Ich werde dein Herz erobern

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Von heut auf morgen bricht Janes Welt völlig zusammen: Die traurige Mitteilung, dass sie keine Kinder bekommen kann, nimmt ihr Mann zum Anlass, sich zu trennen. Am nächsten Tag verliert sie ihren Modeljob, da der Kosmetikkonzern sie für zu alt hält. Mitten in dieser schweren Zeit machen Janes Kolleginnen sie auf eine ungewöhnliche Anzeige aufmerksam: Rancher sucht Ehefrau und Mutter für seine Zwillingsbabys. Spontan antwortet Jane und steht kurz darauf vor Greg Merrifield. Nur ein Blick in seine strahlend blauen Augen, und Jane weiß, dass dieser Mann ihr Schicksal ist. Hat sie ein neues Zuhause gefunden?


  • Erscheinungstag 31.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755270
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Rancher sucht Ehefrau und Mutter für Baby-Zwillinge. Zuschriften an: Postfach 826, Martinsville, Texas …

„Ist das nicht ein Ding? Der Kerl muss ja ein echter Hauptgewinn sein.“ Cerise Henley brachte vier ihrer Kolleginnen mit dem ironischen Tonfall beim Vorlesen der Anzeige in der Amarillo Times zum Lachen.

Jane Jarrett dagegen fand die Sache überhaupt nicht lustig und betrachtete die anderen mit wachsendem Missfallen.

„Irgendwelche Interessenten?“, fragte Cerise spöttisch, faltete die Zeitung zusammen und warf sie Angela zu.

„Das klingt ja unwiderstehlich“, sagte Angela sarkastisch und überflog die Anzeige, die Cerise mit dem Kugelschreiber angestrichen hatte.

„Das klingt wie etwas aus dem neunzehnten Jahrhundert“, meinte Bonnie, „als Frauen im Westen rar waren und wie Arbeitsgeräte oder Lebensmittel bestellt werden mussten.“

„Wenigstens ergreift er die Initiative“, sagte Jane gereizt und schnappte sich die Zeitung. „Ich finde das sehr mutig.“

Sie ignorierte die fragenden Blicke der anderen und steckte die Zeitung in ihre Handtasche. Und bewundernswert, fügte sie im Stillen hinzu. Jane hatte nämlich im Augenblick den Eindruck, dass ihr eigenes Leben gerade aus den Fugen geriet, ohne dass sie etwas dagegen unternahm.

Gerade am Tag zuvor hatte sie die neueste schlechte Nachricht erhalten. Die Firma Carvel Inc. hatte bekannt gegeben, dass sie plane, „J.J.“ – so lautete Janes Künstlername – als Werbeträgerin für ihre Produkte fallen zu lassen. Diese Aufnahmen in der Nähe des malerischen Palo Duro Canyons würden ihr letzter Auftrag für den Kosmetikkonzern sein.

Carvels Begründung für den Hinauswurf war der Wunsch, dem Konzern ein „jugendlicheres“ Image zu geben. Jane fragte sich, ob Cerise, Angela oder eine der anderen jüngeren Frauen sie ersetzen würden. Von mir aus, dachte sie. Abgesehen von der Feststellung, mit dreiunddreißig Jahren bereits „zum alten Eisen“ zu gehören, interessierte es sie nicht, wer ihre Nachfolgerin wurde.

Die Arbeit füllte sie nicht mehr aus. Jane hatte die Ermüdungserscheinungen schon vor der Nachricht von Carvel bemerkt. Zwar war sie noch nicht sicher, welchen Weg sie nun einschlagen würde, weinte aber der Model-Karriere keine Träne nach.

Der Tag schien kein Ende nehmen zu wollen. Jane wartete, während der Fotograf seine Ausrüstung aufbaute, posierte und lächelte aufs Stichwort. Danach beobachtete sie die anderen Models. Jane ließ sich weder Langeweile noch Enttäuschung anmerken, sondern benahm sich wie ein Profi. Dies war möglicherweise ihr letzter Auftrag für Carvel, aber sie würde ihre Karriere mit dem unerschütterlichen Engagement beenden, das sie an die Spitze gebracht hatte.

Erst als Jane am späten Abend allein im Hotelzimmer saß, gestattete sie sich, über die Zukunft und die Vergangenheit nachzudenken.

