Ich spüre deine Zärtlichkeit

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Ohne seine Autopanne hätte der bescheidene Millionär Hunter King niemals die hinreißende Dani kennengelernt. Bei ihm ist es Liebe auf den ersten Blick - doch Dani will ihn so schnell wie möglich wieder loswerden. Da schmiedet Hunter einen gewagten Plan …


  • Erscheinungstag 30.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745646
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Danielle Michaels musste einen Mann finden.

Es war bereits nach Mitternacht, doch sie würde erst nach Hause fahren, wenn sie ihn gefunden hatte. Wieder spähte sie durch die angeschlagene Windschutzscheibe und hielt Ausschau.

Nichts. Einige Bäume, Regenschwaden, aber kein Wagen. Und erst recht kein Mann.

Ich wusste, dass Dad nicht begriffen hat, wo die Stelle ist, dachte sie und schaltete alle Scheinwerfer des Abschlepplasters ein. Volltreffer! Der gelbe Lichtkegel erfasste die Stoßstange einer dunklen Limousine, deren Heck im Graben steckte. Vorsichtig fuhr Dani den Laster neben den Wagen und kletterte auf die matschige Straße hinunter. Die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen, ging sie hinten um den Laster herum. Im strömenden Regen war die Sicht gleich null.

Also gut, wo bist du, Stadtjunge? Sie klopfte ans Seitenfenster des liegen gebliebenen Wagens. Die Scheibe wurde einen Zentimeter heruntergelassen. In der Dunkelheit konnte Dani die Umrisse des Mannes am Lenkrad nur schwach ausmachen, der sich nicht stören ließ und weiter in ein Handy sprach.

Dani zählte bis zehn. Der Kunde hatte immer recht. Der Kunde hatte immer recht. Egal, ob der kalte Regen selbst durch die kleinste Öffnung der Kleidung drang oder der Regen einem in den Kragen lief.

Der Mann legte die Hand übers Handy. „Machen Sie schon. Ziehen Sie ihn raus“, befahl der barsch und schloss dann das Fenster wieder.

Wieso ist mir das nicht eingefallen? überlegte Dani.

Sie zog Lederhandschuhe aus den Taschen und streifte sie über ihre klammen Finger. Ihre schlechte Laune durfte sie nicht an dem Mann auslassen. Es war einfach nur ein dummes Zusammentreffen, dass Derek, ihr verflixter Exmann, angerufen hatte, als sie gerade hatte losfahren wollen. Und danach der Ärger mit Chester Bullop und seiner Abschleppfirma, der ihr wieder mal die Hölle heißgemacht hatte. Wenn der Mann sich doch endlich aus Pop Geschäft raushalten würde!

Dani fuhr den Laster rückwärts in Stellung und spähte unter die Stoßstange der Limousine. Bloß nichts verkratzen oder eindellen. Bisher hatte sie noch nie etwas beschädigt, und dabei sollte es bleiben. Ein Aufkleber an der Stoßstange wies das Gefährt als Mietwagen aus.

Toll! Ein Städter, der bei Regen nicht fahren konnte.

Nachdem Dani sich vergewissert hatte, dass die Abschleppseile richtig am Wagenchassis angebracht waren, richtete sie sich auf. Die Fahrertür der Limousine wurde geöffnet und geschlossen. Ein großer Mann mit einem Aktenkoffer und einer Reisetasche in den Händen rannte zur Beifahrerseite des Lasters. Dani bediente die Winde und hievte den Wagen auf die Abschleppfläche.

Die Achse schien gebrochen zu sein. Hoffentlich konnte Pete sie reparieren. Dani überprüfte nochmals, ob die Arretierung sicher saß, ehe sie in die warme Fahrerkabine ihres Lasters stieg. Darüber, wie ihr Chefmechaniker reagieren würde, wollte sie sich jetzt keine Gedanken machen. Jetzt nichts wie nach Hause!

Der Mann blickte von den Unterlagen auf seinem Schoß nicht einmal auf. „Danke, Mac. Wenn Sie das Ding zur nächsten Werkstatt und mich zu einem Hotel bringen, werden Sie’s nicht bereuen.“

Im Schein der Armaturenbeleuchtung betrachtete Dani ihn von der Seite. Er hatte ein gutes Profil, pechschwarzes, regennasses Haar …

Er ist nur ein Mann, Dani, keine neue Erfindung. Sie schob die Kapuze zurück und warf die Handschuhe auf den Sitz zwischen ihnen.

