Ich will dich für immer

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"Du bist absolut der Falsche für mich!", seufzt Elise, als Levi erneut versucht, sie mit prickelnden Küssen zu verführen. Wie gut er aussieht! Viel zu gut. Rasch wendet sie sich ab, bevor sie wieder in seinem Bett landet. Dabei hat sie doch genau gewusst, worauf sie sich mit Levi einlässt. Sex. Schlicht und einfach Sex. Ganz unverbindlich. Ohne ein Danach! Denn Levi wird Chicago in wenigen Wochen verlassen. Sie aber will ein "Für immer" - mit allem, was dazugehört. Deshalb passt Levi nicht zu ihr! Bis auf den Umstand, dass es immer heftiger zwischen ihnen knistert …


  • Erscheinungstag 05.02.2013
  • Bandnummer 0003
  • ISBN / Artikelnummer 9783954464012
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Die Wärme der lauen Sommernacht strömte durch die offenen Fenster des Lofts. An der Decke drehten sich große Ventilatoren und vermischten die schwüle, bassgeschwängerte Luft mit dem betörenden Duft sich vereinigender Körper.

Levi Davis schmiegte sein Kinn an die sanfte Wölbung des wohlgeformten Unterschenkels, bevor er diesen in einer langen, weichen Bewegung von seiner Schulter hinuntergleiten ließ. In puncto Zerstreuung hatte er es nicht besser treffen können als mit Elise, dieser sexy Yogalehrerin mit den grauen Augen und dem sanften Lächeln, die sich ausnahmsweise einmal nicht an ihre selbst auferlegten Regeln hielt.

Sie bog sich ihm entgegen, küsste ihn am Hals und seufzte. „Du bist der absolut Falsche für mich.“

„Stimmt“, pflichtete er ihr lachend bei, strich sich eine feuchte Strähne aus der erhitzten Stirn und drehte sich auf die Seite. Er betrachtete die straffen Kurven, das seidig glänzende, wellige Haar, das sich über sein Kissen ergoss, und sah zu, wie sie sich in der feinen Bettwäsche streckte und wand.

Sie war genau das, was er brauchte. Die heftige Wirkung, die sie auf ihn hatte, lenkte ihn sowohl körperlich als auch geistig von seinem neuesten Club, dem HeadRush, ab. Von den Bands, den Tresen und den Gästen. Von der Ruhelosigkeit, die ein wesentlicher Bestandteil dieser Phase seiner Arbeit war. Alles war fertig, der Club genau so, wie er ihn sich vorgestellt hatte … Doch ihm bereitete die Entwicklungsphase am meisten Spaß. Und sobald der Laden lief, wurde Levi unruhig. Er wartete dann nur ungeduldig darauf, dass er seinen Verdienst einstreichen, die Stadt verlassen und sich in das nächste Projekt stürzen konnte. Unglücklicherweise musste er vorher nachweisen, dass der Club ein halbes Jahr gut gelaufen war. Und das war noch ein paar Wochen hin.

Also steckte er fest.

Ihm war die Decke auf den Kopf gefallen, als er gesehen hatte, dass im Club alles wie am Schnürchen lief. Es belastete ihn, nicht mehr unter Druck zu sein, nicht mehr vor einer Herausforderung zu stehen.

Und so hatte er Elise gefunden.

Um halb zehn Uhr abends waren sie sich in einer Chicagoer Buchhandlung begegnet. Sie hatte ihm auf den ersten Blick gefallen. So ernst, in einen Ratgeber für Unternehmensgründung versunken. Und auch ihre Stimme hatte ihm gefallen. Auf seine neckende Bemerkung hatte sie mit mehr als nur einem unverbindlichen Lächeln geantwortet. Nachdem ihre anfängliche Nervosität verflogen war, hatte sie ihm aufgeregt von dem Yogastudio erzählte, das sie aufmachen wollte. Und dann hatten sie sich einfach unterhalten.

Er war gar nicht auf der Suche nach einer neuen Herausforderung gewesen. Zumindest nicht bewusst. Aber hier war sie nun …

Er war nicht ihr Typ. Und sie hielt nichts von unverbindlichem Sex. Sie passten absolut nicht zueinander – bis auf den Umstand, dass es heftig zwischen ihnen knisterte.

