Ich möchte dich verführen, Liebste

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Er hat sie gerettet, als sie tränenblind durch den Schneesturm fuhr. Jetzt erholt Samantha sich auf der Ranch des attraktiven Fremden - und merkt bald, dass Jack Tremayne alles ist, wonach sie sich je gesehnt hat: stark, erotisch und ein Bild von einem Mann ...


  • Erscheinungstag 03.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717148
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Niemals in ihrem ganzen, perfekt organisierten und durchgeplanten Leben hätte Samantha Burkett sich träumen lassen, dass sie eines Tages in eine solche Situation geraten würde – einem wildfremden Mann ausgeliefert und festgeschnallt an den Sitz eines Hubschraubers, der mehrere Hundert Meter über einer endlosen Schneelandschaft einem ihr unbekannten Ziel entgegen flog.

In den neunundzwanzig Jahren ihres Lebens hatte Samantha noch nie so gefroren. Dass sie jetzt hier oben festsaß, war das Ergebnis ihre ersten impulsive Tat – und wohin hatte sie das geführt? Sie fröstelte in ihrer dünnen Jacke. Die Wildnis von Wyoming war ganz offensichtlich nicht die richtige Umgebung für einen maßgeschneiderten Hosenanzug aus Seide und teure italienische Schuhe. Hier war sie weit entfernt von Los Angeles und den strengen Spielregeln der Geschäftswelt, die sie sonst tagtäglich befolgte.

Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange, und Samantha wischte sie hastig fort. Sie dachte, sie hätte all ihre Tränen bereits vor zwei Tagen geweint, als ihre Welt einstürzte. Samantha schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Gedanken zu verscheuchen. Dieser Teil ihres Lebens war vorüber, jetzt galt es Pläne für die Zukunft zu schmieden. Vorerst allerdings musste sie sich einen Ausweg aus ihrer momentanen prekären Situation überlegen. Sie atmete tief ein, hielt für ein paar Sekunden die Luft an und atmete langsam wieder aus.

Dann drehte sie sich zu dem Mann neben ihr, dem Mann, der den Hubschrauber flog. Alles war so schnell gegangen, dass sie noch nicht einmal Zeit gefunden hatte, ihn richtig anzusehen. Eben noch hatte sie neben ihrem Wagen gestanden, der auf der Landstraße in einer Schneewehe stecken geblieben war, im nächsten Moment hatte sie diesem Fremden wie ein Mehlsack über der Schulter gehangen, während er auf den Hubschrauber zugelaufen war. Ihr war in diesem Augenblick nur aufgefallen, dass der Mann sehr groß war, eine Sonnenbrille trug und eine dicke Winterjacke anhatte.

Endlich gelang es ihr, ein paar Worte hervorzubringen. „Wer sind Sie?“, fragte Samantha. „Und wo bringen Sie mich hin?“

Er antwortete nicht. Das laute Motorengeräusch und das Knattern der Rotorblätter übertönten ihre Worte und machten jedes Gespräch unmöglich. Deshalb musterte sie ihn stumm weiter, während sie vermutete, dass sie einen kleinen, nahe gelegenen Flugplatz anflogen, wo sie den Pannendienst anrufen konnte und hoffentlich ein Motel für die Nacht finden würde.

Der Mann war blond, hatte dichtes und etwas langes Haar, was jedoch gut zu seinem Gesicht passte, das sehr markant geschnitten war – zumindest in dem Teil des Profils, das sie oberhalb seines hochgeschlagenen Jackenkragens sehen konnte. Die Sonnenbrille hinderte sie daran, seine Augenfarbe zu erkennen. Seine Haut war gebräunt und wirkte wettergegerbt, wahrscheinlich arbeitete er viel an der frischen Luft. Samantha schätzte ihn auf Mitte oder Ende dreißig. Die Art und Weise, wie er sie sich mit Schwung und Leichtigkeit über die Schulter geworfen und sie getragen hatte, wies auf eine ausgesprochen gute körperliche Kondition hin.

