Im Bett mit dem Ex?

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Kein Knistern, kein Prickeln, kein Mann im Bett - ganz schön traurig, dieses Silvester, denkt Lily ungehalten und nimmt noch einen Schluck Champagner. Nur einer hat Schuld an ihrem desaströsen Liebesleben: Kit, der ihr auch nach fünf Jahren nicht aus dem Kopf geht und ihr Herz blockiert. Doch ausgerechnet ihr unvergesslicher Ex steht kurz vor Mitternacht vor der Tür! Mit einem heißen Kuss erinnert er sie, wie gut sie damals zusammen waren … Das Silvesterfeuerwerk beginnt! Aber was erwartet Lily zu Neujahr? Ein Kater - oder zum zweiten Mal die große Liebe?


  • Erscheinungstag 06.01.2015
  • Bandnummer 0001
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701314
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

VORWORT

Liebe Leserinnen,

einige von Ihnen kennen Lily Montgomery bereits aus dem Roman Heute Abend – und für immer? (erschienen in JULIA, Band 242014). Im Verlauf des Romans lernten Sie Lily (Schwester der Heldin Zoe) als eine kreative und fröhliche junge Frau kennen, die von den Erinnerungen an eine kurze, aber turbulente Ehe, vor allem jedoch an eine hochdramatische Scheidung geprägt war und trotz ihrer offenen und positiven Art ein tiefes Misstrauen gegen Männer – insbesondere gegen ihren Exmann – hegte.

All das machte Lily selbst, ihre Vergangenheit und ihren Exmann Kit zu einem so faszinierenden Thema, dass ich nicht widerstehen konnte, ihre ganze Geschichte aufzuschreiben.

Und so entstand ein Roman über zwei Menschen, die sich nach vielen Jahren noch einmal kennen und lieben lernen und dabei die seltene Chance bekommen, einen großen Fehler gutzumachen. Ich hoffe, dass Sie die Geschichte von Lily und Kit ebenso gerne lesen, wie ich sie geschrieben habe.

Lucy

1. KAPITEL

Okay. Das reichte. Genug war genug.

Während die zwölf Glockenschläge des Big Ben durch die Silvesternacht hallten und Dutzende von Feuerwerken den Himmel über London erleuchteten, leerte Kit Buchanan sein Whiskeyglas und starrte düster durch die raumhohen Fenster seiner Penthouse-Suite. Das farbenprächtige Schauspiel, das über der Themse funkelte, stand in vollkommenem Kontrast zu seiner Stimmung.

Es lag nicht an den Bergen von Papier auf seinem Schreibtisch, die er noch durchsehen musste. Auch nicht an der klirrenden Kälte und Dunkelheit dieser Winternacht. Der Alkohol und all die Gedanken, die seit Stunden durch seinen Kopf wirbelten, wärmten ihn mehr als hinreichend.

Vor zehn Minuten hatte Kit einen Plan geschmiedet. Einen schier unmöglichen Plan, den er eigentlich gründlich überdenken sollte. Aber er konnte es nicht. Es gab keinen anderen Weg. Jetzt und augenblicklich musste er sich aus der unendlich frustrierenden Zwangslage befreien, in der er schon viel zu lange steckte.

Fünf Jahre lang hatte er gelitten. Fünf lange und qualvolle Jahre. Und er konnte es nicht länger ertragen. Er hatte genug von den anhaltenden Schuldgefühlen, der grausamen Anspannung und der lähmenden Sorge, die sein Dasein bestimmten. Er konnte sein Leben zwischen Selbstvorwürfen, Reue und Angst einfach nicht mehr aushalten.

Und es machte ihn krank, dass er zu einem verbitterten Einzelgänger mutiert war.

Carla, die letzte Frau, die versucht hatte, ihm näherzukommen, hatte er wirklich gern. Trotzdem hatte er ihr vor ein paar Stunden sagen müssen, dass sie einander nicht wiedersehen könnten. Wie gerne wäre er mit ihr befreundet gewesen. Und mehr.

Doch sein Problem machte das Ganze unmöglich.

So konnte es einfach nicht weitergehen.

Kit knallte sein Glas auf den Schreibtisch, orderte in einem kurzen Telefonat eine Hotellimousine und griff nach seinem Mantel. Schnellen Schrittes lief er in Richtung Aufzug. Während er wartete und ungeduldig auf den kleinen runden Knopf drückte, drehten sich seine verzweifelten Gedanken um ein einziges Wort: Impotenz.

