Ich brauch dich - jetzt!

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Wie gut, dass gerade jetzt Des in Kits Leben aufgetaucht ist! Er nimmt sie in die Arme, wenn sie hören will, wie sehr er sie liebt, er zeigt ihr, dass er sie begehrt. Und das Wichtigste: Er unterstützt sie in ihrer schwierigen Situation, denn Kit steht unter Mordverdacht ...


  • Erscheinungstag 22.08.2022
  • Bandnummer 09
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515023
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Des. Kit musste unaufhörlich an ihren Stiefcousin Desmond denken, und das störte den Frieden dieses kalten Wintermorgens. Desmonds Bild verfolgte sie – seine dunklen Augen, sein unergründliches Lächeln, seine große, hagere Gestalt. Es war verrückt, dass er sie so sehr beeindruckte, das wusste sie, und sie fühlte sich dabei nicht wohl. So war es immer, wenn er mal wieder auf der Ranch war. Richtig frei fühlte Kit sich erst, wenn er wieder fort war.

Der Kies knirschte unter Kits Füßen, als sie sich dem Pferdestall näherte. Die aufgehende Sonne färbte den Horizont in zarten Tönen, die von Rot bis Rosa reichten. Die Arbeit auf der Ranch hatte längst begonnen. Es hatte Nachtfrost gegeben, doch für Kit war Kälte nicht unangenehm. Wie gut konnte sie doch in der klaren, kalten Luft nachdenken!

Sie liebte die winterlichen Morgenstunden auf der Double-B-Ranch. Dieser Ort gefiel ihr zu jeder Jahreszeit. Hier war sie zu Hause. Obwohl ihr Vater, Edward Baron, sie und ihre beiden Schwestern sehr streng erzogen hatte, fühlte sie schon sehr früh, dass sie von diesem Stückchen Erde nicht wieder loskommen würde. Ihre beiden Schwestern, Tess und Jill, lebten nicht mehr auf der Double-B-Ranch.

Nach dem Tod ihres Vaters hatte Kit begonnen, der Ranch ihren persönlichen Stempel aufzudrücken und den Betrieb nach ihren eigenen Vorstellungen umzugestalten. Das Land hatte etwas Ungezähmtes, Wildes, womit sie sich gut identifizieren konnte. Die Ranch war nicht nur ihr Zuhause, sie war ihr Leben.

Kit ging schneller, je näher sie dem Pferdestall kam. Als Kind hatte sie sich hier oft vor ihrem herrschsüchtigen Vater versteckt. So war es auch an einem Sommerabend, nachdem ihr Vater sie zu Unrecht ausgeschimpft hatte.

Als Desmond an jenem Abend in den Pferdestall kam, hörte er Kit schluchzen. Er ging dem Weinen nach und fand Kit in der hintersten Ecke des Heubodens. Wortlos hatte er sie in seine Arme genommen. Aber sehr bald schon streichelte er sie nicht mehr aus Mitgefühl, flüsterte ihr keine tröstenden Worte mehr zu. Desmond begann, sie zu bedrängen, zu küssen. Beide verspürten Verlangen nacheinander, doch Desmond hatte sich noch rechtzeitig gezügelt, sodass nichts passiert war. An jenem Abend hatte Kit begriffen, dass sie für Desmond anders als für andere Männer empfand.

Er war gefährlich. Es fiel ihm leicht, ihre Begierde zu wecken, bis sie ihn für den wichtigsten Menschen auf der Welt hielt. Es war fast so, als hätte er sie mit einem Bann belegt.

Aber das durfte nicht passieren. Es reichte Kit schon, dass sie einen strengen Vater hatte. Sie wollte sich daher nie wieder von einem Mann beherrschen lassen.

Und trotzdem wollte sie, genau wie ihre Schwestern, Des heiraten, wenn auch nur aus geschäftlichen Gründen. Auch Kit ging es zunächst einmal nur um die Kontrolle von Baron International, ihrem Familienunternehmen. Das hatte mit dem Testament ihres Vaters zu tun, wonach jede der drei Schwestern innerhalb einer bestimmten Frist einen bestimmten Gewinn erwirtschaftet haben musste. Dadurch traten die Schwestern in Konkurrenz zueinander – ganz so, wie es der alte Baron beabsichtigt hatte. Persönlich war Kit vor Des auf der Hut. Seine Anziehungskraft war ihr nicht geheuer. Aber warum musste sie trotzdem immer wieder an ihn denken?