Elise war eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte. Und als sie schließlich „Aber nur heute Abend“ gehaucht hatte, war er dem Schicksal dankbar gewesen.

Levi streichelte ihre wundervolle Schulter. Diese verführerische Mischung aus schüchternem Lächeln und lasterhafter nackter Haut bewirkte, dass er sich wieder in ihr verlieren wollte und sich noch ein paar Stunden lang …

„Also … Danke schön“, unterbrach Elise plötzlich seine Gedanken. Sie hatte sich unvermittelt aufgerichtet und sah sich um, als würde sie eine Szenerie in Augenschein nehmen, von der sie nicht wusste, was sie davon halten sollte.

Irgendwas war plötzlich anders.

„Äh … das war sehr … nett.“ Zögerlich streckte sie den Arm aus. Etwa, um seine Hand zu schütteln? „Ich muss jetzt los.“

Nett? Wie bitte? Na gut. Wahrscheinlich war sie wieder nervös geworden, weil sie so etwas noch nie gemacht hatte.

Normalerweise war ihm ein solches Verhalten fremd … weil er noch nie mit einer Frau zusammen gewesen war, die so etwas noch nie gemacht hatte.

„Elise“, fing er an und streckte seine Hand aus, doch sie kletterte aus dem Bett und zog sich all das wieder an, was er ihr vor nicht einmal einer halben Stunde ausgezogen hatte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie sich allerfrühestens in einer Stunde wieder anziehen würde.

Über die Schulter hinweg warf sie ihm einen unsicheren Blick zu. „Ich denke nicht, dass wir uns wiedersehen werden. Also viel Glück mit dem neuen Club in Seattle.“

Angesichts ihrer sonderbaren Verwandlung runzelte er die Stirn. Eben hatte Elise sich noch in seine Arme geschmiegt, doch plötzlich wirkte sie so angespannt.

Das hier war eine Abfuhr. Unmissverständlich, da ihm dieses Verhalten wohlbekannt war, auch wenn er normalerweise nicht derjenige war, der eine Abfuhr erhielt. Eigentlich sollte es ihm egal sein, wer das Ganze hier beendete. Und er hätte froh sein müssen, dass es keine unangenehme Szene gab – oder, besser gesagt, keine unangenehmere Szene – und dass er sich nicht mit irgendwelchen falschen Erwartungen herumschlagen musste.

Ja, eigentlich hätte er froh sein müssen. Doch als er ihr zusah, wie sie mit dem zarten Top kämpfte und ihr die seidigen welligen Haare über die Schultern fielen, musste er sich eingestehen, dass er ganz und gar nicht froh war.

Während Elise Porter ihr Haar nach hinten band, kämpfte sie gegen die Scham an, die sich in ihr breitmachte.

Danke schön?

Ich denke nicht, dass wir uns wiedersehen?

Soviel zum Thema ‚den Moment kaputtmachen‘. Warum hatte dieser Mann nicht einfach neben ihr einschlafen können, sodass sie sich ohne ein Wort aus dem Staub hätte machen können? Ohne dass sie daran erinnert wurde, dass sie absolut keine Erfahrung mit unverbindlichem Sex hatte?

So hatte sie den Abend nicht in Erinnerung behalten wollen. Ihre Wangen glühten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie keine Zeit mehr hatte.

Aber wo zum Kuckuck waren ihre Schuhe? Als sie den Fußboden danach absuchte, blieb ihr Blick plötzlich an seinen nackten Füßen hängen, die gerade in seinen Jeans verschwanden.

Oh … „Nein!“

Zur Antwort kam ein Lachen, und sie sah an ihm hinauf. Betrachtete seine tiefsitzenden Jeans, unter denen er nichts anhatte, seinen Waschbrettbauch, sein spöttisches Lächeln und die Fältchen in seinen Augenwinkeln.

Wie gut er aussah! Viel zu gut. Sie wandte sich rasch ab, bevor sie wieder weiche Knie bekommen und erneut in dem Bett landen würde, aus dem sie gerade herausgeschlüpft war.