Im ersten Jahr nach seiner Scheidung hatte ihm seine Unfähigkeit, sexuell zu funktionieren, kaum etwas ausgemacht. Nach dem, was er getan hatte, war Kit sich ziemlich sicher gewesen, dass er jede Strafe verdiente. Er nahm sie bereitwillig hin und tröstete sich mit dem Gedanken, dass seine Notlage irgendwann ein Ende nehmen würde. Und da er kein hormongesteuerter, sexbesessener Teenager mehr war, kam er mit seinem ziemlich prekären Problem einigermaßen zurecht.

Doch zu seiner Bestürzung machte dieses Problem auch danach keine Anstalten zu verschwinden. Als nach zwei Jahren keinerlei Besserung in Sicht war, begann Kit, sich Sorgen zu machen.

Und obwohl sein Stolz und die Angst vor einer Demütigung ihn anfangs davon abgehalten hatten, irgendetwas zu unternehmen, hatte Kit sich letztendlich doch dazu durchgerungen, einen Arzt aufzusuchen.

Doch auch das hatte nicht ansatzweise geholfen.

Der Arzt hatte Kit lediglich versichert, dass mit ihm körperlich alles in Ordnung war und dass sein Problem wahrscheinlich psychologische Ursachen hatte. Also war Kit zu einem Therapeuten gegangen. Doch auch dieser Versuch war keine große Hilfe gewesen. Im Großen und Ganzen scheiterte die Therapie daran, dass es Kit unsäglich schwerfiel, offen über Lily und die Gründe für ihre Scheidung zu sprechen.

Darüber hinaus hatte er nichts unversucht gelassen, um seine Not zu lindern. Er las Unmengen von Büchern, stöberte tagelang im Internet und machte sich unter anderem mit Homöopathie vertraut. In seiner Verzweiflung hatte er es sogar mit Hypnose versucht.

Und doch war alles umsonst gewesen, und es machte ihn wahnsinnig.

Vor ein paar Stunden, nachdem er sich traurig von Carla verabschiedet hatte, waren ihm noch einmal die trostlosen Perspektiven klar geworden, die sein einsames Leben bot. Unaufhörlich beschäftigte ihn die Frage, ob er nicht irgendeinen Ausweg übersehen hatte. Bis ihm plötzlich die eine Sache einfiel, die er noch versuchen konnte.

Natürlich gab es keine Garantie, dass es klappen würde. Und dennoch betrat Kit nun nervös und mit zusammengebissenen Zähnen den Lift, um am ersten Tag des neuen Jahres dem letzten Hoffnungsschimmer eine Chance zu geben, den er noch sah.

„Du bist verlobt?“

Halt suchend lehnte Lily sich an ihren Küchenschrank und fragte sich, wie viele Turbulenzen diese Nacht wohl noch für sie bereithielt. Vielleicht sollte sie sich besser in ihr Bett flüchten.

„Es stimmt“, antwortete ihre Schwester am Telefon, und ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung und Glück. Andere Menschen hätten sich von derartiger Euphorie sicher anstecken lassen. Nicht jedoch Lily, die nichts auf der Welt mehr misstraute als der Ehe.

„Mit wem?“

„Wie meist du das?“, fragte Zoe mit einem ungläubigen Lachen. „Mit Dan natürlich.“

„Aber ich dachte, du wolltest ihn nie wiedersehen.“ Lily drückte ihr Mobiltelefon ein wenig fester an ihr Ohr, während sie mit der freien Hand ihr Champagnerglas füllte und einen großen Schluck nahm. Den hatte sie gerade bitter nötig, wie es schien.

„So war es auch.“

„Hattest du nicht gesagt, dass du für euch beide keine Chance mehr siehst?“

„Auch das stimmt. Ich dachte wirklich, es wäre vorbei.“

Lily stellte ihr Glas ab und runzelte die Stirn, während sie versuchte zu verstehen, was ihre Schwester da sagte. „Was hat deine Meinung geändert?“

„Der heutige Abend“, seufzte Zoe träumerisch. „Dan hat mir gesagt, dass er mich liebt.“

„Wo bist du?“ Nach der lauten Musik im Hintergrund zu urteilen, war Zoe in irgendeinem Club, was völlig ungewöhnlich für Lilys große Schwester war, die sonst jeden Abend in ihrem Home-Office verbrachte.