Kit betrat den Stall, knipste das Licht an und ging die breite Stallgasse entlang, die sich zwischen den Boxen befand. Es roch nach Heu, Sattelfett, Leder und Pferden. Seit ihrer Kindheit waren Kit diese Gerüche wohl vertraut. Diablo war sehr unruhig, schlug nach aus und wieherte dabei leise. Offenbar hatte ihn Irgendetwas erschreckt.

Kit runzelte die Stirn und blieb am Eingang der Sattelkammer stehen, wo sich neben Sätteln und Zaumzeug auch das Futter befand. Sie nahm einen Apfel vom Kühlschrank, nahm sich Diablos Halfter und ging damit zu seiner Box. Der Hengst hob den Kopf und nickte dabei Kit wie zum Gruß zu.

„Guten Morgen, Diablo“, flüsterte Kit, gab dem Pferd den Apfel und streichelte dabei den Hals des Hengstes. „Was ist los, mein Junge? Ist eine der Katze in deine Box gekommen und hat hier herumgespukt? Oder konntest du es nicht erwarten, dass wir beide endlich ausreiten? Du hast doch wohl nicht etwa Angst vor unserem Galopp heute Morgen?“ Kit striegelte Diablo und versuchte, ihn durch ihre Anwesenheit und Routine zu beruhigen.

Kit wusste, dass sie nervös war. Desmond war seit gestern Abend wieder auf der Ranch.

Diablo war ein kastanienbrauner Hengst, Mähne und Schweif waren hell. Das Pferd war schon früh misshandelt worden. Daher stammte auch seine Abwehr gegenüber Männern. Diablos früherer Besitzer nannte es Diablo, weil es angeblich so tückisch war wie ein Teufel. Vergeblich hatte der Mann versucht, Kit vom Kauf dieses „verrückten Teufelspferdes“ abzubringen. Wie gut war es für Diablo, dass Kit ihn gekauft hatte!

Für Kit, die immer nur unter der Fuchtel ihres Vaters gestanden hatte, war Diablo wie ein Lamm, auch wenn sie die Einzige auf der Ranch war, die das dachte. Aber sie verstand das Tier gut und deshalb kam auch niemand so gut mit Diablo zurecht wie sie. Kit schaffte es, dem Pferd Vertrauen einzuflößen und es zu zähmen.

Als Kit die Stalltür öffnete und eintrat, tänzelte Diablo schon eifrig herum. „Ich weiß schon, mein Hübscher“, murmelte Kit und stülpte ihm das Halfter über. Genau wie Kit liebte Diablo die allmorgendlichen Ausritte. Es war die Zeit, wo sie, in Wind und Wetter, garantiert allein waren.

Aber Diablo war noch wegen etwas anderem unruhig. Kritisch prüfend schaute sich Kit im Stall um. Sie ging hinaus und holte sich eine Forke, um das Stroh zu wenden. Dabei übersah sie, dass doch etwas nicht stimmte.

Kit führte Diablo hinaus in die Reithalle und band ihn an einem Pfosten fest. Er scharrte mit seinen Hufen im Sand. Die anderen Pferde wurden durch ihn ebenfalls unruhig.

„Ich habe dich erwartet.“ Kit schauderte es, als sie diese raue Stimme hörte. Darum war Diablo so nervös!

„Was machst du hier?“, fragte Kit ängstlich. Wenn es sich vermeiden ließ, kam niemand eher in den Pferdestall, bis Kit Diablo hinausgeführt hatte.

„Wie ich schon sagte. Wir müssen miteinander reden“, wiederholte Cody Inman. Er war ein gedrungen wirkender Mann Ende zwanzig, mit dunklem, lockigen Haar. Er arbeitete seit acht Monaten auf der Ranch. Mehrere Male hatte er sich der Gruppe angeschlossen, mit der Kit zum Tanzen ging. Aber gestern Abend hatte es sich so ergeben, dass sie beide allein ausgingen.