Wenige Minuten später tauchte in einiger Entfernung ein großes Ranchhaus mit Scheune, Ställen, Koppeln und mehreren umliegenden kleineren Gebäuden auf. Als der Hubschrauber neben einer der Gebäude aufsetzte, hatte es wieder zu schneien begonnen. Der Fremde sprang hinaus, und zwei Männer kamen aus der Scheune und liefen zu ihm.

„Sieh zu, dass der Hubschrauber gut festgemacht wird, Ben“, erklärte er. „Da braut sich was Schlimmes zusammen.“

Der ältere der beiden Männer nickte und antwortete: „Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht, Jack. Ich hatte Angst, der Sturm würde dich mitten im Nichts von der Außenwelt abschneiden. In den Nachrichten heißt es, dass der Sturm mit arktischer Kälte auf uns zukommen würde und mindestens einen Meter Neuschnee mitbrächte.“

„So ein vorzeitiger Schneesturm ist im Grunde nicht ungewöhnlich – sozusagen eine Vorankündigung des Winters –, aber dass er so heftig ist, haben wir ja noch nie erlebt. Ich hoffe, er zieht so schnell vorbei, wie er aufgezogen ist.“ Jack drehte sich in Richtung des Ranchhauses und rief Samantha über die Schulter zu: „Kommen Sie, gehen wir rein. Sie müssen ja halb erfroren sein.“

Ehe sie antworten konnte, war er schon den halben Weg vorausgestapft. Sie rannte los, so gut das in ihren dünnen Lederschuhen möglich war, um ihn einzuholen. Dies ist ganz bestimmt kein Flughafen, dachte Samantha. Aber im Moment war alles, was sie wollte, ein warmes und trockenes Plätzchen.

Auf der Veranda hatte sie den Mann, der offenbar Jack hieß, endlich eingeholt. Er hielt ihr die Haustür auf, und sie lief ins Haus. Als sie das Kaminfeuer im Wohnzimmer entdeckte, ging sie schnurstracks darauf zu, zog ihre nassen Schuhe aus und stellte sie auf den Sims. Ihre Füße waren regelrecht gefühllos vor Kälte, und ihr Hosenanzug war mit Sicherheit ruiniert. Ihr klapperten die Zähne, und ihre Hände zitterten, als Samantha sie dem warmen Feuer entgegenstreckte. Sie befürchtete, dass sie eher wie eine triefende, durchweichte Stoffpuppe aussah als wie eine beherrschte, erfolgreiche Geschäftsfrau.

Plötzlich spürte sie seine Nähe. Der Fremde musste direkt hinter ihr stehen, und sie fühlte, dass er sie ansah. Gern hätte sie den Schauer, der ihr in diesem Moment über den Rücken lief, der Kälte zugeschrieben, doch Samantha wusste, dass sie sich damit nur etwas vorgemacht hätte. Sie drehte sich um. Der Fremde stand nur etwa eineinhalb Meter von ihr entfernt.

Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen, und sie blickte in intelligente, silbergraue Augen, die sie eindringlich musterten. Irgendetwas an diesem markanten Gesicht beeindruckte sie zutiefst, doch sie konnte nicht im Mindesten verstehen, warum. Das seltsame Gefühl, das sich langsam in ihrem Körper ausbreitete, hatte etwas sehr Sinnliches. Aber es musste eine rationale Erklärung dafür geben. Schließlich war sie ein vernünftiger, logisch denkender Mensch. Allerdings war nichts Vernünftiges oder Logisches daran, dass sie sich dermaßen stark zu diesem Fremden hingezogen fühlte.

Samantha warf einen kurzen Blick durch den Raum und wandte sich dann an den Mann, der sie immer noch beobachtete. „Wer sind Sie? Wo bin ich?“, fragte sie und fügte hinzu: „Und warum haben Sie mich gerade hierher gebracht?“ Sie bemühte sich, trotz ihrer Furcht mit fester Stimme zu sprechen.

