Ich will 'nen Cowboy als Mann!

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DER MANN AUS MONTANA

Nur weil ihr Bruder Mack in ihrem Namen auf eine Heiratsannonce geantwortet hat, befindet sich Suzanne auf der Ranch des gut aussehenden Rand Harding. Sie muss schon zugeben, dass dieser tolle Mann durchaus erotische Fantasien in ihr weckt, aber wieso hat er es nötig, sich eine Frau per Anzeige zu suchen ....

NUR EIN ABENTEUER?

Alexandras Auto streikt auf ihrer Reise durch Texas ausgerechnet in dem verschlafenen Nest Saddle. Dass hier das erregendste Abenteuer ihres Lebens auf sie wartet, weiß sie nicht. Erst als sie den athletisch gebauten Sheriff Derek kennen lernt, ahnt sie, dass sie sich über Langeweile keine Sorgen machen muss ...

EINEN MANN WIE DICH VERGISST MAN NICHT

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MEIN HERZ IST FREI FÜR DICH

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  • Erscheinungstag 29.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735579
  • Seitenanzahl 520
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jackie Merritt, Leann Harris, Joan Elliott Pickart, Marilyn Pappano

Ich will 'nen Cowboy als Mann!

IMPRESSUM

Der Mann aus Montana erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 1998 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Letter to a Lonesome Cowboy“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 194 - 2003 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Ingrid Bulka

Umschlagsmotive: GettyImages_lolostock

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733754358

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

In ihrer kleinen Wohnung in Baltimore, Maryland, saß Suzanne Paxton auf ihrem Bett und weinte. Suzanne war nicht das, was man eine klassische Schönheit nennen würde, aber sie war groß und schlank, und das lange dunkle Haar hatte einen wundervollen Glanz.

Bis vor zwei Wochen hatte sie als Buchhalterin gearbeitet. Dann hatte man ihr gekündigt. Nicht etwa wegen Inkompetenz, sondern weil die Firma alles auf Computer umgestellt hatte, um Arbeitskräfte abzubauen. ‚Rationalisierung‘ hatten sie es genannt. Um Suzannes schön geschwungenen Mund lag ein bitterer Zug.

Die Tränen, die sie im Augenblick vergoss, hatten allerdings nichts mit ihrem verlorenen Job zu tun. Was ihr viel mehr zu schaffen machte, war die Tatsache, dass es ihr trotz verzweifelter Bemühungen nicht gelang, eine neue Stelle zu finden. Was sollte nun aus ihr und ihrem Bruder Mack werden?

Als sie Mack vor zwei Jahren bei sich aufgenommen hatte, war er zwölf Jahre alt gewesen. Ihre Eltern waren kurz zuvor tödlich verunglückt. Und Mack hatte sonst niemanden, der sich um ihn kümmern konnte. Zu jener Zeit war Suzanne verheiratet gewesen. Doch schon kurze Zeit darauf war die Ehe in die Brüche gegangen.

Allerdings wäre es unfair, Mack für das Scheitern ihrer Beziehung verantwortlich zu machen. Sie hatte schon lange vorher gewusst, dass ihr Mann sie nicht mehr liebte. Les war Macks Auftauchen sehr gelegen gekommen. Es diente ihm als Entschuldigung für seine Entscheidung, Suzanne zu verlassen. Aber das spielte nun keine Rolle mehr. Die Trennung hatte sie überwunden. Die Tatsache, dass sie arbeitslos war, war bedeutend schlimmer.

Doch ihre Tränen hatten noch eine andere Ursache – Mack. Mit seinen vierzehn Jahren war der Junge außer Rand und Band, und Suzanne kam beim besten Willen nicht gegen ihn an. Er schwänzte die Schule, wenn ihm danach war, lungerte halbe Nächte auf der Straße herum, fehlte bei keiner Schlägerei und benahm sich zu Hause unmöglich. Wenn seine Schwester ihn auf sein Verhalten hinwies, entgegnete er frech, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte, schließlich sei sie nicht seine Mutter.

Natürlich hatte er recht. Und Suzanne wusste auch, dass er immer noch um die Eltern trauerte. Aber tat sie das nicht auch? Dafür, dass sie selbst erst vierundzwanzig war, verlangte das Leben ihr eine Menge ab. Die wenigen Ersparnisse, die ihre Eltern ihnen hinterlassen hatten, würden unter den herrschenden Umständen schnell aufgebraucht sein. Miete, Essen, Gas, Versicherungen, Kleidung – alles musste bezahlt werden. Und das alte Auto mit den immer häufiger anfallenden Reparaturen kostete sie ein kleines Vermögen.

Die Wohnungstür fiel laut ins Schloss. Mack war nach Hause gekommen. Suzanne wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Mack, bist du das?“, rief sie, als sie Schritte auf dem Flur vor ihrem Schlafzimmer hörte.

„Wer denn sonst?“, gab Mack betont cool zurück. Er stand in der Tür, die schlaksigen Arme vor der Brust verschränkt. In seiner Hip-Hop-Jeans und dem grauen Kapuzensweatshirt sah er aus wie immer. Die verschlissene Baseballkappe seines Lieblingsteams saß ihm schief auf dem Kopf, und der blaue Rucksack, dessen Inhalt Suzanne wohl immer ein Rätsel bleiben würde, hing ihm locker über der Schulter.

„Hast du schon gegessen? Im Kühlschrank ist noch etwas Hühnerfleisch. Ich könnte dir ein Sandwich machen“, bot Suzanne an.

„Ich habe schon bei Kip gegessen“, antwortete er und starrte in das vom Weinen geschwollene Gesicht seiner Schwester.

„Diese Allergien bringen mich heute glatt um. Es scheint Frühling zu werden“, versuchte sie ihren aufgelösten Zustand zu erklären.

„Immer diese Allergien“, murmelte Mack. Suzanne zweifelte keine Sekunde daran, dass er ihre Lüge durchschaut hatte. Trotzdem fragte er nicht, warum sie geweint hatte. „Ich gehe jetzt in mein Zimmer“, sagte er schon halb im Flur. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht!“, rief sie hinter ihm her. Kurz darauf hörte sie, wie er seine Zimmertür hinter sich schloss und den Fernseher einschaltete. Wenigstens hatte es heute Abend keine dramatische Szene zwischen ihnen gegeben.

Mack warf sich auf sein Bett und starrte abwesend auf den Bildschirm. Er war mit den Gedanken ganz woanders.

Manchmal litt er sehr unter den Meinungsverschiedenheiten zwischen seiner Schwester und ihm. Aber sie lag ihm auch ständig wegen irgendetwas in den Ohren. Sie schien zu vergessen, dass er beinahe erwachsen war.

Ein Glück, dass sie ihn heute in Ruhe gelassen hatte. Sie hatte ihn weder wegen seines chaotischen Zimmers noch wegen seiner schlechten Schulleistungen genervt.

Das Leben, das er und Suzanne führten, hätte ihn schon längst in den Wahnsinn getrieben, wenn es da nicht seinen Freund Kip gegeben hätte. Kip war der einzige Freund, den Mack in Baltimore hatte. Ihre Freundschaft hatte mit einer Schlägerei angefangen, weil Mack sich über Kips Namen lustig gemacht hatte. Danach hatten sie miteinander geredet und festgestellt, dass sie viele gemeinsame Interessen hatten.

Dennoch hatte Mack den Freund bis zum heutigen Abend niemals in seine intimsten Angelegenheiten eingeweiht. Aber als sie vorhin in Kips Zimmer gesessen hatten, konnte er einfach nicht an sich halten. Kurz entschlossen zog er eine Zeitschrift aus der Jacke hervor.

„Was hast du da?“, fragte Kip neugierig.

„Ein Rancher-Magazin“, entgegnete Mack verlegen. „Ich möchte dir etwas darin zeigen.“

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so etwas liest.“

„Willst du es jetzt hören oder nicht?“, fragte Mack ungeduldig.

„Klar. Und reg dich wieder ab.“

„Hör zu.“ Mack hatte beinahe bis zum Ende geblättert und setzte sich neben Kip aufs Bett. „Suche allein stehende sympathische Frau zwischen fünfundzwanzig und dreißig, ehrlich, sauber, Nichtraucherin. Wenn Sie Interesse haben, schreiben Sie an Chiffre einsamer Cowboy, Kincaid Ranch, Whitehorn, Montana.“

„Ja und?“ Kip sah den Freund verblüfft an.

„Was meinst du damit? Dieser Typ sucht eine Frau.“

„Schon klar.“ Kip kicherte. „Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass er dabei an jemanden wie dich gedacht hat, Paxton.“

„Blödmann. Natürlich nicht. Ich denke ja auch an meine Schwester.“

„Deine Schwester? Wenn du glaubst, dass Suzanne auf solche Anzeigen antwortet, bist du wohl eher der Blödmann.“

„Weiß ich doch.“ Mack grinste spitzbübisch. „Deshalb werde ich ja auch für sie schreiben. Willst du mir dabei helfen?“

Kip dachte einen Augenblick nach. „Meinetwegen. Ich bin dabei.“

Dann verfassten die beiden einen Brief. Mit dem Ergebnis waren sie äußerst zufrieden. Mack las den letzten Absatz laut vor: „Ich füge ein Foto von mir bei, damit Sie wissen, wie ich aussehe. Bitte antworten Sie bald. Ich kann es kaum erwarten, von Ihnen zu hören, einsamer Cowboy. Es umarmt Sie eine einsame Lady aus Baltimore. Suzanne Paxton.

Kip wälzte sich vor Lachen auf dem Bett. „Der Typ wird sein Glück nicht fassen können, wenn er den Brief liest und das Foto sieht.“

„Genau das will ich ja auch.“ Aber statt eines Fotos seiner Schwester legte er das Bild einer attraktiven Blondine in den Umschlag.

„Suzanne bringt dich um, wenn sie es erfährt.“

„Bestimmt nicht. Sie wird mich nicht umbringen, sondern mir auf ewig dankbar sein. Schließlich hat sie niemanden außer mir, und sie hat keinen Job, obwohl sie sich bemüht. Und mit diesem Brief sind all ihre Probleme mit einem Mal gelöst.“

„Na ja, du musst es ja wissen. Schließlich ist sie deine Schwester.“

„Ja. Und ich weiß, was ich tue. Wenn ich dir jetzt ein Geheimnis verrate, versprichst du mir, es für dich zu behalten?“

„Was denn noch, Paxton?“

„Versprichst du es oder nicht?“

„Okay. Ich verspreche es. Ich werde niemandem auch nur ein Sterbenswort sagen.“

„Gut. Also, ich wollte schon immer auf einer Ranch im Westen leben. Auf einer riesigen Ranch mit Kühen und Pferden und richtigen Cowboys. Meine Eltern und ich haben einmal eine Woche Urlaub auf einer Ranch gemacht. Es war einfach cool.“

„Du würdest tatsächlich von Baltimore fortgehen?“ Kip sah seinen Freund ungläubig an.

„Ich muss hier raus, Kip. Und ich weiß, dass Suzanne insgeheim genauso denkt. Es ist eine Chance für uns beide.“

Trotz seiner dicken Jacke fröstelte Rand Harding, als er auf das große Ranchhaus zuging. Der Frühling hatte zwar längst begonnen, aber in Montana war man daran gewöhnt, dass in dieser Jahreszeit häufig noch winterliche Temperaturen herrschten.

Als Vormann der Kincaid Ranch fühlte Rand sich für alles verantwortlich, was zum Besitz der Kincaids gehörte. So kam es, dass er jeden Abend, wenn seine Leute sich längst in ihre Zimmer zurückgezogen hatten und schliefen, einen letzten Kontrollgang machte.

Sein letzter Blick galt wie gewöhnlich dem vornehmen Hauptgebäude, dem Familiensitz der Kincaids. Das Haus stand seit Jahren leer, da die Familie, mit Ausnahme eines kleinen Mädchens, ums Leben gekommen war. Die Kleine hieß Jessica und war nach dem Tod der Eltern von Sterling McCallum und seiner Frau adoptiert worden. Das Ehepaar hatte Rand den Besitz anvertraut, solange Jessica noch zu jung war, um sich selbst darum zu kümmern.

Es war alles wie immer. Er konnte sich beruhigt ins Wirtschaftsgebäude zurückziehen. Aus dem Innern drang ihm wohlige Wärme entgegen. Abgesehen von Rands Schlafzimmer und drei Gästezimmern lagen im Erdgeschoss die wirtschaftlich genutzten Räume – die riesige Küche, das Esszimmer, die Waschküche und das Büro. Im oberen Stockwerk waren die Zimmer der Cowboys. Wie die Schlafzimmer unten verfügten auch sie über ein eigenes Bad. Der Aufenthaltsraum mit Fernseher, gemütlichen Sitzecken, Regalen mit Büchern und Spielen war für alle da.

Rand stöberte in einem Berg Zeitschriften. Was er in seinem eigenen Zimmer hatte, hatte er längst gelesen. Zum Glück entdeckte er die neueste Ausgabe eines Rancher-Magazins. Er nahm sie mit in sein Zimmer im Erdgeschoss, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und legte sich ins Bett. Normalerweise las er mit großem Interesse jeden Artikel über die neuesten Erkenntnisse in Ackerbau und Viehzucht, heute jedoch blätterte er hastig zu den Seiten mit den Anzeigen. Es dauerte nicht lange, bis er das gefunden hatte, was er suchte – seine eigene Anzeige.

Vor zwei Wochen war ihm erstmalig aufgefallen, wie viele Kontaktanzeigen jede Woche in den Ausgaben der Zeitschriften standen. Wer suchte denn heute noch auf diese Weise nach einem Partner? Was für Männer waren das? Was erwarteten sie von einer Partnerschaft? Denn die große Liebe konnte ja unter diesen Umständen wohl nicht mit im Spiel sein. Aber war das wirklich so abwegig? War eine Partnerschaft, die sich auf Respekt und Vertrauen gründete, nicht tausendmal besser als die Einsamkeit? Die Männer, die hier inseriert hatten, waren wahrscheinlich in einer ähnlichen Lage wie er selbst.

