Ich flieg auf dich

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Der Flug nach Chicago wird auf morgen früh verschoben" – bei der Durchsage am Airport überläuft Ashley ein prickelnder Schauer! Denn David McLean, dieser Traummann im Schalensitz neben ihr, schlägt vor, dass sie sich zusammen ein Hotel suchen. Ein Bett genügt …


  • Erscheinungstag 13.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522892
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ashley Larsen zwängte sich an der dreiköpfigen Familie vorbei und entschuldigte sich, doch – es ist wie es ist – in einem Flugzeug gibt es einfach keine elegante Methode, zu seinem Platz zu kommen – besonders wenn der Junior besagter Familie einem dabei in den Po pikst und wie besessen lacht. Seine Mom tat währenddessen so, als sei überhaupt nichts geschehen.

Kleiner Widerling.

Mit einem gezwungenen Lächeln stieg Ashley über den Teufelsbraten und ließ sich erleichtert seufzend auf ihren Sitz fallen. Sie hasste die fünfsitzigen Sitzreihen in der Flugzeugmitte. Welcher Designer hatte das bloß für eine gute Idee gehalten? Heute war der direkte Weg zu ihrem Sitz auch noch durch eine reizende alte Lady blockiert, die versucht hatte, ihre wertvolle alte Lampe in das Gepäckfach zu stopfen.

Sehr geduldig hatte der Steward der Dame versichert, dass das Bodenpersonal mit so zerbrechlichem Gepäck sehr vorsichtig umgeht, doch das hatte sie ihm keine Sekunde lang abgekauft, und Ashley wünschte ihr von Herzen alles Glück der Welt. Das alles lag jetzt hinter ihr, und so konnte sie sich auf die wirkliche Herausforderung vorbereiten. Den Start.

Nachdem sie zweimal langsam bis hundert gezählt hatte, holte sie die Plastiktüte aus ihrem Handgepäck unter dem Vordersitz, streifte ihre Schuhe ab, und zog ihre Häschen-Slipper an. Wenn sie schon in luftiger Höhe ums Leben kam, dann nur in ihren Häschen-Slippern.

Ashley hasste das Fliegen. Ihre Schwester Valerie sagte immer, das sei wie in dem Buch von Erica Jong, doch Ashley hatte keine Angst vor Sex, sondern nur vor der Tatsache, sich mit Überschallgeschwindigkeit in großer Höhe über dem Erdboden zu bewegen. Physik war nie ihr Lieblingsfach gewesen, und sie zweifelte generell am Konzept des Fliegens in Maschinen.

Andererseits konnte sie es nicht ausstehen, wenn ihr Leben von ihren Ängsten bestimmt wurde, also hatte sie sich zur Bekämpfung ihrer Furcht ihr ganz persönliches Flugritual zugelegt. Jeden Monat, wenn sie vom O’Hare Airport zu einer ihrer Geschäftsreisen startete, folgte sie peinlich genau demselben Ablauf, um nicht in Panik zu geraten. Hauptsache war schließlich, dass es half.

Kurz darauf saßen alle Passagiere. Die wertvoll aussehende alte Lampe war unter einem Sitz verstaut, und der Steward gab die übliche Meldung durch, dass das Flugzeug in zehn Minuten starten würde.

Gerade als Ashley sich innerlich dafür wappnete, kam noch ein weiterer Passagier den Gang entlang, um den letzten freien Platz im Flugzeug zu besetzen.

Es war der Sitz zwischen Ashley und dem amerikanischen Ehepaar, das verzweifelt versuchte, sein Kind bei Laune zu halten. Offenbar erinnerten sie sich jetzt wieder an ihre elterliche Verantwortung. Hätten sie nicht schon etwas früher aufpassen können, als ihr kleiner Popikser höchst betriebsam unterwegs gewesen war?

Demonstrativ blickte Ashley aus dem Fenster. Sie war sonst nicht unhöflich, aber das Fliegen brachte ihre schlimmste Seite zutage. Laut Valerie waren diese Flüge gut für sie, denn bei solchen Ängsten sei es am besten, sich ihnen so oft wie möglich zu stellen.

Manchmal war Valerie eine echte Nervensäge, und es würde der Tag kommen, an dem Ashley nicht mehr auf die Ratschläge ihrer Schwester hören würde. Heute jedoch folgte sie ihrem Ritual.