„Ich heiße Jack Tremayne, und dies ist meine Ranch. Wir sind hier, weil ein gefährlicher Sturm im Anzug ist und ich mein Haus erreichen musste, bevor wir irgendwo mitten in der Prärie hätten landen müssen.“ Sein Blick glitt über ihren Körper. „Und jetzt, glaube ich, ziehen Sie lieber Ihre Sachen aus.“

Wie bitte? Hatte sie richtig gehört? Hatte er sie etwa auf diese abgelegene Ranch verschleppt, damit sie sich vor ihm auszog und er …? Sie schluckte vor Nervosität und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. „Wie bitte?“

„Hören Sie, Ihre Sachen sind nass, und Sie waren eine ganze Weile draußen in der Kälte. Sie müssen sich abtrocknen und aufwärmen, sonst holen Sie sich eine schlimme Lungenentzündung.“ Er deutete in den Hausflur. „Die zweite Tür rechts führt zu einem Gästezimmer mit Badezimmer. Vielleicht möchten Sie ein heißes Bad nehmen. Saubere Handtücher finden Sie im Schrank.“

Er schien den Anflug von Panik, den seine ersten Worte bei ihr hervorgerufen hatten, nicht zu bemerken. Vermutlich hatte sie vorhin überreagiert. Und die logische Erklärung dafür war, dass die unerwartete Attraktivität dieses Mannes sie total durcheinandergebracht hatte. Ja, das muss es sein, sagte Samantha sich entschieden, und sie hatte das verzweifelte Bedürfnis, die Geschehnisse irgendwie unter ihre Kontrolle zu bringen.

Wobei seine Bemerkung über ihre nassen Kleider durchaus korrekt gewesen war. „Es ist sehr großzügig von Ihnen“, antwortete sie dann, „dass Sie mir Ihr Gästezimmer zur Verfügung stellen.“

Jack nickte knapp und konnte nicht den Blick von der Frau vor ihm losreißen. Als Erstes war ihm an ihr aufgefallen, dass ihre Kleidung ganz und gar nicht nach Wyoming passte und schon gar nicht bei diesem Wetter. Das Weideland hier war nicht ihre Welt, so viel stand fest. Fest stand allerdings auch, dass sie trotz ihres derangierten Aussehens ein hübscher Anblick war. Nein, mehr noch, wie er sich bei genauerem Hinsehen eingestehen musste, diese Frau war eine regelrechte Schönheit.

Und wenn er ganz ehrlich zu sich war, musste er ebenfalls zugeben, dass er sie äußerst begehrenswert fand – so schwer ihm dieses Eingeständnis auch fiel. Deshalb schob er den Gedanken auch ganz schnell wieder beiseite. Er hatte keine Zeit für solche Spekulationen. Ganz davon abgesehen, dass sie ihm Unbehagen bereiteten.

„Ich würde tatsächlich sehr gern ein heißes Bad nehmen“, fuhr Samantha fort, „allerdings habe ich keine trockenen Sachen zum Anziehen, da sich mein Koffer noch im Kofferraum meines Wagens befindet.“ Sie wusste nicht, ob sie Jack Tremayne böse sein sollte, weil er sie ohne ein Wort der Erklärung einfach entführt hatte, oder ob sie ihm dankbar sein sollte, weil er sie vor einem offenbar bevorstehenden Schneesturm gerettet hatte. „Aber Sie haben mich so schnell gepackt und in Ihren Hubschrauber verfrachtet, dass mir gar keine Gelegenheit blieb, den Koffer zu holen.“

„Sie befanden sich ganz offensichtlich in einer Notlage, also tat ich, was getan werden musste. Es war keine Zeit, die Angelegenheit erst lange zu diskutieren.“

Ihre anfängliche Furcht war vollkommen verflogen. Sie fühlte sich von diesem Mann nicht bedroht, zumindest nicht körperlich.