Als er vor ein paar Jahren nach Whitehorn gekommen war, um in der Gegend Arbeit zu finden, hatte er sich unsterblich in eine junge Frau verliebt. Sie hatten sich Hals über Kopf verlobt, obwohl Rand damals schon auf der Kincaid Ranch gearbeitet hatte, die ungefähr sechzig Meilen von der nächsten Stadt entfernt lag. Sherry hatte von vornherein gewusst, dass er mit Leib und Seele ein Rancher war, und sie hatte sich nie darüber beklagt – bis drei Tage vor der Hochzeit.

„Rand, Darling, ich habe ein wundervolles Haus gefunden. Wir könnten es für ein paar Dollar mieten. Der Eigentümer ist ein alter Mann, und er wäre dankbar, wenn wir dafür ein wenig nach dem Rechten sähen. Er kann es gar nicht erwarten, dich kennen zu lernen.“

Rand starrte seine Verlobte an, als hätte sie ihm einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. „Sherry, wir werden auf der Ranch leben. Der Besitzer hat mir schon eines der kleinen Häuser für verheiratetes Personal versprochen. Darling, ich habe dir die Ranch doch gezeigt. Ich dachte, du würdest gern dort leben.“

„Niemals. Ich könnte es nicht ertragen, so weit von meinen Freunden und meiner Familie entfernt zu leben. Was sollte ich den ganzen Tag über tun, Rand, wenn du nicht zu Hause bist? Sieh es doch einmal realistisch.“

Ja, von jenem Tag an hatte Rand die Dinge tatsächlich realistisch gesehen. Nachdem er Sherry klipp und klar zu verstehen gegeben hatte, dass er nicht die Absicht hatte, für Larry Miller den Hausmeister zu spielen, hatte sie die Hochzeit kurz entschlossen abgeblasen. Ungefähr drei Monate später hatte Rand gerüchteweise gehört, dass sie einen anderen Mann geheiratet hatte. So viel zu seiner Begegnung mit der großen Liebe.

Danach stand für ihn fest, dass er sich nie wieder verlieben wollte.

Aber allein leben wollte er auch nicht.

Je länger er darüber nachdachte, desto vernünftiger erschien ihm die Idee mit der Anzeige. Und eines war sicher: Eine Frau, die darauf antwortete, hatte dieselbe Vorstellung von einer Partnerschaft wie er. Sie würde eine realistische, intelligente Person sein, der Freundschaft wichtiger war als Romantik.

Es hatte zehn Minuten gedauert, bis Rands Entschluss feststand. Zunächst überlegte er, was er einer Frau überhaupt zu bieten hatte. Erstens war er ein fleißiger Arbeiter, der immer einen Job haben würde und für seine Familie sorgen könnte. Zweitens war er noch jung – zweiunddreißig, ziemlich gut aussehend, wenn man so etwas überhaupt von sich selbst sagen konnte. Er war groß und schlank, hatte dunkles dichtes Haar und tiefblaue Augen. Vielleicht wirkte er nicht auf den ersten Blick auf Frauen, aber zumindest hatte ihn noch keine abblitzen lassen, wenn er sich mit ihr hatte verabreden wollen.

Er war ehrlich, fluchte längst nicht so viel, wie man es von den übrigen Cowboys kannte, rauchte nicht und trank wenig – höchstens einmal ein Bier. Alles in allem konnte es eine Frau wesentlich schlechter treffen.

Ja, vor zwei Wochen hatte er seine Idee mit der Anzeige für genial gehalten. Aber als er sie jetzt Schwarz auf Weiß vor sich sah, kamen ihm auf einmal Zweifel.

2. KAPITEL

Rand nahm eine Hand voll Briefe aus dem Postfach und sah sie hastig durch. Er interessierte sich seit einiger Zeit sehr für die eingehende Post. Mal zweifelte er daran, dass überhaupt jemand auf seine Anzeige antworten würde, dann war er wieder felsenfest davon überzeugt, dass es klappen würde.

Endlich, dachte er, und sein Puls begann zu rasen. In der Post von heute fand er einen Brief mit dem Absender Suzanne Paxton, Baltimore. Was sollte es anders sein als die heiß ersehnte Antwort. Suzanne erschien ihm plötzlich der schönste Name, den er je gehört hatte. Er stieg in seinen Lieferwagen und öffnete gespannt den Umschlag.

Als er den Brief herauszog, fiel ihm ein Foto in den Schoß. Er traute seinen Augen nicht. Diese atemberaubende Blondine sollte Suzanne sein? „Ich werde verrückt“, murmelte er. Nachdem er dann den Brief gelesen hatte, konnte er sein Glück noch weniger fassen. Diese junge Dame war nicht nur interessiert, sie konnte es auch kaum erwarten.

Rand wendete den Wagen so schnell, dass die Reifen durchdrehten, und raste zur Ranch zurück. Er hatte nichts Eiligeres zu tun, als Suzannes Brief zu beantworten. Danach würde er sogar noch einmal zur Post fahren, um ihn aufzugeben. Diese wichtige Angelegenheit duldete keinen Aufschub. Vielleicht sollte er seine Antwort besser per Eilboten senden, damit Miss Paxton nicht unnütz warten musste.

Rand stürmte ins Haus. Im Büro warf er dem verblüfften George die übrige Post auf den Schreibtisch, hastete dann in sein Schlafzimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Er nahm sich gerade noch die Zeit, seine dicke Jacke auszuziehen, als er auch schon zu schreiben begann.

Liebe Suzanne, mit Ihrer Nachricht wird ein Traum für mich wahr. Ihr Brief und das bezaubernde Foto lassen mich nicht daran zweifeln, dass Sie genau die Frau sind, auf die ich gehofft hatte. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll, dass Sie auf meine Anzeige geantwortet haben.

Wenn Sie gestatten, würde ich gern ein wenig über mich erzählen. Ich bin seit jeher Rancher. Zurzeit arbeite ich als Vormann auf der Kincaid Ranch. Es ist herrlich hier. Sie werden die faszinierende Gegend auf Anhieb mögen. Sie schrieben, dass Sie sich nach Weite sehnen – ich versichere Ihnen, dass Sie die hier finden werden.

Sie haben sich sicherlich darüber gewundert, dass ich auf diesem etwas ungewöhnlichen Wege eine Frau suche. Hier in der Gegend gibt es natürlich auch ledige Frauen – ziemlich viele sogar –, aber ich bin nicht auf der Suche nach einer Romanze, Suzanne. Ich wünsche mir eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und für die Freundschaft und Partnerschaft wichtiger sind als eine vorübergehende Leidenschaft. Auch die Gründung einer Familie wäre in meinem Sinne. Ich hoffe, dass Sie ähnliche Vorstellungen von einer Beziehung haben.

Ich füge meinem Brief ein Foto bei. Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, einen Meter und fünfundachtzig groß und schlank. Nachdem ich Ihr Foto gesehen habe, hoffe ich, dass Sie nicht allzu enttäuscht sind.

Bitte antworten Sie schnell. Ich werde jeden Tag ungeduldig auf Post von Ihnen warten. Noch eines: Sollte es ein Problem für Sie sein, das Reisegeld aufzubringen, lassen Sie es mich bitte wissen. Es wäre mir eine Freude, Ihnen ein Flugticket zu schicken.

Viele Grüße

Rand Harding

Rand las seinen Brief zweimal, bevor er ihn zusammenfaltete und ihn samt Foto in einen Umschlag steckte.

„Ich muss noch einmal in die Stadt“, informierte er George. „In ein paar Stunden bin ich wieder zurück.“

George blickte dem jüngeren Mann kopfschüttelnd nach. Er konnte sich nicht erinnern, Rand jemals so aufgeregt gesehen zu haben.

Während der Fahrt dachte Rand an nichts anderes als an Suzanne Paxton. Heute musste sein Glückstag sein.

Rand war gerade fünf Minuten wieder auf der Ranch, als ein unbekannter Wagen auf das Gelände fuhr. Laut Kennzeichen stammte der Fahrer des Wagens aus der Gegend, doch Rand hatte ihn nie zuvor gesehen. Wie die meisten Rancher trug er Jeans, Stiefel und eine dicke Jacke. Obwohl der Mann nicht älter als ungefähr Ende vierzig sein konnte, war sein Haar bereits ergraut.

„Hallo“, grüßte er.

„Hallo.“ Rand nickte.

„Ich glaube, ich habe mich hoffnungslos verfahren.“

„Wohin wollen Sie denn?“, fragte Rand.

„Nach Whitehorn.“

„Das ist nicht weit von hier.“ Während Rand ihm den Weg erklärte, betrachtete der Fremde das riesige Anwesen mit sehnsüchtigen Blicken. „Hier ist es wunderschön“, sagte er schließlich, und seine Augen ruhten auf dem herrlichen unbewohnten Ranchhaus.

„Ich arbeite nur hier. Ich bin der Vormann. Dies ist die Kincaid Ranch, aber von den Kincaids lebt niemand hier.“ Rand fand, dass es an der Zeit war, sich vorzustellen. Er streckte dem Mann die Hand entgegen. „Ich bin übrigens Rand Harding.“

„J.D. Cade“, sagte der andere und ergriff Rands Hand.

„Schön, Sie kennen zu lernen, J.D. Sie suchen nicht zufällig einen Job?“

„Fehlen Ihnen Leute?“

„Uns fehlen eigentlich immer Leute“, lachte Rand. „Die Ranch liegt so abgelegen, dass die Männer es nicht lange aushalten. Haben Sie schon einmal auf einer Ranch gearbeitet?“

„Ja.“

„Und? Sind Sie interessiert?“

„Nun, da ich sowieso hier in der Gegend bleiben wollte, wieso nicht?“

„Sie nehmen den Job?“

„Ich nehme den Job. Ich kann allerdings nicht sagen, für wie lange.“

„Fein. Dann lassen wir jetzt die Förmlichkeiten. Du kannst deine Sachen gleich nach oben bringen. Ich zeige dir dein Zimmer. Meinst du, dass du morgen gleich anfangen kannst?“

„Okay.“

Beim Abendessen stellte Rand den Leuten den neuen Cowboy vor. „Das ist J.D. Cade, Leute. Er arbeitet ab morgen bei uns.“

Die meisten Männer murmelten halblaut eine Begrüßung und begannen dann zu essen. Rand setzte sich neben J.D. an den Tisch, um ihn besser kennen zu lernen.

Gegenüber saß Dale Carson. Der junge Mann war genauso lange auf der Ranch wie Rand. Er war auf der Ranch seiner Eltern aufgewachsen. Aber die Carsons hatten ihr ganzes Land verloren, und Rand wusste von Dale, dass dieser sich zum Ziel gesetzt hatte, so viel Geld zu verdienen, dass er sich eines Tages eine eigene kleine Ranch leisten konnte. Da Rand ähnliche Pläne hatte, konnte er den jungen Mann sehr gut verstehen. Dale versuchte, J.D. in ein Gespräch zu verwickeln. „Wo kommst du her, J.D.?“

„Von nirgendwo“, entgegnete J.D. ruhig und sah den jungen Mann an. Es war offensichtlich, dass der neue Cowboy keine Lust hatte, das Gespräch fortzusetzen. Jeder musste es merken – außer Dale. Er bohrte weiter.

„Das Autokennzeichen ist aus Montana. Aber wo hast du vorher gelebt?“

J.D. bedachte Dale mit einem unmissverständlichen Blick. Aber der merkte es nicht. Er fragte unaufhaltsam weiter. „Wofür steht J.D.? Wie heißt du richtig?“

Jetzt hatte J.D. endgültig die Nase voll. „Hör zu, Junge. Wenn ich alle Welt an meinen Angelegenheiten teilhaben lassen wollte, würde ich sie in der Zeitung veröffentlichen.“

Am Tisch war es plötzlich ganz still. Sogar Dale hielt den Mund. Rand lachte in sich hinein. Ihm gefiel J.D.s Art, auch wenn er ein wenig geheimnisvoll war. Auf der Ranch zählte nur, dass er ein guter Arbeiter war. Und daran hatte Rand keinen Zweifel.

Am nächsten Morgen verließ Mack die Wohnung wie üblich, um zur Schule zu gehen. Allerdings versteckte er sich hinter den Garagen und wartete nur so lange, bis seine Schwester wegfuhr, um wie jeden Morgen auf Jobsuche zu gehen. Jetzt hatte er die Wohnung für sich. Er stellte den Fernseher an, setzte sich auf den großen bequemen Sessel im Wohnzimmer und stand nur noch einmal auf, um sich ein riesiges Sandwich zu machen und ein Glas Cola einzuschenken.

Als es zwei Stunden später an der Tür klingelte, sah er immer noch fern. „Mist“, fluchte er leise. Sollte er die Tür öffnen oder nicht? Was sollte er sagen, wenn ein neugieriger Nachbar fragte, warum er nicht in der Schule war?

Mack schlich auf Zehenspitzen zur Tür und blickte durch den Spion. Der Postbote! Hastig schloss er auf.

„Eine Eilzustellung für Suzanne Paxton“, sagte der Mann.

„Sie ist meine Schwester. Ich nehme sie für sie an.“

„Dann unterschreib bitte hier.“

Mack kritzelte seine Unterschrift in das Buch, das der Postbote ihm vor die Nase hielt. Dann nahm er den Umschlag entgegen. Wieder allein in der Wohnung, jubelte er vor Freude, als er den Absender las. Rand Harding, Whitehorn, Montana.

Beim Hinsetzen riss er den Umschlag schon auf. Mack strahlte übers ganze Gesicht. Er konnte sein Glück nicht fassen. Rand Harding – schon der Name klang nach Abenteuer.