Als ein muskulöser Schenkel ihren streifte, zuckte sie zusammen.

„Entschuldigung.“

Die Stimme klang tief, leicht heiser und hatte einen aufrichtig bedauernden Tonfall.

Also schön, vielleicht gab es außer ihr noch einen zweiten vernünftigen Menschen an Bord. Mit leicht gezwungenem Lächeln wandte Ashley sich zu ihrem Nachbarn um.

Aber hallo, mein Hübscher!, dachte sie angenehm überrascht.

Helle Hose und weißes gebügeltes Hemtd, das hätte an den meisten Männern langweilig und – na ja – billig ausgesehen, in diesem besonderen Fall jedoch wirkte das Gesamtbild wie ein in Zeitungspapier eingewickelter Diamant.

Kleider machen Leute, das galt vielleicht für den Rest der Welt. In diesem Fall war es der Mann, der die Kleidung prägte.

Sie war schon Tausende Meilen geflogen und hatte dabei neben heftig parfümierten Frauen gesessen, neben übergewichtigen Kerlen, aufdringlichen Geschäftsleuten, die fanden, sie würde einsam wirken, und jetzt auch neben einer Bilderbuchfamilie mit höllischem Nachwuchs – aber noch niemals zuvor hatte sie als Sitznachbarn einen Mann gehabt, der mit einem herzlichen Lächeln, verführerischen braunen Augen und einem Prachtkörper wie ein Geschenk aussah, das nur darauf wartete, ausgepackt zu werden.

Ashley schluckte. „Kein Problem“, brachte sie heraus und sah sofort wieder weg.

Komm schon, Ashley, flirte ein bisschen. Lass deinen Charme spielen. Schenk ihm dein Lächeln, so was mögen die Männer.

Das war Valeries Stimme in ihrem Kopf. Zum ersten Mal seit drei Jahren spürte sie tatsächlich körperliche Erregung, und gleichzeitig glaubte sie, die Stimme ihrer jüngeren Schwester zu hören. Nein, Schluss damit. Auf keinen Fall.

„Ich dachte schon, ich schaff’s nicht mehr rechtzeitig.“

Prachtkerl will mit mir reden! Einerseits wollte Ashley auch mit dem Prachtkerl reden. Andererseits wollte sie tiefer in ihren Sitz rutschen, damit ihre Häschen-Slipper unter dem Vordersitz verschwanden. Leider war das kaum möglich, weil sie alle so eng gedrängt saßen. „Aber Sie haben’s doch noch geschafft.“ Dabei lächelte sie selig, bis ihr das klar wurde und sie ihr Lächeln ausknipste.

„Aber nur, weil ich quer durch das Terminal 2 gesprintet bin. Der nächste Flug nach L.A. geht erst morgen früh um sechs, und ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Kennen Sie das Gefühl?“

„Ständig.“

Er lächelte, doch dann runzelte er die Stirn und wandte den Blick aus seinen wunderschönen braunen Augen höflich ab.

Er ist verheiratet, dachte Ashley. Ganz bestimmt. Oder verlobt. Unauffällig, fast unbewusst, blickte sie auf seine Hände. Dabei war sie doch überhaupt nicht auf der Suche. Sie brauchte keinen Mann. Sie spielte nicht mal mit dem Gedanken, sich einen Partner zu suchen, sosehr Valerie sie auch drängte.

Trotzdem setzte ihr Herz einen Schlag lang aus, als sie sah, dass er keinen Ring trug.

Jämmerlich, Ashley. Einfach jämmerlich.

Während sie noch über die menschlichen Bedürfnisse im Allgemeinen und ihre eigenen Bedürfnisse im Speziellen nachdachte, demonstrierte die Stewardess bereits die Benutzung der Schwimmweste. Unwillkürlich sah Ashley sich im Ozean treiben, während ihre Lippen blau anliefen.

„Fliegen Sie das erste Mal?“, erkundigte sich der Prachtkerl, und sein mitfühlendes Lächeln beruhigte Ashley tatsächlich.