„Auf einer Party.“

„Auf einer Party?“, wiederholte Lily ungläubig. Unter normalen Umständen waren Partys für die gesellschaftlich eher unbeholfene Zoe die schlimmste Folter.

„Ich weiß“, erwiderte Zoe fröhlich. „Ich kann es selbst kaum glauben. Ich war hier, um mich abzulenken, und vor ungefähr einer Stunde tauchte Dan plötzlich auf und rettete mich vor einem verrückten Tanzpartner. Und dann hat er sich für sein idiotisches Verhalten der letzten Wochen entschuldigt und Silvester zum schönsten Tag meines Lebens gemacht. Es war alles so perfekt. Und so romantisch.“

Lily vernahm eine kleine Pause, in der Zoe vermutlich in seliger Erinnerung an die vergangenen Stunden verharrte. „Und in ein paar Monaten werden wir heiraten.“

Einfach so? Ein paar magische Worte hatten gereicht, um die vernünftige Zoe dazu zu bringen, sich Hals über Kopf zu verloben? Lily konnte es kaum glauben. Und doch schien genau das passiert zu sein.

Hmm, dachte Lily, während sich ein merkwürdiges Gefühl von Sorge in ihr breitmachte. Der heutige Abend war wirklich in jeder Hinsicht verwirrend. „Hast du nicht noch an Weihnachten gesagt, dass du Dan nicht einmal zurückhaben wolltest, wenn er der letzte Mann auf dieser Erde wäre?“

„Habe ich das?“

„Oh ja.“

„Das ist Vergangenheit“, erklärte Zoe vergnügt, fast als ob die letzten vierzehn Tage voller Tränen und Kummer für sie ausgelöscht waren. Lily hatte endlose Stunden damit zugebracht, sie zu trösten und sie seelisch wieder ein wenig aufzubauen. Und jetzt war es, als hätte die verzweifelte und wütende Zoe der vergangenen Wochen niemals existiert. „Es hat sich alles zum Guten gewendet, und wir sind verlobt. Ist das nicht großartig?“

Lily war sich sicher, dass das Ganze nicht besonders großartig war, und nahm schnell einen weiteren Schluck Champagner. Sie selbst hatte sich einmal in einem ähnlichen Glückstaumel befunden. Und auch wenn sie die jüngere der beiden Schwestern war, wusste sie bereits, wie schlimm solche Geschichten enden konnten. Ihrer kurzen, aber turbulenten Erfahrung nach war die Ehe eine Institution, der man besser misstraute. Das war ihr während der letzten halben Stunde ein weiteres Mal klar geworden. „Du kennst Dan erst seit ein paar Monaten.“

„Seit drei.“

„Handelst du nicht ein wenig überstürzt?“

„Du hast Kit auch schon nach einem halben Jahr geheiratet.“

„Und wir wissen alle, wie das geendet ist“, entgegnete Lily schwermütig. Nur zwei Jahre nach Beginn ihrer Wirbelwindromanze hatten Kit und sie vor dem Scheidungsanwalt gestanden. Ihre Ehe war schnell vorüber gewesen, doch das Gefühl von Schmerz und Traurigkeit darüber nicht. Lily hatte sich daran gewöhnt, es Tag für Tag aufs Neue zu verdrängen.

„Dan ist nicht wie Kit“, verteidigte sich Zoe.

„Das hoffe ich für dich.“

„Und ich bin nicht wie du.“

„Stimmt. Du bist vernünftiger, überlegter und reifer, als ich es jemals sein werde. Und du bist älter. Ich will nur sicher sein, dass du auch jetzt noch weißt, was du tust.“

„Das kannst du“, sagte Zoe mit einer Gewissheit, die Lily noch nie zuvor von ihrer Schwester gehört hatte. „Dan ist das Beste, was mir jemals passiert ist. Freu dich mit mir, Lil“, fügte sie zaghaft hinzu. „Bitte.“

Die Worte klangen so innig und aufrichtig, dass Lily unweigerlich von einem tiefen Schuldgefühl übermannt wurde. Sie war gerade im Begriff, die glücklichste Nacht in Zoes Leben zu ruinieren. Und warum? Weil das Durcheinander der letzten Stunden sie so verwirrt hatte, dass sie an nichts anderes denken konnte. Was für eine herzlose Schwester war sie eigentlich?