„Das kostet Sie die normale Abschleppgebühr. Sagen Sie mir einfach, wo ich Sie absetzen soll.“

„Was zum …?“ Der Mann hatte sich ihr zugewandt und sah sie an, als wäre sie gerade vom Mutterraumschiff runtergebeamt worden. „Sie sind eine Frau.“

Dani lächelte belustigt. „Ja, erstaunlich, nicht?“ Eine solche Reaktion erlebte sie nicht zum ersten Mal.

„Sie hätten etwas sagen sollen, dann hätte ich Ihnen geholfen.“ Seine dunkle Stimme nahm der Bemerkung etwas von ihrer beleidigenden Anspielung, und er betrachtete sie mit seinen unglaublich blauen Augen.

Sie legte den Gang ein und lenkte den Laster auf die Straße. „Na ja, ich glaube nicht, dass Sie sich mit dem Laster hier auskennen. Außerdem, wenn ich nach vier Jahren nicht in der Lage wäre, einen Wagen aufzuladen und ihn in den Ort zu schaffen, sollte ich das Geschäft lieber aufgeben und ein Kosmetikinstitut besuchen.“

Der Typ lächelte nicht mal.

„Wie kommt es, dass Sie im Graben gelandet sind?“ Nur die Geräusche der Scheibenwischer erfüllten die Kabine. Dani hielt den Blick auf die Straße gerichtet. Der Mann roch verflixt gut.

„Pure Dummheit. Haben Sie Kunden, die was anderes behaupten?“

Diesmal war da ein Anflug von Humor in seiner Stimme.

„Ständig. Niemand gibt schließlich gern zu, nicht aufgepasst oder etwas falsch gemacht zu haben.“ Dani beschleunigte das Tempo nur leicht. Der Regen entwickelte sich zum Wolkenbruch. Hoffentlich hatte der Fluss die Straße nicht völlig überschwemmt!

„Ich heiße Hunter King und bekenne mich schuldig, den Wagen in den Graben gesetzt zu haben. Und ich schwöre, ich werde die nächste Gesetzeseingabe befürworten, die ein Verbot vorsieht, beim Autofahren ein Handy zu benutzen.“

Dani spürte, dass er sie ansah. „Ich bin Danielle Michaels, aber man nennt mich Dani. Wollen Sie im Ort absteigen?“ Aus den Augenwinkeln riskierte sie einen Blick.

„Ich weiß noch nicht mal, wie der Ort hier heißt. Auf meiner Karte war er nicht verzeichnet.“

„Wir sind hier vor Sweetwater. Wohin wollen Sie?“

„Pars Crossing. Kennen Sie’s?“ Hunters dunkle Stimme ließ Dani unwillkürlich erschauern.

Sie rief sich zur Ordnung. Hier ging es schließlich ums Geschäft. „Bis dort sind’s noch eineinhalb Stunden. Möchten Sie jemand anrufen, damit man sich keine Sorgen macht?“

Hunter antwortete nicht sofort. Niemand würde ihn vermissen oder erwarten. Die Inspektion sollte ein Überraschungsbesuch sein. „Niemand wird sich sorgen. Welches Hotel würden Sie mir empfehlen?“

Belustigt lachte Dani. „Mr. King, waren Sie schon mal in Sweetwater?“

Er wünschte sich, dass sie nochmals lachte. Ihr Lachen gefiel ihm. „Nein.“

„Tja, wir haben hier weder ein Motel, ein Hotel, noch eine Pension. Die einzigen Betriebe hier sind meine Werkstatt, das Restaurant meiner Schwester, ein Secondhandbuchladen und eine Zahnarztpraxis, die an zwei Tagen in der Woche geöffnet ist.“ Sie verlangsamte das Tempo und schaltete in einen niedrigeren Gang. „Wenn’s so weiter gießt, brauchen Sie sich keine Gedanken mehr zu machen, wie Sie zu einem Zimmer kommen. Dann müssen wir hier im Laster schlafen.“

Hunter zog die Brauen hoch. Die Vorstellung, zusammen mit dieser langbeinigen jungen Dame in der engen Fahrerkabine zu schlafen, war … interessant. Ach was! Wahrscheinlich ist sie verheiratet und hat eine Schar Kinder.