„Leider nein, letztes Jahr habe ich die Platin-Card für Vielflieger bekommen. Ich bin nur ein Feigling.“

„Das tut mir leid.“

Seine Augen waren nicht nur braun, sondern auch grünlich. Es war ein sehr warmer Farbton, bei dessen Anblick Ashley entspannter wurde als nach jedem Beruhigungsmittel. Ihr wurde bewusst, wie lange es schon her war, seit sie das letzte Mal Sex gehabt hatte. „Das muss es nicht. Es liegt in der Familie. Die feigen Larsens, das sind wir.“

Wieder lächelte er, und Ashley spürte, wie ihr Herz schneller pochte. Sie löste den Blick von seinen faszinierenden Augen und sah zu Junior, der bestimmt schon seine nächste hinterhältige Aktion plante.

Frag ihn nach seinem Namen.

Nein.

Es ist doch nur eine höfliche Frage. Tu nicht so, als würdest du ihn damit zu einem Quickie auf dem Klo einladen.

Es ist mir egal. Sei still, Valerie.

Ich bin doch nicht mal hier.

Weiß ich. Ich schwöre, sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, gehe ich zur Therapie. Das ist der einzige Weg.

Sei nicht so feige, Ashley.

„Sprich nicht mit mir“, sagte Ashley leise. Bedeutete das Hören der Stimme ihrer Schwester, dass sie allmählich den Verstand verlor? Die Gefahr war bestimmt groß.

„Wie bitte?“

Sie lächelte dem Prachtkerl zu. „Ach, nichts. Ich höre nur Stimmen.“

Fragend, aber sehr charmant hob er die Augenbrauen.

Er hat wirklich ein tolles Lächeln, dachte sie, obwohl er dabei nur den rechten Mundwinkel anhebt. Aber dabei bekommt er ein Grübchen.

„Ist das ein Teil der Flugangst?“

„Nein, das ist meine psychotische Schwester. Haben Sie auch eine psychotische Schwester?“

„Nein.“

„Sie Glücklicher. Ich habe mir immer einen Bruder gewünscht. Ein Bruder wäre cool gewesen. Vorausgesetzt, er hätte mich nicht geärgert.“

„Ärgert Ihre Schwester Sie?“

Sie nickte. „Wie eine Mutter.“

„Das tut mir leid.“

Ein mitfühlender Mann, das war wirklich eine Seltenheit. Jacob war nie so – der konnte sich auch nicht entschuldigen. Kein einziges Mal.

Genau in diesem Moment rammte Junior dem Prachtkerl seinen Trinkhalm in die Hand, und der Mann riss die Hand zur Armlehne, wo er Ashleys Hand packte.

Ashley schrie auf, während Junior hysterisch loslachte und seine Mom höflich wegsah, so als sei alles in bester Ordnung. Anscheinend hatte sie sich mit Beruhigungsmitteln aus dieser Welt gespült.

Prachtkerl nahm seine Hand von ihrer, und Ashleys Blutzirkulation setzte wieder ein. Als er ihr danach in die Augen sah, erkannte sie in seinem Blick echte Angst.

Zeit, dass du den Ernst der Lage erkennst, dachte sie. Vier Stunden eingesperrt neben einem Terrorkid, das jetzt Nudeln mit Soße verlangte, als sei die Flugzeugkost nicht gut genug für seinen erlesenen Geschmack.

„Der ist gerade aus dem Kindergartenknast entflohen“, flüsterte Ashley ihrem Nachbarn vertraulich zu. „Wird in vier Bundesstaaten gesucht. Sein Foto hängt in jedem Verwaltungsgebäude.“

Prachtkerl beugte sich zu ihr, und sie spürte seinen Atem.

Oh, sehnsüchtige Lenden, die ihr euch nach Erfüllung sehnt!

Sei still, Valerie!

„Hat er Sie auch gestochen?“, fragte er.

„Nein. In den Po gepikst. Er hat mich gedemütigt und verletzt zugleich.“

„Tatsächlich?“ Er lächelte. „Ein kriminelles Genie mit unzweifelhaftem Geschmack.“

Er flirtet mit dir, Ashley. Das ist eindeutig ein Flirt.

Halt die Klappe, Valerie!