„Wie … nein?“

„Ich meinte, du brauchst nicht aufzustehen“, sagte sie in dem verzweifelten Versuch, Distanz zu ihm herzustellen.

Sie hatte genau gewusst, worauf sie sich einließ, als sie mit Levi in seine Wohnung gegangen war. Sex. Schlicht und einfach Sex. So, wie sie es in Zeitschriften gelesen und im Fernsehen gesehen hatte. Ganz unverbindlich. Ohne ein Danach. Und ohne Erwartungen, denen sie nicht gerecht werden konnte. Es war eine einmalige, einabendliche Ausnahme, der sie sich nur hingab, weil die Chemie zwischen ihnen einfach nicht zu leugnen war. Das und die eigenartige Euphorie, von der sie befallen war, seitdem sie den Kreditantrag für das Yoga- und Pilatesstudio, das sie mit einer Kollegin eröffnen wollte, eingereicht hatte. Noch Stunden, nachdem sie die Bank verlassen hatte, hätte sie vor Freude und Aufregung platzen können, und wusste nicht, wie sie das rauslassen sollte. Also war sie in die Buchhandlung gegangen, um ihr Wissen über Unternehmensgründung aufzupolieren. Und dort war sie Levi Davis begegnet.

Er war anziehend und witzig und genau das, wovon sie sich normalerweise tunlichst fernhielt. Aber an diesem Nachmittag hatte sie den Grundstein für ein neues Leben gelegt. Und darum hatte sie der Versuchung nicht widerstehen können, das damit zu feiern, sich an diesem Abend diesem leichtfertigen Genuss hinzugeben. Allerdings ließ sie sich normalerweise nicht auf unverbindlichen Sex ein. Nicht, dass das Wort ‚unverbindlich‘ in irgendeiner Weise dem heftigen Sinnesrausch gerecht wurde, den sie gerade erlebt hatte. Bis vor einer Stunde hatte sie ihre gesamten sexuellen Erfahrungen aus zwei längeren Beziehungen bezogen.

Dies war also eine einmalige, um Mitternacht endende Ausnahme von einer Regel, sich so etwas nicht hinzugeben. Und bis zwölf Uhr – sie hatte sich geschworen, bis dahin weg zu sein – waren es nur noch ein paar Minuten. Es würde also extrem knapp werden, diese eine Auflage noch einhalten zu können.

Sie musste es einfach schaffen, dies musste bei einem Abend bleiben.

„Ich bin gleich weg … sobald ich meine Schuhe gefunden habe.“ Oder notfalls auch barfuß, falls sie die Schuhe nicht innerhalb der nächsten hundertzwanzig Sekunden gefunden hätte.

Levi knipste die Bettlampe an, suchte den Fußboden mit den Augen ab und hob die Bettdecke hoch, die am Fußende des Bettes auf dem Boden lag.

„Da haben wir sie.“ Er reichte ihr den einen Schuh und betrachtete den anderen nachdenklich. „Eine Mischung aus High Heel, Stiefel und Sandale.“

Alles schön und gut, aber sie wollte nicht hören, was Levi über ihre Schuhe oder sonst irgendetwas dachte. Keine Flirterei mehr. Kein Geplauder. Sie wollte nicht riskieren, dass sie die Erinnerung an diesen Abend mit ihren unbeholfenen Äußerungen ruinierte.

Sie wollte nur hier raus. Sofort.

Anstatt sich auf das zerwühlte Bett zu setzen, zog Elise die Schuhe im Stehen an und musste ein paar kleine Hopser machen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Nachdem er erst seine eigenen und dann ihre Schlüssel vom Boden aufgehoben hatte, betrachtete Levi ihre Füße. „Kannst du darin gut laufen, oder sollen wir lieber fahren?“

Oh nein! „Du braucht mich nicht heimzufahren, Levi. Wirklich nicht. Ich kann ein Taxi nehmen.“ Das HeadRush war gleich nebenan, und vor dem beliebten Club in South Loop standen immer einige Taxen.