„Warten Sie einen Moment.“ Jack drehte sich um und verschwand. Ein paar Minuten später kam er zurück und reichte Samantha einen dicken Frotteebademantel. „Hier, den können Sie anziehen, bis Ihre Sachen wieder trocken sind.“

Dann machte er ein ernstes Gesicht, und seine Stimme wurde hart. „Ich habe noch viel zu tun, ehe der Sturm mit voller Kraft losbricht. Aber wenn ich zurückkomme, können Sie mir ja erzählen, warum Sie, um alles in der Welt, während eines Schneesturms einfach durch diese einsame Gegend und dabei angezogen sind, als wollten Sie zur Vernissage einer piekfeinen Kunstgalerie. Sie können von Glück reden, dass ich Sie rechtzeitig entdeckt habe, sonst säßen Sie jetzt nämlich ganz schön in der Patsche.“

Sein unerwarteter – und, wie Samantha fand, ungerechtfertigter – Angriff ärgerte sie. „Ich bin nicht einfach so durch die Gegend kutschiert. Ich habe …“ Wenn sie ehrlich war, hatte sie allerdings genau dies getan. Sie war blindlings losgefahren, ohne über Sinn und Ziel ihrer Fahrt nachzudenken. Sie war sich nicht einmal sicher, was überhaupt sie dazu bebracht hatte, den Highway zu verlassen. Etwas Derartiges hatte sie noch nie zuvor getan, aber das würde sie vor diesem beunruhigenden Fremden natürlich niemals zugeben.

Er stand mit gekreuzten Armen vor ihr, neigte den Kopf zur Seite und hob fragend eine Augenbraue. „Sie haben … was?“

„Ich … ich habe mich verfahren“, erklärte sie. „Durch den Sturm hatte ich die Orientierung verloren, und es fiel mir schwer, den Weg zurück zum Highway zu finden.“

„Typisch Frau – kein Orientierungssinn!“

Jetzt wurde sie regelrecht wütend. „Was genau wollen Sie mit dieser Bemerkung ausdrücken? Sind Sie etwa einer von diesen grässlichen Chauvis, die denken, Frauen gehörten ins Haus und die Geschäftswelt sei Männersache?“

Er musterte sie wieder von oben bis unten. „Ich kann nur von dem ausgehen, was ich sehe. Und das, was ich sehe, ist eine Frau in einer dünnen Seidenjacke und feinen Lederschühchen inmitten eines Blizzards, die nicht einmal weiß, wo sie sich befindet.“

Samantha merkte, dass sie den Kampf verlor, aber sie wollte es noch ein letztes Mal versuchen, Oberwasser zu bekommen. „Ich wusste sehr wohl, wo ich war, bevor Sie mich von der Straße gezerrt und in Ihren Hubschrauber geschleppt haben. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich zu fragen, ob ich Ihre Hilfe überhaupt nötig habe. Sie haben einfach entschieden, dass Sie das am besten wissen.“

„Ich dachte, Sie hätten gerade gesagt, dass Sie sich verfahren hätten und den Weg zum Highway gesucht haben.“ Jack verkniff sich ein Schmunzeln. „Nun, dann hab ich Sie wohl missverstanden. Und wo wollten Sie gerade hin, als Ihr hervorragender Orientierungssinn Sie in die nächste Schneewehe brachte?“

„Das geht Sie einen feuchten Kehricht an!“ Oh nein, dachte Samantha, kaum waren die Worte heraus, jetzt bin ich zu weit gegangen. Ihre Entgegnung war nicht nur zu impulsiv und defensiv, sie war auch extrem unhöflich. Schließlich war sie auf einer gottverlassenen Nebenstraße in einer Schneewehe stecken geblieben. Sie sollte diesem Mann dankbar sein, dass er sie gerettet hatte, und ihn nicht angreifen.