Lily schloss die Augen, stützte mit der linken Hand ihren Kopf ab und atmete tief durch. Sofort fühlte sie sich ein wenig besser.

Die Tatsache, dass ihre eigene Ehe in einer Katastrophe geendet war, bedeutete ja nicht, dass Zoe und Dan ebenfalls alles vermasseln würden. Zoe war großartig. Dan war großartig. Vielleicht würden beide eine Bilderbuchehe führen und für immer glücklich sein. So etwas kam vor.

Und dass sie selbst einen chaotischen Abend verbracht hatte, an dem eine Flut von Erinnerungen an vergangene Tage über sie hereingebrochen war, gefolgt von Bedauern, Selbstvorwürfen und Selbstmitleid – all das gab ihr noch lange nicht das Recht, Zoes Glück zu trüben.

Entschlossen unterdrückte Lily ihren Zynismus und ihre Zweifel. „Ich freue mich für dich“, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es in ihrer Stimme mitklang.

„Wirklich?“

„Wirklich“, wiederholte Lily. „Es tut mir leid, dass ich so abweisend war. Deine Nachricht kam einfach ein wenig überraschend. Herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe – nein, ich weiß, dass ihr beide sehr glücklich sein werdet.“

„Danke. Ich weiß das auch.“

Das unglaubliche Hochgefühl und die Hoffnung, die das Leben Zoe an diesem Abend geschenkt hatte, waren nicht zu überhören. Lilys Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Ich denke, ich war wohl auch ein bisschen eifersüchtig“, fügte sie leise hinzu. Sie konnte sich an den Tag erinnern, an dem sie sich so gefühlt hatte wie Zoe heute. Dieses überwältigende Glück. Diese Fröhlichkeit, die einem ein Dauerlächeln auf die Lippen zauberte. Diese unbändige Vorfreude auf alles, was kommen würde …

„Geht es dir gut, Lil?“

„Alles in Ordnung“, versicherte Lily. Und doch bemerkte sie zu ihrer Bestürzung selbst, wie falsch und angespannt sie klang.

Sie hörte, wie Zoe die Luft anhielt und sich offenbar mit der Hand vor die Stirn schlug. „Oh – Mist. Heute ist euer Jahrestag, nicht wahr?“

Ja. Und nein. Es wäre der siebte gewesen.

Heute vor sieben Jahren hatte sie Kit kennengelernt. Sie hatte versucht, nicht daran zu denken. Erst als die Uhr Mitternacht geschlagen hatte, war es ihr eingefallen. Im denkbar ungünstigsten Moment. „Ja, aber es ist nicht wichtig.“

„Natürlich ist es wichtig“, entgegnete Zoe. „Gott, es tut mir leid, dass ich dir gerade heute von Dans Heiratsantrag erzählt habe. Das war sehr unsensibel. Ich hätte dich nicht vollquatschen dürfen, ohne vorher nachzudenken.“

Lily zuckte mit den Schultern. „Vergiss es.“

„Du willst nicht darüber reden?“

„Nein.“

„Sicher?“

„Absolut.“ Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken. Obwohl sich das an diesem Abend ärgerlicherweise als schwierig erwies.

„Okay. Aber ruf mich an, wenn du irgendetwas brauchst. Jederzeit.“

Sie wusste, dass Zoe es genauso meinte. Sie war ihr Rettungsanker gewesen während der Scheidung. Lily wusste nicht, wie sie das ganze Drama ohne ihre Schwester überstanden hätte. „Okay. Danke.“

„Ich lege jetzt besser auf. Es ist spät, und dein Flug geht morgen sehr früh.“

„In Ordnung.“ Beim Gedanken an den Urlaub, der der Arbeitswoche auf Mauritius folgen würde, musste Lily lächeln. Es war ewig her, dass sie einmal richtig ausgespannt hatte, und sie konnte es kaum erwarten. „Außerdem solltest du lieber mit Dan feiern, anstatt mit mir zu telefonieren.“

„Dafür ist noch eine Menge Zeit. Er holt gerade unsere Mäntel, damit wir nach Hause gehen können.“

Lily lachte. „Viel Spaß. Du musst mir alles erzählen, wenn ich zurück in London bin.“

„Das werde ich.“

„Ich wünsche euch wirklich von ganzem Herzen …“

Ein Klingeln an der Tür unterbrach Lilys Worte.