Sie setzte sich aufs Bett und zog die Beine an. Warum treffen mich plötzlich all diese Schicksalsschläge? fragte sie sich. Zuerst war ihre Ehe gescheitert, und nun würde auch ihre Karriere bald beendet sein. Es war eine harte Zeit, aber Jane hätte all die Niederlagen ertragen, wenn sie nicht …

Jane kamen die Tränen. Es gab einen Schicksalsschlag, mit dem sie sich nicht abfinden konnte: die Tatsache, dass sie nie Kinder bekommen würde. „Unfruchtbar“, ein schreckliches Wort.

Es waren einige Monate vergangen, aber Jane war, als hätte sie die niederschmetternde Diagnose erst gestern erhalten. Nachdem sie drei Jahre lang vergeblich versucht hatte, schwanger zu werden, war sie zu einem Spezialisten gegangen. „Sie werden keine Kinder empfangen können“, sagte der Gynäkologe. „Daran würden weder Behandlungen noch Operationen etwas ändern.“

Janes Ehemann Kevin war nicht im Stande, ihre Unfruchtbarkeit zu akzeptieren, und benutzte sie als Ausrede, um Jane zu verlassen. Er blieb nicht einmal lange genug bei ihr, um die Diagnose eines anderen Arztes abzuwarten. Aber das machte nichts. Jane hatte weitere Gutachten eingeholt, die sich jedoch nicht von der des ersten Facharztes unterschieden.

Kein Baby, keine Ehe und nun auch keine Karriere mehr. Jane lehnte sich erschöpft zurück und suchte nach Wegen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzubekommen und es wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Wie der Rancher es getan hatte. Jane warf einen Blick auf die Zeitung, die sie vorhin geistesabwesend auf den Nachttisch geworfen hatte. Sie nahm sie kurz zur Hand, legte sie aber gleich wieder weg. Dann überlegte sie es sich anders. Die Anzeige war ungewöhnlich, sogar ein wenig geheimnisvoll. Aber wer würde schon mehr als einen flüchtigen Gedanken daran verschwenden? Sie? Auf keinen Fall, dachte Jane.

Eine Stunde lang dachte sie über die Sache nach. Je energischer sie sich von der Absurdität ihres Vorhabens überzeugen wollte, desto nahe liegender erschien es ihr. Das Leben dieses Ranchers war in Aufruhr – genau wie ihres. Offenbar hatte er Schwierigkeiten, eine Frau zu finden, und sie, Jane, hatte gerade ihren Ehemann verloren. Der Rancher brauchte eine Mutter für seine Kinder, und sie sehnte sich danach, Mutter zu sein. Die Anzeige schien ein Geschenk des Himmels zu sein. Karma. Vorsehung. Schicksal.

„Zögere, und du bist verloren“, sagte sie sich. Aber Jane war klar, dass sie vor allem den Mut verlieren würde, wenn sie noch länger wartete. Sie nahm ihr persönliches Briefpapier, verfasste eine kurze Antwort und läutete nach einem Pagen, der den Brief aufgeben sollte.

Es war bereits dunkel, als Greg Merrifield auf der Landstraße nach Hause fuhr. Die Scheinwerfer des Wagens beleuchteten das schmiedeeiserne Tor zu Gregs Ranch, als er in die Kurve einbog. Er hatte auf der Viehauktion die Zeit vergessen und machte sich Vorwürfe, weil er das Abendessen verpasst hatte. Natürlich wurden die Babys von der Haushälterin Helga gut versorgt. Außerdem waren der Verwalter Elton und seine Frau Nita immer in der Nähe. Aber das reichte nicht. Die Zwillinge brauchten ihren Vater.

Die Babys schliefen schon fest, als Greg Helga nach Hause schickte und nach oben ging, um ihnen einen Gutenachtkuss zu geben. Sie wachten nicht auf, als er sie auf die samtweichen Wangen küsste, aber Sarah spitzte die Lippen, und Seans Schnarchen wurde leiser. Greg ging wieder nach unten und wärmte sich das Abendessen in der Mikrowelle auf. Dann setzte er sich an den Tisch und dachte über seine Kinder nach.

Sean und Sarah, die nun bald fünfzehn Monate alt wurden, waren sein Lebensinhalt. Wenn sie nicht gewesen wären … Greg schüttelte den Kopf. Die Babys hatten ihm geholfen, die furchtbaren ersten Tage nach Charlottes Tod zu überstehen, und ihm klar gemacht, dass das Leben weiterging. Durch seine Kinder hatte Greg wieder Freude am Leben gefunden.