Etwas verlegen blickte sie zu Boden, atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und sah ihn wieder an. „Hören Sie, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht so anblaffen. Die ganze Sache hat mich nur sehr mitgenommen. Ich bin es nicht gewohnt, mich mit unvorhergesehenen Ereignissen auseinanderzusetzen. Und ich treffe ausgesprochen ungern spontane Entscheidungen. Bei mir müssen die Dinge immer sorgfältig geplant sein. Ich hatte einen … Freund besucht, und … Na ja, es lief nicht so wie …“

Wiederum spürte sie einen Schauer über ihren Rücken laufen. Und wieder war Samantha sicher, dass das nichts mit ihren klammen Sachen zu tun hatte. Alles an Jack Tremayne – seine Worte, sein entschlossenes Handeln, selbst seine Körpersprache – wies darauf hin, dass er ein äußerst dynamischer Mann war. Hinzu kam, dass er sehr viel Sex-Appeal hatte, sich seiner verführerischen maskulinen Ausstrahlung aber wohl gar nicht bewusst war.

Er wurde wieder etwas freundlicher. „Wollen Sie jemanden anrufen, um zu sagen, dass es Ihnen gut geht? Jemanden aus der Familie, der sich vielleicht Sorgen macht?“ Er zögerte einen Moment. „Den Freund, den Sie besucht haben … oder Ihren Mann?“

Ja, noch vor ein paar wenigen Tagen hätte sie sofort Jerry Kensington angerufen. Aber jetzt … „Nein, da ist niemand“, antwortete sie und versuchte, das Gefühl der Verzweiflung abzuschütteln, das sie plötzlich überkam. Sie sah weiterhin Jack Tremayne an, dessen silbergraue Augen bis in ihre Seele zu blicken schienen, und senkte dann den Blick, aus Angst, dass er ihre Gedanken und Gefühle lesen könnte.

Er deutete den Flur hinunter. „Die zweite Tür rechts.“

Samantha wollte etwas sagen, doch Jack hatte sich bereits abgewandt und verließ kurz darauf das Haus. Wo bin ich da nur hineingeraten? fragte sie sich. Etwas Derartiges war in ihren Reiseplänen nicht vorgesehen gewesen. Sie fröstelte und freute sich auf ein heißes Bad.

Auf dem Weg zum Gästezimmer fiel ihr Blick aus dem Fenster. Große Schneeflocken wirbelten durch die Luft, und es war stürmischer geworden. Jack hatte den Hof überquert und verschwand gerade in der Scheune. Stirnrunzelnd ging Samantha weiter zum Gästezimmer. Dieser Mann hatte sie mit Sicherheit aus einer sehr gefährlichen Situation gerettet – aber hatte er sie nicht vielleicht in eine noch viel gefährlichere hineingebracht?

Sie war sich der ganz und gar untypischen Gedanken und Gefühle bewusst, die er in ihr weckte. Mit seinen spontanen, scheinbar unüberlegten Entscheidungen war er ihr irgendwie unheimlich. Aber da war noch viel, viel mehr. Samantha war keineswegs eine unerfahrene Frau, aber dass sie so schnell und so stark auf jemanden ansprach, hatte sie noch nie erlebt. Eine solche Erregung hatte sie bei Jerry Kensington jedenfalls nicht gespürt, als sie dem das erste Mal begegnet war. Sie warf erneut einen Blick aus dem Fenster.

Es war schlichtweg absurd, was sie verspürte. Denn Jack Tremayne war nicht im Mindesten das, was sie sich unter einem idealen Mann vorstellte: ein Geschäftsmann; jemand, der seine Aktivitäten sorgfältig überdachte; jemand, dessen Leben durchgeplant war und der genau wusste, was er in den nächsten fünf Jahren tun wollte; jemand, der ein ausgesprochener Stadtmensch war. Nichts von alledem schien auf Jack Tremayne zuzutreffen.