„Was war das?“, erkundigte sich Zoe.

„Jemand hat geläutet“, erklärte Lily, während das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand. Der Gedanke an den nächtlichen Besucher machte ihr Herz schwer. „Ich muss auflegen.“

„Willst du wirklich noch so spät aufmachen? Du bist allein, und es ist nach Mitternacht.“

„Mach dir keine Sorgen. Wahrscheinlich ist es Nick.“ Widerwillig lief Lily in Richtung ihres Hausflurs. „Er hat seinen Schal vergessen.“ Sie hatte ihm eine SMS geschickt und ihm versprochen, den Schal mit der Post zu schicken. Doch vielleicht wollte er sein Eigentum trotz des verpatzten Abends lieber persönlich abholen.

„Wer ist Nick?“

Zoes interessierte Frage ließ Lily zusammenzucken. Nick war Vergangenheit. Leider.

Bis vor ein paar Stunden jedoch war er der Mann gewesen, mit dem sie nicht nur Silvester, sondern auch das neue Jahr verbringen wollte. Ein interessanter, intelligenter, amüsanter und gutaussehender Mann, der Lily zum Lachen brachte. Und obwohl sie sich erst dreimal miteinander verabredet hatten, war sie drauf und dran gewesen, sich auf ihn einzulassen und eine Beziehung mit ihm zu riskieren. Denn nach allem, was sie von Nick wusste, schien er der perfekte Mann für sie zu sein. Lily redete gern mit ihm, mochte ihn wirklich und war dennoch nicht so verrückt nach ihm, dass sie alles um sich herum vergaß. Was noch für Nick sprach: Er wollte keine eigenen Kinder.

Und so hatte sie ihn eingeladen und selbst ein Silvestermenü für sie beide gekocht.

Der erste Teil des Abends war großartig und genau nach Plan verlaufen. Nick war Punkt neun Uhr erschienen und hatte eine Flasche besten Champagners mitgebracht, der perfekt zu Lilys verführerischem Vier-Gänge-Menü passte. Stundenlang hatten sie fröhlich plaudernd am Küchentisch gesessen und sich das Essen schmecken lassen – von der köstlichen Vorspeise bis zu den selbst gemachten Pralinen.

Sie hatten viel gelacht und geflirtet, und der Abend war mehr als vielversprechend verlaufen. Kurz vor Mitternacht hatten sie es sich auf Lilys Sofa gemütlich gemacht, um von dort aus das Feuerwerk vor dem Fenster zu beobachten. Und dann hatte Nick sich zu Lily gebeugt, um sie zu küssen.

Das war der Moment, in dem alles schiefgegangen war.

Die Uhr hatte zwölf geschlagen, und während Nick Lily in seine Arme nahm, war sie plötzlich und völlig unerwartet von den Erinnerungen an ihren Jahrestag mit Kit eingeholt worden.

Seit Jahren hatte sie die Bilder nicht mehr so deutlich vor Augen gehabt: Kit, der sie auf der Tanzfläche in seine Arme schloss, der sie küsste und ihr ein wunderschönes neues Jahr wünschte. Es schien ihr fast, als wäre all das erst gestern gewesen.

Sie hatte versucht, diese unwillkommenen und völlig unangemessenen Gedanken einfach wegzublinzeln. So heftig, dass Nick sie schließlich fragte, ob sie etwas im Auge hätte.

Lily hatte wirklich versucht, sich ganz auf den Mann zu konzentrieren, der in dieser Nacht neben ihr auf dem Sofa saß.

Sie hatte tief in seine Augen gesehen und überlegt, mit welchen Worten sie das unglaubliche Grün beschreiben könnte. Sie hatte mit den Fingern durch sein blondes Haar gestrichen und sein Gesicht gemustert. Doch nichts hatte geholfen. Innerhalb weniger Sekunden war ihr klar geworden, dass sie – viel deutlicher als den Mann neben sich – Kit vor sich sah und sich vorstellte, wie sie in seine dunkelbraunen Augen blickte, ihre Hände in sein dichtes schwarzes Haar grub und seinen Mund küsste. Die Sehnsucht hatte sie wie ein Schlag vor den Kopf getroffen, ihr Herz hatte sich beinahe überschlagen, und ihr gesamter Körper hatte sich plötzlich willenlos und schwach angefühlt.