„Wieso fliegen Sie nach L.A.?“ Ashley ging auf das Flirten ein. „Beruflich? Urlaub? Wegen der guten Luft?“

„Geschäftlich.“ Mit dem Fuß stieß er den Laptop unter dem Vordersitz an. „Ich bin Wirtschaftsanalyst. Und Sie?“

„Ich bin auf Einkaufstour. Kleidung.“

Er blickte an ihr hinab, bemerkte die Häschen-Slipper, und Ashley wurde es gefährlich warm bei der Musterung. „Gehen Sie gern shoppen?“

„Ich habe eine Reihe von Boutiquen.“ Wieso fiel ihr in seiner Nähe bloß das Sprechen so schwer? Sie hatte sich die Boutiquen nach der Scheidung als Geschenk für sich selbst gekauft. Leider war ihr spontaner Plan, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, nicht ganz aufgegangen. Die Boutiquen liefen bei Weitem nicht so gut, wie sie gehofft hatte. Als kleines Mädchen war sie gern einkaufen gegangen und hatte Kleidungsstücke kombiniert, die eigentlich nicht harmonierten, aber dann doch prima zusammenpassten. Allerdings brauchte man für vier Boutiquen mehr als nur ein Gespür für sicheren und originellen Stil.

Bedauerlicherweise reichte ein wacher Blick für Farben und Stilrichtungen nicht aus, um Anzeigen zu entwerfen und die Bücher zu führen. Während der letzten Monate hatte sie jedes Mal, wenn die Gehälter fällig waren, darüber nachgedacht, ob sie die Boutiquen verkaufen sollte. Sie befürchtete, sie nicht mehr lange halten zu können.

Als das Flugzeug sich in Bewegung setzte, verspürte sie sofort die übliche Anspannung im Magen.

„Angst?“

„Es geht schon.“ Sie wusste, dass sie es schaffen konnte. Geschäftsprobleme, private Probleme und Schwierigkeiten im Geschäft konnten sie letztlich nicht davon abhalten, ihren Weg zu gehen. Ashley war eine Überlebenskünstlerin. Immer wenn sie, umgeben von Models in wunderschöner und lässiger Mode, ein Schaufenster neu einrichtete, kehrte ihr Traum zurück.

Sie würde es schaffen. Sie durfte nur die Hoffnung nicht aufgeben. Sie lächelte den Prachtkerl an, und er legte die Hand auf ihre. Eine tröstende Berührung.

Wenn du den Daumen nur ein bisschen drehst … ein kleines Streicheln …

Sei still, Valerie.

Er hatte große, warme Hände mit langen Fingern, bei deren Anblick ihr alle möglichen Dinge durch den Kopf gingen, die er damit anstellen könnte.

„Alles in Ordnung?“

„Bestens.“ Die Motoren röhrten.

Hastig griff sie nach der Tüte. Nur für den Fall, dass ihr übel wurde. Nur für den Fall.

David McLean war nicht begeistert davon gewesen, einen Abstecher nach Chicago zu machen, um seinen Bruder zu treffen. Seinen Ex-Bruder. Chris hatte jeden Anspruch auf Familienzugehörigkeit verspielt, nachdem er mit Davids Frau geschlafen hatte.

Mit dem Bruder die Frau zu teilen, das war überhaupt nicht nach Davids Geschmack. Es war jetzt vier Jahre her, und immer noch kochte er vor Wut, wenn er daran dachte.

Doch mit Häschen-Slippern auf der einen und einem kleinen Irren auf der anderen Seite musste David lächeln. Ja, tatsächlich, dachte er, ich lächle.

Die Frau neben ihm war unendlich nervös. Sie gefiel ihm. Ihr Haar war fast schwarz, sie hatte große braune Augen, und ihre Nase war ein bisschen zu groß, doch gerade das gab ihrem Gesicht Charakter. Dazu hatte sie einen sehr hübschen Mund mit sinnlichen Lippen, die immer leicht geöffnet waren. Wie bei einem Kind, das zum ersten Mal die große weite Welt sieht. Oder bei einer Frau, die kurz vor dem Höhepunkt steht.

Er schluckte, als er spürte, dass er eine Erektion bekam. Sex macht aus Menschen Tiere. So wie bei Chris. Oder Christine.

Als er seine zukünftige Frau seinem Bruder vorgestellt hatte, hatten sie alle drei noch über die Ähnlichkeit der beiden Namen gelacht. Als David die beiden im Bett erwischt hatte, war ihm das Lachen allerdings vergangen.

Flüchtig sah er zu den Häschen-Slippern.

„Ich heiße David.“ Ganz bewusst verdrängte er jeden Gedanken an Chris und Christine.

