta war. Bei dem Gedanken an ihn beschleunigte sich Violets Puls, weil sie seit fast einem Jahr heimlich in diesen Mann verknallt war. „Bis ich erfolgreich genug bin, um mir meine Kunden auszusuchen, muss ich mich eben um alle möglichen Tiere kümmern“, sagte sie fröhlich.

„Ja, aber diesen Mann nimmt keiner an die Leine“, entgegnete Nan und hechelte schneller als Winslow. „Der Kerl ist wirklich heiß.“

„Du meine Güte, geh kalt duschen.“ Am anderen Ende der Leitung war Nans Lachen zu hören, bevor Violet auflegte und vor dem Hund in die Hocke ging. „So, jetzt bin ich ganz für dich da. Würdest du also bitte dein Geschäft erledigen?“

Winslow kläffte und legte den Kopf schräg.

Seufzend gab Violet nach. Zeit war schließlich Geld. „Du bist ein braver Junge“, sagte sie und tätschelte den Kopf des arroganten kleinen Kerls. „Braver Junge, ja das bist du.“

Zufrieden nahm Winslow seine Position ein, während Violet das Gesicht verzog und sich abwandte.

Manchmal stellte sie ihre Entscheidung, „Summerlin at Your Service“ zu gründen, infrage, besonders nach einem Tag wie diesem, am dem sie zahllose Fahrten zur Reinigung und zum Kurierdienst hinter sich hatte, um zur Krönung mit Patricia Kingsburys Hund Gassi zu gehen.

Zum Glück bezahlten die meisten Kunden Höchstpreise für produktivere Dinge, wie zum Beispiel für das Einrichten eines Computers oder das Schmücken des Hauses für die Festtage. Aufgewachsen bei einem Großvater, der in technischen und elektronischen Dingen ein wahrer Zauberer gewesen war, und bei einer Großmutter, die Amerikas Küchenkönigin Martha Steward Konkurrenz gemacht hatte, hatte sie ihren verschiedenen Fähigkeiten mit einem Studium der Betriebswirtschaft und fünf Jahren Praxis in der Hotelbranche den letzten Schliff gegeben. Dass sie seit der Gründung ihres Concierge-Unternehmens vor drei Jahren jeden Kundenwunsch erfüllen konnte, erfüllte sie mit Stolz.

Violet hielt inne. Mit Ausnahme von Dominick Burns, der angedeutet hatte, dass er nichts gegen ein wenig mehr persönliche Aufmerksamkeit hätte.

Dieser teuflisch gut aussehende Bad Boy, der ein Vermögen mit dem Entwerfen und Herstellen von Extremsportausrüstung gemacht hatte, war zu beschäftigt, um sich um Alltagskleinigkeiten zu kümmern. Trotzdem gefiel ihm offenbar der Gedanke nicht, Leute fest anzustellen, die sich um seine Belange kümmerten. Also fuhr Violet einmal in der Woche zu seinem Büro, wo sie eine To-do-Liste abholte, die alle möglichen Aufgaben enthielt – von der Auswahl eines Anzugs für einen besonderen Anlass, der Auswahl von persönlichem Briefpapier bis zum Kauf eines Geschenks für die aktuelle Freundin.

Was seine Freundinnen wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass er gar nicht selbst in den Boutiquen gestöbert hatte, um ein Geschenk für sie zu finden, das ohnehin nur dazu diente, sie ins Bett zu bekommen?

Allerdings war Dominick Burns großzügig, das musste sie zugeben, und er beauftragte sie meistens mit interessanten und relativ anspruchsvollen Dingen. Sie fragte sich, was sie wohl heute auf seiner Liste finden würde. Da es nur noch eine Woche bis Weihnachten war, handelte es sich wahrscheinlich um eine Geschenkeliste. Violet erinnerte sich an all die Frauen, für die sie im Laufe des Jahres kleine Aufmerksamkeiten besorgt hatte. Es waren schätzungsweise zwanzig gewesen.

Eine hübsche runde Zahl, dachte sie spöttisch.

Sie bückte sich, um Winslows Geschäft in einer dafür vorgesehenen Tüte verschwinden zu lassen, die sie in den nächsten Mülleimer warf, und zerrte ihn in Richtung seines Zuhauses. Die Luft war kühl, und Violet überlegte, ob es dieses Jahr wohl ausnahmsweise Schnee zu Weihnachten geben würde. Selbst im tiefsten Winter schneite es in Atlanta nur selten. Aber hoffen konnte man ja.