Eigentlich war er davon überzeugt, dass sie zu dritt für immer glücklich sein würden. Aber er musste sich eingestehen, dass die Kinder etwas anderes brauchten. Eine Mutter, um genau zu sein. Deshalb hatte er auch diese idiotische Anzeige aufgegeben. Außerdem lagen ihm alle damit in den Ohren, dass es allmählich an der Zeit sei, wieder zu heiraten. Manchmal schien Greg selbst Charlottes Stimme hören zu können, obwohl sie nun seit über einem Jahr tot war.

Es war Charlottes letzter Wunsch gewesen, dass Greg wieder heiraten sollte, damit die Zwillinge nicht ohne Mutter aufwachsen mussten. Greg war sicher, dass Charlotte nicht darauf bestanden hätte, wenn ihr bewusst gewesen wäre, wie schwer sich ihr Wunsch erfüllen ließ. Aber Greg hatte es ihr versprochen und fühlte sich nun an sein Versprechen gebunden.

Greg nahm das Bündel Briefe, das er vorhin von der Post abgeholt hatte. Es gab mindestens zwanzig Antworten auf die Anzeige, etwa achtzehn mehr, als er erwartet hatte. Greg öffnete den ersten Umschlag.

Einige Tage später hatte er sich bis zum letzten Brief vorgearbeitet. Wie erwartet, war die Anzeige ein Fehlschlag gewesen. Nicht eine einzige Kandidatin hatte sein Interesse geweckt. Ebenso wenig wie die Frauen in seiner Nachbarschaft. Viele hatten es versucht und sich benommen, als wären sie verzweifelt auf der Suche nach einem Mann. Greg kam sich manchmal vor wie ein verletztes Tier, über dem die Geier kreisten.

Er suchte nach einer Partnerin für die Kindererziehung. Greg wollte keine Idealistin mit romantischen Flausen im Kopf, sondern eine vernünftige Frau, die sich zusammen mit ihm den Zwillingen widmen würde. Darum hatte er sich zögernd mit Eltons Vorschlag einverstanden erklärt, die Anzeige aufzugeben. Aber glücklicherweise näherte sich das Experiment seinem Ende. Greg würde sich wieder mit seinem Leben und seinen Kinder beschäftigen können, sobald er den letzten Brief beantwortet hatte.

Noch zweimal klingeln, dann springt der Anrufbeantworter an, dachte Greg. Dem Himmel sei Dank! Greg hatte Elton versprochen, es fünfmal zu versuchen, nicht aber Nachrichten zu hinterlassen und auf den Rückruf der Frau zu warten. Greg nahm einen Stift zur Hand. Nun konnte er endlich den letzten Namen …

„Hallo?“

Verdammt! Diesmal handelte es sich nicht um die Stimme vom Band. Greg fluchte im Stillen. Beinahe wäre er Eltons hirnrissigem Plan entkommen! Nun war es zu spät.

„Hallo?“, wiederholte sie.

„Ich möchte mit Jane Jarrett sprechen.“

„Am Apparat.“

„Hier ist Greg Merrifield“, sagte er. „Sie haben auf meine Anzeige geantwortet.“

Jane stöhnte auf und überlegte, ob sie einfach auflegen sollte. Die ganze Woche lang hatte sie sich gewünscht, den überstürzt aufgegebenen Brief zurückholen zu können. Offenbar war sie vorübergehend unzurechnungsfähig gewesen. Ihre Probleme ließen sich ganz sicher nicht dadurch lösen, dass sie einen völlig fremden Mann heiratete. Man konnte nicht einfach über eine Annonce einen Ehemann und eine Familie finden. Der Gedanke an eine Familie ließ Jane zögern. In der Anzeige hatte etwas von Zwillingen gestanden. Gleich zwei Babys … Jane sehnte sich so sehr nach Kindern.

Sie ließ sich auf die Couch sinken.

„Sind sie noch da, Miss Jarrett?“

„Ja. Ich hatte nicht erwartet, so schnell von Ihnen zu hören“, sagte Jane höflich, aber angespannt. „Ich habe den Brief erst am Dienstag aufgegeben.“

„Er kam am Mittwoch an, und jetzt haben wir Freitag. Nachdem wir nun das geklärt haben, könnten wir vielleicht zur Sache kommen? Sie wohnen offenbar in Dallas. Wie sind Sie an eine Zeitung aus Amarillo geraten?“, fragte Greg.

