Im Reich des Wüstenprinzen

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"Du gehörst zu mir!" Scheich Kavian duldet nicht länger, dass die schöne Amaya sich seinen Heiratsplänen widersetzt - auch wenn er sie insgeheim umso mehr begehrt, je zorniger sie ihn macht. Er weiß schon, wie er sie umstimmen kann, damit sie doch noch seine Königin wird …


  • Erscheinungstag 04.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747800
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es passierte ohne Vorwarnung.

Niemand hatte sie heimlich beobachtet. Die Gespräche waren nicht verstummt, als sie den kleinen Coffeeshop in dem winzigen Dorf am Lake Kootenay in British Columbia betrat. Es gab keine Anrufe mit unterdrückter Nummer auf ihrem neuesten Mobiltelefon, die darauf hindeuteten, dass die Schlinge um ihren Hals sich zuzog.

Sie trank einen großen Becher mit starkem Kaffee, um die spätherbstliche Kälte hier oben im Norden zu bekämpfen, wo die Rocky Mountains schon schneebedeckt waren und die dichten Wolken tief hingen. Sie las ihre E-Mails und hörte ihre Sprachnachrichten ab. Es gab eine Mitteilung von ihrem älteren Bruder Rihad, die sie jedoch ignorierte. Sie würde ihn später anrufen, wenn sie sicher war, dass seine Männer sie nicht aufspüren konnten.

Ein plötzlicher Lufthauch veranlasste sie aufzublicken, und sie bekam eine Gänsehaut, bevor er sich ihr gegenüber an den winzigen Tisch setzte.

„Hallo, Amaya“, sagte er ruhig, aber mit einem triumphierenden Unterton, während sie am liebsten geschrien hätte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig sein würde, dich zu finden.“

Als wäre dies eine zwanglose Verabredung, hier in diesem ruhigen Café in einer einsamen Gegend in Kanada, wo sie sich eigentlich sicher gewähnt hatte. Als wäre er für sie nicht der gefährlichste Mann auf der Welt – dieser Mann, der ihr Leben in Händen hielt, Händen, die Narben hatten und nun lässig auf dem Tisch lagen, während unverhohlener Zorn aus seinen grauen Augen blitzte.

Als hätte sie ihn nicht vor sechs Monaten kurz vor der Hochzeit verlassen – Seine Königliche Hoheit Kavian ibn Zayed al Talaas, Herrscher des Scheichtums Daar Talaas.

Seitdem war sie auf der Flucht. Sie lebte von dem Geld, das sie bei sich trug, und dank ihrer Fähigkeit, keine Spuren zu hinterlassen, sowie eines weltweiten Netzwerks von Freunden und Bekannten, die sie in ihrer Jugend kennengelernt hatte, als sie mit ihrer Mutter durch die Gegend reiste, war sie bisher unbehelligt geblieben.

Sie hatte bei wildfremden Leuten auf dem Boden geschlafen, in unbenutzten Zimmern von Bekannten ihrer Freunde und war kilometerweit in der Dunkelheit gelaufen, um nicht von ihm gefunden zu werden. Auch jetzt wäre sie am liebsten aufgesprungen und weggerannt, doch diesmal würde Kavian sie bekommen.

Bei der Vorstellung erschauerte sie. Sie tat es wieder, als sie bemerkte, wie er daraufhin die sinnlichen Lippen verächtlich verzog. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.

„Anscheinend bist du überrascht“, stellte er fest.

„Natürlich bin ich das“, brachte Amaya mühsam hervor. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Genau wie bei ihrer letzten Begegnung während der arrangierten Verlobung im Palast ihres Bruders im Süden von Kavians Königreich beanspruchte er ihre volle Aufmerksamkeit. „Ich dachte, ich hätte in den letzten sechs Monaten klargestellt, dass ich dich nie wiedersehen will.“

„Du gehörst zu mir“, erklärte er genauso selbstsicher wie bei der Verlobungsfeier im königlichen Palast von Bakrian und ihr wurde noch kälter als damals. „Früher oder später hätte ich dich gefunden, Amaya. Die Frage war nur, wann.“

Sein ruhiger Tonfall stand in krassem Gegensatz zu seiner gefährlichen Aura. Er war unbeschreiblich maskulin, groß und muskulös, was sie als ebenso fremdartig wie faszinierend empfand. Er sah ganz anders aus als die Männer in dieser Gegend, die Bärte hatten und in dicke Jacken gehüllt waren, um der Kälte zu trotzen.

Kavian trug Schwarz – eine schwarze Jacke, deren Reißverschluss geöffnet war, darunter ein gleichfarbiges T-Shirt, das seine breite Brust betonte, eine schwarze Hose und ebensolche Stiefel. Sein dichtes dunkles Haar war kürzer, als sie es in Erinnerung hatte, und betonte seine ungewöhnlich markanten Züge. Die lange, gerade Nase und die hohen Wangenknochen ließen ihn eher wie einen Krieger als wie einen König wirken. Auf jeden Fall wirkte er hier völlig deplatziert, so weit entfernt von Daar Talaas, wo seine Herrschaft genauso natürlich anmutete wie die endlose Wüste und die unwirtlichen Berge.

Ja, er erinnerte sie an die tückische Wüste, in der sie geboren war und wo sie die ersten Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Sie hasste sie, die erbarmungslose Hitze, das grelle Licht und den wehenden Sand, und Amaya sagte sich, dass sie Kavian genauso verabscheute.

„Du bist ziemlich risikofreudig.“

Das sollte sicher kein Kompliment sein, nicht von diesem Mann mit dem strengen, abschätzenden Blick. Er betrachtete sie, als würde er nach Schwächen suchen, die er ausnutzen konnte.