Leider würde dies das erste Weihnachtsfest ohne ihre Großeltern werden. Wenigstens hatten ihre Eltern ihre Weltreise unterbrochen, um eine Weile im Haus der Großeltern zu wohnen und Weihnachten mit Violet zu verbringen. Natürlich vermisste sie Granny und Grandpa sehr, doch andererseits hatte sie sich immer sehnlich gewünscht, Weihnachten einmal mit ihren Eltern feiern zu können. Jahrelang blieb es bei dem Wunsch, denn ihre Eltern waren einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um an ihre Tochter zu denken.

Jetzt, da sie die Feiertage selbst gestalten konnte, freute sie sich darauf, mit den beiden vor dem geschmückten Baum zu sitzen und heißen Apfelwein zu trinken, während es aus dem Ofen nach Braten duftete und im Hintergrund Weihnachtsmusik spielte. Sie würden sich gegenseitig Geschenke machen, die ehrlich von Herzen kamen. Für ihre Mutter hatte sie einen Quilt gemacht, und ihrem Vater hatte sie einen Werkzeugkasten für die Werkstatt gekauft, die er in der Garage einrichten wollte. Nachdem sie wegen ihres Vaters, der als Dolmetscher für Diplomaten arbeitete, jahrelang um die Welt gereist waren, schienen ihre Eltern endlich sesshaft zu werden.

Violet seufzte zufrieden. Es würde ein wundervolles Weihnachtsfest werden.

Als sie noch einen halben Block vom Kingsbury-Haus entfernt waren, einem alles überragenden Backsteingebäude mit Weihnachtsbeleuchtung, setzte Winslow sich trotzig hin und wollte nicht weitergehen.

Genervt hob Violet ihn auf den Arm und trug ihn den restlichen Weg. Dass das genau das war, was das kleine Biest beabsichtigt hatte, wurde ihr klar, als Winslow seine kalte Nase an ihre Schulter drückte.

„Du bist unverbesserlich“, sagte sie tadelnd, bevor sie das Haus betrat.

Patricia Kingsbury nahm ihren Liebling an der Tür in Empfang. Ihre mit Edelsteinen besetzten Armreifen klimperten, als sie die Hände nach ihm ausstreckte.

„Hat er Aa gemacht?“ Patricia klang besorgt, ihrem Gesicht war das jedoch nicht anzusehen, was Violet auf die regelmäßigen Botox-Injektionen schob.

„Ja, hat er.“

Patricia knuddelte ihren Hund. „Sie scheinen genau zu wissen, wie man mit ihm umgehen muss.“

„Das ist eine Gabe“, stimmte Violet zu. „Falls nichts weiter ist, Miss Kingsbury …“

„Violet, Sie arbeiten seit zwei Jahren für mich. Nennen Sie mich bitte Patricia.“

„Patricia“, verbesserte sie sich wunschgemäß, „falls nichts mehr …“

„Ich habe meine Einkaufsliste auf den Tisch gelegt. Und würde es Ihnen etwas ausmachen, ein paar Sachen für mich in die Einkaufspassage zu bringen?“ Dabei zeigte sie auf einen Berg Tüten auf dem Sofa.

„Überhaupt nicht.“

„Hier ist meine Kreditkarte. Tauschen Sie alles um, und wenn es Probleme gibt, rufen Sie mich an.“

„Ich bin sicher, es wird keine Probleme geben.“ Violet nahm die Liste und die Tüten und ging zur Tür. „Ich bringe Ihnen Ihre Kreditkarte morgen früh vorbei.“

„Morgen Nachmittag reicht völlig, meine Liebe, wenn Sie ohnehin kommen und Winslow abholen.“

„Fein. Bis dann.“

Zum Hundesitter degradiert zu werden ist gar nicht so schlecht, dachte Violet wenig später, als sie ihren Hybrid-Geländewagen auf die I-75 Richtung Norden lenkte. Miss Kingsbury stellte sie selten vor schwierige Aufgaben, außerdem hatte sie schon viele Empfehlungsschreiben von ihr bekommen.

