Im Bann des griechischen Verführers

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Echte Liebe - oder eiskalte Berechnung? Ellen hofft so sehr, dass der griechische Milliardär Max Vasilikos es ernst mit ihr meint. Oder verführt er sie nur Nacht für Nacht unter dem funkelnden Sternenhimmel, damit sie ihm endlich das gibt, was er unbedingt von ihr haben will?


  • Erscheinungstag 11.08.2019
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733749866
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Max Vasilikos ließ sich in den Ledersessel vor seinem Schreibtisch fallen, lehnte sich entspannt zurück und streckte die langen Beine aus. „Also, was haben Sie für mich?“

Sein englischer Makler reichte ihm eine Hochglanzbroschüre. „Ich denke, Sie finden hier ein paar sehr gute Objekte, Mr. Vasilikos“, sagte er hoffnungsvoll zu seinem anspruchsvollsten Klienten.

Kurz leuchteten Max’ dunkle Augen auf, ehe sein Blick an einem der abgebildeten Anwesen hängenblieb.

Ein englisches Landhaus aus honigfarbenem Stein. Glyzinien hingen über der Veranda, und es war umgeben von saftig grünen Gärten und Wäldern. Hinter der Rasenfläche leuchtete ein See in der Ferne.

Etwas an dem Anwesen weckte sein Interesse, und aus irgendeinem Grund konnte er es kaum erwarten, es sich im Original anzusehen.

Er hob die Broschüre hoch und sah den Makler an. „Dieses hier“, erklärte er entschlossen.

Ellen blieb in der Eingangshalle stehen. Die scharfe Stimme ihrer Stiefmutter drang aus dem Wohnzimmer.

„Es ist genau das, was wir uns erhofft haben. Und ich werde nicht zulassen, dass dieses elende Mädchen alles kaputtmacht – wieder einmal!“

„Wir müssen einfach schneller sein und dieses Haus verkaufen“, erwiderte Ellens Stiefschwester. Chloe klang gereizt und verärgert.

Ellens Mund wurde schmal. Sie wusste genau, warum die beiden so verärgert waren. Als Pauline ihren verwitweten Vater geheiratet hatte, hatten sie und ihre Tochter Chloe nur ein Ziel gehabt – sein Geld, um sich den luxuriösen Lebensstil leisten zu können, nach dem sie sich gesehnt hatten. Nach Jahren der Verschwendung war nichts mehr da, außer dem Haus, das sie gemeinsam mit Ellen nach dem plötzlichen Herztod ihres Vaters im letzten Jahr geerbt hatten. Und sie konnten es gar nicht erwarten, das Anwesen zu verkaufen. Dass es Ellens Zuhause war und seit vielen Generationen ihrer Familie gehörte, interessierte die beiden nicht im Geringsten.

Und dass sie ihr feindselig gegenüberstanden, war nichts Neues für Ellen. Seit sie in ihr Leben eingedrungen waren, hatten Pauline und Chloe ihr nichts als Verachtung entgegengebracht. Sie bezeichneten sie als groß und plump und hielten ihr vor, sich wohl kaum mit der schlanken, kleinen und ach so hübschen Chloe vergleichen zu können.

Jetzt trampelte Ellen bewusst die letzten Stufen herunter. Es hörte sich an, als hätte ihre Stiefmutter einen potenziellen Käufer für Haughton. Obwohl Pauline wusste, sie nur durch einen Gerichtsbeschluss zum Verkauf bewegen zu können, bot sie es weiter heimlich auf dem Markt an, während sie rücksichtslos versuchte, ihren Widerstand zu brechen und sie zum Verkauf zu zwingen.

Im ersten Winter ohne ihren Vater, als ihre Stiefmutter und Chloe sich einen teuren Urlaub in der Karibik geleistet hatten, hatte Ellen einen Entschluss gefasst. Sie würde es Pauline so schwer wie möglich machen, ihr geliebtes Zuhause zu verkaufen. Das Haus, in dem sie glücklich gewesen war, bis zu dem schrecklichen Tag, an dem ihre Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Ihr Vater hatte sich in seiner Trauer und Einsamkeit verloren, eine leichte Beute für Paulines Habgier.