„Warum sollten wir denn im Laster schlafen?“ Im Halbdunkel studierte er ihre Züge. Kecke Nase, volle Lippen … sie schien attraktiv zu sein.

„Als es das letzte Mal wie jetzt goss, hat der Sutter’s Creek die Straße weggeschwemmt. Wenn’s in diesem Teil von Colorado im Frühling so regnet, sprengt das Wasser die Gullis.“ Sie spähte durch die Windschutzscheibe, als wollte sie prüfen, ob die Fahrbahn nicht etwa schon weg war.

„Na ja, angenommen, wir kommen in den Ort. Gibt’s dort jemand, der mir ein Zimmer vermieten würde?“

Nachdenklich sah sie ihn einen Moment an, als versuchte sie, ihn als Menschen einzuordnen. „Wir haben ein freies Zimmer – betrachten Sie’s als Bestandteil unseres Kundendienstes.“

Warum war sie nervös? Sicher lag das am Regen und den katastrophalen Straßenverhältnissen.

„Ich wäre Ihnen dankbar für eine Unterkunft. Morgen lasse ich mir was anderes einfallen.“ Er blickte auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. „Oder sollte ich sagen, heute?“

Schweigend sah Dani in den Regen hinaus. Was hatte sie bloß dazu verleitet, einem völlig Fremden ein Zimmer anzubieten? Sie war eine gute Menschenkennerin, aber innerhalb von zehn Minuten konnte man niemanden beurteilen. Unbehaglich dachte sie an den alten Revolver, den sie auf Drängen ihres Vaters in ihrem Zimmer aufbewahrte. Wie man damit umging, wusste sie nicht.

Sie fuhr langsamer und bog in die Zufahrt ein. Bis hierher hatten sie es geschafft, und sie wollte keinen Zaunpfosten umfahren. Sie war sich der Nähe des Mannes überdeutlich bewusst und erschauerte jedes Mal.

Komm schon, Mädchen! Schließlich machst du so eine Mitternachtstour nicht zum ersten Mal. Doch noch nie hatte sie sich so wachsam und angespannt gefühlt. Cami hätte diesen Nervenkitzel genossen.

Ihre Zwillingsschwester ließ keine Gelegenheit aus, Amor zu spielen, obwohl sie nicht mal verheiratet war. Wieder riskierte Dani einen Blick auf Hunters Profil. Vielleicht sollte ich ihn mit Cami verkuppeln. Hm … Der Gedanke mutete sie seltsam an und gefiel ihr irgendwie nicht.

Unvermittelt schob Hunter sein Handy in die Manteltasche. „Sind wir da?“

Dani räusperte sich. „In Sweetwater noch nicht. Das hier ist die Zufahrt, aber sie ist drei Kilometer lang.“

„Wie bitte?“ Er wandte sich ihr zu und sah sie überrascht an. „Wie viel Land besitzen Sie denn?“

„Technisch gesehen, gar keins. Es ist Familienbesitz und umfasst zwölfhundert Hektar.“

Hunter stieß einen leisen Pfiff aus. „Nicht gerade eine Schrebergartenparzelle. Leben Sie hier draußen allein?“

„Himmel, nein. Ich wohne hier mit Dad und meinen Kindern. Meine Schwester Camilla hat die Arbeiterbaracke umgebaut und wohnt dort.“ Die Scheinwerfer erfassten die vordere Veranda des weißen Farmhauses.

„Und Ihr … ich meine …“ Hunter sprach nicht weiter.

Dani wusste, was er fragen wollte. Sie hatte es schon so oft gehört. „Ich bin geschieden.“

„Ich wollte nicht neugierig sein.“

„Das sind Sie nicht. Es ist ganz normal, dass Sie danach fragen. Da Sie bei uns übernachten, möchten Sie wissen, wer Sie ins Kreuzverhör nehmen wird.“ Sie hielt hinter dem Farmhaus und schaltete den Motor aus. Schweigen umgab sie, das vom Trommeln des Regens auf dem Kabinendach untermalt wurde.