„Ich hatte geschäftlich in der Gegend zu tun und bin zufällig auf die Anzeige gestoßen“, antwortete Jane ausweichend. Sie würde Greg auf keinen Fall die Umstände schildern, unter denen sie auf seine Annonce aufmerksam geworden war.

„Und was hat Sie dazu bewogen, darauf zu antworten?“ Diese Frau klang kultiviert und weltgewandt und hatte keinen texanischen Akzent. Warum wollte sie ausgerechnet in eine Familie in Martinsville einheiraten?

„Ich bin dazu bereit, Mutter zu werden.“

Und was ist mit der herkömmlichen Methode? fragte sich Greg. Wenn Jane auch nur halb so gut aussah, wie sie klang, mangelte es ihr wohl kaum an Verehrern.

„Wie alt sind Ihre Zwillinge?“, fragte sie.

„Beinahe fünfzehn Monate.“

„Jungen oder Mädchen?“

„Von jedem eins.“

„Wie schön!“

Greg war plötzlich wachsam. Er wollte vermeiden, dass sie wegen der Kinder verrücktspielte. Die meisten Frauen schienen Kinder für niedliche kleine Puppen und die Mutterschaft für eine idyllische Angelegenheit zu halten. Vermutlich unterschied sich Jane nicht von ihnen. „Auf eine solche Anzeige zu antworten ist ziemlich gewagt“, sagte Greg, als ihm auffiel, dass er eine Weile geschwiegen hatte.

„Nicht gewagter, als sie aufzugeben.“

„Es schien mir die beste Lösung zu sein. Ich lebe auf einer großen, einsamen Ranch.“ Das ist ein guter Anfang, dachte Greg. Freundlich, aber nicht ermutigend.

„Das klingt faszinierend“, sagte Jane. Greg war höflich, und seine raue Stimme gefiel ihr. Aber sie hatte den Eindruck, dass er sich überhaupt nicht bemühte, ihr Interesse zu wecken.

„Die meisten Menschen denken da anders“, erwiderte er und bestätigte damit Janes Eindruck. „Ich wohne in der tiefsten Provinz, Miss Jarrett. Hier gibt es wenig Abwechslung und noch weniger Glanz.“

Greg war überrascht, als sie lachte. „Nein? Ich glaube, damit könnte ich leben.“ Davon hatte ich genug, dachte sie.

„Sind Sie immer so freundlich?“

„Nicht immer. Wäre Ihnen Unfreundlichkeit lieber?“

Jetzt musste Greg lachen. „Nein, das ist schon in Ordnung.“

Sein Lachen gefiel Jane. Es klang, als würde es aus seinem tiefsten Innern kommen.

Beide schwiegen eine Weile. Dann sagte Jane: „Ihre Frau … Darf ich fragen …?“

Sie schien zu wissen, dass es für Greg sehr schmerzlich war, über den Verlust seiner Frau zu sprechen. Die Trauer hatte zwar nachgelassen, war aber nicht verschwunden. Greg fragte sich, ob sie es je tun würde. Er hatte nicht die Absicht, über die Einzelheiten von Charlottes Tod zu sprechen. „Sie ist letztes Jahr gestorben“, sagte er zögernd.

„Das tut mir leid.“

„Danke.“

„Und nun haben Sie beschlossen, wieder zu heiraten?“

„Wenn ich die richtige Frau finde“, antwortete Greg und fasste sich wieder. Er hatte es nicht nötig, dieser fremden Frau irgendetwas zu erklären. „Hören Sie, Miss Jarrett, nun haben wir uns ja kennen gelernt – zumindest telefonisch. Ich werde mir jetzt überlegen, ob wir zueinander passen, und rufe Sie dann vielleicht zurück. Vielen Dank.“ Greg legte auf.

Jane blickte verblüfft auf das Telefon und war sicher, dass sie nie wieder etwas von diesem Mann hören würde. Seine letzten Sätze waren eine eindeutige Absage gewesen. Jane ärgerte sich zunächst darüber, war dann aber erleichtert, so glimpflich davongekommen zu sein.