Als Ellen das Wohnzimmer betrat, gingen zwei Paar eisblaue Augen zu ihr, beide Blicke offen feindselig.

„Warum kommst du erst jetzt?“, fragte Pauline. „Chloe hat dir schon vor einer Stunde eine Nachricht geschickt, um dir zu sagen, dass wir mit dir sprechen müssen.“

„Ich habe Lacrosse-Training gehabt“, entgegnete Ellen in gleichmütigem Ton und ließ sich auf eine Armlehne sinken.

„Du hast Dreck im Gesicht“, meinte Chloe spöttisch.

Ihr Blick war nicht nur feindselig, sondern auch verächtlich. Ellen wusste, warum. Ihre Stiefschwester trug eines ihrer zahllosen Designeroutfits – eine tadellos geschnittene Hose mit einem Top aus Kaschmir. Ihre Finger waren frisch manikürt, die aschblonden Haare geschnitten und frisiert, das Make-up perfekt.

Im Stillen seufzte Ellen auf. Chloe war all das, was sie nicht war. Klein, mit einem herzförmigen Gesicht und superschlank. Ellen hingegen, die gerade von der nahegelegenen privaten Mädchenschule kam, wo sie Erdkunde und Sport unterrichtete, trug immer noch ihren Trainingsanzug und hatte dickes Haar, das kaum zu bändigen war und das sie zu einem nachlässigen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Geschminkt hatte sie sich wie üblich auch nicht.

„Der Immobilienmakler hat heute Nachmittag angerufen“, eröffnete Pauline ihr. „Es gibt einen neuen Interessenten.“

„Und wir wollen nicht, dass du wieder alles kaputtmachst“, meinte Chloe bissig. „Besonders nicht bei diesem Typen“, fügte sie hinzu.

Ellen horchte auf.

„Max Vasilikos ist auf der Suche nach einem weiteren Objekt, und er glaubt, dass Haughton das Richtige für ihn ist“, erläuterte Pauline.

Chloe schnaubte missbilligend, da Ellen ihre Stiefmutter verständnislos ansah. „Um Gottes willen, du kannst doch nicht erwarten, dass sie Max Vasilikos kennt“, sagte sie. „Max Vasilikos“, machte sie Ellen klar, „ist ein stinkreicher Unternehmer, der Immobilien kauft und verkauft. Und er hatte gerade eine Affäre mit Tyla Brentley. Zumindest davon wirst du wohl gehört haben, oder?“

Ja, davon hatte Ellen tatsächlich gehört. Tyla war eine englische Schauspielerin, die in Hollywood mit einem sehr erfolgreichen Liebesfilm berühmt geworden war. Die Kinder in der Schule erzählten dauernd von ihr. Aber was diesen Max Vasilikos betraf … sein Name ließ sie vermuten, dass er Grieche war, aber mit stinkreichen Immobilienhaien hatte sie nichts zu tun.

Und solche Menschen würden auch nichts mit Haughton zu tun haben. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Jemand wie Max Vasilikos würde das Haus mit dem größtmöglichen Profit an irgendwelche russischen Oligarchen oder Scheichs aus dem Mittleren Osten verkaufen, die sich höchstens ein oder zwei Wochen im Jahr in dem Haus aufhalten würden.

Pauline erhob wieder das Wort. „Max Vasilikos ist zumindest soweit interessiert, dass er herkommen und sich das Haus ansehen möchte. Aus Höflichkeit habe ich ihn zum Lunch eingeladen“, fügte sie mit selbstgefälliger Miene hinzu.

Ellen starrte sie an. „Weiß er um die Besitzverhältnisse von Haughton und dass ich nicht bereit bin, meinen Anteil zu verkaufen?“, fragte sie rundheraus.