Während sein unerwarteter Gast sich aufwärmte, hatte Jack noch einiges zu erledigen. Und warum stehst du dann wie angewurzelt in der Scheune und starrst zurück zum Haus, als wäre dort das Tollste vom Tollen zu sehen? fragte er sich. Er wusste doch gar nicht, woher diese Frau kam und warum sie dort draußen offenbar ziellos herumgefahren war. Er kannte ja nicht einmal ihren Namen.

Allerdings wusste er mittlerweile, dass sie streitsüchtig, störrisch und überaus rechthaberisch war. Und dass sie etwas verbarg. Er konnte das an ihren Augen erkennen, an der Art, wie manche Dinge sie nervös machten. Sie war eine starke Frau, das spürte er, dennoch war da auch eine gewisse Verletzlichkeit an ihr – etwas, das sie ständig bemüht war zu überspielen. Hinzu kam, dass sie ihn körperlich außerordentlich erregte, was sie offenbar aber gar nicht merkte. Und was ihn dafür ziemlich beunruhigte.

Er versuchte sich zu entspannen und musste dann plötzlich grinsen. Ihre wütende Anschuldigung, dass er ein Chauvi sei, der eine Frau am liebsten nur im Haus sähe, amüsierte ihn. Seine Frau war eine kreative, unabhängige Frau gewesen. Er hatte sie kennengelernt, als sie an seiner Haustür geklingelt hatte und erklärt hatte, sie schreibe ein Buch über die Geschichte von Wyoming, das ohne Informationen über ihn und seine Familie nicht vollständig wäre. Obwohl er ihr mitgeteilt hatte, dass es da genug Informationen in der Universitätsbibliothek gebe, hatte sie sich nicht abwimmeln lassen.

Ihr Tod vor vier Jahren hatte ihn hart getroffen. Sie waren erst zwei Jahre verheiratet gewesen, als sie bei einem Autounfall ums Leben kam – im dritten Monat schwanger mit ihrem ersten Kind. Um mit dem Verlust fertig zu werden, hatte er sich in Arbeit gestürzt, und seine Anstrengungen waren finanziell belohnt worden, doch das hatte die große Leere nicht füllen können, die er seither verspürte.

Und nun hatte ein Schneesturm diese Frau aus dem Nichts in sein Leben geweht. Obwohl die Umstände sehr ungewöhnlich waren und obwohl ihre Haltung nicht anders als feindselig bezeichnet werden konnte, hatte sie es geschafft, seine lang vergessenen sinnlichen Bedürfnisse wieder zu wecken. Zum ersten Mal seit vier Jahren fühlte er sich körperlich zu einer Frau hingezogen – und zwar zu einer Frau, die für ihn ganz und gar die Falsche war.

Nachdenklich runzelte Jack die Stirn. Es beunruhigte ihn, dass sie niemanden anrufen wollte. Dass sich anscheinend niemand Sorgen um sie machte. Der Schmerz in ihren Augen hatte ihn ebenfalls beunruhigt. Vielleicht hatte auch sie etwas sehr Leidvolles durchlitten, genau wie er.

„Der Hubschrauber ist sicher untergebracht, Jack. Das müsste so okay sein.“

Ben Downey, sein Vormann, hatte die Scheune durch die Seitentür betreten. Jack war froh über die Unterbrechung seiner Gedanken.

„Gut … danke, Ben. Würdest du hier in der Scheune weitermachen und sehen, ob alles sturmsicher ist, während ich noch einmal durch die Ställe gehe? Lass einen der Jungs einen extra Stapel Brennholz an eurer Schlafbaracke und im Wohnhaus aufschichten. Und Vince soll den Notgenerator überprüfen, damit er einsatzbereit ist. Es kann einige Tage dauern, ehe der Sturm nachlässt, und wenn es ganz hart kommt, könnten wir wieder einen Stromausfall haben, wie vor drei Jahren.“

2. KAPITEL

Eine Stunde später verließ Samantha das Gästezimmer, nachdem sie die Hälfte der Zeit in der heißen Badewanne verbracht und versucht hatte, nicht an die prickelnden Gefühle zu denken, die Jack Tremayne allein durch seine Nähe in ihr ausgelöst hatte. Da war es am sichersten, sich einfach immer wieder vor Augen zu führen, dass sie diese Ranch bald verlassen und ihr innerer Aufruhr schnell wieder verebben würde.