Nachdem sie sich dreißig Minuten durch den sechsspurigen Verkehr gekämpft hatte, erreichte sie eine Vorortsiedlung, in der drei Häuser zum Verkauf standen. Ihr Auftrag lautete, Spinnweben zu entfernen, Vasen mit frischen Blumen aufzustellen und ganz allgemein dafür zu sorgen, dass es keine unliebsamen Überraschungen gab, wenn der Makler mit einem Interessenten auftauchte. Überraschungen wie zum Beispiel die, dass der bankrotte frühere Besitzer des Hauses noch in einem der Kleiderschränke hauste oder ein Waschbär in der Küche saß. Oder ein umgestürzter Baum durch die Schlafzimmerdecke ins Haus ragte. Das hatte sie alles schon erlebt.

Mit Margeriten, einem Besen und einem Elektroschocker bewaffnet, eilte sie durch die Häuser und schaute in jeden Winkel. Nach ereignislosem Fegen fuhr sie auf der I-75 wieder nach Süden und kämpfte sich abermals durch den Verkehr, um zu einem Tabakladen zu gelangen, wo sie eine Kiste Zigarren für Dominick Burns bestellt hatte. Auf dem Weg in die Innenstadt klingelte ihr Handy. Ihre Assistentin meldete sich. In der Hoffnung, dass nichts passiert war, schaltete Violet die Freisprechanlage ein. „Hallo, Lillian, was gibt’s?“

„Sie haben einen Besucher. Dominick Burns.“

„Aber ich bin heute Nachmittag mit ihm in seinem Büro zu unserer wöchentlichen Besprechung verabredet.“

„Er sagt, er sei gerade in der Gegend gewesen und wolle warten.“ Lillian senkte die Stimme. „Er sieht ziemlich gut aus und hat mich um einen Wodka Tonic gebeten.“

Violet verdrehte die Augen. „Wir sind ein Büro, keine Bar. Geben Sie ihm eine Tasse Kaffee. Ich bin in fünf Minuten da.“ Sie überprüfte ihre Frisur und ihr Make-up im Rückspiegel und redete sich ein, dass sie das bei jedem Kunden so machen würde. Dann strich sie sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus dem unspektakulären Pferdeschwanz gelöst hatten – mit dem Dominick Burns sie immer aufzog. Ihr schwarzer Hosenanzug war ebenfalls Standard. Dazu trug sie, je nach Jahreszeit, entweder ein weißes T-Shirt oder einen Rollkragenpullover, so wie jetzt. Bequeme schwarze Halbschuhe vervollständigten den neutralen Look. Ihre „Uniform“ war sicher nicht annähernd so glamourös wie das, was Dominicks Freundinnen trugen, aber dafür sah sie professionell aus, und nur darauf kam es an.

Außerdem wäre Dominick sowieso nie im Leben ernsthaft an ihr interessiert.

Violet fuhr in die Tiefgarage und hielt auf einem der vier für sie reservierten Parkplätze. Im Erdgeschoss lag ihr Büro, das ein kleines Schaufenster zur Juniper Street hinaus hatte, im ersten Stock befanden sich die Wohnräume. Lillians VW Käfer stand auf einem weiteren der Summerlin-at-Your-Service-Plätze. Auf den verbliebenen zwei Stellplätzen parkte ein schwarzes Porsche-Cabrio, und zwar schräg, so als hätte sein Fahrer sich nicht damit aufhalten können, korrekt einzuparken. Auf dem vorderen Nummernschild stand XTREME. Violet stieg aus und hielt ihren Ärger im Zaum.

Der Mann war jedenfalls extrem dreist, so viel stand fest.

Als sie ihr Büro betrat, wusste sie auch wieder, warum: Dominick Burns war, wie ihre Granny sagen würde, so außergewöhnlich wie Froschhaar.

Lässig lehnte er am Schreibtisch ihrer Assistentin, die langen Beine von sich gestreckt. Sein dunkelbraunes Haar war von der Sonne gebleicht – ungewöhnlich genug im Dezember. Die dunkelblauen Augen wurden umrahmt von den längsten schwarzen Wimpern, die man sich vorstellen konnte. In der löchrigen Jeans und dem grauen Sweatshirt mit dem Logo der Emory-University sah er eher aus wie ein Student und nicht wie der Chef eines millionenschweren Unternehmens.

Ihrem Lachen nach zu urteilen, amüsierten sich Lillian – eine zierliche Frau in den Vierzigern, die eine pinkfarbene Strähne in ihr stachelkurzes schwarzes Haar gefärbt hatte – und Dominick prächtig. Sie hatten nicht einmal die Türglocke gehört, die erklang, als Violet eintrat. Aus irgendeinem Grund ärgerte sie das, zumal sie das unbehagliche Gefühl hatte, dass die beiden über sie lachten.