Mit einer Handbewegung wischte Pauline dieses für sie unwichtige Detail beiseite. „Ich weiß jedenfalls“, gab sie schneidend zurück, „dass wir sehr glücklich sein werden, wenn er Interesse zeigt. Und ich wünsche nicht, dass du Ärger machst.“ Sie warf einen Blick zu ihrer Stieftochter. „Aber wenn du mir schon nicht glaubst, dass es vernünftig ist zu verkaufen, kann Max Vasilikos dich vielleicht überzeugen.“

Ein ersticktes Lachen drang über Chloes Lippen. „Nicht doch, Mummy“, höhnte sie. „Du kannst sie doch nicht auf ihn loslassen.“

Innerlich zuckte Ellen bei diesem Stich zusammen, und doch wusste sie, dass es die Wahrheit war. Jeder Mann – vor allem einer, der sich mit Filmstars traf –, würde in ihrer Gegenwart nur Gleichgültigkeit empfinden. Nichts an ihrem Aussehen war anziehend für einen Mann. Das wusste sie, und sie hatte es akzeptiert. Aber wenigstens war sie nicht so grausam wie ihre Stiefschwester.

Pauline wandte sich nun an Chloe. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, fügte sie hinzu. „Ellen muss dabei sein.“ Ihr Blick ging zurück zu ihrer Stieftochter. „Wir werden als vereinte Front auftreten.“

Ellen starrte sie an. Vereint? Man konnte sich kaum eine Familie vorstellen, die mehr zerrüttet war. Aber auch wenn es sehr anstrengend sein würde, hätte sie so zumindest die Möglichkeit, Max Vasilikos klarzumachen, dass sie ihren Anteil am Haus nicht verkaufen würde.

Widerwillig stimmte sie zu und stand auf. Sie musste dringend duschen, und sie hatte Hunger. Deshalb ging sie zur Küche, die in dem Teil des Hauses lag, der ihr inzwischen am besten gefiel und in dem sich früher die Dienstbotenquartiere befunden hatten. Außerdem kamen Pauline und Chloe nie hierher. Denn Kochen gehörte nicht zu den Vorlieben der beiden Frauen.

Ihr Schlafzimmer hatte sie ebenfalls in einen der hinteren Räume verlegt, die einen Ausblick auf den Innenhof boten. Den angrenzenden Raum hatte sie zu ihrem Wohnzimmer gestaltet. Im vorderen Teil des Hauses hielt sie sich so selten wie möglich auf. Doch als sie jetzt durch die Eingangshalle zu der grün bespannten Tür ging, die zu den früheren Dienstbotenzimmern führte, zog sich ihr Herz zusammen, während ihr Blick über die geschwungene Treppe, den großen Steinkamin, die dunkle Holzverkleidung und die alten Fliesen am Boden schweifte.

Wie sehr sie dieses Haus doch liebte! Nie würde sie es freiwillig hergeben. Niemals!

Max Vasilikos drosselte die Geschwindigkeit seines schnellen Wagens, als die Straße sich zwischen hohen Hecken hindurchschlängelte. Die morgendliche Frühlingssonne strahlte, und er hatte sein Ziel fast erreicht. Er war begierig darauf, sich anzusehen, warum dieses Anwesen ihn schon beim Betrachten der Fotos sofort interessiert hatte, und er wollte unbedingt wissen, ob es tatsächlich seine Hoffnungen erfüllte. Und zwar nicht nur als Geldanlage. Die Wälder und die Gärten, die das Anwesen umgaben, das helle, freundliche Mauerwerk, die gefälligen Proportionen und das Design des Hauses, all das schien wie ein gemütliches Zuhause.

Ein Haus, das ich mir für mich selbst vorstellen kann

Der Gedanke schoss ihm durch den Kopf, ehe er ihn aufhalten konnte, und das überraschte ihn. Er war immer glücklich gewesen mit seinem Globetrotterleben, übernachtete in Hotels oder Apartments mit Service, um jederzeit wieder weiterfliegen zu können.