Kit war am gestrigen Abend gemeinsam mit Cody in einem ihrer Hubschrauber zum Tanzen in die nächste Stadt geflogen. Für eine kurze Zeit hatte es ihr auch richtig Spaß gemacht. Doch dann hatte Cody einfach zu viel getrunken und Annäherungsversuche gemacht. Kit beendete daher den Abend vorzeitig.

Kit war als Chefin der Double-B-Ranch für alles verantwortlich, was in dieser Männerwelt passierte. Sie verstand es, zwischen ihren Rollen als Chefin und Frau zu trennen.

Kit hatte zwei Grundsätze. Sie gab sich privat nur mit Männern ab, die nichts Ernsthaftes von ihr wollten. Das hatte sie auch bei Cody erhofft. Außerdem wollte sie während dieses Tanzabends nicht mehr an Des denken müssen. Doch welch ein Irrtum! Als er sie am Vortag schriftlich um ein Treffen gebeten hatte, war sie schon in Panik geraten. Sie hatte sich daher etwas vorgenommen. Aber wie konnte sie ihm aus dem Weg gehen?

Sie war es gewohnt, mit den Arbeitern der Ranch auszugehen. Nur mit Cody bereitete es ihr allmählich Unbehagen. Das war wirklich kein Zustand!

„Geh zurück, Cody“, forderte Kit ihn auf. „Du machst Diablo nur nervös!“

„Diesen Teufel erschreckt doch alles.“

„Ich weiß nicht, wo du heute Morgen arbeiten sollst. Aber auf jeden Fall nicht hier. Werd erst mal nüchtern, und dann geh an die Arbeit.“

Kit ging in die Sattelkammer zurück, um Bürsten und Striegel für Diablo zu holen.

„Nein, meine Süße!“, rief Cody und nahm Kit am Ellenbogen. „Ich habe mir heute freigenommen. Nebenbei, ich eigne mich auch als Boss. Keiner von denen da ist dafür begabt genug.“

Cody griff hart nach Kits Schulter. „Du bist ja betrunken“, schrie Kit. „Geh und mach, was ich dir sage!“

„Erzähl mir nicht, was ich zu tun habe! Ich bin nicht einer von diesen hergelaufenen Hilfsarbeitern!“, rief Cody. „Zwischen dir und mir beiden hat es gestern Abend mächtig gefunkt. Und ich werde nicht eher irgendwo hingehen, solange wir nicht ein paar Dinge geklärt haben!“

Kit riss sich von Cody los und ging hinüber zu Diablo. Als sie ihn berührte, wurde er ruhiger, aber hin und wieder zuckte er noch zusammen. Diablos Pupillen waren immer noch von einem weißen Rand umgeben.

„Es gibt nichts zu regeln“, fuhr Kit Cody an. „Wir hatten gestern Spaß miteinander, bis du angefangen hattest, zu viel zu trinken. Das wird nicht wieder passieren.“

„Gestern Abend war es nicht wie sonst“, konterte Cody. „Du hast mich abblitzen lassen. Das ist nicht fair. Wenn du willst, kann es sehr schön mit uns beiden werden.“

Kit seufzte laut. „Sag mal, spreche ich kein Englisch? Hör genau zu! Es wird nichts zwischen uns sein!“

„Hör auf, Baby. Du bist doch wild auf mich. Ich weiß, ich bin der Mann, der dich zähmen wird!“

„Mich zähmen? Bist du noch richtig im Kopf?“, rief Kit und beeilte sich, Diablo abzubürsten.

„Schau mal, Kit. Ich möchte doch nur mal wieder mit dir ausgehen. Was daran so schlimm? Wir können eine gute Zeit miteinander verbringen und uns besser kennenlernen.“

„Tu dir selbst einen Gefallen, Cody, und geh mir aus den Augen! Und das sofort!“

Obwohl sich Kit bemüht hatte, ruhig zu bleiben, hatte Diablo ihren unruhigen Tonfall mitbekommen. Er wurde unruhig, schlug hinten aus, und scharrten mit den Hufen im Sand. „Ganz ruhig, mein Junge“, beruhigte Kit ihn sofort. „Alles in Ordnung.“

Kit konnte zwar Diablos Decke und Kissen ungehindert holen gehen, doch als sie zurückkam, fing Cody sie ab.