„Also fahren wir.“

Als sie seinen unbeirrbaren Blick sah, schloss sie den Mund, den sie gerade geöffnet hatte, um etwas zu entgegnen, ganz schnell wieder. Diese ein wenig befehlshaberische Art hatte sie an diesem Abend ein paar Mal an ihm beobachtet. Vor zwei Stunden hatte sie das noch furchtbar aufregend gefunden. Anziehend. Aber jetzt … gut, sie fand es noch immer anziehend, aber es passte ihr nicht in den Kram. Nicht, wenn sie nur noch … Sie warf einen Blick auf die Uhr neben seinem Bett, die elf Uhr und neunundfünfzig Minuten anzeigte. Als die Zwölf erschien, rutschte ihr das Herz in die Hose.

Jetzt war es passiert. Sie hatte diese Regel nicht eingehalten.

Aber weitere Regeln würde sie nicht brechen. Und sich zu einem Fremden ins Auto zu setzen, zählte nicht – zumindest in Anbetracht der Tatsache, dass sie schon mit ihm im Bett gewesen war. Also würde sie keine weiteren Fehltritte begehen. Sondern einfach nur schnell nach Hause kommen und sich dann unverbindlich verabschieden.

Sie atmete tief ein und nickte. „Danke.“

Noch zehn Minuten länger – was konnte da schon passieren?

1. KAPITEL

„Du hast dich in einem Auto verführen lassen!“

Obwohl es jetzt schon eine Woche her war, musste sie sich das noch immer anhören.

Elise strich sich eine Locke aus der Stirn und starrte ihre Schwester über die Motorhaube des Volvos hinweg ungläubig an. „Das ist kein Grund, ein Blind Date für mich zu organisieren. Und außerdem finde ich es unfassbar, dass du mir damit im gleichen Moment kommst, in dem du mich darum bittest, auf deinen Riesenwelpen Bruno aufzupassen. Das kann ja wohl nicht wahr sein.“

Eigentlich hätte es ein wundervoller Tag werden können. Die Sonne schien vom strahlendblauen Himmel mit ein paar schneeweißen Schäfchenwolken. Es war Elises erster freier Tag seit zwei Wochen, und sie hatte vorgehabt, am Ufer des Sees zu joggen. Doch noch bevor sie an Burnham Harbor vorbei war, wurde sie von einem Anruf ihrer Schwester, die wieder einmal Hilfe brauchte, aufgehalten. Nun stand sie am Eingang des Soldier Fields und wurde unter dem tadelnden Blick ihrer Schwester immer kleiner.

Ally schüttelte den Kopf. „Im Auto, Elise“, wiederholte sie vorwurfsvoll.

Ja, und um genauer zu sein: zuerst in einem Bett. Und dann im Auto. Und dann im Stehen, an ihrer Wohnungstür. Aber mit diesen Details herauszurücken würde ihr auch nicht weiterhelfen.

„Das mit dem Auto war ein Unfall.“

„Ein Unfall? Ist er also quasi auf dich draufgefallen?“

Errötend schüttelte Elise den Kopf. „Nein. Aber ich hatte nicht vorgehabt, noch einmal mit ihm zu schlafen … Wir standen an einer Ampel, und er hat mich gefragt, wie lange ich schon in der Gegend wohne. Und als ich ihn angesehen habe, um ihm zu antworten …“, sie schloss die Augen und erbebte, als sie daran dachte, wie er sie angesehen hatte, wie es sich angefühlt hatte, als er sie mit seinen großen Händen auf sich gezogen hatte.

„Da! Da war es wieder!“ Ally ging um das Heck des Wagens herum. „Dieser dahinschmelzende Blick – das ist der Grund dafür, dass ich dich verkuppeln will. Du brauchst einen Mann. Eine Beziehung mit jemand Nettem, Verlässlichem. Mit jemandem, an den du dich anlehnen kannst. Nicht mit so einem Danke-dass-ich-dich-in-meinem-Auto-verführen-durfte-Typen, von dem du mir vor lauter Scham nicht einmal den Namen verraten kannst.“