Als Mack den Brief aus dem Umschlag zog, dachte er keine Sekunde darüber nach, dass er an Suzanne gerichtet war. Er faltete das Papier auseinander, als ein Foto herausfiel. ‚Wow‘, dachte er, Harding sieht verflixt gut aus. Umso besser. Dann vertiefte er sich in den Brief.

Hoffentlich kam Suzanne bald nach Hause. Mack konnte es kaum erwarten zu sehen, wie sie auf seine Neuigkeiten reagierte.

Sie wäre bestimmt begeistert, dass dieser gut aussehende Mann aus Montana sie heiraten wollte. Es gab doch auch für sie nichts, was sie in Baltimore hielt.

Sie würde begeistert sein.

„Du hast was?“, fragte Suzanne außer sich.

„Ich habe auf eine Anzeige im Rancher-Magazin geantwortet. Dieser Brief hier ist heute gekommen. Suzanne, der Typ will dich heiraten!“

„Du hast in meinem Namen auf eine Anzeige geantwortet? Bist du denn jetzt völlig übergeschnappt, Mack?“

„Lies den Brief doch wenigstens.“ Er hielt Suzanne den Umschlag vor die Nase. „Es ist doch nichts dabei. Der Mann meint es ernst. Er sucht wirklich nur eine Frau.“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du das getan hast, Mack“, sagte sie verzweifelt und ließ sich erschöpft aufs Sofa sinken. Dieses Mal war er wirklich zu weit gegangen.

„Und ich dachte, du würdest dich freuen“, murmelte er enttäuscht.

„Nein, das tue ich nicht.“

„Willst du Rands Brief nicht wenigstens lesen?“

„Rand? Heißt er so? Mack, ist dir eigentlich klar, wie gefährlich so etwas ist? Was wäre, wenn dieser Rand irgendein Perverser ist, der auf diesem Weg mit allein stehenden Frauen Kontakt aufnimmt?“

„Wie ein Perverser sieht er nun wirklich nicht aus.“ Trotz der gespannten Situation musste der Junge lachen. „Lies doch bitte den Brief. Er ist Vormann auf einer riesigen Ranch in Montana. Er hat einen guten Job.“

„Glaubst du vielleicht, er würde dir gleich in seinem ersten Brief schreiben, dass er pervers oder kriminell ist? Denk doch mal nach, Mack. Kein normaler Mann gibt heutzutage noch eine Kontaktanzeige auf. Da kann etwas nicht stimmen.“

Mack betrachtete den Brief in seiner Hand. „Mir ist egal, was du davon hältst. Ich glaube jedes Wort, das Rand geschrieben hat. Er hat sogar angeboten, dir den Flug nach Montana zu bezahlen.“

„Das ist doch absurd, Mack. Siehst du das denn nicht ein?“

„Wenn du niemandem trauen kannst, ist das dein Problem.“

„Unsinn. Aber aus welchem Grund sollte ich einem wildfremden Mann trauen?“

„Wenn du seinen Brief nicht liest, gibst du ihm ja nicht einmal die Chance, dein Vertrauen zu gewinnen!“, schrie Mack verzweifelt.

„Schrei mich nicht an, Mack. Was du da getan hast, ist einfach abscheulich. Und ich werde niemals, hörst du, niemals bei so etwas mitspielen.“

Mack warf Rands Brief wütend neben seine Schwester auf das Sofa, stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Erst jetzt griff Suzanne nach dem Umschlag, der immer noch neben ihr lag, und schüttelte sich den Inhalt in den Schoß. Als Erstes fiel das Foto heraus. Überrascht betrachtete sie den gut aussehenden Mann, der ihr freundlich entgegenlächelte. Dunkles Haar, blaue Augen, kantige Gesichtszüge und sehr gepflegt.

Aber wie konnte sie sicher sein, dass dieser attraktive Mann wirklich mit dem Schreiber des Briefes identisch war?

Neugierig begann sie nun doch zu lesen. „Du meine Güte“, flüsterte sie, als sie zu der Stelle kam, an der er behauptete, dass sie eine atemberaubende Frau sei. Was für ein Foto hatte Mack ihm geschickt? Okay, sie sah ganz gut aus, aber atemberaubend war wohl doch etwas übertrieben.

In seinem Zimmer telefonierte Mack leise mit Kip. „Stell dir nur vor, sie weigert sich sogar, Rands Brief zu lesen. Ich hau’ ab, Kip. Ich gehe nach Montana – ganz gleich ob mit oder ohne Suzanne.“

Suzanne schlief seit einiger Zeit sehr schlecht. Sie kam vor Sorge nicht mehr richtig zur Ruhe. Häufig wachte sie schweißgebadet auf, wurde von den schrecklichsten Albträumen verfolgt, und niemand war da, um sie zu trösten. Auch heute Nacht wurde sie plötzlich wach, saß schwer atmend im Bett und kämpfte mit den Tränen. Was sollte sie nur tun? Sie musste einen Job finden, in dem sie genug für Macks und ihren Lebensunterhalt verdiente.

Sie blickte zur Uhr auf ihrem Nachttisch – noch nicht einmal halb vier. Sie brauchte mehr Schlaf. Aber die Angst vor einem weiteren Albtraum jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

Entschlossen stand sie auf, zog den Morgenmantel an und schlich über den Flur. Im Vorbeigehen horchte sie an Macks Zimmertür. Es war nichts zu hören. Sie ging weiter in Richtung Küche, schaltete die Deckenbeleuchtung ein und kochte sich eine Tasse Kakao.

Dann setzte sie sich mit dem heißen Getränk an den Küchentisch und wärmte sich die Hände daran. Sie konnte beinahe auf den Tag genau ausrechnen, wie lange das Geld noch reichte, wenn sie keinen Job fand. Aber sie hatte keine Ahnung, ob sie es wirklich noch so lange durchstehen konnte. Mit Mack hatte sie wirklich nichts als Schwierigkeiten. Und sein letzter Streich war nun wirklich der Gipfel. Sie musste ihm allerdings zugutehalten, dass er viel zu jung war, um sich dessen bewusst zu sein.

Um die Angelegenheit möglichst schnell hinter sich zu bringen, blieb Suzanne nichts anderes übrig, als klare Fronten zu schaffen. Sie würde Rand Harding mitteilen, was sie von Männern hielt, die sich auf diesem Wege eine Frau suchten. Also holte sie Papier und einen Füller aus ihrem kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer und setzte sich wieder an den Küchentisch. Voller Verachtung las sie Rands Brief ein zweites Mal. Dann begann sie:

Mr. Harding, um eines von vornherein klarzustellen. Die Antwort auf Ihre Anzeige stammt nicht von mir, sondern von meinem vierzehnjährigen Bruder. Ich habe auch keine Ahnung, wessen Foto er Ihnen geschickt hat, meines war es sicherlich nicht. Hätte ich rechtzeitig von der Absicht meines Bruders erfahren, hätte ich diesen Unsinn selbstverständlich verhindert. Dazu ist es jetzt leider zu spät. Zumindest sollen Sie im Nachhinein wissen, dass ich keinerlei Interesse an Kontaktanzeigen dieser Art habe. Ich finde diese Art der Partnersuche einfach unmöglich und abstoßend. Wenn Sie einsam sind, dann ist das doch wohl Ihr Problem. Es interessiert mich nicht im Geringsten. Ich bitte Sie, mich und meinen Bruder nicht weiter zu belästigen. Andernfalls sähe ich mich gezwungen, die Angelegenheit der Polizei zu übergeben.

Suzanne Paxton

Suzanne adressierte den Umschlag und brachte ihn zum Briefkasten gleich neben der Haustür. Sie beeilte sich, in die warme Küche zurückzukehren, da es im Hausflur lausig kalt und zugig war. Schnell trank sie noch den Rest Kakao aus, spülte die Tasse ab und legte sich wieder ins Bett. Sie würde versuchen, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen.

Um sechs Uhr summte der Wecker. Gähnend stand Suzanne auf und ging ins Bad, um sich den Schlaf aus den Augen zu waschen und die Zähne zu putzen. Auf dem Weg in die Küche klopfte sie an Macks Tür. „Zeit zum Aufstehen!“, rief sie. Keine Antwort. „Mack? Wach auf!“ Immer noch nichts.

Keine dröhnende Musik. Kein Protest. Sie versuchte es noch einmal. Diesmal klopfte sie lauter. „Mack!“ Suzanne wurde allmählich wütend. Er konnte so unvernünftig sein. Sie stieß die Tür auf und betrat das Zimmer. Macks Bett war unberührt, und Suzannes erster Gedanke war, dass er wieder einmal eine Nacht nicht nach Hause gekommen war.

Sie wollte seine Zimmertür schon hinter sich zuschlagen, als ihr auffiel, dass sein Radiowecker nicht wie gewöhnlich auf dem Nachttisch stand. Ihr Herzschlag setzte für einige Sekunden aus. Mit einem Mal packte sie die Angst. Suzanne öffnete den Kleiderschrank. Der Schrank war leer. Suzannes Knie wurden weich. Sie hielt sich leise fluchend an Macks Schreibtisch fest, als sie ein Stück gelbes Papier entdeckte, das am Spiegel haftete.

Schwesterherz, es tut mir leid, dass Du sauer auf mich bist. Ich wollte Dir keinen Ärger machen. Wenn Du dies liest, bin ich schon auf dem Weg nach Montana. Mach dir keine Sorgen, ich passe schon auf mich auf. Ich werde Rand Harding von Dir grüßen. Mack

„Oh nein“, stöhnte Suzanne.

An diesem Morgen war Suzanne wenig später die erste Kundin auf der Bank. Sie löste das Sparbuch ihrer Eltern auf und stellte fest, dass Mack sich bereits bedient hatte. Es war nur noch die Hälfte von dem ursprünglichen Betrag übrig. Sie hatte es geahnt. Und jetzt würde auch noch der Rest draufgehen. Aber das spielte nun auch keine Rolle mehr.

3. KAPITEL

J.D. Cade war wirklich so gut, wie Rand vorhergesehen hatte. Der Mann war der geborene Rancher. Er schien die Tiere zu lieben und schaffte es, selbst das störrischste Pferd mit ein paar Worten zu besänftigen.

Mit den Menschen kam er allerdings nicht ganz so gut klar. Er war zwar nicht unfreundlich, aber auch nicht sehr mitteilsam. Fragen über seine Person blockte er grundsätzlich ab.

Rand war sehr überrascht, dass J.D. Dale nicht durch seine brüske Art abgeschreckt hatte. Im Gegenteil, dieser folgte ihm wie ein Schatten. Man musste sich wirklich fragen, was in Dales Kopf vor sich ging. Er war viel ruhiger und nachdenklicher geworden. Und jedes Mal, wenn Rand J.D. traf, konnte er sicher sein, dass Dale nicht weit war. Auch wenn die Männer Gruppenarbeiten zu erledigen hatten, arbeiteten die beiden fast immer gemeinsam.

Heute Morgen beim Frühstück hatte Rand eine Gemeinschaftsarbeit angeordnet. Er hatte in den vergangenen Tagen immer wieder streunendes Vieh auf dem Granite Mountain entdeckt. Die Cowboys sollten die Tiere eintreiben, damit man in den nächsten Tagen mit dem Brandmarken beginnen konnte.

Nach dem Frühstück verließen alle das Haus. Nur Rand ging ins Büro. Er hatte sich vorgenommen, den Ablagestapel auf seinem Schreibtisch abzuarbeiten: Angebote, Werbung, unbezahlte Rechnungen. Lustlos ließ er sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder. Er war Rancher und kein Büromensch. Hoffentlich kam heute ein weiterer Brief von Suzanne. Das wäre wenigstens ein Lichtblick.

Ein paar Minuten später erschien George im Zimmer. Er hatte einen Becher Kaffee in der Hand und stellte ihn wie jeden Morgen auf seinem Schreibtisch ab. Als er Rand mit zusammengezogenen Brauen bei der Erledigung der Post sitzen sah, musste er unwillkürlich lächeln. Sosehr George seine Arbeit als Buchhalter der Ranch liebte, sosehr hasste Rand alles, was mit Papier und Zahlen zu tun hatte. Dennoch machte es sein Job erforderlich, dass er ungefähr fünf Tage im Monat im Büro verbrachte.

Rand versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch immer wieder blickte er sehnsüchtig aus dem Fenster. Auf einmal entdeckte er etwas, das sein Interesse weckte. Ein unbekannter Junge lief vor dem Wirtschaftsgebäude herum, als würde er nach etwas suchen. Anscheinend hatte George, der sich gerade eine Pfeife angezündet hatte, ihn auch gerade entdeckt. Die Männer sahen sich an, und George zuckte mit den Achseln. Offenbar hatte auch er keine Ahnung, wer der Junge war.

Rand stand auf, zog sich seine dicke Jacke über und ging nach draußen. „Hey!“, rief er laut.

Der Junge drehte sich um, zögerte einen Augenblick und ging dann auf Rand zu.

„Hi, Rand“, erwiderte er mit einem breiten Grinsen.

„Kenne ich dich?“

„Nee, aber ich kenne Sie. Sie sind Rand Harding, Vormann auf dieser Ranch. Ich bin Mack Paxton. Suzanne ist meine Schwester.“

Rand starrte den Jungen fassungslos an. Es dauerte eine Minute, bis er endlich begriff. „Ist Suzanne bei dir? Wie seid ihr hierhergekommen? Ich sehe nirgendwo ein Auto.“

„Ich bin vom Flughafen in Billings aus getrampt.“

Rand sah nicht gerade begeistert aus. „Suzanne ist per Anhalter gefahren?“

„Nein, sie ist doch gar nicht mitgekommen. Sie ist noch in Baltimore.“

„Kommt sie denn?“

Mack wusste, dass er sich seine nächsten Worte sehr gründlich überlegen musste. Davon hing möglicherweise ab, ob Rand Harding ihn postwendend wieder nach Hause schickte. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als sich eine glaubhafte Geschichte auszudenken.