„Komm, Schatz“, stieß er keuchend hervor. Seine Stimme klang heiser. Er packte Kit bei den Schultern. „Wir waren beide gestern ein Herz und eine Seele. Du warst doch so richtig heiß auf mich!“

Als er Kit berührte, warf sie sich voller Wut mit dem schweren Sattel gegen ihn, sodass er für einen kurzen Augenblick das Gleichgewicht verlor. Cody fing sich jedoch gleich wieder. Kit ging schnell zurück, aber da kam Cody schon wieder zurück, warf sich mit einem wütenden Schrei und seinem Gewicht gegen Kit, noch ehe sie überhaupt reagieren konnte. Kit ging zu Boden, fiel dabei auf den Sattel, was ihr den Atem raubte. Diablo wieherte wütend und schlug nach hinten aus. Aber Kit konnte jetzt nichts für ihn tun. Als sie den Sattel wegrollen wollte, warf Cody sich auf sie.

„Hau ab, du Bastard!“, schrie Kit.

„Du entgehst mir nicht, du Früchtchen. Du gehörst mir!“ Dabei presste er seine Lippen so stark auf ihre, dass sie Blut schmeckte. Sie zwang sich, einen Augenblick innezuhalten, bis sie fühlte, wie Cody langsam seinen Griff lockerte und seine Stellung veränderte. Da stieß ihm Kit mit dem Knie zwischen die Beine. Cody stöhnte laut auf und fiel dabei zur Seite.

Kit rappelte sich auf und wischte sich das Blut von ihren Lippen. „Hol dir deinen Lohn und verlass die Ranch bis Mittag! Du bist gefeuert!“ Cody stöhnte wieder.

Schnell sattelte Kit Diablo und führte ihn aus dem Stall. Langsam kletterte sie in den Sattel; und Diablo setzte sich in Gang.

Kit ließ Diablo sich erst einmal warm laufen. Als sie mit ihm am nächsten Stallgebäude vorbeikam, zog sich Kit ihr Haar aus dem Jackenkragen und ließ es frei im Wind wehen. Dabei erblickte sie Tio, einen der Cowboys, der schon lange für sie arbeitete, und winkte ihm zu.

„Was ist los, Kit?“, rief er zu ihr hinüber. „Du siehst ja aus wie vom Jenseits geschickt.“

„Ach, ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung mit einem Kerl, der nichts begreifen will!“, rief Kit zurück.

„Das ist nicht so gut. Soll ich das für dich übernehmen?“

„Mach dir keine Gedanken. Ich habe mich schon um ihn gekümmert.“

Als Kit endlich die Ranch hinter sich gelassen hatte, ließ sie Diablo erst traben und fiel dann in einen leichten Galopp. Als sich Diablo ihrer Meinung nach genügend warm gelaufen hatte, ließ sie ihn so schnell laufen, wie es seinem Temperament entsprach.

Es war unglaublich. Aber der Zusammenstoß mit Cody hatte doch nur damit zu tun, dass Desmond sie, Kit, hier nun aufsuchte, weil er etwas mit ihr zu besprechen hatte. Schon wieder Des. Was machte er? Warum wollte er sie treffen?

1. KAPITEL

Kit lehnte sich in ihrem Schaukelstuhl zurück, wobei sie ihre Stiefel gegen das Geländer der Veranda stemmte.

Wegen ihrer aufgeplatzten Lippe konnte sie den heißen Kaffee nur mit Vorsicht trinken. Aufmerksam beobachtete sie den See. Eine leichte Brise kräuselte die Wasseroberfläche, die im Sonnenlicht silbern glänzte.

Eigentlich wollte Kit gar nicht bis zum See reiten. Normalerweise ritt sie mit Diablo nur eine Viertelmeile im Galopp, um ihn dann in einen leichten Trab fallen zu lassen.