Auf der anderen Seite hatte er nie ein Zuhause gekannt. Seine Mutter hatte sich immer geschämt, weil er ein uneheliches Kind war. Deshalb hatte sie wohl seinen Stiefvater geheiratet, um zu verbergen, dass ihr Kind keinen Vater hatte.

Doch sein Stiefvater dachte gar nicht daran, den Bastard seiner Frau in seiner Familie zu akzeptieren. Er wollte nur eine Frau, die das Dienstmädchen für ihn spielte und eine unbezahlte Arbeitskraft war, das in seinem kleinen Restaurant auf einer ägäischen Insel schuftete. Max hatte ihr als Kind und in seiner Jugend geholfen und die Taverne am Laufen gehalten, während sein Stiefvater den Gastgeber für seine Gäste spielte. Max hatte bedienen müssen, und seine Mutter musste von morgens bis abends kochen.

An dem Tag, an dem seine Mutter starb – aus Erschöpfung und an einer Lungenkrankheit –, war Max gegangen und nie wieder zurückgekehrt. Er hatte die Fähre nach Athen genommen, und seine Augen hatten nicht nur vor Trauer um seine Mutter gebrannt, sondern auch vor Wut. Er war fest entschlossen gewesen, seinen eigenen Weg zu machen und Erfolg zu haben. Nichts könnte ihn aufhalten. Er wollte alle Hindernisse überwinden, und seine Entschlossenheit würde ihn vorantreiben.

Fünf Jahre lang hatte er auf dem Bau geschuftet und schließlich von seinem Gehalt genug Geld gespart, um den ersten Besitz zu kaufen. Ein baufälliges Bauernhaus, das er im Schweiße seines Angesichts wieder aufgebaut und an einen Deutschen verkauft hatte. Damit hatte er genug Geld eingenommen, um zwei weitere Häuser zu kaufen. So hatte alles angefangen. Das Vasilikos-Immobilienunternehmen operierte inzwischen weltweit. Max’ Mund verzog sich zu einem Lächeln rücksichtsloser Befriedigung. Zu seinem Besitz gehörte sogar die Taverne seines Stiefvaters, die er für einen Apfel und ein Ei erworben hatte, nachdem sein Stiefvater durch seine Faulheit Konkurs hatte anmelden müssen.

Abrupt veränderte sich seine Miene, als sein Navi anzeigte, dass er am Ziel angekommen war. Er lenkte seinen Wagen durch ein großes, massives Eingangstor, flankiert von steinernen Pfeilern, und fuhr langsam die lange Auffahrt entlang, die gesäumt war von Bäumen und großen Rhododendren. Schließlich erreichte er die Kieseinfahrt vor dem Haus.

Zufrieden stellte er fest, dass die Fotos ihn nicht getäuscht hatten. Alles, was sie versprochen hatten, gab es tatsächlich. Das Haus, umgeben von Land, war in einem sanftem honiggelben Stein erbaut, und die Sonne spiegelte sich in den Sprossenfenstern. Glyzinien, die um diese Jahreszeit noch nicht blühten, rankten an der steinernen Veranda mit der verschnörkelten Eichentür. Doch die goldenen Narzissen in den Beeten links und rechts der Veranda blühten bereits.

Max war sehr zufrieden mit diesem Anblick. Es sah gut aus – mehr als gut. Nicht zu groß und pompös, sondern elegant und anmutig erzählte das Gebäude von einer langen Tradition. Ein englisches Landhaus, erbaut für Landbesitzer und die Oberschicht, wirkte es trotzdem einladend und gemütlich. Es war mehr als ein großes Haus – es war ein Zuhause.

Könnte es mein Heim werden? Könnte ich hier leben?