Im schwachen Schein der Verandalampe sah Hunter Dani an. „Kreuzverhör?“

„Na ja, sie werden Fragen stellen, Sie unter Beschuss nehmen. Mitten in der Nacht habe ich noch nie einen Mann nach Hause gebracht.“ Hitze stieg in ihr auf. „Ich meine …“

Jetzt lächelte Hunter. „Ich weiß, was Sie meinen.“

Dani tastete nach dem Türgriff. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer, ehe die Sonne aufgeht.“

Gemeinsam hasteten sie durch den Regen auf das Haus zu. Als Dani die drei Verandastufen hinaufeilte, drehte sie sich um und sah, dass Hunter ihr dicht folgte. Beide schüttelten sich das Wasser aus dem Haar.

Er legte sich die Hand aufs Herz und lächelte. „Mir ist noch nie eine Frau begegnet, die schneller rennen konnte als ich.“

„Es ist nützlich, wenn man einen Meter achtzig groß ist und sehr lange Beine besitzt.“ Gut gemacht! Spiel’s ruhig aus, dass du kein Winzling bist. Ihre Größe war nichts, dessen sie sich schämen musste. Ganz gleich, was Derek gesagt hatte. Versuch, dich ein bisschen kleiner zu machen. Die anderen brauchen nicht zu merken, dass du mich überragst. Bald hatte sie erkannt, dass er mit seinen Sticheleien nur seine eigene Unsicherheit überspielen wollte.

Doch Hunter reagierte amüsiert. „Nett, mal zur Abwechslung ein steifes Genick zu bekommen.“

Im Stillen dankte Dani ihm für seine Galanterie. Sie wandte sich dem Hintereingang zu und stieß die Tür auf.

Schweigend blickte Hunter sich in dem Raum um. Eine Lampe über der Anrichte tauchte die Küche in sanftes Licht. Blanke Kupfertöpfe zierten eine Hängevorrichtung. Die weißen Schränke und zartgrünen Wände wirkten urgemütlich. So etwas kannte er aus Einrichtungszeitschriften. Dass es so etwas wirklich gab, hätte er nicht gedacht.

„Sie können Ihr Jackett an einen Haken hinter der Tür hängen.“ Dani entledigte sich ihrer eigenen triefenden Jacke. „Ihr Zimmer ist oben. Dad benutzt nur das Erdgeschoss, weil seine Knie kaputt sind.“ Sie wartete, bis Hunter sein Jackett aufgehängt hatte, dann ging sie ihm auf Zehenspitzen nach oben voraus.

Statt seine Umgebung wahrzunehmen, sah er nur ihren wohlgeformten Po. Der weiche Jeansstoff schien sie bei jedem Schritt zu liebkosen. Hunter rief sich zur Ordnung. Nichts da, mein Junge! Die Dame tut dir nur einen Gefallen. Er hatte viel zu lange keine Beziehung mehr gehabt. Aber irgendwie hätte es auch nichts geändert, wenn er jede Nacht verabredet gewesen wäre.

Sie stieß die erste Tür rechts auf und bediente einen Wandschalter. Eine Nachttischlampe erhellte den Raum. „Das Bad ist am Ende des Ganges. Falls Sie etwas brauchen, ich bin im Zimmer gegenüber.“ Prüfend blickte Dani sich um, ehe sie Hunter ansah. „Gute Nacht.“

Leise schloss sie die Tür hinter sich.

Hunter atmete tief aus, stellte Aktenkoffer und Tasche ab und ließ sich auf das Doppelbett sinken. Müde fuhr er sich durchs Haar und rieb sich die Augen. Danis große Augen ließen ihn nicht los, doch er verdrängte das Bild schnell. Er musste sich auf die Geschäfte konzentrieren.

Wieso eigentlich? Sie würden auch ohne ihn bestens laufen. Er hatte sich selbst fast überflüssig gemacht, indem er die Werbeagentur bis aufs Letzte rationalisiert und umorganisiert hatte.

Erschöpft streifte er die Schuhe ab und öffnete die Tür. Er spähte den Gang entlang, dann ging er zum Bad. Das Bett lockte, als er zurückkehrte. Nachdem er den zerknitterten Anzug ausgezogen hatte, glitt er zwischen die Laken. Sie rochen nach frischer Luft.