„Ashley.“

„Kommen Sie aus Chicago?“

„Bin dort geboren, aufgewachsen und werde dort höchstwahrscheinlich auch sterben.“

„Sie mögen Kuscheltiere?“ Sie hatte einen verträumten Blick und gleichzeitig etwas Resignierendes, wie eine Idealistin, die ihre Hoffnungen begraben hat. Solche Menschen mussten sich wohl auf ein trauriges, einsames Ende gefasst machen.

Sie verzog das Gesicht. „Ziemlich albern, stimmt’s? Und Sie? Leben Sie auch in Chicago?“

„In New York.“ Er sah aus dem Fenster. Das Flugzeug fuhr nicht mehr in Richtung Startbahn, sondern kehrte zum Gate zurück.

Ashley bemerkte es auch sofort. „Irgendetwas stimmt nicht, oder?“ Sie drückte auf den Rufknopf, gerade als der Pilot sich über Lautsprecher mit sonorer, beruhigender Stimme meldete. Bei diesem Tonfall wurde sie postwendend noch nervöser.

„Ladys und Gentlemen, wir haben ein kleines technisches Problem. Kein Grund zur Sorge. Ich fahre zurück zum Gate, damit die Mechaniker sich des Problems annehmen. Wir haben noch einen kurzen Aufenthalt, und Sie können die Maschine verlassen, wenn Sie mögen. Vergessen Sie jedoch Ihre Bordcard nicht, die brauchen Sie für den Wiedereinstieg.“

„Wir fliegen nicht?“

David hörte die Erleichterung in ihrem Tonfall. „Doch, wir werden fliegen.“ Er wollte sie beruhigen, aber er musste auf jeden Fall nach L. A. Je eher sie aus Chicago wegkamen, desto besser.

„Ich werde meine Slipper nicht ausziehen“, beharrte sie. „Das können sie mir nicht antun.“

„Es ist alles okay. Sicher dauert es nicht lange.“ Normalerweise zeichnete er sich durch brutale Ehrlichkeit aus, doch angesichts Ashleys Blässe schlug er einen moderaten Ton an – und wenn diese Häschen-Slipper sie glücklich machten, wieso sollte sie sie dann ausziehen?

„Was für Probleme können das sein? Ich war mal in einem Flieger aus Miami, da hatten sie Angst, das Fahrwerk könne verklemmt sein, aber es war alles in Ordnung.“

„Wissen Sie, was mir mal passiert ist, als wir nach Houston flogen? Da fing einer der Motoren an zu brennen und …“ Er sah, wie sie die Augen aufriss und noch blasser wurde. Sofort verstummte er. Super, David, dachte er, eine Glanzleistung. „Tut mir leid. Wir konnten damals ganz normal landen. Flugzeuge sind so ausgelegt, dass sie auch mit drei Motoren fliegen können. Falls etwas ausfällt, gibt es Back-up-Systeme an Bord.“ Ihm wurde klar, dass er nicht wirklich hilfreich war, und so beschloss er, den Mund zu halten.

Normalerweise holte er während eines Flugs seinen Laptop hervor und arbeitete, aber heute Nachmittag war er dazu nicht in der Lage. Vor zwei Wochen hatte er seiner Ex-Frau gesagt, er komme zu einem Meeting nach Chicago und könne sie endlich besuchen. Doch sobald er dort angekommen war, hatte er sich von dieser Stadt förmlich erdrückt gefühlt.

Nein, er hätte lieber nicht anrufen sollen. Christine hatte ihm mitgeteilt, dass sie schwanger war. Daraufhin hatte er Freude geheuchelt und letztlich gelogen, indem er gesagt hatte, das Meeting sei abgesagt worden und er würde gar nicht nach Chicago kommen.

David war nicht gerne feige, aber die Vorstellung ihrer Schwangerschaft tat ihm weh. Er wollte Christine nicht zurück, aber er konnte es nicht ertragen, dass sie seinen Bruder ihm vorzog und sich nicht an das Treueversprechen gehalten hatte. Wie konnte ein Mann wie er, der jeden Tag millionenschwere Unternehmen bewertete, sich in seinem Urteil über diese Frau, die er für die Richtige gehalten hatte, so sehr irren?