„Hallo, Mr. Burns.“ Als er sie ansah, bekam sie sofort Herzklopfen.

„Du liebe Zeit, Vee, wie oft habe ich Sie schon gebeten, mich Dominick zu nennen?“

„Und wie oft habe ich Sie schon gebeten, mich nicht Vee zu nennen?“

Er zuckte die Schultern. „Ein paar Hundert Mal.“ Dann wandte er sich an Lillian. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, Ihr Boss ist ein bisschen gereizt.“

„Hier sind Ihre Zigarren“, unterbrach Violet ihn und hielt ihm die Kiste hin. „Können wir in meinem Büro weitersprechen?“

Dominick grinste Lillian an. „Ich glaube, ich stecke in Schwierigkeiten – und es gefällt mir. “

Ohne darauf einzugehen, marschierte Violet in ihr Büro. Dieser Mann war ein großes Kind.

Er folgte ihr gut gelaunt, und schon kam ihr das Büro, in dem nur ihr Schreibtisch, zwei Stühle und ein Aktenschrank Platz fanden, viel zu klein vor. „Sie arbeiten also hier unten und wohnen oben?“, erkundigte er sich.

„Stimmt. Es ist klein, aber mir reicht es.“

„Gute Lage, so dicht am Piedmont Park.“

„Ein weiterer Pluspunkt“, stimmte sie zu. „Außerdem gibt es vernünftige Parkplätze – solange die Kunden nicht gleich zwei Plätze beanspruchen.“

„Ich bleibe nicht lange“, versprach er, trank einen Schluck Kaffee und sah sich um. „Hier drin ist alles so ordentlich. Sind Sie sicher, dass Sie hier arbeiten?“

„Ja.“

Sie stellte ihre Tasche ab, und als sie sich wieder umdrehte, hatte er den Stapel Aktenordner auf ihrem Schreibtisch durcheinandergebracht. Dominick sah zur Decke und pfiff wie ein unschuldiger Junge.

„Toll“, bemerkte sie trocken.

„Ach kommen Sie schon, Vee. Werden Sie locker.“

„Mr Burns“, entgegnete sie kühl, „ich bin gut in meinem Job, weil ich auf Details achte. Was kann ich heute für Sie tun?“ Provozierend hob er eine Braue, was sie ignorierte. Dann seufzte er, zog ein zerknülltes Stück Papier aus der Hosentasche und reichte es Violet. „Na schön, kommen wir zum Geschäftlichen. Es gibt eine Firma in Miami, die ich zu kaufen gedenke. Ich möchte, dass Sie für mich einige Nachforschungen anstellen.“

„Sunpiper Extreme Sports School?“, las sie laut vor. „Genau.“

„Was für Nachforschungen?“

„Was immer Sie finden können. Recherchieren Sie im Internet, oder telefonieren Sie herum.“

„Ich kenne mich mit Extremsportarten nicht besonders gut aus. Möglicherweise bin ich nicht geeignet für diesen Job …“

„Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann und der nicht in meiner Firma arbeitet. Sobald sich herumspricht, dass ich Informationen einhole, gibt es Probleme. Die Leute werden gierig, und ich weiß nicht, ob meine Berater wirklich loyal sind.“ Wenn er ernst wurde wie jetzt und der Ausdruck in seinen Augen Wärme und Intuition verriet, verstand Violet vollkommen, weshalb dieser Mann so erfolgreich war. Hinter der lockeren Fassade verbarg sich ein hochprofessioneller Geschäftsmann. Er konnte einen in seinen Bann ziehen, darum wandte sie den Blick ab und räusperte sich. „Gut, ich werde mich gleich an die Arbeit machen.“

„Wenn Sie auf etwas Interessantes stoßen, schicken Sie mir die Informationen nach Hause.“

„Selbstverständlich. Ist das alles, Sir? Brauchen Sie noch Weihnachtsgeschenke?“

Das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück, und er verwandelte sich wieder in den großen Jungen. „Sie kennen mich gut. Das steht alles auf der Rückseite des Zettels.“

Sie drehte den zerknitterten Zettel um und las die handgeschriebene Liste. Bei den meisten Namen handelte es sich um die von Frauen, was nicht überraschend war.