Samantha kuschelte sich in den Bademantel, den Jack ihr gegeben hatte, und das Gefühl des flauschigen Frottees auf der Haut machte ihr ihre Nacktheit noch bewusster. Dem Pastellton nach zu urteilen, gehörte der Bademantel wohl einer Frau, war ihr aber mindestens drei Nummern zu groß. Samantha zog den Gürtel enger und tapste barfuß den Flur entlang in das Wohnzimmer, wo sie es sich vor dem warmen Kaminfeuer gemütlich machen wollte.

Vorhin in der Badewanne hatte sie sich zum ersten Mal seit ihrer Landung in Denver richtig entspannen können. Fast ein Jahr lang war sie mit Jerry Kensington verlobt gewesen, und das, obwohl sie tausend Meilen voneinander entfernt wohnten. Doch sie hatte auf einer zweijährigen Verlobungszeit bestanden, da sie dies als vernünftig und logisch erachtet hatte. So blieb ihnen ausreichend Zeit, um sich über mögliche Schwierigkeiten in ihrer Beziehung klar zu werden und die gemeinsame Zukunft zu planen.

Die letzten zwei Monate waren allerdings schwer für sie gewesen. Trotz aller sorgfältigen Planung hatte sie zunehmend das Gefühl gehabt, dass irgendetwas nicht stimmte. Was sie dann jedoch am meisten beunruhigt hatte, war, dass es sie gar nicht so sehr störte, wie es sollte, das womöglich nicht alles bestens lief. Sie hatte sich allerdings verboten, darüber nachzudenken, dass sie Jerry möglicherweise überhaupt nicht liebte – zumindest nicht genug, um ihn heiraten zu wollen.

Ihre Reise nach Denver sollte ihr Klarheit über ihre Gefühle verschaffen, und natürlich hatte sie Jerry auch sehen wollen. Er hatte sich ständig darüber beklagt, dass sie so wenig impulsiv sei und jeden noch so kleinen Aspekt ihres Lebens planen wolle. Und sie hatte sich schon auf seinen überraschten Gesichtsausdruck und das darauf folgende Lob gefreut, wenn sie ihn in seinem Haus besuchen würde.

Überrascht war er dann tatsächlich gewesen. Aber ihr Besuch schien weniger Freude bei ihm auszulösen als einen Schock. Das Haar zerzaust und nur mit einem Bademantel bekleidet, öffnete er die Tür und starrte Samantha an, als wäre sie ein Geist. Unter verlegenem Gestammel verwehrte er ihr den Zugang zu seinem Haus. Kurz darauf erkannte sie den, denn jetzt war sie natürlich erst recht alarmiert und wollte wissen, was los war. Eine Frau, die nichts weiter trug als eines seiner T-Shirts, kam aus seinem Schlafzimmer spaziert.

Jerry hatte Samantha schuldbewusst angesehen, doch seine Verlegenheit hatte zweifelsohne daher gerührt, dass er erwischt worden war, und nicht daher, dass er seine Tat ehrlich bedauerte. Samantha hatte sich wortlos umgedreht und war gegangen, und Jerry Kensington hatte keinen Versuch gemacht, sie aufzuhalten. Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so betrogen und gedemütigt gefühlt … und so allein.

Das war vor zwei Tagen gewesen. Seither war sie ziellos durch Colorado und Wyoming gefahren, bis sie schließlich mitten im Nichts in einer Schneewehe gelandet und von einem Fremden per Hubschrauber auf dessen Ranch verschleppt worden war. Sie hatte keine Ahnung, wo genau sie sich befand. Ihr sorgsam durchorganisiertes Leben war außer Kontrolle geraten. Und sie hatte keinerlei Erfahrung mit unüberschaubaren Ereignissen.