„Sie hat noch keine Zeit, aber sie kommt nach“, murmelte er schließlich.

Rand betrachtete den Jungen eindringlich. Er konnte höchstens vierzehn oder fünfzehn Jahre alt sein. Es erstaunte ihn, dass Suzanne diesem Kind erlaubt hatte, eine solche Reise allein anzutreten. Irgendetwas stimmte da nicht.

„Ich glaube, wir beide sollten jetzt einmal zusammen ins Wirtschaftsgebäude gehen und deine Schwester anrufen“, sagte Rand streng. „Los, komm.“

„Ins Wirtschaftsgebäude?“ Macks Interesse war sofort geweckt. „Welches ist das Wirtschaftsgebäude?“, fragte er aufgeregt.

„Das wirst du schon sehen.“

Rands Stimme klang so unpersönlich, dass sich Mack von Sekunde zu Sekunde unbehaglicher fühlte. Irgendwie lief alles schief. Nichts ging nach Plan. Was konnte er nur tun? Er versuchte Rand in ein Gespräch zu verwickeln.

„Das ist eine tolle Ranch“, begann er, während er hinter Rand her stolperte.

Keine Antwort.

„Wohnen Sie in dem großen Haus dort drüben?“

„Nein“, erwiderte Rand knapp, ohne sich umzudrehen.

„Gehört eines von den Pferden auf der Weide Ihnen?“

„Das Schwarze mit der Blesse auf der Brust.“

„Es ist wunderschön. Wie heißt es?“

„Jack.“

„Jack? Das ist aber ein komischer Name für ein Pferd.“

Rand musste beinahe über die Enttäuschung des Jungen lachen. Offensichtlich stammten seine Vorstellungen vom Leben im Wilden Westen aus Comics und schlechten Cowboyfilmen. Mit der Realität hatten sie nicht viel zu tun.

„So, wir sind da.“ Rand hielt ihm die Tür zum Wirtschaftsgebäude auf. Macks Schritte wurden immer langsamer. „Los, komm schon. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ Der Junge sah sich um, als suchte er für alle Fälle nach einem Fluchtweg. „Mack.“ Rands Stimme wurde strenger. „Beweg dich.“

Mack trottete mit gesenktem Kopf in das Gebäude und wehrte sich auch nicht, als Rand ihn am Arm packte. „Komm, wir benutzen das Telefon im Büro.“

„Wen haben wir denn da?“ George lächelte den jungen Besucher an, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte.

„Mack Paxton“, murmelte Mack unglücklich. Jetzt hatte er das ganze Abenteuer so perfekt geplant, und nun sollte alles daran scheitern, dass Rand genauso spießig war wie Suzanne.

George warf Rand einen fragenden Blick zu. Erst jetzt wurde diesem bewusst, in was für eine peinliche Situation er sich hineinmanövriert hatte. Wie sollte er Mack Paxtons Ankunft auf der Ranch erklären? Er hatte selbstverständlich niemandem von der Anzeige erzählt. Die Männer würden sich kaputtlachen.

„Hm, Mack ist der Bruder einer Bekannten, George“, stammelte Rand.

Mack war clever genug, seine Chance zu wittern. Aha, der ‚einsame Cowboy‘ hatte sein kleines Geheimnis mit der Anzeige wohlweislich für sich behalten.

„Stimmt“, bestätigte Mack – für Rands Geschmack ein wenig unverschämt. „Rand ist mit meiner Schwester befreundet.“

„Tatsächlich?“ George zog verblüfft eine Augenbraue hoch.

„Ja, und er hat mich eingeladen, stimmt’s, Rand?“

Rand schluckte hart. Es gab nur zwei Möglichkeiten – entweder bekennen oder schweigen. Er warf Mack Paxton einen Blick zu, der manch älteren Mann in die Knie gezwungen hätte. Doch Mack war so zufrieden mit der Entwicklung der Dinge, dass er übers ganze Gesicht strahlte.

„Ich wollte dir Mack nur kurz vorstellen, George“, brummte Rand und schob den Jungen auch schon wieder aus dem Zimmer. Dann zog er ihn durch den Flur hinter sich her und die Treppe hoch. Am Ende des Ganges öffnete er die Tür zu einem leeren Schlafzimmer. „Das war deine erste und deine letzte Lüge, solange du auf der Ranch bist“, sagte er, sobald sie allein waren. „Hast du mich verstanden?“

Mack hatte verstanden und nickte schweigend.

„Gut. Weiß deine Schwester, dass du hier bist?“

„Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen.“

„Du hast also nicht vorher mit ihr über deine Pläne gesprochen? Du bist einfach abgehauen? Was wäre, wenn ich dich nicht hier haben wollte?“

„Sie wollten doch meine Schwester.“

„Ich wollte deine Schwester treffen. Das ist ein kleiner Unterschied.“

„Sie wollten mehr als sie nur treffen“, erwiderte Mack geradeheraus. „Ich habe Ihren Brief gelesen.“

Rand glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Sie hat dich den Brief lesen lassen?“

„Nicht direkt …“ Mack dachte schnell nach. Dieser Bursche brachte es glatt fertig, ihn nach Billings zurückzuschicken und ins Flugzeug zu setzen, wenn er erfuhr, was es tatsächlich mit Suzannes Brief an ihn auf sich hatte. „Ehrlich gesagt habe ich ihn heimlich gelesen.“

„Aber sie hat dir von meiner Anzeige erzählt?“

„Warum hätte sie es nicht tun sollen? Sie war so begeistert, Rand.“ Mack verstrickte sich immer mehr in seine Geschichte. „Nachdem sie Ihren Brief bekommen hat, hat sie von nichts anderem mehr geredet, als dass sie nach Montana fliegen und Sie kennen lernen wollte. Und ich bin nur deshalb eher gekommen, weil ich es nicht erwarten konnte, einmal eine richtige Ranch zu sehen.“

Rand ging im Zimmer auf und ab und rieb sich das Kinn. Er wusste nicht, was er von Macks Geschichte halten sollte.

Zufrieden stellte Mack fest, dass er den ‚einsamen Cowboy‘ völlig verwirrt hatte. Prima. Dann konnte er zumindest so lange hier bleiben, bis Rand einfiel, was er mit ihm anstellen sollte.

„Gib mir die Telefonnummer deiner Schwester“, sagte er plötzlich.

Mack fiel die Kinnlade herunter. „Sie wollen sie anrufen?“

„Natürlich.“ Macks enttäuschter Gesichtsausdruck rührte Rand. Irgendwie brachte der Junge es fertig, ihn an seine eigene Kindheit zu erinnern. „Mack, sie macht sich wahrscheinlich schreckliche Sorgen um dich“, sagte er etwas milder gestimmt. „Ich muss ihr zumindest Bescheid sagen, dass es dir gut geht.“

Mack fingerte seufzend einen Zettel mit Suzannes Nummer aus seinem Portemonnaie. „Also gut, meinetwegen.“

Rand nahm das Stück Papier entgegen. „Du kannst in diesem Zimmer wohnen, solange du hier bist. In den Schränken auf dem Flur findest du Handtücher und Bettwäsche. Im Erdgeschoss ist eine große Waschküche, die jeder benutzen kann. Dasselbe gilt für die Küche. Die Zimmer der Männer dürfen nicht unaufgefordert betreten werden. Aber am Ende des Ganges gibt es einen Aufenthaltsraum für alle. Solltest du ein Radio oder einen CD-Player bei dir haben, darfst du ihn nicht vor fünf Uhr morgens oder nach halb acht abends benutzen. Hier herrscht eine strenge Hausordnung, an die sich jeder zu halten hat. Die Männer sind in der Regel abends so kaputt, dass sie ihre Ruhe brauchen. Hast du verstanden?“

„Ich bin doch nicht blöd“, maulte Mack.

„Darüber kann man streiten. Ich gehe jetzt runter. Um sechs Uhr gibt es Abendessen. Du findest das Esszimmer, indem du immer der Nase nach gehst.“ Rand war schon halb draußen, als Mack hinter ihm herrief.

„Darf ich mich ein wenig draußen umsehen?“

„Ja, aber halt dich von den Pferden fern. Einige Tiere sind reizbar.“

Rand war beinahe erleichtert, als Mack an ihm vorbei nach draußen stürmte. An einen vierzehnjährigen Schwager hatte er wirklich nicht gedacht, als er seine Anzeige aufgegeben hatte. Kopfschüttelnd ging er nach unten in sein eigenes Zimmer. Er hob den Telefonhörer hoch und wählte Suzannes Nummer. Er ließ es zehnmal klingeln. Dann legte er wieder auf.

Suzanne Paxton checkte in Billings aus, holte ihr Gepäck ab und ging zielstrebig zum nächsten Autoverleih. Dort gab man ihr nicht nur ein passables Auto, sondern der freundliche Autoverleiher erklärte ihr auch noch den Weg nach Whitehorn.

Sie wusste also, dass das Gelände einsam und teilweise recht unwegsam war, aber schließlich hatte sie keine Wahl. Ihr Herz klopfte, als sie mit Tempo dreißig eine kurvige Straße entlangschlich. Da es schon ziemlich dunkel war, sah sie nicht allzu viel von der Gegend – nur das, was die Scheinwerfer des Autos jeweils beleuchteten. Jede einzelne Meile war eine Qual. Und doch brachte sie sie der Kincaid Ranch und ihrem Bruder näher. Aber war Mack auch wirklich dort? War er in Sicherheit? Und welcher Gefahr setzte sie sich selbst aus – in dieser unbekannten Gegend, in der Dunkelheit?

Als es jetzt auch noch zu schneien begann, wurde Suzanne langsam panisch. Sie wusste ja, dass es hier auch um diese Jahreszeit noch kalt sein konnte, aber mit Schnee hatte sie wahrhaftig nicht gerechnet. Was war das bloß für ein Land?

Währenddessen herrschte auf der Ranch das totale Chaos. Handy stürzte völlig außer sich in Rands Zimmer. „Meine Schwester hatte einen Schlaganfall. Ich habe meine Sachen schon gepackt. Ich fahre sofort los!“

„Handy, beruhige dich erst einmal“, beschwichtigte Rand den Koch. „Hast du nicht erzählt, dass deine Schwester in Seattle lebt? Hast du wenigstens am Flughafen angerufen und dir ein Ticket reservieren lassen?“

„Dazu war keine Zeit. Das mache ich vor Ort. Ich muss sofort los!“ Mit diesen Worten stürmte Handy aus dem Zimmer.

Rand folgte ihm bis zur Haustür und sah ihn viel zu schnell wegfahren. Verzweifelt fragte er sich, was sie ohne Koch machen sollten. Außerdem hatte er Angst, dass Handy einen Unfall baute – bei dem halsbrecherischen Tempo wäre es kein Wunder. Er blickte zum Himmel. Jetzt begann es auch noch zu schneien.

„Auch das noch“, stöhnte er. Aber es würde sicher nicht lange dauern. Schließlich hatten sie schon April.

„Rand!“, rief George aus dem Büro. „Was ist passiert?“

„Erstens schneit es“, antwortete er. „Und zweitens haben wir gerade unseren Koch verloren. Handys Schwester hatte einen Schlaganfall, und er ist auf dem Weg nach Seattle.“

Rand ging in die Küche und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Dann setzte er sich auf einen Hocker vor der Anrichte. Er trank einen Schluck Kaffee. Anscheinend wurde es immer schlimmer. Er konnte immer noch nicht glauben, dass Suzannes Bruder auf der Ranch war. Hatte sie Macks Nachricht gefunden, oder hatte sie keine Ahnung, wo ihr Bruder war? Vielleicht hatte der Junge ja gar keine hinterlassen.

In Rands Kopf begann sich alles zu drehen – zuerst Mack Paxtons Ankunft, dann dieses lästige Schneetreiben und jetzt auch noch Handys überstürzter Aufbruch. Allmählich hatte er die Nase voll.

„Wusstest du denn nicht, dass wir einen Schneesturm bekommen?“, riss J.D.s Stimme Rand aus seinen Grübeleien.

„Im April? Wie sollte ich?“

„Sie haben es vorhin in den Nachrichten gesagt.“

„Na großartig!“

„Dale und ich sehen nach der Scheune. Das Dach war an einer Stelle undicht. Wir bringen es in Ordnung, bevor es draußen schlimmer wird.“ Die beiden Männer zogen ihre Jacken an und gingen raus.

Jetzt war im Haus wieder Ruhe eingekehrt. Die anderen Cowboys hatten sich längst auf ihre Zimmer zurückgezogen, nicht einmal George war mehr zu sehen. Plötzlich hörte Rand einen Wagen näher kommen.

„Handy!“, rief er erleichtert und rannte zur Haustür. Der Koch hatte sich anscheinend wieder beruhigt, und sie konnten gemeinsam eine Lösung finden. Rand riss die Tür auf. Aber es war nicht Handy, der da aus der kleinen blauen Limousine stieg. Es war eine Frau.

Sie bemerkte ihn im selben Augenblick wie er sie. Sie starrten sich eine Sekunde lang an, dann nahm sie ihre Handtasche aus dem Wagen, schlug die Tür zu und rutschte und schlidderte in Richtung Eingang.

Dennoch wirkte sie selbstsicher – wenn nicht sogar angriffslustig. Wer war sie? Und wieso legte sie es auf Streit an?

Dicht vor ihm blieb sie stehen. „Mein Name ist Suzanne Paxton, und ich suche meinen Bruder, Mack. Ist er hier?“

4. KAPITEL

Sie standen sich in der geöffneten Tür gegenüber. Da Suzannes Augen sich nicht so schnell an das Licht im Haus gewöhnen konnten, konnte sie lediglich die Umrisse eines Mannes erkennen. Er wirkte riesig, beinahe bedrohlich.