Er zog sich die Decke bis ans Kinn und schloss die Augen. Genieße es, solange du kannst, Hunter King.

Murrend wehrte Dani sich gegen beharrliches Zupfen. Nur nicht den Traum verlassen, in dem ein großer dunkelhaariger Mann mit unerhört blauen Augen vorkam.

„Mommy. Bitte, Mommy, es ist wirklich dringend.“

Plötzlich hellwach, richtete Dani sich auf und hatte das herzförmige Gesicht ihrer Tochter vor sich.

„Was ist denn los? Wo ist dein Bruder?“

„Er wartet, dass du kommst, Mommy.“ Emma zog an ihrer Hand.

Seufzend schlug Dani die Decke zurück. „Was für ein Spiel spielt ihr wieder?“ Sie blickte auf die Uhr. Halb sieben. Vier Stunden Schlaf. Oje. „Also gut, Liebes. Ich bin für euer Spiel bereit.“

Emma stemmte die kleinen Fäuste in die Hüften. „Es ist kein Spiel. Ich habe Tante Cami angerufen, und sie hat geschrien und gelacht und gesagt, sie käme sofort rüber.“ Aufgeregt drehte sie sich um und ging voraus.

Vom Ende des Ganges drang Stimmengewirr zu Dani herüber. Was war da los? Typisch Cami, in aller Herrgottsfrühe Streiche zu machen. Dani fuhr sich durchs Haar und ging ins Bad.

Meine Güte! Sie blieb stehen und betrachtete die Szene, die sich ihr bot. Höchste Zeit, dass sie kam.

Drew stand mit seinem Spielzeuggewehr im Anschlag da und zielte auf die nackte Brust eines muskulösen Mannes unter der Dusche.

Todernst stand der da, die Hände erhoben, um die Hüfte nur ein kleines weißes Handtuch geschlungen.

Gespannt sahen Emma und Drew ihre Mutter an und warteten auf ihre Reaktion. Drew richtete sich zu seiner vollen Größe von einem Meter zwanzig auf und prahlte: „Ich hab ihn gestellt, Mommy. Er hat unser Wasser und Zeugs benutzt.“

Immer noch konnte Dani Hunter nur stumm ansehen, dessen nackte Oberschenkel kaum bedeckt waren. Ihm war anzumerken, dass er Mühe hatte, ernst zu bleiben. „Ja“, brachte sie nur hervor.

Emma nahm die Hand ihrer Mutter. „Soll ich den Sheriff rufen?“

Ein gefundenes Fressen für die Klatschbasen im Ort. „Nein, Liebes. Aber wir müssen etwas unternehmen. Was meint ihr?“

„Zwing ihn, unser Handtuch herzugeben“, schlug Drew vor.

Dani fing Hunters Blick auf. Er zog eine Braue hoch und wartete auf ihre Entscheidung. Es fiel ihr schwer, zu atmen.

Schritte kündigten an, dass Cami nahte. „Also ich finde, du hast recht, Drew. Er soll uns das Handtuch zurückgeben.“

Hunter ließ einen Arm sinken und griff nach dem Handtuchzipfel, den er an der Taille festgesteckt hatte.

Stocksteif stand Dani da. Das würde er nicht wagen!

2. KAPITEL

Doch Hunter hielt das Handtuch fest. Vier Augenpaare blickten ihn gespannt an. Bildete er es sich ein, oder hatte er zwei Zwillingspaare vor sich – die Frauen und die Kinder?

Schließlich sagte er zu Dani: „Anscheinend haben Sie vergessen, von mir zu erzählen.“

„Woher sollte ich wissen, dass Sie schon im Morgengrauen unter der Dusche stehen?“ Sie lächelte schwach.

„Hm, Dani, möchtest du uns nicht bekannt machen?“ Danis Ebenbild trat näher und begutachtete ihn von Kopf bis Fuß.

Es kostete Hunter Mühe, nicht die Arme vor der Brust zu verschränken.

„Hört mal alle, das ist Mr. King. Ich habe ihn letzte Nacht mitgebracht. Mr. King, meine Kinder, Drew und Emma.“

Mit dem Kopf deutete Dani auf die junge Frau neben sich. „Und das ist meine Schwester Camilla … Cami.“

Cami trat näher und reichte ihm die Hand. „Guten Morgen. Sie hat Sie aufgelesen?“

Nur kurz drückte Hunter ihr die Hand, weil er aufpassen musste, dass das Handtuch nicht verrutschte.