Er beugte sich über den Schreibtisch und funkelte sie so übermütig an, dass sie instinktiv ein Stück zurückwich. „Was wünschen Sie sich eigentlich zu Weihnachten?“

Nans Bemerkung, sie brauche etwas Warmes und Kuscheliges, kam ihr in den Sinn, doch das verdrängte sie rasch. Stattdessen sagte sie: „Frieden in der Welt.“

Dominick lachte. „Ich glaube, Sie könnten das hinbekommen, wenn Sie das Kommando hätten. Danke für die Zigarren.“ Er setzte seine verspiegelte Sonnenbrille auf und ging in Richtung Tür. „Wir sehen uns, Lillian!“, rief er auf dem Weg nach draußen.

Noch ehe die Türglocke hinter ihm aufgehört hatte zu läuten, stand ihre neue Assistentin bereits in ihrem Büro. „Was für ein Mann!“, seufzte Lillian.

„Na, wenigstens ist eine von uns seinem Charme erlegen.“

„Sie etwa nicht?“

Erst jetzt merkte Violet, dass sie an ihrem Rollkragen zupfte, um sich Luft zu verschaffen. Sofort ließ sie die Hand sinken. „Nein“, erwiderte sie mit mehr Nachdruck als beabsichtigt und nahm Lillian den Stapel Post ab. „Schließlich ist er ein Kunde. Seine Aufträge brauche ich dringender als sein …“ Lillian wartete gespannt.

Prompt errötete Violet. „Gab es Anrufe für mich, während ich weg war?“

Ihre Assistentin reichte ihr einen kleinen Stapel pinkfarbener Notizzettel. „Wenn Sie mich brauchen, sagen Sie Bescheid.“

„Natürlich.“ Allerdings hatte sie nicht die Absicht, Lillian schon jetzt Kunden anzuvertrauen. Vielleicht konnte sie ihr im neuen Jahr, wenn alles etwas ruhiger lief und sie sich besser kannten, mehr Verantwortung übertragen. „Danke für die Post. Wären Sie denn so freundlich, Mr. Burns’ Kaffeetasse mitzunehmen? Und schließen Sie bitte die Tür, wenn Sie gehen.“

„Gern“, erwiderte Lillian lächelnd und zog sich zurück.

Nur Sekunden später schaltete Violet ihren Laptop ein, um mit der Recherche für Dominick zu beginnen. Während sie darauf wartete, dass der Computer hochfuhr, sortierte sie ihre Post. Ein länglicher weißer Umschlag mit dem Absender Jacksonville, Florida, fiel ihr ins Auge. Covington Women’s College. Ihre ehemalige Universität? Wahrscheinlich ging es um irgendeine Wohltätigkeitsveranstaltung. Sie riss den Umschlag auf und zog einen Begleitbrief zu einem pink gepunkteten Umschlag heraus. Irgendetwas rührte sich vage in ihrer Erinnerung. Neugierig las sie den Briefkopf – Dr. Michelle Alexander.

Violet stutzte. Ihre frühere Dozentin?

Liebe Miss Summerlin, Sie haben in Ihrem letzten Studienjahr an meinem Kurs „Die sexuelle Psyche“ am Covington Women’s College teilgenommen. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass eine der freiwilligen Arbeiten darin bestand, die eigenen sexuellen Fantasien niederzuschreiben und in einem Umschlag zu versiegeln, der Ihnen zehn Jahre später zugestellt werden sollte. Beiliegend finden Sie Ihren Umschlag, der, um die Anonymität zu wahren, mit einem Zahlencode versehen katalogisiert wurde. Ich hoffe, sein Inhalt wird Ihnen nützlich sein, wo immer Sie heute sein mögen und wie auch immer Ihre Lebensumstände aussehen. Falls Sie Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, Kontakt zu mir aufzunehmen.

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Michelle Alexander

Über Jahre vergessene Erinnerungen erwachten in ihr Der Kurs „Die sexuelle Psyche“ war von allen Studentinnen scherzhaft „Sex für Anfänger“ genannt worden. Violet hatte sich ziemlich verwegen gefühlt, dass sie ihn überhaupt belegt hatte. Ihren Großeltern erzählte sie damals jedenfalls nichts davon, und im Hörsaal setzte sie sich ganz nach hinten – anfangs zumindest. Doch als Dr. Alexander darüber dozierte, wie gesund es sei, eine selbstbewusste Liebhaberin zu sein, war Violet nach und nach weiter nach vorn gewandert. Als Teenager war sie eine Spätentwicklerin gewesen, scheu und unsicher, und hatte die Nase lieber in Bücher gesteckt. Wegen einer ständig abwesenden Mutter und einer sehr altmodischen Großmutter war sie nie richtig aufgeklärt worden, weshalb sie den Kurs geradezu revolutionär fand. Er weckte allerdings auch ganz erstaunliche Empfindungen und Bedürfnisse in ihr … Sie erinnerte sich noch schwach an die Aufgabe, ihre Fantasien niederzuschreiben, und wie sie dabei um die richtigen Worte gerungen hatte, aber was sie geschrieben hatte, wusste sie nicht mehr.