Jane ging in die Küche und ließ das Gespräch mit Greg noch mal Revue passieren, obwohl sie sich gleichzeitig fragte, warum. Schließlich war sie ihn losgeworden und hätte froh darüber sein sollen. Aber seine Stimme klang so … „Sexy“, sagte Jane laut. „Na und? Ich habe trotzdem kein Interesse.“ Nicht das Geringste, fügte sie im Stillen hinzu.

Es vergingen zwei Tage ohne ein Wort von Greg. Jane wusste, dass es unrealistisch war, auf einen Anruf von ihm zu warten. Außerdem willst du das doch gar nicht, sagte sie sich. Aber warum rannte sie dann zum Telefon, sobald es klingelte? Und wieso wiederholte sie im Geist immer wieder das kurze Gespräch? Es widersprach jeder Logik. Jane musste sich eingestehen, dass Greg sie neugierig gemacht hatte. Es wurde höchste Zeit, jemandem von ihm zu erzählen.

Auf einem Einkaufsbummel beichtete Jane ihrer Schwester Melissa die ganze Geschichte.

Melissas begeisterter Gesichtsausdruck machte Jane jedoch bewusst, dass sie sich lieber jemand anderem hätte anvertrauen sollen. Statt ihr die dringend benötigte Gardinenpredigt zu halten, klatschte Melissa freudestrahlend in die Hände. „Wie aufregend! Ich kann ihn mir genau vorstellen: Er reitet auf einem stattlichen Hengst, sein Gesicht ist von der texanischen Sonne gebräunt, sein Blick stahlhart …“

„Natürlich. Mel, merkst du eigentlich, dass du gerade Clint Eastwood beschreibst? Erinnerst du dich noch an die Western, die Daddy sich immer angesehen hat? Vermutlich fährt dieser Mann einen klapprigen Pick-up und hat eine Haut, die wie Leder aussieht. Aber das ist ja auch egal“, fügte Jane schnell hinzu.

„Ja, ja.“ Melissa kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Willst du mir etwa erzählen, dass du überhaupt nicht neugierig bist?“

Melissa ist viel zu scharfsinnig, dachte Jane. „Das ist ein ziemlich abwegiger Gedanke“, antwortete sie ausweichend.

„Na und? Vielleicht ist es genau das Richtige für dich. Wenigstens tust du etwas, statt nur in deinem Apartment herumzusitzen und Trübsal zu blasen.“

Glücklicherweise entdeckte Melissa ein Schuhgeschäft, in dem gerade Ausverkauf war, und ließ das Thema fallen. Zumindest vorübergehend. Zum Abschied drückte Melissa Jane den Arm und sagte: „Ich finde, du solltest dir diesen geheimnisvollen Rancher einmal näher ansehen. Du hast doch nichts zu verlieren.“

Auf der Fahrt nach Hause dachte Jane über Melissas Rat nach. Sie hatte schon immer von einem Heim und einer Familie geträumt. Berühmtheit, Geld und ihre Karriere hatten ihr nie viel bedeutet. Nun wusste sie, dass ihr Traum wahrscheinlich nie in Erfüllung gehen würde. Jane war außerstande, die Leere in ihrem Innern auszufüllen. Es sei denn …

Melissa hatte recht. Sie, Jane, sollte sich Greg Merrifield näher ansehen. Sie würde ihren Anwalt Stan damit beauftragen, Greg zu überprüfen. Schließlich kannte er auch ihre Adresse und Geheimnummer.

Stan fand heraus, dass es tatsächlich einen Gregory Merrifield gab, der eine Ranch namens „Circle G“ besaß. Er war ein angesehener Bürger von Martinsville.

Jane verspürte den unerklärlichen Wunsch, Greg persönlich kennen zu lernen und mehr über die Kinder zu erfahren. „Sei nicht albern“, wies sie sich zurecht, als die Wirkung von Melissas begeisterter Ermutigung langsam nachließ.

Aber sie dachte trotzdem ständig an die schicksalhaften Ereignisse. Jane sagte sich zwar, dass sie rein zufällig auf die Anzeige gestoßen sei und froh sein könne, dass ihr der Brief nichts Schlimmeres eingebracht hatte als einen Anruf von Greg. Aber es half nichts. Jane wurde das Gefühl nicht los, dass die Vorsehung sie mit Greg Merrifield und seine Zwillinge zusammengeführt hatte.