„Das wäre das erste Mal.“ Cami wandte sich Dani zu. „Bravo, Schwesterherz! Höchste Zeit, dass du was unternimmst, um deinem Singledasein zu entrinnen.“

Erstaunt blickte Hunter von einer zur anderen. Ja, hier war die Grauzone. Es war nicht zu übersehen, dass er Zwillinge vor sich hatte, doch in ihrem Wesen waren sie verschieden. Vor Verlegenheit schoss Dani das Blut in die Wangen.

„Mom, wollen wir ihm unser Handtuch wegnehmen?“ Drew stand immer noch mit dem Gewehr im Anschlag da.

Nur über meine Leiche, mein Junge. Hunter hielt das Handtuch fest. Es verhüllte nicht viel, aber es war alles, was er zu seinem Schutz hatte.

Kurz entschlossen legte Dani den kleinen Möchtegernpolizisten die Hände auf die Schultern und schob sie zur Tür. Cami folgte ihnen, blickte jedoch kurz über die Schulter zurück.

„Wir erwarten Sie unten, Mr. King. Entschuldigen Sie die Störung.“

Eine interessante Art, den Tag zu beginnen. Sekundenlang blickte Hunter ihnen ungläubig nach, dann riss die kalte Luft ihn aus seiner Erstarrung. Er verließ die Dusche und ging zum Waschbecken.

Mit einem zweiten Handtuch rubbelte er sich die Haare trocken und griff nach seiner Kulturtasche. Nachdem er sich mit Rasierschaum eingeseift hatte, betrachtete er den Mann im Spiegel und musste lächeln. Danis Anblick im weißen Mininachthemd war es wert, dass ihn bei Drews Erscheinen beinahe der Schlag getroffen hätte. Nur gut, dass ein Handtuch greifbar gewesen war.

Vorsichtig ließ Hunter den Rasierer übers Kinn gleiten. Alle Achtung, solche Beine sollte ein Mann jeden Morgen zu sehen bekommen! Ein Blutstropfen bildete sich an seinem Kinn. Mist! Besser, man dachte an andere Dinge, wenn man eine möglicherweise tödliche Waffe in der Hand hielt.

Nachdem Hunter sich rasiert hatte, wusch er sich das Gesicht. Es passierte nicht oft, dass er einer Frau begegnete, die ihn faszinierte. Meist langweilte er sich schnell. Sobald die Damen von seiner Firma erfuhren, dachten sie nur noch ans große Geld. Er wollte endlich mal eine kennenlernen, die ihn um seiner selbst willen begehrte. Nur ihn. Nicht seinen Namen, sein Geld oder sein Unternehmen.

Doch natürlich interessierten Frauen sich auch aus anderen Gründen für ihn, obwohl er kein im klassischen Sinn schöner Mann war, wie sein Bruder ihn immer wieder erinnerte. Brent hatte das gute Aussehen geerbt, er, Hunter, den Verstand. Jedenfalls stellte Brent es so hin.

Egal. Bisher hatte sich noch keine Frau bei Hunter beklagt. Er behandelte jede wie eine Dame, führte sie in elegante Restaurants und zu noblen gesellschaftlichen Ereignissen. Oberflächliche Beziehungen, mehr war da nicht gewesen. Mehr hatte er nie gewollt, sich nicht einmal gefragt, warum das so war.

Vorsichtig öffnete Hunter die Badezimmertür und spähte den Gang entlang. Die Luft war rein. Er eilte zu seinem Zimmer, ehe gefährlichere Angreifer ihn aufs Korn nahmen. Sobald er in Sicherheit war, wühlte er seine Reisetasche durch und zog sich Jeans und Sweatshirt an. Bequem, wenn auch nicht direkt das Richtige für eine Vorstandssitzung.

Heute Morgen bin ich Mr. Unbedeutend.

Hunter ging nach unten und folgte dem Stimmengewirr und dem Duft von brutzelndem Speck. Hoffentlich bot die wilde Horde ihm etwas zu essen an. Ausgehungert, wie er war, hätte er sogar darum gebettelt. Seit dem Mittagessen am Vortag hatte er nichts mehr zu sich genommen, und ihm knurrte der Magen fürchterlich.