„Ich brauche überhaupt niemanden. Und ich werde dir seinen Namen nicht sagen, weil ich genau weiß, dass du ihn sofort googeln und alles auf Facebook posten würdest und dass binnen einer Stunde mindestens sechs deiner Freundinnen vom Club der jungen Mütter ihre Kommentare hinterlassen hätten.“

„Ausreden.“ Ally öffnete den Kofferraum und trat einen Schritt zurück, als ihre sechs Monate alte Deutsche Dogge überschwänglich bellend heraussprang, um den Wagen herumlief, an Elise hochsprang und sie gegen die Beifahrertür drückte. „Und danke, dass du mir Bruno abnimmst. Du warst die Einzige, die ich fragen konnte.“

Elise, die kaum Luft bekam, sah auf die riesigen Vorderpfoten des Welpen hinunter, und sagte mit vorwurfsvollem Seitenblick auf ihre Schwester: „Dafür habe ich aber etwas gut bei dir.“

„Bei Bruno?“ Ally klappte den Kofferraum zu.

Von wegen. Zwar war es der Riesenwelpe, der sie gerade fast erdrückte, aber Ally hatte heute gleich zwei Anschläge auf sie gestartet. „Ich spreche nicht mit Bruno, ich spreche mit dir!“

Ally wirbelte herum. „Ich gebe ja zu, dass ich dir etwas fürs Hundesitten schuldig bin. Aber was das Blind Date betrifft … damit tue ich dir doch einen Gefallen! Das, was letzte Woche passiert ist, war doch eine Art Hilfeschrei.“

Das hatte Elise nun davon, dass sie sich ihrer Schwester anvertraut hatte.

„Das war kein Hilfeschrei und erst recht keine Bitte darum, mich mit irgendjemandem zu verkuppeln.“

„Okay … Seitdem du dich von Eric getrennt hast, bist du mit keinem Mann ausgegangen. Und das ist schon über ein Jahr her. Schon seit Monaten sage ich dir, dass es Zeit wird, jemand Neuen zu finden. Aber du redest dich immer damit raus, dass du noch nicht so weit bist, dass du nicht die Zeit und die Energie dafür hättest, und kommst mir immer damit, dass du etwas aus deinem Leben machen willst. Bla, bla, bla. Und dann gehst du los und schnappst dir irgendeinen Typen – der übrigens nicht als Date durchgeht – und treibst es mit ihm in einem Auto. Also wenn das nicht zeigt, wie verzweifelt du auf der Suche bist, dann weiß ich auch nicht.“

„Ich bin nicht verzweifelt auf der Suche!“

„Du leugnest? Dann erhebe ich hiermit Einspruch! Eines Tages wirst du mir noch danken.“

Eines Tages würde sie Ally erwürgen.

„Ich werde mich jedenfalls nicht mit diesem Typen treffen“, erwiderte Elise.

Ally verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund zu diesem überlegenen Große-Schwester-Lächeln. „Und ich werde die Verabredung nicht absagen.“

Elise seufzte, doch Ally kümmerte sich nicht um sie und öffnete die Hintertür des Wagens, um ihren erschöpften Sohn zu liebkosen und nachzusehen, ob der Kindersitz sicher befestigt war.

Immer noch von Bruno bedrängt reckte sich Elise, um einen Blick auf den flaumigen Kopf ihres Neffen zu erhaschen.

„Er ist so süß“, flüsterte sie ihrer Schwester zu, die zufrieden lächelnd die Tür schloss.

Doch die kam gleich wieder auf das leidige Thema zurück. „Vielleicht magst du ihn ja. Komm schon, es sind nur ein paar Stunden. Was ist denn schon dabei?“

Was dabei war? Elise wollte diesen Hank, der ihr so sehr angepriesen wurde, einfach nicht mögen. Weil in ihrem Leben gerade kein Platz für einen perfekten Mann war, hatte sie Angst davor, einen Mann zu treffen, der möglicherweise perfekt war.

Gerade war sie dabei, ein Unternehmen zu gründen. Sie versuchte, sich etwas aufzubauen, und selbst wenn alles gut lief, würde sie in der Anfangsphase noch ein oder zwei ihrer alten Jobs weitermachen müssen. Und sie würde froh sein, wenn ihr zwischen Arbeit und Familie noch ein bisschen Zeit für sich selbst bleiben würde. Wenn man nur bedachte, wie viel Zeit es kostete, jemanden besser kennenzulernen!