Ebenso hatte sie keine Erfahrung mit der Art von Empfindungen, die Jack Tremayne in ihr hervorrief. Denn auch der körperliche Aspekt ihrer Beziehung zu Jerry Kensington war sorgsam geplant gewesen – jede Einzelheit hatte vorhersehbar sein sollen, so wie sie dachte, dass sie es immer gewollt hatte. Aber irgendwie war das auch öde gewesen, und so manches Mal hatte sie sich insgeheim gewünscht, Jerry würde etwas Aufregendes tun, um sie zu überraschen. Sie wusste, dass dies in völligem Widerspruch zu ihrer Lebenseinstellung stand, trotzdem hatte sie den Wunsch nicht unterdrücken können.

Samantha sah sich um. Das große, gemütliche Wohnzimmer vermittelte den Eindruck, als hätten hier über Jahre viele glückliche Familientreffen stattgefunden. Traurig dachte sie daran, dass glückliche Familientreffen bisher nicht zu ihrem Leben gehörten. Und nun, nach diesem schrecklichen und erniedrigenden Zwischenfall mit ihrem Verlobten – nein, ihrem Exverlobten –, sah es ganz so aus, als würden Familientreffen auch in ihrem weiteren Leben keine Rolle spielen.

Sie straffte entschlossen die Schultern. Da Heirat und Familie nun nicht mehr zu ihrem Lebenskonzept gehörten, würde sie sich eben wieder ausschließlich auf ihre Karriere konzentrieren. So hätte sie für die Zukunft zumindest finanziell ausgesorgt. Das musste reichen. Sie würde auf jeden Fall das Beste aus dieser zwischenzeitlichen Unterbrechung ihres Lebensplans machen, und sobald das Wetter besser wurde, wollte sie sofort wieder nach Los Angeles zurückkehren.

Ein kalter Windstoß fegte durch den Raum, als Jack ins Haus kam. Er stampfte mit den Stiefeln auf die Fußmatte, damit der Schnee abfiel, und zog sich Handschuhe und Jacke aus. Dann erblickte er seinen geheimnisvollen Hausgast. Selbst in dem voluminösen Bademantel wirkte diese Frau sehr attraktiv. Schnell verscheuchte er den Gedanken wieder und marschierte quer durchs Zimmer zum Kamin.

„Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?“, fragte er.

„Ja, vielen Dank.“ Samantha klappte den Kragen des Frotteemantels hoch und zog noch einmal nervös den Gürtel enger. Jack Tremaynes Nähe verursachte ihr wieder ein Prickeln auf der Haut und heiße Wangen. Sie senkte den Kopf, da sie dem Blick seiner silbergrauen Augen nicht standhalten konnte. „Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir den warmen Bademantel zu leihen.“

„Er gehört Helen, meiner Haushälterin. Ben, ihr Sohn, ist mein Vormann.“ Jack widmete sich über Gebühr dem Kaminfeuer, um seine plötzlich aufwallende Begierde in den Griff zu bekommen. Wieso, zur Hölle, fühlte er sich zu dieser Frau nur so stark hingezogen?

Autor

Shawna Delacorte
Shawna Delacorte hatte schon immer eine große Schwäche für Krimis und baut in ihre romantischen Handlungen gern eine spannende Nebenhandlung ein. Aber wussten Sie, das sie ursprünglich Drehbuchautorin werden wollte und lange Zeit im Filmgeschäft tätig war?
Mehr erfahren
Linda Conrad
Mehr erfahren
Jennifer Greene

Seit 1980 hat die US-amerikanische Schriftstellerin Jennifer Greene über 85 Liebesromane veröffentlicht, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Unter dem Pseudonym Jennifer Greene schreibt die Autorin Jill Alison Hart seit 1986 ihre Romane. Ihre ersten Romane wurden 1980 unter dem Namen Jessica Massey herausgegeben, das Pseudonym Jeanne Grant benutzte...

Mehr erfahren