Sie war von der Vorstellung, eine Familie zu haben, so eingenommen, dass sie zwei Modelaufträge ablehnte. Ihr Agent Ron Gold tobte und warnte sie davor, einen „riesigen Fehler“ zu begehen. Aber Jane blieb hart. Sie würde sich ohnehin nicht auf ihre Arbeit konzentrieren können, bevor sie sich diese fixe Idee aus dem Kopf geschlagen hatte.

Um sich abzulenken, plante Jane mit einigen Freundinnen einen Urlaub in Cancún, sagte aber in letzter Minute ab. Die Vorstellung, eine Woche lang ständig mit anderen Menschen zusammen zu sein, gefiel ihr plötzlich nicht mehr.

Du musst jetzt endlich etwas gegen diese Besessenheit unternehmen, sagte sich Jane schließlich. Es war wieder Freitag. Seit ihrem Gespräch mit Greg Merrifield war genau eine Woche vergangen, und Jane musste noch immer an ihn denken. Vielleicht war es das Beste, noch einmal mit ihm zu reden. Warum auch nicht? Seine Telefonnummer herauszufinden würde nicht besonders schwer sein. Martinsville war ein kleiner Ort, und Jane bezweifelte, dass die Menschen dort viel von Geheimnummern hielten. Sie rief die Auskunft an und wählte kurz darauf eine andere Nummer.

„Merrifield.“

„Jane Jarrett.“ Sie kam gleich zur Sache. „Haben Sie sich nun überlegt, ob wir zueinander passen?“

Greg musste gegen seinen Willen lächeln, fing sich aber gleich wieder. Dies war kein harmloser Wortwechsel. Diese Frau meinte es ernst. „Eigentlich habe ich mich gefragt, ob diese Anzeige nicht ein großer Fehler war. Ich sollte mich vermutlich bei Ihnen für die Belästigung entschuldigen.“

Jane hätte ihn beinahe angeschrien. Erst machte er sie auf sich aufmerksam, dann ermutigte er sie … Moment mal! Es war sicher gut, dass er Zweifel an der ganzen Sache hatte. So würde es den meisten vernünftigen Menschen ergehen.

Jane nahm sich zusammen und sagte: „Nachdem ich auf Ihre Anzeige geantwortet hatte, war ich auch der Meinung, einen großen Fehler gemacht zu haben. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto vielversprechender erschien mir Ihr Plan. Sie haben die Anzeige doch sicher ernst gemeint, oder?“

„Ich wollte damit meinen Verpflichtungen nachkommen“, sagte Greg, „und meine Kinder mit zwei Elternteilen aufwachsen lassen.“

„Das finde ich sehr bewundernswert“, sagte Jane aufrichtig. Dieser Mann schien einige gute Eigenschaften zu haben, wenn ihm so viel an seinen Kindern lag. „Ich finde nur, dass wir uns persönlich kennen lernen sollten, bevor Sie mich einfach so ablehnen.“

Er schien über ihre Forderung nachzudenken. Da am anderen Ende der Leitung Schweigen herrschte, nahm Jane das zumindest an.

„Ihr Brief war nicht besonders informativ“, sagte Greg schließlich.

Und das sagt ein Mann, der eine dreizeilige Annonce in die Zeitung gesetzt hat, dachte Jane. „Nein“, sagte sie, „aber ich werde gern all Ihre Fragen beantworten. Schießen Sie los.“ Sie bekam plötzlich Herzklopfen.

Greg hätte beinahe gesagt: „Erzählen Sie mir alles.“ Aber das war lächerlich. Ebenso wie die Tatsache, dass seine Gedanken seit einer Woche um diese Frau kreisten. Greg hatte ihren kurzen Brief immer wieder gelesen und war mehr als einmal drauf und dran gewesen, sie anzurufen.

Wieso hatte ausgerechnet sie sein Interesse geweckt? Das war noch keiner anderen gelungen. Weder der Tochter des Gemüsehändlers, die Pullover für die Babys strickte, noch der Lehrerin, die ihm so viele Kuchen gebacken hatte, dass er sich sechs Wochen lang davon hätte ernähren können.

„Also?“, fragte Jane.

„Warten Sie …“ Greg wünschte, sich vorher eine Liste mit Fragen zusammengestellt zu haben. „Waren Sie je verheiratet?“

„Ja. Fünf Jahre lang und wurde vor sieben Monaten geschieden.“

„Aha“, sagte Greg.