Wer auch immer dieser Hank war – er hatte etwas Besseres verdient.

Ally zuckte mit den Schultern. „Was soll’s, du gehst ja doch hin. Bis später, Schwesterherz.“

Levi war jetzt schon über sechs Kilometer gelaufen und hatte noch immer nicht diesen angenehmen Zustand erreicht, in dem er an nichts mehr dachte und nichts mehr wahrnahm als seine eigenen Schritte. Und auch ein ruhiges Plätzchen hatte er nicht gefunden, an dem er ein wenig hätte abschalten können. Um neue Kräfte zu sammeln. Den Kopf freizukriegen. Er folgte den sich kreuzenden Wegen am südlichen Ende des Grant Park, dieser grünen Oase am Ufer des Michigansees, der von Bewohnern der Stadt stolz ‚Chicagos Vorgarten‘ genannt wurde. Jetzt steuerte er auf die Fußgängerüberführung und die darunterliegenden Bahngleise zu.

Noch immer dachte Levi an das Telefonat. Am Morgen hatte der Typ aus Seattle angerufen, es gab wieder ein Problem mit dem Auftraggeber. Eines, das Levi binnen dreißig Sekunden hätte lösen können, wäre er vor Ort gewesen. Doch so musste es mindestens bis morgen warten.

Abschalten. Abschalten. Abschalten.

„Bruno! Bei Fuß!“ Der Ruf riss Levi aus seinen Gedanken und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die wohlbekannte zierliche Frau, die von einem Hund hinter sich hergezerrt wurde, der fast so groß war wie sie selbst.

Elise. Lächelnd folgte er ihr mit dem Blick.

Mit ihrem biegsamen Körper und ihren lustvollen Seufzern hatte sie ihn fast um den Verstand gebracht. Mit ihren gewandten Neckereien, ihrer Nervosität und ihren gebrochenen Regeln.

Sie hatten Spaß miteinander gehabt und er fühlte sich sehr zu ihr hingezogen. Aber er hatte seine eigenen Regeln, wenn es um Frauen wie Elise ging – Frauen mit einem Hang zur Verbindlichkeit. Von denen ließ er die Finger – und er hatte seine Regeln bereits gebrochen, um so viel wie möglich von ihr zu bekommen. Leider hatte ihm schon dieses bisschen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, und es grenzte an ein Wunder, dass er sie am Ende hatte gehen lassen. Darum schlug er nun einen Weg ein, der in die entgegengesetzte Richtung von ihrem führte, auch wenn die Verlockung sehr groß war, sich noch einmal auf diese unwiderstehliche Zerstreuung einzulassen. Er lenkte seine Gedanken auf die sich vor ihm erhebende weitläufige Skyline Chicagos. Michigan Avenue … Elises Wohnung in der Printer’s Row war ein gutes Stück weit weg.

Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie einen Hund gehabt hätte.

Und dieses Exemplar hätte er wohl kaum übersehen.

Abschalten, abschalten, ab…

Natürlich war es nicht verwunderlich, dass er sich jetzt, nachdem er sie gesehen hatte, an den Abend erinnerte, der viel zu früh vorbei gewesen war. Wenn er daran dachte, wie er sich in ihr verloren hatte, in ihrem Körper, in ihrem Lachen, in ihren stürmischen Küssen, als er sie gegen das Lenkrad gedrückt hatte …

Verdammt. Und nun sah er auch schon wieder zu ihr hin. Er joggte rückwärts wie ein Volltrottel. Und die Art und Weise, wie sein Körper auf Elise reagierte, war dem Laufen nicht gerade förderlich.

Aber er musste laufen. Bloß schnell weg.

Allerdings gefiel es ihm nicht, wie die Deutsche Dogge an ihr zerrte.

Was hatte es nur damit auf sich, dass kleine Frauen immer Hunde hatten, die so groß waren, dass sie nicht mit ihnen klarkamen?