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Violet schaute auf ihren Laptop, der gerade einen Virencheck durchführte. Zögernd nahm sie den pinkfarbenen Umschlag in die Hand.

2. KAPITEL

Violet zog zwei gefaltete Blätter aus dem kleineren Umschlag und war plötzlich schrecklich aufgeregt. Gleich würde sie einen Blick in ihre Seele vor zehn Jahren werfen. Damals war sie so ernst gewesen. Der Kurs „Sex für Anfänger“ hatte sie ziemlich aufgewühlt, wenn auch nur für wenige Wochen.

Sie sah kurz zur geschlossenen Bürotür, dann faltete sie die Blätter auseinander und fing an zu lesen.

Liebe Violet,

mir fällt die Aufgabe, meine sexuellen Fantasien aufzuschreiben, sehr schwer, denn mir ist irgendwie immer noch nicht klar, worum es beim Sex eigentlich geht. Ich habe es erst zweimal getan, und beide Male war es vorbei, bevor ich überhaupt die Bluse ausgezogen hatte.

Ich muss sagen – wenn Sex so ist, dann bin ich nicht sehr beeindruckt. Es kommt mir doch ein bisschen langweilig vor. Zum Beispiel, es in einem Bett zu tun … Kann man nicht an anderen Orten als im Schlafzimmer Sex haben? Ein Bett ist doch quasi eine Einladung zum Einschlafen! (Was dem einen Jungen auch prompt passiert ist…)

Vielleicht liegt es auch an mir, vielleicht bin ich nicht aufregend genug, um einen Mann lange genug zu interessieren. Ich weiß, dass die meisten Jungs mich für langweilig und verklemmt halten. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in mir selbst gefangen bin. Ich versuche aus mir herauszukommen, aber es gelingt nicht. Ich will mich ändern, aber ich weiß nicht, wie.

Dr Alexander sagt, dass sie uns diese Briefe in zehn Jahren zuschicken wird. Wenn Du das liest, Violet, bist Du hoffentlich nicht mehr so gelangweilt. Ich hoffe, Du hast dann jemanden gefunden, mit dem du aufregenden Sex hast. Ich hoffe, Du hast einen Weg gefunden, um aus Dir herauszukommen.

Ein Klopfen ließ sie aufschrecken. Hastig schob Violet den Umschlag unter einen Ordner auf ihrem Schreibtisch, als Lillian auch schon den Kopf durch den Türspalt steckte.

„Violet …“ Sie hielt inne. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Violet nickte, setzte sich gerader hin und fuhr sich mit der Hand über den geröteten Hals. „Ja, alles … bestens. Was gibt es denn?“

Lächelnd hielt Lillian eine Dose hoch. „Noch mehr Süßigkeiten. Wenn die weiter in diesen Mengen abgegeben werden, kann ich mein Gewicht nicht halten. Möchten Sie ein paar Karamellbonbons?“

„Jetzt nicht, danke.“ Violet dachte daran, dass sie noch nicht zu Mittag gegessen hatte. „Wer hat die geschickt?“

„Gail’s Gourmet Candy.“

„Oh, die sind bestimmt gut. Das ist ein Laden, in dem ich für meine Kunden einkaufe. Die können Sie mit nach Hause nehmen, wenn Sie wollen.“

„Danke, das werde ich.“ Die Assistentin wollte die Tür wieder schließen.

Autor

Stephanie Bond
Kurz bevor Stephanie Bond ihr Studium der Informatik abschloss, schlug einer ihrer Dozenten vor, es mit dem Schreiben zu versuchen. Natürlich hatte dieser eher akademisches Schreiben im Sinn, doch Stephanie Bond nahm ihn wörtlich und veröffentlichte ihre ersten Liebesromane. Nach dem großen Erfolg ihrer Bücher widmete sie sich ganz dem...
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