Rand hingegen konnte sie deutlich sehen. Das sollte Suzanne Paxton sein? Hübsch war sie – sehr hübsch sogar. Sie war groß und schlank und geschmackvoll gekleidet. Sie trug einen langen marinefarbenen Wollmantel, eine eng anliegende Hose, halbhohe Pumps und schwarze Lederhandschuhe. Eine dazu passende Handtasche hatte sie über der Schulter hängen. Aber es bestand kein Zweifel daran, dass die Frau nicht dieselbe wie auf dem Foto war. Sie hatte dunkles Haar, während das Bild eine Blondine zeigte.

„Sind Sie sicher, dass Sie Suzanne Paxton sind?“ In dem Augenblick, als er die Frage ausgesprochen hatte, hätte er sie am liebsten zurückgenommen.

Suzanne sah ihn entgeistert an. So etwas Verrücktes hatte sie ja noch nie gehört. Sie kniff die Augen ein wenig zusammen, um ihn gegen die störende Lichtquelle besser erkennen zu können. Konnte ein Mensch wirklich so beschränkt sein? Trotz des Vordaches, das ihr zumindest etwas Schutz vor dem immer heftiger werdenden Schnee bot, wurden ihre Füße langsam eiskalt. Außerdem trieb der Wind den Schnee so weit unter das Dach, dass er bald Suzannes dunkles Haar und die Schultern bedeckte. Der Mann vor ihr schien es nicht zu bemerken, aber das war wohl auch zu viel verlangt.

„Ich kenne doch wohl meinen eigenen Namen“, erwiderte sie. Nur mit Mühe gelang es ihr, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, aber sie wollte auf keinen Fall zeigen, wie sehr sie sich fürchtete – weitab von jeder Zivilisation, einem plötzlichen Schneeeinbruch ausgesetzt und dann auch noch in Gegenwart eines fremden Mannes, der ganz offensichtlich einen ausgesprochen niedrigen IQ hatte.

Kälte und Angst machten es beinahe unmöglich, aber sie schaffte es, nicht mit den Zähnen zu klappern. „Mein Bruder ist vierzehn Jahre alt. Er heißt Mack, und ich habe Grund zu der Annahme, dass er sich auf der Ranch aufhält. Können Sie mir sagen, ob er hier ist?“

Rand versuchte zu begreifen, was da eigentlich vorging. Wenn diese Frau Suzanne Paxton war, wer war dann die Blondine auf dem Foto? Wieso hatte Suzanne nicht gleich ein Foto von sich geschickt?

Er kam einfach nicht weiter. Plötzlich merkte er, wie unaufmerksam er war. Es schneite wie verrückt, und er ließ eine junge Frau draußen in der Kälte stehen.

„Hm, wollen Sie … wollen Sie nicht erst einmal reinkommen?“, stotterte er.

Suzannes Herz setzte einen Schlag lang aus. Sie wäre schon gern aus der Kälte herausgekommen, aber keine zehn Pferde würden sie in dieses Gebäude bringen. Wer konnte wissen, was diesem seltsamen Fremden dort einfiel?

„Hören Sie, ich habe Ihnen eine klare und einfache Frage gestellt, und ich möchte nichts weiter als eine Antwort. Ist mein Bruder hier? Ist hier heute im Laufe des Tages ein Junge namens Mack Paxton aufgekreuzt? Er könnte natürlich auch einen falschen Namen angegeben haben.“

„Er ist hier“, sagte Rand zu ihrer Überraschung. „Ich nehme an, dass er schläft.“

„Um halb neun?“ Suzanne sah ihr Gegenüber ungläubig an. Nachdem Mack sich bei ihr jeden Abend mit Händen und Füßen dagegen wehrte, auch nur vor Mitternacht zu Bett zu gehen, erschien ihr die Vorstellung, dass er um diese Uhrzeit bereits schlafen sollte, schlicht absurd.

„Die meisten meiner Leute schlafen schon. Wollen Sie nicht doch lieber reinkommen? Es wird hier drinnen allmählich kalt.“

„Welche Leute meinen Sie?“ Suzanne rührte sich nicht von der Stelle.

„Die Cowboys, die auf der Ranch arbeiten. Wollen Sie nun ins Haus oder nicht?“ Rand wurde ungeduldig. „Wenn die Tür noch länger offen steht, ist das ganze Wirtschaftsgebäude in ein paar Minuten ein riesiger Kühlschrank.“

„Das ist das Wirtschaftsgebäude?“ Suzanne fühlte sich gleich besser. Wenn sie der Einladung des Mannes folgte, würde sie zumindest nicht mit ihm allein in diesem Haus sein.

Plötzlich hatte sie eine Idee. „Würden Sie Mack bitte aufwecken und ihm sagen, dass seine Schwester da ist? Ich werde im Auto auf ihn warten.“

„Und warum wollen Sie nicht drinnen warten?“ Rand wurde es langsam zu bunt.

„Ich … ich möchte Ihnen nur keine Umstände machen“, sagte sie und hoffte, dass es glaubhaft klang.

„Empfinden es die Leute in Baltimore als Umstand, wenn sie jemanden zu sich ins Haus bitten?“ Rand fragte sich, warum Suzanne sich so sehr dagegen sträubte, aus dem Schneesturm herauszukommen. Er konnte ihren entsetzten Blick nicht deuten, den seine letzten Worte heraufbeschworen haben mussten.

Suzanne war wirklich geschockt. War es möglich, dass dieser Mann, den sie bisher nur ganz vage erkennen konnte, der gut aussehende junge Mann von dem Foto war, das sie genau in diesem Augenblick in der Handtasche trug? Woher sonst hätte er wissen sollen, dass sie aus Baltimore stammte? „Hat … hat Mack Ihnen erzählt, wo wir leben?“, fragte sie hoffnungsvoll, denn das war die plausibelste Erklärung. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihren Bruder hier herauszuholen, ohne Rand Harding auch nur zu begegnen.

„Nein. Sie selbst haben es mir erzählt.“

„Dann sind Sie Rand Harding.“ Es konnte nicht anders sein. Da sie selbst Baltimore in ihrem vorangegangenen Gespräch mit keinem Wort erwähnt hatte, konnte er es nur aus Macks unglückseligem Brief wissen.

„Genau der bin ich. Suzanne, ich kann die Tür unmöglich noch länger offen stehen lassen. Kommen Sie jetzt rein oder nicht?“

Jetzt begriff sie auch, wieso er sie gleich zu Anfang gefragt hatte, ob sie tatsächlich Suzanne Paxton war. Plötzlich hatte sie das dringende Bedürfnis, dieses ganze Fiasko aufzuklären, das Mack veranstaltet hatte. „Ja, danke.“ Sie überwand ihre Angst. Jetzt wollte sie es einfach nur noch hinter sich bringen.

Obwohl Rand sich die ganze Zeit über die eindringende Kälte beschwert hatte, genoss Suzanne die Wärme und das Licht. Zum ersten Mal hatte sie die Gelegenheit, Rand genauer zu betrachten. Als sie den Kopf hob, stellte sie fest, dass er den gleichen Gedanken gehabt hatte. Er betrachtete sie mit unverhohlener Neugier.

Kein Wunder. Das Foto, das Mack ihm geschickt hatte, ähnelte ihr wahrscheinlich nicht einmal. Sie selbst kam zu dem Ergebnis, dass Rand Harding in Wirklichkeit noch besser aussah, als sie ihn von dem Foto in Erinnerung hatte. Was bedeutete es schon, jemanden als groß, dunkelhaarig und gut aussehend zu beschreiben? Aus seinen lebhaften blauen Augen strahlte eine Intelligenz, die sie nach ihrem anfänglichen Gespräch wirklich nicht vermutet hatte. Auch eine innere Kraft glaubte sie zu spüren, ganz zu schweigen von seiner erotischen Ausstrahlung, die keiner Frau verborgen bleiben konnte. Auf den ersten Blick war er ein toller Mann.

Es war für sie beide ein peinlicher Augenblick. Ihre Gedanken kreisten um das Foto, das Rand erhalten hatte. Suzanne fragte sich, wie die Frau darauf wohl ausgesehen haben mochte, während Rand einfach nicht begreifen konnte, wieso eine Frau wie Suzanne Paxton das Foto einer anderen verschickte. Er hätte es zu gern gewusst, aber er traute sich nicht, danach zu fragen.

„Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?“, brach er endlich das gespannte Schweigen.

Suzanne überlegte kurz. Sie musste heute Abend noch mit ihrem Bruder nach Whitehorn zurück, damit sie morgen früh gleich den ersten Flug nehmen konnten. Ein Kaffee würde sie wärmen und wach halten. Es würde schließlich nicht lange dauern. Außerdem war sie Rand Harding eine Erklärung schuldig.

„Danke“, sagte sie schließlich. „Sehr gern.“

Sie folgte ihm durch einen langen Flur. Am Ende des Ganges öffnete Rand eine Tür und schaltete das Licht an. Suzanne glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Dieser Raum erinnerte sie in seiner ganzen Ausstattung an eine Großküche. Er war aufs Modernste ausgestattet. Ein riesiger Backofen, drei Herde, zwei Grills und eine überdimensionale Geschirrspülmaschine. Besonders beeindruckend war der Zustand der Küche. Alles blitzte vor Sauberkeit.

Rand nahm die kleinste Kanne vom Regal, setzte Wasser auf und schüttete Kaffeepulver in den Filter. „Es dauert ein paar Minuten. Ziehen Sie Ihren Mantel aus, und nehmen Sie so lange Platz.“

Suzanne streifte die Lederhandschuhe ab und öffnete die Knöpfe ihres Mantels. Sie ließ ihn jedoch für alle Fälle an. Während sie Rand nicht eine Sekunde aus den Augen ließ, fragte sie sich, was er wohl für ein Mann sein musste, wenn er per Inserat eine Frau suchte. Ein Mann mit seinem Aussehen dürfte doch wohl keine Probleme haben, eine Partnerin zu finden.

Als der Kaffee durchgelaufen war, drehte Rand sich zu Suzanne um. Er lehnte sich gegen die Anrichte und betrachtete sie eingehend. Der Schnee, den sie mit hereingebracht hatte, war inzwischen geschmolzen, und auf ihrem dunklen Haar funkelten Wassertropfen. Sie sah wirklich gut aus. Wieso hatte sie nicht einfach ihr eigenes Foto geschickt?

Suzanne wich seinem durchdringenden Blick aus. Am besten würde sie jetzt alles klarstellen und dann ein für allemal verschwinden.

„Was auch immer Sie gerade denken mögen, ist falsch“, begann sie endlich.

„Oh, woher wissen Sie, was ich gerade denke?“

„Ich weiß es einfach.“

Rand verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie Sie meinen“, gab Rand friedfertig zurück.

„Ich habe nie auf Ihre Anzeige geantwortet, Mr. Harding. Das heißt, ich habe Ihnen doch einen Brief geschrieben, aber den können Sie noch nicht bekommen haben.“

„Wie darf ich das verstehen?“

Suzanne atmete tief durch und versuchte es noch einmal. „Also …“

Bevor sie weiterreden konnte, wurde die Küchentür aufgerissen. Ein älterer Mann mit einem dicken Mantel und einer Kapuze auf dem Kopf kam herein. „Rand, ich …“ Bei Suzannes Anblick hielt George inne. „Oh, Verzeihung. Guten Abend, Madam.“ Sein Lächeln war so aufrichtig und freundlich, dass sich Suzanne sofort wohler fühlte.

„Suzanne Paxton, George Davenport“, stellte Rand die beiden vor. „George ist unser Buchhalter“, erklärte er.

„Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen, Mr. Davenport.“ George war ihr auf Anhieb so sympathisch, dass sie sich zusehends entspannte.

„Um Himmels willen, lassen Sie bloß den Mister weg. George genügt. Wir sind hier nicht so förmlich.“

Jetzt konnte Suzanne sogar lächeln. „Gut. Dann freut es mich, Sie kennen zu lernen, George. Ich bin übrigens auch Buchhalterin.“

„Tatsächlich? Dann können wir ja nachher noch ein bisschen fachsimpeln. Zuerst muss ich aber in die Scheune, um nach Daisy und den Welpen zu sehen.“

Daisy war eine undefinierbare Promenadenmischung. Sie war ihnen vor ein paar Wochen zugelaufen. Struppig, zerzaust, völlig ausgehungert. Da das Tier Nachwuchs erwartete und man auf der Ranch ganz gut einen Hofhund gebrauchen konnte, hatte George die Verantwortung für den Hund übernommen. Jetzt lebte Daisy mit ihren fünf Jungen in der Scheune.

„Sei bloß vorsichtig“, warnte Rand. „Es ist sehr glatt draußen, George.“

„Ich passe schon auf.“ George nickte ihnen noch einmal zu und schloss die Tür hinter sich.

Suzanne versuchte sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren, das durch Georges Erscheinen unterbrochen worden war. Sie würde jetzt eine Tasse Kaffee trinken und Rand die ganze Geschichte erzählen. Dazu würde sie kaum länger als eine Viertelstunde brauchen, und danach würden sie und Mack sich schleunigst zurück auf den Weg nach Whitehorn machen.

„Milch und Zucker?“, fragte Rand. Der Kaffee war endlich durchgelaufen.

„Schwarz, bitte.“

Rand füllte zwei Becher und stellte einen davon vor Suzanne.

„Danke“, murmelte sie und trank einen Schluck. Der Kaffee war heiß und stark. Das Einzige, was sie störte, war Rands irritierende Nähe. Auf Distanz ließ es sich besser reden.

Am besten, sie brachte es so schnell wie möglich hinter sich. „Ich habe nicht auf Ihre Anzeige geantwortet“, sagte sie ohne Umschweife. „Sondern Mack. Und zwar ohne mein Wissen.“

Rand starrte sie ungläubig an. Sie gab ihm Zeit, diese Neuigkeit zu verdauen. „Wollen Sie damit sagen, dass Ihr Bruder den Brief an mich geschrieben hat?“, fragte er endlich.