Elise kam definitiv nicht mit diesem Exemplar klar.

Der Hund sprang nach rechts und riss Elise dabei fast um. Dann macht er einen Satz nach links und zerrte Elise hinterher. Stirnrunzelnd näherte sich Levi. Wenn da keiner einschritt, würde sich Elise noch verletzen.

Auf einmal blieb der Hund stehen und sah bellend um sich, da er etwas hörte.

Ein Martinshorn.

Der Hund jagte blitzschnell los, doch er war einfach zu stark für Elise. Sie landete unsanft im Gras. Bevor sie wieder aufstehen konnte, sauste der Hund davon. „Böser Hund, Bruno!“

Und schon rannte Levi los.

Mit klopfendem Herzen rappelte sich Elise aus dem nassen Gras auf und lief dem Hund hinterher, doch sein Vorsprung wurde immer größer. Zu Elises Erleichterung sauste Bruno geradewegs in Richtung der Agora-Skulpturen über den Rasen. In einer der hundertsechs fast drei Meter hohen gusseisernen Statuen mit den komischen Beinen musste sich die Leine, die Bruno hinter sich herzog, doch verfangen.

Doch als Elise dort ankam, rannte er schon mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Und auch, als er sich der Straße näherte, wurde er nicht langsamer.

Oh Gott.

Auf der Kreuzung zwischen der Roosevelt und Michigan Avenue herrschte Hochbetrieb – alle sechs Spuren waren voll mit Bussen, Taxen und Autos.

Und Elise war zu weit weg.

„Bruno“, schrie sie in panischer Angst. Sie wusste, dass sie nicht rechtzeitig da sein würde.

Nein. Mach, dass das nicht passiert. Bitte, bitte, bitte …

Und es passierte nicht. Einen halben Meter vor der Bordsteinkante drehte Bruno plötzlich ab, weil ein Mann in letzter Sekunde die Leine erwischt und den Hund zurückgerissen hatte.

„Bruno sitz!“ Auf den harschen Befehl hin setzte sich der Welpe neben den Mann.

Sie konnte es kaum glauben. Bruno war in Sicherheit. Gerettet von einem Fremden, den sie nicht einmal hatte kommen sehen.

„Danke“, sagte Elise keuchend, noch ganz außer Atem von der Verfolgungsjagd. Sie ließ sich in die Hocke sinken, vergrub ihr Gesicht in Brunos Fell und atmete ein paar Mal tief ein, bis ihr Kopf nicht mehr surrte. Dann probierte sie, ob ihre Stimme wieder brauchbar war. „Vielen, vielen Dank! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin!“ Sie hob den Kopf und sah zu Brunos Retter auf. Der stand, die Hände auf die Knie gestützt, über sie gebeugt da und nickte. Auch er war außer Atem, und das Haar, das ihm in die Stirn hing, machte sein Gesicht unkenntlich.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Bruno zu, um sich noch einmal zu versichern, dass ihm wirklich nichts fehlte. Sie hätte schwören können, dass Bruno, dessen Zunge aus dem großen Maul hing, grinste.

„Es geht dir gut“, sagte sie, und wurde langsam ruhiger. „Du bist mir etwas schuldig.“

„Er ist ein Hund. Er kann dir nichts schuldig sein“, hörte sie eine belustigte Stimme über sich.

Diese Stimme. Diese tiefe, männliche Stimme. Mit dieser unverwechselbaren Note, die Elise nicht so schnell vergessen würde. Vor allem, nachdem diese Stimme vor gerade mal einer Woche den Höhepunkt ihres bisherigen Sexuallebens unterstrichen hatte.

Das konnte doch nicht wahr sein! Aber das Kribbeln, das sie schon gespürt hatte, als sie sich in der Buchhandlung begegnet waren, sagte ihr, dass er es war. Und diese Statur. Er war so groß, dass sie, bevor sie von seinem nackten Oberkörper zu seinem Gesicht aufblicken konnte, von vorn anfangen musste. Von seinen Joggingschuhen über seine kraftvollen Waden bis zu seinen Oberschenkeln, in denen sie das Spiel der Muskeln sehen konnte, als er das Körpergewicht verlagerte.