Leicht runzelte er die Stirn. Warum dachte er darüber nach? War er vielleicht einfach inzwischen in dem Alter, in dem er sich häuslich niederlassen wollte?

Häuslich niederlassen? Daran hatte er noch bei keiner Frau gedacht, und ganz sicher nicht bei Tyla. Sie war wie er – ein wurzelloser Mensch, der überall auf der Welt arbeitete.

Vielleicht haben wir deswegen zusammengepasst – zumindest das hatten wir gemeinsam.

Aber es war ihm nicht genug gewesen, und deshalb hatte er die Affäre mit ihr beendet. Es hatte ihn ermüdet, dass sie nur auf ihre Schönheit und ihre Wirkung auf Männer bedacht gewesen war.

Vielleicht brauche ich eine neue Beziehung? Etwas ganz anderes …?

Entschieden schüttelte er den Kopf. Er war nicht hier, um über sein Privatleben nachzugrübeln, sondern um eine einfache geschäftliche Entscheidung zu treffen, nämlich ob er das Anwesen kaufen sollte oder nicht.

Er fuhr über die Kieseinfahrt, umrundete das Haus und blieb hinten stehen. Dann stieg er aus. Auch das, was er hier zu sehen bekam, gefiel ihm. Der hintere Teil für die Bediensteten mochte nicht so elegant sein wie der vordere Teil des Hauses, aber der gepflasterte Innenhof war sehr hübsch mit den Blumenkübeln und der Holzbank, die in der Sonne neben der Küchentür stand.

Dieses Anwesen gefiel ihm immer besser. Er schlenderte zur Tür, um zu fragen, ob er seinen Wagen hier stehenlassen konnte. Gerade als er anklopfen wollte, wurde die Tür aufgerissen, und jemand mit einem großen Korb und einem Plastikmülleimer rannte direkt in ihn hinein.

Max fluchte auf Griechisch, trat zur Seite und sah sich die Person an, die ihn fast umgerannt hätte. Dass es sich um eine Frau handelte, konnte er sehen, aber allzu viel Frauliches hatte sie nicht zu bieten. Sie war jung. Groß und kräftig, mit einem Wust dunkler, buschiger Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Sie trug eine runde Brille und wurde rot, was sehr unvorteilhaft aussah. Ihr dunkelvioletter Trainingsanzug war hässlich, und sie sah aus, als hätte sie Übergewicht.

Trotz ihres unvorteilhaften Äußeren vergaß Max jedoch nicht seine guten Manieren.

„Tut mir sehr leid“, sagte er. „Ich wollte fragen, ob ich meinen Wagen hier stehenlassen kann.“ Er hielt inne. „Ich werde nämlich erwartet. Max Vasilikos. Mrs. Mountford hat einen Termin mit mir.“

Die Frau wandte den Blick ab und starrte auf seinen Wagen, dann sah sie ihn wieder an. Ihre Wangen röteten sich noch stärker, während sie den Korb auf ihrer Hüfte zurechtrückte. Aber sie antwortete ihm nicht.

„Also, ist es in Ordnung, wenn ich meinen Wagen hier stehenlasse?“, wollte Max wissen und sah, dass sie nur widerwillig nickte.

Er warf ihr ein kurzes, höfliches Lächeln zu. „Schön“, meinte er, wandte sich ab und ging um das Haus herum nach vorne, während er den Garten bewunderte. Obwohl es gerade erst Frühling geworden war, konnte Max jetzt schon erkennen, dass der Garten im Sommer wunderschön aussehen würde. Er ging zu der massiven Eingangstür aus verziertem Eichenholz und hoffte, das Innere würde den Charme des Äußeren widerspiegeln.

Die Tür wurde geöffnet. Offenbar hatte man schon gemerkt, dass er angekommen war. Die Frau, die vor ihm stand, war klein, superschlank und perfekt gestylt, angefangen von ihren aschblonden Haaren, dem vollkommenen Make-up bis zu dem hellblauen Outfit, das zu ihren Augen passte. Der Duft eines teuren Parfüms wehte ihm entgegen, als sie ihn freundlich anlächelte.