Suzanne fühlte sich plötzlich wieder unbehaglich. Um Himmels willen, was stand bloß in dem Brief? Was hatte Mack in ihrem Namen geschrieben? Es war alles wie ein Albtraum …

„Haben Sie den Brief noch … und das Foto, das Mack geschickt hat?“

„Sie wissen von dem Foto?“

„Ich habe aus Ihrem Antwortbrief geschlossen, dass er ein Foto geschickt hat.“

„Das ist also der Brief, den Sie beantwortet haben.“

„Ja.“

„Ich habe versucht, Sie gleich nach Macks Ankunft anzurufen. Aber da waren Sie wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Montana.“

„Wahrscheinlich. Ich wusste ja nicht, wie viel Vorsprung er hatte. Als ich ihn heute Morgen zur Schule wecken wollte, war er schon weg.“ War das wirklich erst heute Morgen gewesen? Es kam Suzanne schon viel länger vor. Bei der ganzen Aufregung hatte sie vollkommen das Zeitgefühl verloren.

„Harding!“ Ein Schrei riss sie aus ihren Gedanken.

Sekunden später ging die Tür auf.

„Was ist passiert?“, fragte Rand.

J.D. eilte in die Küche. Er war über und über mit Schnee bedeckt. „George ist gestürzt. Ich glaube, er ist schwer verletzt. Er kann sich nicht bewegen.“

Rand fluchte und verließ gemeinsam mit J.D. die Küche. Als sie die Tür zum Hof öffneten, hörte Suzanne den Wind um die Ecken pfeifen. Dann knallte eine Tür. Sie verließ die Küche durch dieselbe Tür wie die beiden Männer. Vorhin waren sie durch eine andere Tür in die Küche gelangt. Diese führte durch einen langen Flur in ein riesiges Esszimmer. Von dort ging anscheinend ein Weg nach draußen. Auch hier war es angenehm warm und gemütlich. Dieses Gebäude entsprach überhaupt nicht ihren Vorstellungen von einem Wirtschaftsgebäude. Sie hatte gedacht, dass Cowboys in primitiven Schlafbaracken lebten. Das traf allerdings nicht für diese komfortable Ranch zu.

Suzanne trat an ein Fenster und blickte hinaus. „Das darf doch nicht wahr sein“, flüsterte sie. Noch immer schneite es! Und jetzt zog auch noch ein Sturm auf.

Sie hatte schon vorher Schneestürme gesehen. Aber die waren nichts gewesen – im Vergleich mit diesem hier. Sie konnte nicht einmal erkennen, in welche Richtung Rand und der andere Mann gegangen waren. Zuerst überlegte sie, ob sie hinterhergehen sollte. Aber mit der leichten Bekleidung war es lächerlich.

Sie ging in die Küche zurück und nahm sich eine zweite Tasse Kaffee. Was für ein schrecklicher Ort …

Die Tür wurde erneut aufgerissen. Rand rannte durch die Küche, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Er hatte sie anscheinend völlig vergessen. Wie ein Schneemann sah er aus, aber er nahm sich nicht einmal die Zeit, den Schnee abzuklopfen. Stattdessen lief er mit Riesenschritten ins Büro. Suzanne folgte ihm. Vielleicht konnte sie ja irgendwie behilflich sein. Hastig nahm er den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Ungeduldig wartete er darauf, dass am anderen Ende der Leitung jemand antwortete.

„Hier spricht Rand Harding von der Kincaid Ranch“, sagte er schließlich. „Einer unserer Männer ist gestürzt und hat sich schwer verletzt. Ich brauche so schnell wie möglich einen Rettungswagen.“

Das war ja schrecklich. Der arme George.

„Ich weiß, dass der Sturm schlimm ist. Aber der Mann braucht medizinische Hilfe“, sagte Rand ungeduldig und hörte seinem Gesprächspartner zu. „In Ordnung. Ich tue, was ich kann. Aber bitte beeilen Sie sich.“ Er legte den Hörer auf.

Wieder stürmte er an Suzanne vorbei, ohne sie zu beachten. Dann verschwand er hinter einer anderen Tür. Wenig später war er winterlich angezogen, und über dem Arm trug er einen Stapel Decken.

„Rand?“ Sie lief wieder hinter ihm her.

„Ich habe jetzt keine Zeit, Fragen zu beantworten“, entgegnete er knapp.

Suzanne zog sich ins Büro zurück. Sie könnte natürlich versuchen, Mack zu finden, ihn aufzuwecken, und mit ihm nach Whitehorn fahren. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie mit dem kleinen Leihwagen überhaupt durch den Schnee kommen würde. Sie setzte sich an den Schreibtisch, stützte die Arme auf die Schreibplatte und legte den Kopf darauf. Dann begann sie zu weinen.

Schrecklich. Sie und Mack hingen an diesem gottverlassenen Ort fest. Und sie hatte keine Ahnung, für wie lange.

„Miss?“ Wie aus weiter Ferne drang eine Stimme an Suzannes Ohr. „Miss, wachen Sie auf!“

Suzanne öffnete die Augen. Ein großer Mann beugte sich zu ihr hinunter, und sie schnellte so abrupt hoch, dass ihr ganz schwindlig wurde. „Was ist passiert? Was wollen Sie?“

„Beruhigen Sie sich erst einmal. Rand schickt mich. Ich soll Ihnen Ihr Zimmer zeigen, falls Sie sich hinlegen möchten.“

„Oh, danke.“ Sie lächelte den Mann unsicher an und kam sich plötzlich ziemlich albern vor. „Ich muss wohl eingeschlafen sein. Wo ist Rand jetzt?“

„Er ist dem Krankenwagen in die Stadt gefolgt. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“

„Heißt das, dass die Straßen passierbar sind?“ Suzanne stand auf.

„Nur wenn Sie Allradantrieb und Ketten haben.“

„Ich habe weder das eine noch das andere.“

„Dann kommen Sie hier nicht weg.“

Sie hatten das Büro verlassen, und Suzanne folgte dem Mann den Flur entlang. Schließlich öffnete er eine Tür am anderen Ende. „Hier wären wir. Das ist Ihr Zimmer.“

„Vielen Dank. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir mein Gepäck aus dem Wagen zu holen? Es liegt noch im Kofferraum.“

J.D. nickte schweigend und nahm den Autoschlüssel entgegen, den sie aus ihrer Handtasche zog.

Sobald sie allein war, blickte Suzanne sich in dem Zimmer um. Es war nicht sonderlich groß, enthielt aber alles, was sie brauchte. Auf dem breiten Bett lag frische Bettwäsche, an der einen Wand stand ein Frisiertisch, und direkt daneben befand sich eine schmale Tür, hinter der sie einen Wandschrank vermutete. Als sie die Tür öffnete, entdeckte sie jedoch stattdessen ein winziges Bad mit einer Dusche, einem Waschbecken, einer Toilette und einem in die Wand eingelassenen winzigen Schrank.

Suzanne nahm an, dass es das Gästezimmer war. Da es auf der unteren Etage nur noch wenige Türen gab, von denen sie nicht wusste, wohin sie führten, vermutete sie, dass die Cowboys oben schliefen. Aber das spielte im Augenblick wirklich keine Rolle. Sie war hundemüde und wollte nur noch schlafen.

J.D. klopfte und brachte ihr Gepäck ins Zimmer. Sie bedankte sich bei J.D., der ihr zunickte. „Warten Sie!“, rief sie hinter ihm her, als er das Zimmer verlassen wollte. „Was ist mit George? Wissen Sie, wie schwer er verletzt ist?“

„Die Sanitäter meinten, dass sein rechtes Bein auf jeden Fall gebrochen ist. Über seine Rückenverletzung konnten sie noch nichts sagen. Mehr weiß ich nicht.“

„Hoffentlich ist es nicht ganz so schlimm. Vielen Dank nochmals für Ihre Hilfe, und schlafen Sie gut.“

„Gute Nacht, Madam.“ J.D. verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.

Gähnend bezog Suzanne das Bett und brachte gerade noch so viel Energie auf, sich das Gesicht zu waschen, die Zähne zu putzen und einen Schlafanzug anzuziehen. Als sie im Bett lag, hielt der tosende Sturm sie noch einige Zeit wach. Wie sollte sie am nächsten Morgen von hier wegkommen, wenn es die ganze Nacht schneite?

5. KAPITEL

Rand blieb so lange im Krankenhaus, bis Georges Untersuchungen abgeschlossen waren. Beim Röntgen wurde festgestellt, dass das rechte Bein tatsächlich gebrochen und die Wirbelsäule heftig gestaucht war. Es würde Wochen dauern, bis er wieder auf die Ranch zurückkehren konnte.

George war außer sich. „Wie konnte ich nur so dumm sein“, stöhnte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.

„Beruhige dich erst einmal, George, und sieh zu, dass du wieder fit wirst. Wir werden schon für ein paar Wochen allein zurechtkommen.“

„Ausgerechnet heute. Die Männer sollen doch morgen ihren Lohn bekommen, und dann die ganzen unbezahlten Rechnungen …“ Georges Stimme wurde schwächer. Das schmerzstillende Mittel schien zu wirken und machte ihn schläfrig.

„Keine Sorge.“ Rand legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Und jetzt ruh dich einfach aus.“

Rand verließ das Krankenhaus. Der Schneesturm war verheerend. Gut möglich, dass die Straße zur Ranch inzwischen unpassierbar geworden war. Aber er musste zurück. Schließlich hatte er Verantwortung für die Ranch zu tragen.

Mit wilder Entschlossenheit startete er den Motor. Es war ein Risiko, aber er hatte nicht nur einen Wagen mit Allradantrieb, sondern auch noch seine Schneeketten aufgezogen, bevor er dem Krankenwagen gefolgt war.

Rand würde es schaffen. Er musste es schaffen. Dann legte er einen niedrigen Gang ein und fuhr langsam los. Kurz bevor er die Stadt verließ, überholte er ein Räumfahrzeug. Bevor die Gebiete außerhalb von Whitehorn geräumt wurden, würde einige Zeit vergehen.

Möglicherweise würde die Ranch für einige Zeit vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen sein. Hoffentlich fiel wenigstens der Strom nicht aus. Man konnte zwar ohne Strom überleben, aber es war nicht gerade ein Vergnügen.

Rand hatte kaum Zeit, seinen trüben Gedanken nachzuhängen. Er spähte angestrengt durch die Windschutzscheibe, aber die Scheibenwischer kamen nicht gegen solche Schneemassen an. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als alle paar Minuten auszusteigen und die Scheiben vom Schnee zu befreien. Das war der schlimmste Schneesturm, den er jemals erlebt hatte. Und er hatte schon einige erlebt. Wenn die Stromleitungen diese Belastungen durchhielten, wäre es ein Wunder.

Vorsichtig steuerte Rand den Wagen durch das Unwetter. Dabei dachte er nach. Es gab im Augenblick so viel, worüber er nachdenken musste. Er sehnte sich geradezu nach ein wenig Normalität. Georges Unfall, Handys plötzlicher Aufbruch, die Probleme, die das Wetter mit sich brachte – die Versorgung der Tiere wurde dadurch erheblich erschwert –, und jetzt auch noch das Auftauchen der Paxtons.

Was waren das für Leute? Wieso reiste Suzanne ihrem Bruder nach? Gab es bei den Paxtons keine Männer in der Familie? Konnte sich denn sonst niemand um Mack kümmern? Obwohl Rand den Jungen mochte, hatte er das Gefühl, dass ihm eine starke Hand fehlte. Suzanne war zwar eine sympathische junge Frau, aber mit der Verantwortung für einen aufsässigen Teenager war sie völlig überfordert.

Heute Nachmittag war Mack ihm auf Schritt und Tritt gefolgt. Er hatte ihn regelrecht mit Fragen durchlöchert. „Was ist das, Rand? Wozu braucht man das? Zeigst du mir, wie man reitet? Magst du Western? Woher kommt der Name Rand? Ich habe ihn noch nie gehört.“ So ging das pausenlos.

Rand beantwortete längst nicht alle Fragen. Es war völlig unmöglich. Und er war froh, als die Männer nach und nach zurückkamen. Denn Mack fand die Cowboys so interessant, dass er Rand endlich in Ruhe ließ. „Wie heißt dein Pferd? Seit wann bist du Cowboy? Was fressen die Pferde?“

„Hör mal, Junge, du bist nicht zufällig mit Dale Carson verwandt?“, fragte J.D. trocken. „Er stellt genau so viele Fragen wie du.“ Rand, der J.D.s Worte mitbekommen hatte, lächelte. Der wortkarge J.D. gefiel ihm von Tag zu Tag besser.

Aber er mochte auch Mack. Das Interesse des Jungen an allem, was die Ranch betraf, war ehrlich. War es möglich, dass er im Namen seiner Schwester auf die Anzeige geantwortet hatte, weil er sie auf diese Weise dazu bringen wollte, mit ihm nach Montana zu ziehen?

Dann kannte er seine Schwester aber schlecht. Mack mochte wohl scharf auf den Wilden Westen sein, aber Suzanne keineswegs. Sie kam ja nicht einmal mit der Gastfreundschaft der Leute klar. Warum sonst hätte sie wohl einen solchen Aufstand machen sollen, als er sie auf eine Tasse Kaffee ins Haus bat?

Allerdings durfte man den Schock nicht vergessen, den Mack ihr durch seine Flucht versetzt hatte.

Eine meterhohe Schneeverwehung auf der Straße beanspruchte wieder seine ganze Aufmerksamkeit.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Rand die Zufahrt zur Ranch erreichte. Hoffentlich sah er bald ein paar Lichter. Dann wüsste er wenigstens, dass sie noch Strom hatten. Es war schon schlimm genug, dass er seine Männer morgen gleich in der Frühe mit Pferden und Schlitten losschicken musste, um das Vieh zu füttern.