„Ich kenne ein kleines Restaurant mit Wurstimbiss im Terminal 1“, platzte er heraus, weil er nicht länger hier herumsitzen wollte, um darüber nachzudenken, dass seine Ex-Frau bald seinen Neffen oder seine Nichte zur Welt bringen würde. Eine leckere Bratwurst wäre jetzt sicher nicht schlecht. Dann fiel sein Blick auf Ashleys Füße. „Oh. Na ja, macht nichts.“

„Hinten bei Gate 12, zwischen Flugaufsicht und Sicherheitscheck?“

„Genau. Kennen Sie den Imbiss?“

„Hey, ich esse da jedes Mal.“ Sie lächelte strahlend, und als sie ihm in die Augen sah, war er sofort wieder erregt. „Es gibt nur wenig, was mich dazu bringen kann, meine Slipper abzulegen, aber brennende Flugzeugmotoren und eine Bratwurst gehören definitiv dazu. Gehen wir, bevor der Junior uns mit seinen angelutschten Schokoriegeln bombardiert.“

2. KAPITEL

Sein Name war David McLean. Sein dunkelbraunes Haar war zwar konservativ geschnitten, aber es passte zu ihm. Er sah wie der typische Amerikaner aus, wie ein Mann, dem man zutraute, spielend leicht ein Auto reparieren zu können. Er war kein Modeltyp, doch er hatte etwas an sich, das Ashley faszinierte. Er war interessiert und intelligent, stellte ihr alle möglichen Fragen, aber über sich selbst schien er nicht gerne zu reden.

Den Grund dafür fand sie schnell heraus. Er war geschieden, und als er ihr das mitteilte, kniff er die Lippen zusammen. Also war es keine besonders freundschaftliche Trennung gewesen.

In dem ruhigen kleinen Restaurant war die Bedienung aufmerksam und schnell, und in den weich gepolsterten Sitzgruppen fassten auch Fremde, die zufällig beieinandersaßen, schnell Vertrauen zueinander.

„Leicht ist das niemals, stimmt’s?“, fragte sie und dachte an ihre eigene Scheidung. Zwei Wochen lang hatte es für sie nur ihren verletzten Stolz gegeben, ein paar Wochen hatte es gedauert, um die Finanzen zu klären und auseinanderzusortieren, was wem gehörte. Fünf Monate lang war sie peinlichen Fragen von Freunden ausgesetzt gewesen und daraufhin gut gemeinten Ratschlägen, doch an einem kalten Dezembermorgen war Ashley aufgewacht und hatte plötzlich gewusst, dass sie wieder auf die Beine kommen würde.

Kein wirklich großartiges Gefühl, aber sie hatte gespürt, dass sie es überleben würde. In diesem noch leicht verletzlichen Zustand hatte sie sich von Valerie überreden lassen, ihr Leben radikal zu ändern und ihren Traum zu verwirklichen. Bald darauf war sie Inhaberin einer Kette von vier kleinen Boutiquen.

Ashley hatte ganz neu angefangen.

„Und die Boutiquen laufen nicht so gut?“, erkundigte sich David, als sie ihm erzählt hatte, was sie beruflich machte.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Keine Ahnung. Sie strahlen nicht diese Zuversicht aus, die man bei vielen Kleinunternehmern sieht, deren Geschäfte blendend laufen.“

„Erleben Sie viele Kleinunternehmer?“

„Allerdings. Ich bekomme viel zu sehen.“

„Verstehe.“

„Ein eigenes Geschäft bedeutet viel Arbeit. Ich begutachte das als Außenstehender und bewerte die Unternehmen. Ich sage den Leuten, was sie falsch machen, und berate die Investoren, ob sie einsteigen sollten oder nicht. Mein Job ist vergleichsweise einfach. Erst sehe ich mir das Unternehmen an, dann spreche ich mit Kunden und Lieferanten, tippe ein paar Zahlen in eine Tabelle ein, und dann geht’s schon zum nächsten Unternehmen.“

„Ich war mal Gutachterin bei einer Versicherung.“

Belustigt lächelte er, und Ashley sprach schnell weiter. „Nein, sagen Sie’s nicht, ich weiß. Ich sehe aus wie die typische Schadenssachverständige.“

„Nein, keine Sachverständige. Eher wie die Besitzerin eines Buchladens oder eines Süßwarengeschäfts. Irgendetwas mit persönlichem Kundenkontakt.“

„Das nehme ich mal als Kompliment.“

„So ist es auch gemeint. Sie sind zu nett für die Versicherungsbranche. Und jetzt Mode? Wieso?“

Nett. Er findet dich nett.

Aber er lebt in New York.