„Mr. Vasilikos, kommen Sie doch herein.“

Sie trat zur Seite, und Max ging in die große Eingangshalle mit dem Steinboden. Er sah einen riesigen Kamin und eine breite Treppenflucht, die nach oben führte. Das passt zu dem Haus, dachte er.

„Ich bin Chloe Mountford. Und ich bin so glücklich, dass Sie kommen konnten.“ Die Tochter des Hauses, wie er vermutete, schwebte zu einer Flügeltür und öffnete sie mit theatralischer Geste.

„Mummy, Mr. Vasilikos ist da“, verkündete sie.

Mummy? Max erinnerte sich, dass es bei erwachsenen Kindern der englischen Oberschicht üblich war, ihre Eltern in dieser Weise anzusprechen. Dann betrat er den Raum, in dem es ebenfalls einen großen Kamin aus Marmor gab und sehr viel Möbel. Das Ganze war in einem blassen Grau und einem lichten Blau gehalten, und sein geschultes Auge verriet ihm, dass sich hier ein Topdesigner ausgetobt hatte.

Doch er spürte, dass er enttäuscht war. All das war zu perfekt und gewollt geschmackvoll. Er überlegte, wie es hier ursprünglich wohl ausgesehen haben mochte. Jetzt wirkte der Raum wie aus einem Hochglanzmagazin.

Hier könnte ich nicht leben. Es ist völlig übertrieben. Ich müsste es verändern.

Max runzelte die Stirn, weil er sich wieder in seinen Gedanken verloren hatte.

„Mr. Vasilikos, wie schön, Sie kennenzulernen.“

Die schlanke, elegante Frau, die ihn begrüßte, saß auf einem der Sofas beim Kamin und hielt ihm ihre beringte Hand hin. Sie war genauso gepflegt wie ihre Tochter und hatte offenbar sehr viel Geld für Kleidung und Aussehen ausgegeben. Eine doppelreihige Perlenkette schmückte ihren Hals, der, wie Max annahm, irgendwann vom Können eines Schönheitschirurgen profitiert hatte.

„Mrs. Mountford“, begrüßte Max die verwitwete Eigentümerin. Mit festem Griff schüttelte er ihr kurz die Hand, dann setzte er sich auf das Sofa ihr gegenüber, auf das sie gedeutet hatte. Chloe Mountford nahm anmutig auf dem dritten Sofa Platz.

„Ich freue mich, Sie in Haughton willkommen zu heißen“, sagte Mrs. Mountford in liebenswertem Ton.

Max lächelte höflich, während ihre Tochter nun das Wort erhob.

„Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Sie müssen doch einen schrecklich vollen Terminkalender haben. Bleiben Sie lange in England, Mr. Vasilikos?“, fragte sie strahlend.

„Ich habe noch keine genauen Pläne“, gab Max gleichmütig zurück und überlegte, ob Chloe Mountford ihn anmachen wollte. Hoffentlich nicht, dachte er. Superdünne Frauen entsprachen nicht seinem Geschmack. Genauso wenig wie Frauen, die dem anderen Extrem zuneigten.

Seine Gedanken schweiften zurück zu der Frau, die an der Hintertür fast in ihn hineingerannt war. Übergewicht sah auch nicht gut aus, besonders wenn man dazu so schlecht gekleidet war. Er verspürte einen Anflug von Mitleid für die Frauen, die so unattraktiv waren.

In diesem Moment wurde eine Tür geöffnet, die in der tapezierten Wand fast nicht zu erkennen war. Eine kräftige Gestalt erschien und trug ein Tablett mit Geschirr und Kaffee herein. Es war die Frau, die er eben wegen ihres Aussehens bemitleidet hatte.