Blitzschnell zog Dani ihre Hand zurück. Ihre Fingerspitze war gerötet, wo sie sich am Tiegel verbrannt hatte. Wieder hatte sie Hunter in der Dusche vor sich gesehen und nicht auf das brutzelnde Fleisch geachtet. Kein Wunder, seit Jahren hatte sie keinen Mann mehr länger um sich gehabt. Ein völlig neues Gefühl nach so langer Dürrezeit!

Behaarte Brust … muskulöse Schenkel … es war nicht schwer, sich vorzustellen, was unter dem Handtuch verborgen gewesen war.

Erde an Dani – zurück auf den Boden der Tatsachen! Hunter King war ein Kunde. Ein Fremder, der bei ihr für eine Nacht ein Dach über dem Kopf gefunden hatte. Im Handumdrehen würde er wieder fort sein. Sie seufzte. Schade.

Cami erschien neben ihr. „Na komm schon, weshalb hast du geseufzt?“

„Hab ich nicht“, widersprach Dani sofort. „Ich habe nur auf meinen verbrannten Finger gepustet.“

„Ha, ha. Du hast an den Mann gedacht, den du abgeschleppt hast, und ihn dir ohne Handtuch vorgestellt.“

Rasch blickte Dani zum Tisch, wo Drew und Emma in ein Malbuch vertieft waren. „Ich habe Hunter nicht abgeschleppt. Na ja, jedenfalls nicht so. Er ist ein Kunde und wusste nicht, wo er schlafen sollte.“ Sie wendete den knusprigen Speck. „Versuch ja nicht, Kupplerin zu spielen, meine Liebe. Ehe du ihn in eine peinliche Lage bringen kannst, ist er wieder verschwunden.“

Camis Augen blitzten verheißungsvoll. „Abwarten.“

„Wehe dir! Wenn du Dummheiten machst, setze ich in deinem Restaurant Küchenschaben aus.“

„Puh, das wäre schrecklich.“ Tänzelnd bewegte Cami sich außer Reichweite, ehe Dani sie mit dem Geschirrtuch treffen konnte. „Dann müsste ich für die riesigen exotischen Rosinen mehr berechnen. Wenn ich’s mir genauer überlege, bei zwei Stammgästen könnte ich’s vielleicht versuchen.“

Dani verdrehte die Augen. Ihre Schwester konnte einfach nichts ernst nehmen. Stets hatte sie Unsinn im Kopf. Sie dagegen hatte ihren Sinn für Humor in den zwei katastrophalen Ehejahren mit Derek eingebüßt.

Hinter ihr ertönte Kichern. Die beiden Wunderwesen, die aus ihrer kurzen Ehe hervorgegangen waren, tuschelten verschwörerisch. Nicht zu fassen, dass Derek seine Kinder nur ein-, zweimal im Jahr sehen wollte. Zwar konnte es ihr nur lieb sein, dass er sie nicht weiter beeinflussen wollte, doch Kinder brauchten eine Vaterfigur.

Wieder Gelächter. Was führten die beiden im Schilde? Dani legte einen Deckel auf den Tiegel und schlich hinter die Zwillinge und ihre Schwester, um einen Blick auf das Werk zu erhaschen. Hunter. Wen sonst würden sie mit einem weißen Handtuch bekleidet malen?

Dani räusperte sich. „Ist das für Mr. King?“

„Aber nein, Mom.“ Mit großen unschuldigen Augen blickte Drew zu ihr auf. „Das ist für Tante Cami, weil sie sich gewünscht hat, sie hätte eine Kamera dabeigehabt, als wir oben waren.“

Dani sah ihre Schwester an. „Tante Cami sollte sich lieber mit anderen Dingen beschäftigen, sonst zieht Mommy sie vom Spiel ab.“

Cami streckte ihr die Zunge heraus.

Kopfschüttelnd ignorierte Dani sie. „Wir fangen zu essen an. Ich muss früh in der Werkstatt sein.“ Sie tischte Rühreier und Speck auf.