Aber an diesem Morgen wollte wohl keiner von ihnen so schnell wieder zurück. Darum war Kit mit Diablo sogar bis zu ihrer kleinen Hütte geritten, die sich auf einer Klippe befand. Von hier aus konnte man den größten See der Double-B-Ranch gut überblicken. Wie gut, dass Kit hierher gekommen war!

In Wahrheit wollte sie diesen Ritt doch nie beenden. Der Streit mit Cody hatte sie völlig durcheinander gebracht. Sie erinnerte sich an die wenigen Augenblicke, die sie mit ihm verbracht hatte. Kit konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor einen Mann derart behandelt zu haben. Aber Cody war relativ neu auf der Ranch und kannte seine Chefin nicht gut. Und außerdem waren sie allein gewesen. Kit seufzte. Es war falsch, mit ihm auszugehen. Aber diese Einsicht kam jetzt zu spät.

Die Hütte am See war einer ihrer Lieblingsplätze. Kit hatte sie gleich nach dem Tod ihres Vaters, mit einem Laufgatter und einem kleinen Stall bauen lassen. Zum Schwimmen war es noch zu kalt. Es wurde langsam wieder Zeit, an die Arbeit zurückzugehen.

Plötzlich hörte Kit Lärm aus der Ferne. Sie stellte fest, dass er von der Ranch, aus der Richtung des Hauptgebäudes, kam.

Kit hielt sich die Hand wegen der Sonne an die Stirn, um das Fahrzeug zu erkennen, das sich mit erhöhter Geschwindigkeit der Hütte näherte und dabei eine Staubwolke hinter sich herzog.

Kit war angespannt. Cody war es sicher nicht. Das hätte er sich nach diesem Zwischenfall nicht mehr getraut. Es war ein Pick-up, wie Kit beim Näherkommen feststellte. Und der sah aus wie der, den Onkel William seinem Stiefsohn Desmond Baron nach Abschluss seines Jurastudiums geschenkt hatte.

Wenn es nun Des war, was wollte er denn hier? Was war so wichtig, dass er ihr hierher folgte?

Er war es bestimmt. Keiner von den Arbeitern würde es wagen, mit einen der Wagen so schnell auf einer so schlecht ausgebauten Straße zu fahren. Aber nachdem Onkel William vor vier Monaten gestorben war, gehörte Desmond nicht nur fünfzig Prozent des Baron Imperiums. Er konnte praktisch alles tun, was ihm gefiel. Kit stellte die Kaffeetasse auf dem Geländer ab und ging ihm entgegen.

Wäre Des als Stadtkind groß geworden, könnte man ihn wohl nur als gut aussehend im besten Sinne bezeichnen. Stattdessen war er aber auf einer riesigen Ranch aufgewachsen und hatte sich als Vierzehnjähriger all seine Jobs selbst gesucht. Durch das raue Leben draußen auf den Weiden wirkte er markig und attraktiv. Sein kräftiges dunkelbraunes Haar war aus der Stirn gekämmt. Desmond trug Koteletten. Mit seinen braunen, aufmerksamen Augen sah er alles, wie ein Falke. Für Kit war er so heiß wie die Sonne von West-Texas.

Dank seiner Intelligenz war Des in der Lage, jede Situation, ob im Gerichtssaal als hart gesottener Verteidiger oder auf der Ranch, wo ihm jeder Arbeiter mit Respekt begegnete. Was wollte er also von Kit?

Kits Herz schlug wie wild, als er aus dem Wagen stieg. Sie hatte ihn seit der Eröffnung des Testaments, direkt nach Onkel Williams Beerdigung, nicht mehr gesehen. Für Kit wirkten Desmonds schmale Hüften und langen Beine in seinen engen Jeans wie ein Geschenk, das zum Auspacken reizte.

Seine Stiefel waren edel, aber abgetragen, und unter seiner Weste aus Schafswolle trug er einen wunderschönen lindgrünen Sweater, der handgestrickt aussah. Kit fragte sich, ob ihm eine andere Frau dieses Kleidungsstück angefertigt hatte.