Und sie war sicher, dass nichts davon mit Nick zu tun hatte. In dem Moment, als Nick seine Lippen auf ihre drücken wollte, war sie wie von selbst aufgesprungen. Sie konnte nichts dagegen tun.

Zu Recht überrascht, hatte er sich stirnrunzelnd zurückgelehnt und gefragt, ob etwas nicht in Ordnung wäre. Lily jedoch war so verwirrt und durcheinander gewesen, dass sie nichts tun konnte, außer eine Entschuldigung zu stammeln, die mit ihrem frühen Flug am nächsten Tag zusammenhing.

Nick hatte geantwortet, dass er unter diesen Umständen wohl besser nach Hause gehen sollte. So schnell sie konnte, hatte Lily ihm seinen Mantel in die Hand gedrückt. Und Nick war gegangen.

Ohne seinen Schal, den Lily ihm in der Eile nicht gegeben hatte. Bis eben war sie ziemlich überzeugt gewesen, diesen Mann niemals wiederzusehen.

„Nick spielt keine Rolle in meinem Leben“, erwiderte sie ihrer Schwester.

„Bist du sicher?“

„Ja.“

„Hmm. Ich schätze, du wirst mir ebenfalls einiges erzählen müssen, wenn du zurück in London bist.“

„Okay“, murmelte Lily kaum hörbar.

„Also dann“, verabschiedete sich Zoe. „Ich wünsche dir einen guten Flug. Halte mich auf dem Laufenden, was unseren Kunden angeht, ja?“

„Natürlich. Ich rufe dich an, wenn ich ankomme. Noch einmal herzliche Glückwünsche für dich und Dan. Ich freue mich für euch. Wirklich.“

„Danke. Gute Nacht.“

„Bis bald.“

Lily drückte das Gespräch weg und seufzte leise, während sie ihr Handy auf die Kommode im Flur legte und nach dem Kaschmirschal griff, den sie dort abgelegt hatte. Sie ging zur Tür. Durch die Milchglasscheibe erkannte sie deutlich die Silhouette eines Mannes.

Sie hatte wirklich große Hoffnungen gehabt, was Nick betraf. Warum waren die Erinnerungen an Kit und ihre Ehe ihr ausgerechnet heute Abend so sehr zu Herzen gegangen?

Lag es daran, dass sie ihren Jahrestag zum ersten Mal in Gesellschaft eines einzigen Mannes verbracht hatte statt auf einer riesigen Party mit Dutzenden von Freunden? Lag es daran, dass sie sich in dieser eisigen Silvesternacht stocknüchtern fühlte?

Und warum hatte sie es nicht einmal geschafft, die Erinnerungen und Gefühle zu unterdrücken, als Nick endlich gegangen war? Warum waren all die Gedanken an Kit so heftig durch ihren Kopf gewirbelt, dass Lily sich fühlte wie auf einer Achterbahnfahrt? Sie hatte beinahe noch einmal gespürt, wie Kit sie an ihrem Hochzeitstag vor dem Altar küsste, wie er ihre Hand nahm, als sie die Torte anschnitten, wie er sie beim Hochzeitstanz in den Armen hielt. Lily hatte noch deutlich vor Augen, wie überglücklich sie gewesen waren. Und wie dieses Glück schließlich zerbrochen war.

Als eine weitere Welle von Emotionen über Lily hinwegfegte, begann sich alles in ihrem Kopf zu drehen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihr Körper schmerzte so sehr, dass sie befürchtete, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren.

Wenn ein Silvesterabend alleine oder in Gegenwart eines Mannes derartige Konsequenzen mit sich brachte, würde Lily in Zukunft nur noch mit Freunden feiern. Nächstes Jahr würde sie ganz sicher wieder in einen Club gehen und dort Unmengen von Margaritas trinken.

Sie versuchte, etwas ruhiger zu atmen, als sie durch den dunklen Hausflur lief. Alles, was sie tun musste, war die Tür zu öffnen, Nick den Schal zu überreichen und irgendeine glaubwürdige Entschuldigung vorzubringen.

Und danach konnte sie sich endlich in ihrem Bett unter der Decke vergraben und hoffen, dass sie in einen traumlosen Schlaf fallen würde, bis am nächsten Morgen der Wecker klingelte. Dann würde sie ihre Sachen nehmen, zum Flughafen fahren und erst einmal von hier verschwinden.

Ganz einfach.