„Was soll das heißen?“, fragte sie.

„Ich wundere mich nur, dass Sie so versessen darauf sind, schon wieder den Bund fürs Leben zu schließen. Andere Menschen würden an Ihrer Stelle eher das Feuer scheuen. Oder wollen Sie sich nur an Ihrem Exmann rächen?“

„Nein.“ Jane hatte sich zwar noch keine Gedanken über ihre Motive gemacht, wusste jedoch ganz sicher, dass sie nichts mit Kevin zu tun hatten. Aber warum wollte sie diese Sache unbedingt weiterverfolgen? Natürlich ging es ihr um die Kinder. Und … und … „Haben Sie noch mehr Fragen?“

Ja, dachte Greg, etwa eine Million. Aber glücklicherweise bin ich vernünftig genug, sie nicht zu stellen. Noch einige Schritte weiter und er würde knietief im Treibsand stecken. Selbst aus vierhundert Meilen Entfernung hatte Jane eine Wirkung auf ihn, die ihn ein wenig schwindlig machte. Er war zwar auf der Suche nach einer Frau, hatte aber nicht die Absicht, Gefühle ins Spiel zu bringen. Es war das beste, die Unterhaltung sofort abzubrechen. „Mir fallen jetzt keine Fragen mehr ein“, sagte er. „Es ist schon spät, und ich bin müde.“

Jane warf einen Blick auf den Radiowecker. Es war gerade neun Uhr. „Wollen Sie mich loswerden?“

„Nein, natürlich nicht.“ Greg wusste, dass er nicht überzeugend klang. „Vergessen Sie nicht, dass Sie mit einem Rancher reden. Wir stehen beim ersten Hahnenschrei auf und gehen ins Bett, bevor die Eulen ihre Jagd beginnen. Außerdem hatte ich mit dieser Anzeige alle Hände voll zu tun“, fügte er hinzu, obwohl er damit gewaltig übertrieb.

Alle Hände voll zu tun. Unerklärlicherweise hatte Jane nicht an die Konkurrenz gedacht. Bei ihrem Glück standen die Frauen vermutlich Schlange, um die zweite Mrs. Merrifield zu werden.

Der Gedanke, von einer anderen ausgestochen zu werden, raubte Jane alle Hoffnung. Sie hatte es nicht einmal bis zu einem persönlichen Gespräch geschafft. Merrifield hatte keine Zweifel, sondern wollte sie einfach nur übergehen.

„Das ist unfair!“ Jane war den Tränen gefährlich nahe. „Ich habe Anspruch darauf, angehört zu werden.“

„Wer sagt das?“ Gregs Tonfall war eisig, und Jane wurde bewusst, dass sie es übertrieben hatte.

„Bitte überdenken Sie die Sache noch mal“, bat sie. „Geben Sie mir wenigstens die Chance eines persönlichen Gesprächs. Wann immer Sie wollen. Mutter zu werden ist mir wichtiger als alles andere auf der Welt.“

Greg zögerte. Du bist ein verdammter Narr, Merrifield, dachte er. Aber er konnte Janes Aufrichtigkeit nicht so einfach ignorieren. Also sagte er schroff: „Wir sollten das nicht am Telefon besprechen. Wenn sie darauf bestehen, gebe ich Ihnen eine Chance. Allerdings müssen Sie zu mir kommen.“

Janes Puls beschleunigte sich. „Wann?“

„Mittwoch. Früher geht es nicht. Da Sie so versessen auf die Mutterschaft sind, sollten Sie sich ansehen, worauf Sie sich einlassen würden.“

„Das stimmt.“

Greg beschrieb Jane den Weg zur Ranch und beendete dann das Gespräch.

Jane wärmte sich gerade ein Tiefkühlgericht zum Abendessen auf, als er noch einmal anrief. „Eins noch …“, begann er, ohne seinen Namen zu sagen. Das war aber auch nicht nötig, denn Jane hatte sich seine Stimme längst eingeprägt. „Ich möchte Sie nur warnen. Ich habe Ihnen noch nichts versprochen.“

„Ich Ihnen auch nicht.“

„Es könnte sein, dass Sie ihre Zeit verschwenden.“

„Das Risiko gehe ich ein“, sagte Jane. Zum ersten Mal seit Monaten lächelte sie strahlend.

Autor

Kate Denton
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