Kits und Desmonds Elternhäuser lagen nur eine Meile voneinander entfernt. Seit ihrer Kindheit hatte Kit ihn unzählige Male von Weitem beobachtet. Er hatte es in seinem Leben stets mit gut aussehenden Frauen zu tun gehabt, die bereit waren, alles für ihn zu tun. Kit mochte keine von ihnen.

Kit spürte nicht nur den Wind in ihrem Gesicht, sondern auch den markanten Duft von Leder, der so typisch für Des war. Komisch, seitdem sie ihn kannte, hatte sie das nicht vergessen.

„Guten Morgen, Kit.“

Es war wie ein Stich in ihr Herz, als sie in seine Augen blickte; und sie spürte ein Zittern, als sie seine tiefe Stimme vernahm. Kein Wunder, dass er bei dieser Ausstrahlung die meisten Fälle vor Gericht gewann. Erst letzte Woche, so hatte Kit gelesen, hatte eine seiner Mandantinnen wieder einen Prozess gewonnen. Die gegnerischen Anwälte konnten kaum etwas gegen ihn ausrichten.

„Was suchst du denn hier draußen, Des?“, fragte ihn Kit neugierig.

Er betrachtete ihr rotes Haar eingehend.

„Du solltest hier draußen ein Telefon haben.“

Es war Kit nicht entgangen, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte.

„Im Notfall solltest du eines bei dir haben“, wiederholte Des seinen Vorschlag in mildem Tonfall.

„Es ist nicht so, dass ich hier die ganze Zeit verbringe“, verteidigte sich Kit und beschrieb mit dem Arm eine großzügige Geste in die Runde. Dabei verschob sich ihre halb offene Jacke ein wenig. Des erblickte darunter Kits hautengen Sweater, unter dem man die Konturen ihrer Brüste ahnen konnte.

Kit verwünschte insgeheim diesen Augenblick. Sie fühlte, wie ihre Brustspitzen hart wurden. „Übrigens, die Ranch wird schon nicht untergehen, wenn ich mal ein paar Stunden weg bin“, fügte sie hinzu.

„Ich dachte auch nicht an die Ranch, sondern an dich. Was würde passieren, wenn du einen Unfall hättest und Hilfe benötigtest?“

„Meine Manager wissen, wo die Hütte ist. Und sie würden hier mal nachsehen, sollte ich länger wegbleiben.“

„Was hast du mit deiner Lippe gemacht?“, forschte Des nach.

„Ich muss darauf gebissen haben.“

„Du musst was? Weißt du das nicht bestimmt?“

„Doch.“ Kit wollte nicht die Wahrheit sagen. Trotz ihrer Selbstversicherungen fand sie, dass sie Cody hätte besser behandeln können.

„Da musst du aber fest zugebissen haben“, meinte Desmond und berührte sanft die Stelle. „Und die Wunde sieht frisch aus.“

Kit wurde es heiß. Da war wieder dieses Gefühl, lange war es her, als er sie in einer Sommernacht umarmt hatte. Warum konnte sie das nicht vergessen?

„In Ordnung“, sagte sie und wandte ihren Kopf leicht zur Seite, um seiner Berührung auszuweichen.

Wie zufällig schob er leicht ihren Jackenaufschlag zur Seite und zeigte dabei auf die Stelle, die zuvor schon durch ihre Armbewegung sichtbar geworden war. „Ist der Blutfleck da von dir?“

Kit schaute an sich hinunter. Sie hatte es gar nicht mitbekommen, dass ihre Lippe so stark blutete. Dieser verdammte Cody!

„Warum bist du hier rausgeritten?“

„Hättest du gewartet, wäre ich sehr bald zurück gewesen“, rechtfertigte sich Kit.

Des umfasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf so, dass sie seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Sag mir, Kit, hast du Ärger gehabt?“

„Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Ich meine, hast du jetzt Ärger? Ich kann dir helfen.“

So, wie er sie berührte, konnte Kit keinen klaren Gedanken fassen. Hatte er etwa von ihrem Streit mit Codý gehört? Aber das gab keinen Sinn.

Autor

Fayrene Preston
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