Was für Beine. Durchtrainierte, wie in Stein gemeißelte Beine. Beine, die in stahlgrauen mittellangen Shorts verschwanden, welche eben gerade weit genug waren, um …

„Elise … du guckst mir unter die Shorts.“

„Was? Nein!“, erwiderte sie erschrocken. Erstens, weil sie ihren Namen hörte, was die Identität ihres Retters bestätigte, und zweitens, weil er recht hatte. Allerdings hatte sie nicht lüstern daruntergespäht. Nicht ganz. Es war eher so, dass sie den Körper, mit dem sie vereint gewesen war, den sie mit ihren Händen und ihrem Mund erkundet hatte und dessen Bilder in ihrer Erinnerung sie seitdem jede Nacht hatten wach liegen lassen, zum ersten Mal genauer betrachtete – bei Tageslicht. Sicher, sie wusste, wie er gebaut war. Ihr Tastsinn war bestens ausgeprägt, und das Licht der Straßenlaternen vor dem Haus hatte ausgereicht, um ihn einigermaßen zu sehen, aber das hier …

Ihn nicht zu bitten, das Licht anzulassen, war ein monumentaler Fehler gewesen.

„Okay“, sagte er lachend. „Abgesehen davon, dass du doch guckst. Und zwar genau jetzt. Immer noch.“

Elise hielt sich die Augen zu. „Nein … das heißt, na gut, ja, ich habe geguckt, aber es ist nicht so, wie du denkst“, stammelte sie. Ihr wurde ganz heiß vor Scham, und sie überlegte, wie sie diese unendlich peinliche Situation wieder in den Griff kriegen konnte.

„Du bist so groß und …“

Nun lachte er schallend laut los. Elise schlug eine Hand vor den Mund.

Levi ging neben ihr in die Hocke, sodass sie sein Gesicht direkt vor sich hatte. Mit den markanten Wangenknochen, der geraden Nase und dem kantigen Kinn. Alles an diesem Mann strahlte Kraft aus. Alles außer diesen tiefgründigen, strahlend blauen Augen, die Elise vor etwas zu warnen schienen, während sie sie im gleichen Moment anzogen.

Sie hatte wirklich gehofft, ihn nie wiederzusehen.

Als er spöttisch lächelnd eine Braue hob, kribbelte es in ihrem Bauch. „Süße, du wirst immer besser.“

„Uh …“ Weiter kam sie nicht, dann er umfasste ihren Ellenbogen und zog sie hoch. Vielleicht lag es daran, dass sie sich zu schnell aufgerichtet hatte, vielleicht war es aber auch der noch nicht ganz verebbte Adrenalinstoß oder einfach nur ihre verrückte Reaktion darauf, dem Besten, das ihr seit Langem passiert war, unvermittelt so nahe zu sein. Auf jeden Fall gaben ihre Knie auf einmal nach, und Elise sank nach vorne, direkt auf Levi zu.

„Hoppla, alles in Ordnung mit dir?“, fragte er. Noch immer hielt er ihren einen Ellenbogen mit der rechten Hand umfasst, und mit der Linken hielt er sie im Kreuz, sodass sie von den Oberschenkeln bis zu den Brüsten an ihn gedrückt wurde, die Handflächen auf seinem Bauch.

Es gelang ihr zu nicken. Sie versuchte, tief durchzuatmen und rief sich ins Gedächtnis, warum sie sich von einem Mann wie diesem fernhalten musste – vor allem, weil er ein wandelndes Bermudadreieck war, das ihren gesunden Menschenverstand zu verschlingen drohte, indem er ihren moralischen Kompass ins Schleudern brachte.

Sie musste sich zusammenreißen. Ein paar Mal tief durchatmen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Autor

Mira Lyn Kelly
Mira Lyn Kelly wuchs in der Nähe von Chicago auf. An der Loyola Universität studierte sie Bildende Künste. Während eines Auslandssemesters in Rom traf sie die Liebe ihres Lebens, ihren heutigen Ehemann – und fand bald heraus, dass er die letzten zwei Jahre nicht weit entfernt von ihr in Chicago...
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