Endlich sah er die Beleuchtung vor sich. Er seufzte erleichtert. Vor dem Haus hielt er den Wagen an und stellte den Motor ab. Nun, da die Anspannung von ihm abfiel, war er vollkommen erschöpft. Mühsam stieg er aus dem Wagen und stapfte durch den tiefen Schnee auf das Haus zu. Er wollte nur noch ins Bett.

„Rand?“, fragte eine Stimme hinter ihm, sobald er das Wirtschaftsgebäude betrat.

Er drehte sich um und blickte direkt in das besorgte Gesicht von J.D.

„Du siehst kaputt aus.“

„Das bin ich auch“, bestätigte Rand.

„Was ist mit George?“

„Ein Bein ist gebrochen und der Rücken verstaucht.“ Rand musste gähnen. „Entschuldige, aber ich kann kaum noch geradeaus gucken. Die Straßen sind so gut wie unpassierbar.“

„Ich wundere mich sowieso, dass du den Rückweg geschafft hast. Aber jetzt ist ja alles in Ordnung.“

Rand nickte und ging in Richtung Schlafzimmer. „Ja, es ist alles in Ordnung. Gute Nacht, J.D.“

Bevor Suzanne am nächsten Morgen die Augen öffnete, wusste sie schon, wo sie war. Der Sturm heulte noch genau so stark wie gestern Abend. Am liebsten wäre sie in ihrem warmen Bett liegen geblieben.

Draußen hörte sie Schritte, Stimmen und Türenklappern. Allmählich erinnerte sie sich genauer an die Ereignisse von gestern. Sie nahm an, dass Rand Harding irgendwann in der Nacht zurückgekommen war. Er war die Strecke trotz des Schneesturms gefahren. Vielleicht konnte er sie und Mack nach Whitehorn bringen. Von dort kamen sie sicher nach Billings zum Flughafen.

Der Mietwagen musste so lange hier stehen bleiben, bis die Straßen wieder frei waren. Danach müsste Rand noch einmal nach Billing, um ihn dem Autoverleiher zurückzubringen. Suzanne wusste, dass das alles ziemlich viel verlangt war.

Aber wenn er diese verflixte Anzeige nicht aufgegeben hätte, wäre sie heute nicht hier. Er war doch an dem ganzen Chaos schuld. Sie konnte wirklich im Augenblick nicht sagen, ob sie sich mehr über Rand oder über Mack ärgern sollte. Ihr war es peinlich gewesen, Rand die Situation zu erklären, dabei traf sie doch keinerlei Schuld.

Suzanne war inzwischen so aufgeregt, dass es sie nicht länger im Bett hielt. Sie stand auf und ging ins Bad, um zu duschen.

Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis Suzanne geduscht, geföhnt, angezogen und geschminkt war. Sie trug eine blaue Hose, ein blauweiß gestreiftes Hemd und darüber ein weiches Sweatshirt. Etwas Wärmeres hatte sie nicht bei sich.

Sie machte schnell das Bett und ging den Flur entlang zur Küche. Alles war still. Die Männer mussten schon bei der Arbeit sein. Dennoch öffnete sie nur zögernd die Küchentür. Wie vom Donner gerührt blieb sie auf der Schwelle stehen. Schmutzige Teller, Töpfe und Pfannen stapelten sich auf der Anrichte. Überall lagen Krümel, Eierschalen und leere Tüten herum.

„Du lieber Himmel“, flüsterte sie entsetzt. Es sah aus, als hätte hier ein Tornado sein Unwesen getrieben.

Suzanne ging durch die Küche ins Esszimmer. Dort sah es ähnlich aus. Ohne weiter darauf zu achten, trat sie ans Fenster und blickte hinaus. „Oh nein!“ Es schneite immer noch unaufhaltsam. Man konnte nicht einmal bis zu dem gegenüberliegenden Ranchhaus sehen. Wo waren die Männer abgeblieben? Und wo war Mack?

Mack lag sicher noch im Bett. Kurz entschlossen stieg sie die Treppe hoch. Sie öffnete jede einzelne Tür, aber das Haus war wie ausgestorben. In einem der letzten Zimmer fand sie schließlich Macks blauen Rucksack. Er stand auf einem Schreibtisch, und das Bett war ordentlich gemacht. Genauso wie bei den anderen Männern, in deren Zimmern sie nach ihrem Bruder gesucht hatte.

Noch wütender als vorher ging Suzanne wieder nach unten. Wieso machte Mack hier sein Bett und räumte sogar sein Zimmer auf? Zu Hause gab es jeden Tag endlose Diskussionen, die zu nichts führten. Zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern, dass er jemals aufgeräumt hatte, wenn sie ihn darum gebeten hatte.

Ob Mack überhaupt wusste, dass sie hier war? Suzanne setzte sich an den Küchentisch und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Da sie hungrig war, steckte sie zwei Scheiben Toast in den Toaster. Marmelade fand sie im Kühlschrank. Der Kühlschrank enthielt überhaupt eine große Auswahl an Lebensmitteln. Auch die Vorratsschränke und der Gefrierschrank waren gut bestückt. Da sie nichts anderes zu tun hatte, inspizierte sie alles sehr genau. Es war unglaublich, wie viele Vorräte es auf der Ranch gab. Damit hätte man eine kleine Armee wochenlang ernähren können.

Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht wirklich so lange hier festsaßen. Seufzend frühstückte sie zu Ende. Da sie keine passende Kleidung hatte, um draußen nach Mack zu suchen, beschloss sie, sich im Haus nützlich zu machen. Arbeit gab es schließlich genug. Sie räumte das schmutzige Geschirr in den Geschirrspüler, den Abfall in die Mülltonne, putzte den Schrank ab und wischte den Fußboden. In etwas mehr als einer Stunde war alles in demselben tadellosen Zustand wie gestern Abend.

Hinterher fühlte sie sich wie befreit. Die innere Anspannung fiel allmählich von ihr ab.

Rand und die Männer hatten einige der stärksten Pferde vor die Schlitten gespannt, um das Vieh auf den Weiden mit Heu zu versorgen. Jedes Pferd war mit einer Decke gegen die Kälte geschützt. Dennoch war es eine Strapaze für die Tiere. Die Schlitten sanken tief ein, und die Tiere kämpften sich nur mit Mühe Meter für Meter voran. Da die Rinder jedoch bis zum Bauch im Schnee standen, brauchten sie ihr Futter dringend, um der Kälte überhaupt widerstehen zu können.

Um die Mittagszeit waren alle erschöpft und ausgehungert. Rand dachte voller Entsetzen daran, in welchem Zustand er die Küche nach der Zubereitung des Frühstücks hinterlassen hatte. Dennoch würde es ihm wohl gelingen, ein paar Dosen Suppe aufzuwärmen und einen Berg Sandwiches zuzubereiten. Schließlich hatten die Leute genauso ein Anrecht darauf zu essen wie die Tiere.

„Mack, könntest du mir beim Essenmachen helfen?“

„Klar.“ Bereitwillig folgte ihm der Junge in die Küche. Seine Wangen waren knallrot von der Kälte. Er hatte genauso geschuftet wie die Cowboys. Keine Arbeit war ihm zu viel gewesen. Dadurch war er beträchtlich in Rands Achtung gestiegen.

Kurz bevor sie die Küche erreichten, fiel Rand siedend heiß ein, dass er vergessen hatte, Mack von Suzannes Ankunft zu berichten. Er wollte den Jungen zumindest vorwarnen. „Ich muss dir etwas sagen, Mack“, begann er, hielt aber kurz inne, als er einen ersten Blick in die auf Hochglanz polierte Küche warf. „Deine Schwester ist da.“

Mack fiel regelrecht die Kinnlade herunter. „So ein Mist.“

Rand musste unwillkürlich grinsen. „Soll das heißen, dass du dich gar nicht freust?“

„Sie will mich ja doch nur nach Baltimore zurückholen“, murmelte Mack unglücklich.

„Anscheinend mag sie keine unordentlichen Küchen.“

„Sie mag überhaupt keine Unordnung“, bekräftigte Mack finster.

„Kopf hoch, Mack. Selbst wenn sie nur hierhergekommen ist, um dich zurückzuholen, kann sie es nicht sofort tun.“

Suzanne hatte die Männer kommen hören und eilte in die Küche. Sie hörte gerade noch Rands letzte Äußerung.

„Wieso kann ich es nicht sofort tun?“, fragte sie und starrte ihren Bruder an.

Mack suchte vorsichtig hinter Rands breitem Rücken Schutz vor dem Zorn seiner Schwester.

„Weil die Straßen vollkommen unpassierbar sind.“ Es fiel Rand schwer, nicht laut aufzulachen.

Mack hätte sich am liebsten ins nächstbeste Mauseloch verkrochen.

„Sie haben es doch auch gestern Abend nach Whitehorn und zurück geschafft“, entgegnete sie schnippisch.

Jetzt konnte Rand ein Lächeln nicht länger zurückhalten. Mack klebte immer noch an seinem Rücken, und Suzanne sah aus, als hätte sie nicht übel Lust, den nächsten Menschen, der ihr unter die Finger kam, zu erwürgen. „Regen Sie sich ab“, schmunzelte er, stieß allerdings Mack unsanft mit dem Ellbogen in die Rippen, als dieser zu kichern begann. Dass er die Sache komisch fand, war okay. Das bedeutete allerdings nicht, dass Mack auch das Recht hatte, sich über seine Schwester lustig zu machen – nach allem, was er angerichtet hatte. „Haben Sie heute Morgen schon einen Blick aus dem Fenster geworfen?“

„Natürlich habe ich das. Als ich aufwachte, war ich ganz allein im Haus. Ich wollte wissen, wo die anderen geblieben waren.“

„Dann wissen Sie sicher auch, dass wir ungefähr einen Meter Neuschnee haben. Wir mussten alle früh raus, um das Vieh zu versorgen.“

„Wir waren mit Pferden und Schlitten draußen, um das Heu auf die Weiden zu bringen.“ Mack steckte vorsichtig den Kopf hinter Rand hervor und berichtete stolz von der morgendlichen Arbeit.

Suzanne bedachte ihren Bruder mit einem wütenden Blick, so dass dieser schnell den Kopf wieder einzog. „Würdest du wohl endlich aufhören, so zu tun, als würde ich dich jeden Tag verprügeln und misshandeln?“, schrie sie ihn an.

„Genauso ist es aber“, flüsterte Mack nur für Rand hörbar.

Rand lachte laut auf. „Sei nicht albern, Mack.“

„Was hat er gesagt?“, fauchte Suzanne.

„Nichts Wichtiges“, erwiderte Rand ruhig. Obwohl er Macks Vorgehensweise keineswegs in Ordnung fand, mochte er den Jungen. Der Enthusiasmus, mit dem er sich auf alles einließ, was das Leben auf einer Ranch ihm abverlangte, war beeindruckend. Rand hatte keinen Zweifel daran, dass er der geborene Rancher war. „Übrigens möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie die Küche in Ordnung gebracht haben.“

Suzanne verzog das Gesicht. Sie war immer noch wütend auf Rand Harding und ihren Bruder, und sie zeigte es auch. „So ein Chaos ist mir noch nie begegnet. Hier sah es aus wie im Schweinestall. Wenn das hier immer so zugeht …“

„Tut es normalerweise nicht.“ Rand betrachtete Suzanne eingehend. Ihr kastanienbraunes schulterlanges Haar glänzte, ihre Lippen waren von Natur aus so rosig, dass sie keinen Lippenstift brauchten, und die Wangen waren auf Grund der inneren Erregung leicht gerötet, was ihr ausgezeichnet stand. Die braunen Augen mit den langen dunklen Wimpern funkelten zwar im Augenblick vor Wut, doch in gewisser Weise unterstrich das ihre Schönheit. Rand konnte den Blick kaum von ihr losreißen.

Er hätte ihr gern ein Kompliment gemacht, aber er hatte genug Fingerspitzengefühl, um zu merken, dass jetzt nicht gerade der günstigste Augenblick war. Also räusperte er sich und versuchte das seltsame Kribbeln im Bauch zu ignorieren, das er bei ihrem Anblick verspürte. „Wir haben normalerweise einen Koch. Aber der musste gestern dringend nach Hause. In seiner Familie gab es einen Notfall. Sie könnten ihm sogar begegnet sein. Er hat das Haus etwa eine Stunde vor Ihrer Ankunft verlassen. Falls Ihnen also ein Wagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit entgegengefahren ist, dann …“

„Mir ist nicht ein einziges Auto begegnet“, fiel Suzanne ihm ins Wort. Es war nicht zu übersehen, dass sie an seinen Worten zweifelte.

Rand zuckte mit den Achseln. „Dann hat er wohl einen anderen Weg genommen. Trotzdem, danke fürs Saubermachen. Mack und ich werden jetzt für die Männer etwas zu essen machen.“

Endlich kam Mack hinter Rands Rücken hervor und ging kleinlaut auf seine Schwester zu. „Bitte, Suzanne, sei nicht böse“, bettelte er.

„Ich soll nicht böse sein? Weißt du überhaupt, was du angerichtet hast, Mack?“ Sie wollte ihn in Rands Gegenwart nicht an die aufgebrauchten Ersparnisse erinnern. Aber Mack verstand sie auch so. Die Betroffenheit in seinen Augen ließ keinen Zweifel daran. Wegen eines lächerlichen Trips nach Montana hatte er sie in die größten Schwierigkeiten gebracht. Er konnte lange warten, bis sie ihm das verzieh.

Rand mischte sich ein. „Wenn ihr euch jetzt unbedingt unterhalten müsst, dann geht bitte ins Büro. Ich muss jetzt für ein Dutzend hungrige Männer etwas zu essen machen. Sie brauchen eine Stärkung, bevor sie mit der Arbeit draußen fortfahren.“

„Ich komme wieder mit euch raus“, sagte Mack, und mit einem provozierenden Blick auf Suzanne fügte er hinzu: „Und ich helfe beim Essenmachen.“

Mack war wie ausgewechselt. Was war aus dem arbeitsscheuen, desinteressierten Jungen aus Baltimore geworden? Wieso riss er sich plötzlich um die Arbeit? Suzanne warf Rand einen fragenden Blick zu. War er etwa für diesen Wandel verantwortlich? Unmöglich.