Cami schenkte Saft ein. „Wohin gehen die Kinder heute?“

„Millie hat sich bereit erklärt, sie noch eine Woche zu nehmen.“ Dani runzelte die Stirn. Als ledige Mutter hatte man’s nicht leicht. „Wenn sich auf die Anzeige nicht bald jemand meldet, sitze ich auf dem Trockenen.“

„Hier draußen sind Kindermädchen schwer aufzutreiben. Was machst du, wenn sich niemand bewirbt?“

„Keine Ahnung.“ Dani beobachtete, wie die Kinder ihre Buntstifte einsammelten und Sets auflegten. Ihre größte Sorge galt den beiden. „Dad ist noch längst nicht so weit, dass er mehr Aufgaben in der Werkstatt übernehmen könnte. Deshalb muss ich dort sein.“

Cami drückte ihren Arm. „Du bist die Seele vom Ganzen. Wenn ich dich auch oft aufziehe, ich wüsste nicht, was wir ohne dich anfangen sollten.“

Heimlich blinzelte Dani gegen die Tränen an. Ihre Familie stand voll hinter ihr. „Danke. Wir tragen’s gemeinsam – wir alle.“ Wenn die Lasten sie zu erdrücken drohten, dachte Dani an die Liebe, die sie von ihr täglich erfuhr.

Hunter blieb vor der Küche stehen. Die Geräusche und Düfte, die zu ihm drangen, faszinierten und rührten ihn. Diese Leute kannten ihn gar nicht, dennoch hatten sie ihn in ihrem Haus aufgenommen. Unwillkürlich fragte er sich, wie viele von seinen „Freunden“ aus den feinsten Kreisen so etwas tun würden.

Vorsichtig spähte er um den Türrahmen. Die beiden selbst ernannten kleinen Polizisten deckten den Tisch. Neben dem Herd unterhielten die Schwestern sich. Er bemerkte, dass Dani sich mit dem Handrücken über die Augen fuhr. Tränen? Unwillkürlich verkrampfte er sich. Sie war eine Traumfrau – lange Beine, große Augen und Kurven an genau den richtigen Stellen. Stopp, du Lüstling! rief er sich zur Ordnung und hörte zu, was die Frauen besprachen.

Jetzt wurde ihm das Dilemma seiner mitternächtlichen Retterin offenbar. Sie leitete den Familienbetrieb und hatte niemanden, der sich um die Kinder kümmerte. Wo, zum Teufel, war der Exmann, wenn sie Hilfe brauchte? Der Typ musste ein absoluter Narr sein.

Sie brauchte ein Kindermädchen. Aber wo würde sie hier auf dem Land eins finden? Selbst ihm war klar, dass sie da möglicherweise vergeblich suchte.

Er beobachtete Dani, während sie Essen auftrug und herumhantierte. Hoffentlich dauerte es einige Tage, bis der Wagen repariert war! Hunter zuckte zusammen. Wie kam er nur auf so eine Idee? Er musste nach Pars Crossing und sich die Bücher einer seiner Zweigstellen vornehmen. Oder nicht?

Das kleine Mädchen eilte zu seiner Mutter und umklammerte ihr Bein. Prompt nahm sie es auf den Arm und drückte es an sich. Hunter atmete tief aus.

„Bildhübsch, nicht wahr?“, fragte in diesem Moment jemand mit tiefer Stimme.

Er fuhr zusammen und drehte sich um. Ein weißhaariger Mann stand direkt hinter ihm. Obwohl er vom Alter gebeugt war, überragte er Hunter.

Der Mann reichte ihm die Hand. „Wollte Sie nicht erschrecken. Ich bin Amos Michaels. Das sind meine Mädchen und Enkel.“

Hunter drückte dem Mann die Hand. „Guten Morgen, Sir. Mein Name ist Hunter King.“

Amos Michaels beugte sich auf seinem Gehstock vor. „Welche von meinen Töchtern wollen Sie ins Bett bekommen?“

„Wie bitte?“

„Nur keine falsche Scheu. Wir sind beide Männer.“ Der Alte beugte sich noch weiter vor. „Nur, damit Sie Bescheid wissen, ich kann immer noch zielen und schießen. Mit dem Gewehr. Tun Sie ihr ja nicht weh.“

Hunter zog eine Braue hoch. „Wem?“

Autor

Jodi Dawson
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