Den hässlichen Trainingsanzug hatte sie gegen einen grauen Rock und eine weiße Bluse gewechselt, und statt der Turnschuhe trug sie nun flache Schnürschuhe. Doch die Brille saß immer noch auf ihrer Nase, und ihre Haare waren auch jetzt noch zu einem unordentlichen Wust zusammengebunden. Max sah, dass sie verlegen wirkte, als sie mit schweren Schritten den Raum betrat.

„Ach, Ellen, da bist du ja!“, rief Pauline Mountford, als das Tablett auf dem kleinen Tisch beim Kamin abgestellt wurde. Dann wandte seine Gastgeberin sich an ihn. „Mr. Vasilikos, das ist meine Stieftochter Ellen.“

Max, der angenommen hatte, dass die kräftige Frau ein Dienstmädchen sei, musste nun umdenken. Stieftochter? Das hatte er nicht gewusst. Allerdings waren die Familienverhältnisse der Eigentümer von Haughton für seine Kaufentscheidung auch nicht von Belang.

„Sehr erfreut“, murmelte er, während er höflich aufstand.

Er sah, wie sie errötete, als sie sich auf das Sofa neben Chloe Mountford fallen ließ. Max setzte sich ebenfalls wieder, und sein Blick ging zwischen den beiden jungen Frauen hin und her. Sie hätten nicht unterschiedlicher sein können.

„Sahne und Zucker, Mr. Vasilikos?“, fragte Ellen und sah ihn direkt an.

Ihre Stimme klang gepresst, als würde ihr das Gespräch schwerfallen. Die Röte auf ihren Wangen verblasste langsam. Max entschied, dass sie ohne besser aussah. Jetzt, da er sie genauer betrachtete, merkte er, dass ihre Haut einen gesunden, frischen Schimmer hatte, als würde sie die meiste Zeit draußen verbringen. Im Gegensatz zu ihrer Stiefschwester, die wie eine zarte Treibhauspflanze wirkte.

„Schwarz, bitte“, antwortete er. Eigentlich wollte er keinen Kaffee, auch keine höfliche Plauderei, aber das gehörte dazu, ehe er sich das Haus ansehen konnte.

Er sah zu, wie Pauline Mountfords reizlose Stieftochter Kaffee aus einer silbernen Kanne in eine Porzellantasse goss. Sie reichte ihm die Tasse, die er mit einem gemurmelten „Danke“ entgegennahm, wobei er unabsichtlich ihre Finger berührte. Sofort zog sie ihre Hand weg, als hätte sie einen Stromschlag bekommen, und beschäftigte sich nun damit, drei weitere Tassen mit Kaffee zu füllen.

Max lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andere und nahm einen Schluck. Es war an der Zeit, das Gespräch auf den Zweck seines Besuchs zu bringen.

„Und“, begann er mit einem höflichen Lächeln an Pauline Mountford gerichtet, „warum wollen Sie sich von einem so schönen Besitz trennen?“

Ihm entging nicht, dass Ellens Miene sich bei seiner Frage verdunkelte.

„Ach, es gibt so viele traurige Erinnerungen in diesem Haus“, antwortete seine Gastgeberin. „Und seit mein Mann tot ist, kann ich diesen Schmerz nur schwer ertragen. Ich weiß, dass ich stark sein und mir ein neues Leben aufbauen muss. Aber es wird mir wehtun, mich zu trennen …“ Betrübt schüttelte sie den Kopf.

„Arme Mummy.“ Ihre Tochter streckte die Hand aus und tätschelte den Arm ihrer Mutter. „Das letzte Jahr war einfach schrecklich.“

„Es tut mir leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben“, murmelte Max. „Und ich verstehe, warum Sie verkaufen möchten.“

Ein lautes Klirren kam von dem gegenüberliegenden Sofa, und sein Blick ging zu Ellen, die ihre Tasse auf den Unterteller hatte fallen lassen. Ihre Miene wirkte angespannt, und er sah, dass ihre Wangen sich wieder röteten. Dann griff sie nach der Kanne und goss sich noch einmal Kaffee ein. Sie nahm einen Schluck, ehe sie abrupt aufstand.