Lily nahm all ihren Mut zusammen, straffte ihre Schultern, löste die Türkette und drückte die Klinke nach unten. Schnell zauberte sie noch ein Lächeln auf ihr Gesicht und öffnete schließlich die Tür.

Sie blickte auf.

Und erstarrte.

Die geplanten Worte der Begrüßung erstarben auf ihren Lippen. Ihr Lächeln verschwand, während ihr Verstand und ihr Körper in eine Art Schockzustand fielen. Denn der Mann, der draußen in der Kälte auf den Stufen stand, von einem Bein auf das andere trat und in seine Hände pustete, war nicht Nick.

Es war Kit.

2. KAPITEL

Einen Moment lang konnte Lily sich nicht bewegen. Sie konnte nicht atmen. Konnte nicht denken.

Sie starrte Kit einfach nur an. Während ihr Herz sich überschlug und alles Blut aus ihrem Kopf zu weichen schien, versuchte Lily zu begreifen, dass der Mann, der sie glücklicher und trauriger gemacht hatte als irgendein anderer Mensch auf der Welt, der Mann, mit dem sie seit fünf Jahren keinen Kontakt gehabt hatte und an den sie dennoch seit einer halben Stunde ununterbrochen denken musste, wie aus heiterem Himmel vor ihrer Tür stand.

Von allen verwirrenden Vorkommnissen dieses Abends war dieses ganz sicher das unbegreiflichste.

Lily begann, sich ernsthaft zu fragen, ob ihre Fantasie ihr gerade einen Streich spielte. Heute Abend hatte sie Kit ja bereits des Öfteren vor ihrem geistigen Auge gesehen. Sie schluckte schwer. Dann blinzelte sie. Noch einmal. Schließlich schüttelte sie den Kopf und blickte auf. Kit stand noch immer vor ihr: groß, schlank, mit breiten Schultern, so gutaussehend wie immer.

Sogar noch besser, wie Lily feststellte. Zumindest äußerlich hatte er sich in den letzten fünf Jahren verändert. Er wirkte reifer und charismatischer. Er war erst zweiunddreißig, doch sein dunkles Haar war an den Schläfen bereits von grauen Strähnen durchzogen. Um seine Augen und seinen Mund zeigten sich feine Fältchen.

Er sah härter aus, als Lily ihn in Erinnerung hatte, düsterer. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass sie Kit das Leben in der Zeit ihrer Scheidung nicht besonders leicht gemacht hatte, war das wohl nicht verwunderlich.

Nicht, dass es noch eine Rolle spielte, wie es ihm heute ging oder wie er aussah. Lily hatte mit Kit abgeschlossen, und sie war völlig immun gegen ihn und diese reizvolle Kombination aus gutem Aussehen und Charisma, die da gerade vor ihrer Tür stand.

Sie hätte wirklich gut leben können, ohne Kit heute Abend wiederzusehen. Ohne ihn jemals wiederzusehen.

„Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr, Lily“, sagte Kit unvermittelt. Sein Atem bildete in der kalten Nachtluft kleine weiße Wolken, während der warme Klang seiner Stimme irgendwo in ihrem Innern einen Funken Hitze entfachte.

Und auch ohne diese Tatsache hätte sie sehr gut leben können.

Verdammt.

Sie bemühte sich, kühl und unbeeindruckt zu wirken, und sagte sich ein paarmal, dass sie gegen den Klang seiner Stimme ebenso immun geworden war wie gegen die Art, wie er sie noch immer ansah. Doch es war einfach alles zu viel. Allmählich stieg in ihr Wut auf, Wut über all das Chaos dieser Nacht. Sie straffte ihren Rücken und holte tief Luft. „Was zur Hölle machst du hier?“ Die harschen Worte waren heraus, bevor sie darüber hatte nachdenken können.

Kit hob die Augenbrauen und sah sie an. „Du hast jemand anderen erwartet?“

„Scheint so.“

„Wen?“

Autor

Lucy King
Lucy King lebte schon immer am liebsten in ihrer eigenen Welt, inmitten der bunten Liebesgeschichten von Mills & Boon. Bereits in der Schule schrieb sie lieber über glorreiche Helden und die Magie der Liebe, anstatt Mathematikaufgaben zu lösen. Ihrem ganz persönlichen Helden begegnete sie eines Morgens während eines einsamen Spaziergangs...
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