Dennoch musste sie zugeben, dass Mack sich um einhundertundachtzig Grad gedreht hatte. Und die Entwicklung, die er genommen hatte, war positiv. Was würde mit ihm geschehen, wenn sie ihn zwang, mit ihr nach Baltimore zurückzukehren?

Plötzlich war sie von ihren Plänen gar nicht mehr so überzeugt. Natürlich war es richtig gewesen, nach Montana zu fliegen. Schließlich war ihr Bruder abgehauen – und sie trug nun einmal die Verantwortung für ihn. Aber dass sie sich jetzt hier so aufführte, ihrer Wut und ihrem Ärger freien Lauf ließ, war möglicherweise keine gute Idee. Irgendetwas ging da mit Mack vor. Sie hatte es schon lange bemerkt, aber er war nicht bereit gewesen, sie ins Vertrauen zu ziehen. Oder hatte sie ihm vielleicht gar nicht die Möglichkeit dazu gegeben? Hatte es ihr an Mut gefehlt? Würde er jetzt mit ihr reden können?

Sie sah ein, dass der Zeitpunkt nicht günstig war. Aber heute Abend hätten sie sicher Ruhe.

„Kann ich euch helfen?“, fragte sie, und ihr plötzlicher Gesinnungswandel überraschte die beiden anderen.

„Das wäre prima“, entgegnete Rand erfreut. „Mack, geh in den Vorratsraum, und hol uns vier große Dosen Suppe. Egal welche. Es muss nur von einer Sorte sein. Suzanne, Sie könnten schon einmal mit den Sandwiches anfangen. Schinken und …“

„Ich weiß, was im Kühlschrank ist. Ich habe vorhin nachgesehen.“

Rand grinste. „Super. Dann ist ja alles klar, und ich kann mich um den Kaffee kümmern und den Tisch decken.

Suzanne machte sich seufzend an die Arbeit. Sie hätte im Traum nicht daran gedacht, dass sie eines Tages während eines tosenden Schneesturms auf einer Ranch in Montana landen und für ein Dutzend Cowboys Sandwiches zubereiten würde.

Ob das Schicksal wohl noch ein paar solcher Überraschungen für sie bereithielt?

6. KAPITEL

Das Essen war fertig.

„Möchten Sie mit uns im Esszimmer essen?“, fragte Rand Suzanne.

Sie zögerte einen Augenblick, lehnte dann aber dankend ab, da sie sich bei der Vorstellung unbehaglich fühlte, mit so vielen fremden Männern an einem Tisch zu sitzen.

„Danke für das freundliche Angebot. Aber ich möchte lieber in der Küche bleiben.“ Sie waren allein in der Küche – Mack hatte gerade ein riesiges Tablett mit Sandwiches herausgetragen –, und Suzanne merkte, wie Rand sie musterte. Ohne es zu wollen, erwiderte sie seinen Blick. Das Blut schoss ihr ins Gesicht, und es wurde ihr heiß und kalt. Rand war ein ernster Mann, doch sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er auch eine gehörige Portion Humor besaß. Es steckte mehr in ihm als der kühle überlegte Geschäftsmann, der eine riesige Ranch leitete.

Nun, vielleicht brauchte ein Mann ja auch Humor, dem es in den Sinn kam, über eine Anzeige nach einer Frau zu suchen. Diese Vorstellung war für sie immer noch ein Schock.

Rand dachte an etwas ganz anderes. Obwohl er und seine Leute durch den Schneesturm zusätzliche Arbeit hatten, war er plötzlich dankbar dafür. „Sie müssen nicht allein essen, ich leiste Ihnen gern Gesellschaft.“ Dass sie rot geworden war, rührte ihn irgendwie. Offensichtlich war es ihr unangenehm, mit ihm allein zu sein. Sie musste die Anziehungskraft, die zwischen ihnen bestand, ebenso gespürt haben wie er selbst. Es war nicht so, dass er am liebsten über sie hergefallen wäre – aber da war so ein seltsames Gefühl, dem er gern auf den Grund gegangen wäre. Eines stand fest: Die Wetterlage würde Suzanne und Mack zumindest einen weiteren Tag an die Ranch fesseln. Und er wäre ein Narr, wenn er nicht das Beste aus dieser Situation machte. Er lächelte sie an.

Suzanne wich diesem Lächeln aus. Es erschien ihr eine Spur zu freundlich. Sie waren keine Freunde, nicht einmal Bekannte. Und sie wollte ihn um keinen Preis auf seltsame Gedanken bringen.

„Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich lieber allein essen.“

Ihre Unsicherheit amüsierte Rand. Er beobachtete sie noch eine Weile, bevor er sich achselzuckend umwandte. „Wie Sie wünschen.“

Nachdem er die Küche verlassen hatte, bereitete Suzanne sich ein eigenes Sandwich zu. Sie hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Mit Hunger hatte das allerdings nichts zu tun. Zugegeben, er sah gut aus. Na und? Was bedeutete das schon? Gutes Aussehen allein genügte nicht.

Aber er hatte auch einen guten Job. Einen sicheren Job. Der Eigentümer der Ranch hatte ihm die Verantwortung über seinen Besitz und ein Dutzend Arbeiter anvertraut. Das war schon etwas.

Aber was ging sie das an? Wieso verschwendete sie überhaupt einen Gedanken an Rand? Es würde nicht lange dauern, und sie und Mack würden die Ranch wieder verlassen. Sie musste aufhören zu träumen. Ihr Leben war in Baltimore, und dort gehörte auch Mack hin, und ihr nächstes Ziel musste es sein, einen Job zu finden. Aber sie hatte auch ihre Träume. Sie wünschte sich einen vernünftigen Schulabschluss für Mack. Sie hatte sich längst überall nach Möglichkeiten für ihn erkundigt. Aber er hatte sich nicht dafür interessiert. Sie brachte immer wieder neues Informationsmaterial mit, und er würdigte es keines Blickes.

„Lass mich damit in Ruhe, Suzanne“, hatte er irgendwann gesagt. „Ich habe meine eigenen Pläne, und für die brauche ich kein College.“ Wie seine Pläne aussahen, hatte er ihr allerdings nicht anvertraut.

Und jetzt mit einem Mal erschien er ihr so ausgeglichen und zufrieden. Ja, zum ersten Mal, seit ihre Eltern ums Leben gekommen waren, wirkte Mack glücklich. War es sein Ziel gewesen, auf einer Ranch zu arbeiten und Cowboy zu werden? Wenn es tatsächlich so war, hatte er wohl angenommen, dass sie ihn nicht verstehen oder seine Fantasien als Kinderkram abtun würde? Dabei erschien er ihr in Baltimore weitaus kindischer als hier. Sie war dankbar, dass er sich überhaupt für etwas begeistern konnte.

Suzanne atmete tief durch. Es wurde Zeit, dass sie und Mack sich einmal ernsthaft unterhielten. Sie war seine Erziehungsberechtigte, und er sollte bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr bei ihr leben. Doch wenn er sich dagegen wehrte, Montana wieder zu verlassen, war sie die Letzte, die ihn zu irgendetwas zwingen konnte. Sie mussten versuchen, einen Weg zu finden, der für sie beide akzeptabel war.

Rand kam mit einem Stapel schmutziger Teller herein und riss sie aus ihren Gedanken. „Ich weiß Handys Arbeit erst jetzt richtig zu schätzen.“ Er begann das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine zu packen.

„Lassen Sie es ruhig stehen“, sagte Suzanne. „Ich bin froh, wenn ich etwas zu tun habe.“

„Sind Sie sicher?“

„Ganz sicher. Dafür könnten Sie mir aber auch einen Gefallen tun und ein Auge auf Mack haben. Ich habe Angst, dass er sich überschätzt. Er hält sich für einen echten Cowboy und hat doch so wenig Erfahrung. Ich glaube auch, ich weiß jetzt, warum er auf Ihre Anzeige geantwortet hat. Sein größter Wunsch ist es, ein Cowboy zu sein.“

„Und da dachte er wohl, wenn er Sie mit einem Cowboy verkuppelt, ist er seinem Ziel schon einen Riesenschritt näher gekommen.“

Suzanne wurde rot. „Ich fürchte, genau das hat er sich dabei gedacht.“

„Ziemlich clever, finden Sie nicht?“ Rand lächelte. „Der Junge weiß nicht nur, was er will, er versucht sein Ziel auch mit allen Mitteln zu erreichen. Und ich sage Ihnen noch etwas, über das Sie sich freuen sollten. Seit Mack hier ist, arbeitet er genauso hart und ausdauernd wie alle meine Männer hier. Er ist ein prima Kerl.“

„Und doch ist er nur ein Kind. Darum bitte ich Sie inständig, ihn nicht aus den Augen zu lassen.“ Sie überlegte, ob sie noch hinzufügen sollte, dass er in Baltimore alles andere als ein prima Kerl gewesen war und dass er ihre Geduld oft auf eine harte Probe gestellt hatte, doch sie unterließ es. Mit ihren familiären Problemen hatte Rand nun wirklich nichts zu tun.

„Keine Sorge, ich passe auf. Aber jetzt muss ich wieder an die Arbeit. Bis heute Abend.“

Es war schon dunkel, als die Männer das Vieh endlich versorgt hatten. Und morgen würde die ganze Prozedur von neuem losgehen. Jetzt mussten sie sich nur noch um die Pferde kümmern. Rand hatte für die Fütterung drei Teams zusammengestellt. Nun suchte er aus jeder Gruppe einen Mann aus, der die Aufgabe hatte, die Tiere trocken zu reiben, zu bürsten und mit einer Portion Extrafutter zu versorgen.

„Seht zu, dass sie wirklich ganz trocken sind. Und danach kontrolliert noch die Hufe, und achtet darauf, ob sie auch keine Erfrierungen oder sonstige Verletzungen an den Beinen haben.“

„Und was ist mit unseren Frostbeulen?“, brummte einer der Männer.

Rand wusste, dass der Mann recht hatte. Seine Leute waren völlig durchgefroren. Ihre Augen tränten. Die Gesichter waren rot vor Kälte, und die Kleidung war über und über mit Schnee bedeckt. Aber ein echter Cowboy musste mit solchen Situationen rechnen. Der Sommer in Montana würde sie dafür entschädigen. Er war unbeschreiblich schön.

Beim Trockenreiben seines Pferdes kam Rand schnell ins Schwitzen. Er zog die dicke Schaffelljacke aus, als er Mack entdeckte.

„Warum zum Teufel bist du nicht im Wirtschaftsgebäude?“

Mack kam näher. „Weil ich sehen wollte, was ihr mit den Pferden macht.“

Der Junge zitterte vor Kälte und sah aus, als würde er jeden Moment vor Erschöpfung umfallen. Obwohl seine unerschütterliche Neugier etwas Rührendes hatte, übertrieb er es jetzt.

„Mack, ich habe drei Männer für die Pferde ausgesucht. Der Rest sollte ins Wirtschaftsgebäude gehen. Ein guter Cowboy muss auch lernen zu gehorchen“, sagte er missbilligend. „Wenn du wirklich die Absicht hast, später einmal auf einer Ranch zu arbeiten, solltest du dich beizeiten daran gewöhnen.“

„Was heißt später? Ich will jetzt auf einer Ranch arbeiten. Kannst du mich nicht einstellen?“

„Nein, das kann ich nicht.“ Rand begann das Pferd trocken zu reiben.

„Aber ich bin doch ein guter Arbeiter.“

„Stimmt, du bist sogar ein ausgezeichneter Arbeiter. Aber du musst erst einmal Ordnung in dein Leben bringen. Man kann nicht alles auf einmal machen. Was ist mit der Schule? Soviel ich weiß, hast du noch keinen vernünftigen Abschluss.“

„Ich hasse die Schule.“ Macks Züge verfinsterten sich.

„Wieso?“

„Aus verschiedenen Gründen“, antwortete er ausweichend. „Sie ist einfach doof.“

„Doof ist, keinen Schulabschluss zu haben.“

„Hast du einen Abschluss?“

„Natürlich.“

„Hast du auch ein College besucht?“

„Nein, leider nicht. Aber du kannst mir glauben, dass ich es schon oft genug bereut habe.“

„Wieso?“

„Die Welt ist groß und interessant, Mack. Und ich ärgere mich oft darüber, dass es so viele Dinge gibt, von denen ich keine Ahnung habe.“ Er sah den Jungen an. „Hast du dich schon einmal mit einem richtig gebildeten Menschen unterhalten? Sie sind ganz anders als wir.“

„Meine Lehrer sind gebildet.“ Mack verzog das Gesicht. „Aber ich finde sie doof.“

„Unsinn, Mack. Lehrer sind auch Menschen. Als Menschen sind sie ganz anders. Und jetzt verschwinde endlich ins Haus, und zieh dir trockene Klamotten an.“

Autor

Jackie Merritt
Seit 1988 ihre erste Romance veröffentlicht wurde, schreibt Jackie Merritt hauptberuflich. Sie ist fest davon überzeugt, dass jeder, der ein bisschen Kenntnis von Sprache und Grammatik hat, ein Buch verfassen kann. Die Voraussetzung ist allerdings, dass man sehr viel Disziplin aufbringen kann. Die ersten Seiten sind leicht – bis zum...
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Joan Elliott Pickart ist eine berühmte amerikanische Schriftstellerin, die seit 1984 über 100 Liebesromane veröffentlicht hat. Sie schreibt auch unter dem Pseudonym Robin Elliott. Joan Elliott Pickart ist Mitbegründerin der Autorenvereinigung Prescott, einem Mitglied der Romance Writers of America (RWA).
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