„Ich muss mich jetzt um das Essen kümmern“, erklärte sie barsch.

Als sie gegangen war, beugte Pauline Mountford sich ein wenig vor. „Die arme Ellen hat der Tod meines Mannes schwer getroffen“, gestand sie leise. „Sie hat sehr an ihm gehangen.“ Eine kleine Falte erschien auf ihrer Stirn. „Vielleicht zu sehr …“ Sie seufzte, dann hellte sich ihre Miene wieder auf. „Sicher wollen Sie sich das Haus vor dem Lunch ansehen. Chloe würde es Ihnen sehr gerne zeigen“, fügte sie mit einem hellen Lachen hinzu.

Ihre Tochter stand auf, ebenso Max. Er wollte unbedingt das Haus sehen, zudem hatte er keine Lust, noch mehr über diese Familie zu erfahren. Das Einzige, was ihn interessierte, war das Haus.

Und sein Interesse wurde immer größer, als er sich umsah und schließlich oben in dem großen Schlafzimmer aus dem Fenster schaute und auf den von Schilf bewachsenen See blickte, hinter dem sich der Wald erstreckte. Er hatte eine Entscheidung getroffen.

Haughton Court würde ihm gehören.

2. KAPITEL

Ellens Herz klopfte heftig, als sie in die Küche ging. Dass irgendjemand ihr Heim ansehen und es vielleicht kaufen wollte, war schon schlimm genug – aber dass es ausgerechnet ein Mann wie Max Vasilikos war … Sie spürte, dass sie wieder rot wurde, so wie in diesem schrecklich peinlichen Moment, als sie ihn an der Hintertür fast umgerannt hatte.

Wie eine Idiotin hatte sie diesen umwerfenden Mann angestarrt. Groß, breitschultrig, muskulös, olivfarbene Haut und einfach lächerlich gutaussehend. Schwarze Haare, kohlschwarze Augen, ein wunderschön geformter Mund, hohe Wangenknochen und ein ausgeprägtes Kinn …

Als sie den Kaffee gebracht hatte, hatte er wieder diesen starken Eindruck auf sie gemacht. Zumindest war sie diesmal ein bisschen mehr darauf vorbereitet, auch auf den wohl unvermeidlich mitleidigen Blick, den er ihr bestimmt zuwerfen würde, wenn sie sich neben Chloe setzte.

Sie spürte einen schmerzhaften Knoten in der Kehle. Sie wusste genau, was er sehen würde und warum er sie bemitleidete. Sie und Chloe könnten keinen größeren Kontrast darstellen, wenn sie nebeneinander saßen. Und hatte sie diesen Ausdruck in den letzten Jahren nicht schon unzählige Male bemerkt, wann immer ein Mann sie beide zusammen gesehen hatte? Chloe, die schlanke, liebliche Blondine – und sie selbst, der unbeholfene Trampel.

Entschlossen riss sie sich von diesem Bild los. Sie hatte andere Sorgen als ihr Aussehen. Irgendwie musste sie eine Gelegenheit finden, Max Vasilikos reinen Wein einzuschenken, was seinen Hauskauf betraf. Sicher, Pauline und Chloe mochten all diesen widerlichen Mist über „schmerzliche Erinnerungen“ von sich geben, aber in Wahrheit konnten sie es gar nicht abwarten, ihren letzten Vermögenswert zu Geld zu machen.

Nun, sie würde ihnen trotzen, das stand fest.

Sie werden einen Prozess gegen mich anstrengen müssen, und ich werde gegen sie ankämpfen. So lange wie möglich.

Ein Mann wie Max Vasilikos, der nur einen schnellen Profit machen wollte, würde eine solche Verzögerung nicht wollen. Er würde etwas anderes finden – und Haughton in Ruhe lassen.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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