Na und? Nutze deine Chance, Ash.

Einen Moment lang sah sie ihm in die Augen, länger als üblich. „Ich möchte etwas beweisen. Die Boutiquen sind für mich wie Pflanzen, die ich wässere und versorge, bis sie zu blühen beginnen.“

David schnippte mit den Fingern. „Floristin! Ich könnte Sie mir gut als Floristin vorstellen.“

Sie lachte laut auf. Wenn dieser Mann jemals ihre Topfpflanzen gesehen hätte, würde er jetzt sicher vor Lachen auf dem Boden liegen. „Nein, tut mir leid, nicht Floristin. Ich wollte etwas machen, worin ich auch begabt bin. Mein Leben war eingefahren, und ich wollte beweisen, dass ich auch etwas vollkommen anderes machen kann.“

„Und Mode ist eine Herausforderung?“

Sie nickte. Die Männer hatten ja keine Ahnung. Zwei Stunden hatte sie gebraucht, um den gelben weiten Rock mit dem hellgrünen Baumwolltop und der Kette aus funkelnden Glasperlen zu kombinieren. Das Outfit war farbenfroh, passte aber ausgezeichnet zu ihrem Haar, und obendrein knitterte es nicht während der Reise.

„Viel Glück.“

„Danke.“

Er lehnte sich zurück und blickte zu den Anzeigetafeln. „Wir sollten lieber zur Maschine und unseren teuflischen Sitznachbarn zurückkehren.“

„Wollen Sie schnell weg aus Chicago?“ Ihr fiel auf, dass er wieder die Zähne aufeinanderbiss und sein Lächeln erstarb.

„Nein. Alles okay.“

Sie konnte sich gut denken, was in ihm vorging. „Sie versuchen noch, es zu verdrängen, aber keine Sorge, das geht vorbei.“

Eindringlich sah er sie aus seinen grünbraunen Augen an. „War das bei Ihrer Scheidung auch so?“

„Ja. Genauso.“ Im Grunde war das eine Lüge. Es war nicht schlimmer geworden, aber auch nicht besser. Ashley steckte immer noch in der Phase, in der sie nicht genau wusste, in welche Richtung ihr Leben nach der Scheidung laufen sollte. Als Single lebte sie einsam, sie wollte auch keine Risiken eingehen.

„Wann hatten Sie denn das letzte Date?“

„Das ist noch nicht lange her.“

„Wie lange?“

Ihr gefiel der durchdringende Blick nicht. Genauso sah ihre Schwester sie immer an, bevor sie ihr einen Vortrag hielt. Nervös rutschte Ashley auf ihrem Sitz herum. „Ich weiß nicht genau.“ Die Scheidung lag drei Jahre und acht Monate zurück. Sie war jetzt 32 und kein College-Kid Anfang zwanzig. Ashley wollte nicht in Bars herumsitzen, und bei einer Partnervermittlung wollte sie sich auch nicht anmelden, weil sie fürchtete, dass niemand sie nehmen würde. Bei den Blind Dates, die sie bisher erlebt hatte, waren ihr nur Loser begegnet. Die Männer hatten keine bösen Absichten, allerdings mangelte es ihnen an einer realistischen Selbsteinschätzung.

„Ist es länger her als ein Jahr?“

„Möglich. Ich war sehr beschäftigt.“

Einen Moment schwieg er, bevor er nickte. „Verstehe. Ich gehöre nicht zu den Männern, die unbedingt eine Ehefrau brauchen. Ich kann kochen, ich wasche meine Sachen selbst, und ich treffe mich regelmäßig mit Kumpeln, um zusammen in einer Bar zu sitzen und ein Spiel anzusehen. Mir gefällt meine Unabhängigkeit.“

Es klang verzweifelt, und Ashley erkannte das Gefühl sofort wieder. „Dann können Sie sich ja glücklich schätzen.“ Sie lächelte, aber ohne Überzeugung.

„Das bin ich auch. Und Sie?“

Autor

Kathleen Oreilly
<p>Kathleen schrieb ihren ersten Liebesroman im Alter von 11, welcher, zu ihrem ungebrochenen Erstaunen, laut in ihrer Klasse in der Schule vorgelesen wurde. Nach 20 Jahren ist sie jetzt stolz Karriere als Romanautorin gemacht zu haben. Kathleen lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in Texas.</p>
Mehr erfahren