„Vor zwei Monaten in Prag hätten wir dich fast erwischt.“

„Wohl kaum, denn ich war nie dort.“

Wieder verzog er den Mund verächtlich, woraufhin ihr der Atem stockte. Natürlich wusste Kavian, dass sie log.

„Bist du eigentlich stolz auf dich?“, fragte er nun, und ihr fiel auf, dass er die ganze Zeit regungslos dasaß. „Du hast mit dieser sinnlosen Eskapade unbeschreiblichen Schaden angerichtet. Allein der damit verbundene Skandal könnte zwei Königreiche zu Fall bringen. Trotzdem sitzt du hier in der kanadischen Wildnis, lügst mir ins Gesicht und trinkst einen Latte macchiato, als wüsstest du überhaupt nicht, was Verantwortung heißt.“

Warum trafen seine Worte sie so tief? Sie war die Halbschwester des Königs von Bakri, das stimmte. Doch sie war nicht wie eine Prinzessin aufgewachsen. Nach der Scheidung von ihrem Vater, dem früheren König, war ihre Mutter mit ihr durch die Welt gezogen. Sie hatte auf Jachten in Südfrankreich und in Miami gelebt, in Künstlerkommunen in Taos, Neumexiko und auf Bali. In Metropolen, in denen die Reichen und Berühmten exklusive Penthouses und Hotelsuiten bewohnten, oder in rustikaler Umgebung auf abgelegenen Ranches.

Elizaveta al Bakri hatte sich treiben lassen, sich in der Bewunderung gesonnt und sich von anderen bezahlen lassen für das Privileg, mit ihr, der Exfrau eines Königs, zu verkehren. Irgendwann war Amaya klar geworden, dass es für ihre Mutter der Ersatz für die Liebe war, die sie von ihrem Vater nie bekommen hatte.

Dass sie überhaupt in ihr Geburtsland zurückgekehrt war, hatte eine tiefe Kluft zwischen ihre Mutter und sie getrieben. Nach dem Tod ihres Vaters hatte Rihad sie mit seinem Gerede von ihrem Geburtsrecht dazu breitgeschlagen. Seit der Beisetzung des alten Königs zeigte Elizaveta ihr die kalte Schulter, weil sie durch ihre Teilnahme Verrat an ihr begangen hätte.

Amaya war davon überzeugt, dass ihre Mutter ihren verlorenen König immer noch liebte und sich nur einredete, dass sie ihn hasste. Es hatte jedoch keinen Sinn, sich den Kopf über ihre komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter zu zerbrechen, geschweige denn über die noch kompliziertere Einstellung ihrer Mutter zu Gefühlen.

„Du redest von den Verpflichtungen meines Bruders“, erklärte Amaya, während sie Kavians durchdringendem Blick tapfer standhielt, „nicht von meinen.“

„Vor sechs Monaten wollte ich Geduld mit dir haben“, sagte er leise. „Mir war klar, wie du aufgewachsen warst – ohne Bezug zu deinen Wurzeln und deiner Kultur und immer auf der Flucht. Ich wusste, dass diese Verbindung eine Herausforderung für dich darstellen würde. Damals war ich bereit, mich diesen Herausforderungen zu stellen.“

Die Welt schien unter seinem gefährlichen Blick zusammenzuschrumpfen. Er ging ihr unter die Haut und brannte in ihr wie eine Flamme, die sie nicht auslöschen konnte. Er verbrannte sie.

„Wir rücksichtsvoll von dir“, erwiderte Amaya matt. „Komisch nur, dass du damals nichts davon erwähnt hast. Du warst zu sehr damit beschäftigt, alles mit meinem Bruder zu arrangieren und Pressemitteilungen abzugeben. Ich habe auf meiner eigenen Verlobungsfeier nur eine Statistenrolle gespielt.“

„Bist du etwa genauso eitel wie deine Mutter?“, fragte Kavian in so hartem Tonfall, dass es ihr schien, als hätte er ihr einen Schlag versetzt. „Das ist sehr schade, denn in der Wüste wird man auf das reduziert, was man wirklich ist, egal, ob man bereit ist, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen oder nicht.“

Irgendetwas flackerte in seinen Augen auf, doch sie wollte gar nicht wissen, was es war. Sie wollte sich nicht vorstellen, wer er wirklich war.

„Du malst wirklich ein schönes Bild“, konterte Amaya. Warum fühlte sie sich in seiner Nähe wie gelähmt? So war es auch damals, vor sechs Monaten gewesen, aber sie weigerte sich, daran jetzt zu denken. „Wer würde nicht sofort in die Wüste reisen wollen, um auf diese Art und Weise zu sich selbst zu finden?“

Kavian sprang so abrupt auf, dass ihre Schläfen zu pochen begannen. Ehe sie sich’s versah, nahm er ihre Hand und zog Amaya ebenfalls hoch, und sie versuchte nicht einmal, sich zu wehren. Seine Finger fühlten sich rau an, kräftig und warm, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Wieder einmal war sie diesem Mann viel zu nahe. Diesem Fremden, den sie nicht heiraten konnte und wollte.

Diesem Mann, an den sie nicht denken konnte, ohne dass tief in ihr ein Feuer loderte.

„Lass mich los“, flüsterte sie.

„Und was machst du, wenn ich es nicht tue?“

Seine tiefe Stimme schien in ihr widerzuhallen. Sein Teint war dunkel, und er strahlte eine brennende Hitze aus. Er war jeder Zoll ein Krieger, denn er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, sich in Kriegskunst zu üben. Amaya reichte ihm nur bis zur Schulter. Sie sah die helle Narbe an seinem Hals und wollte sich nicht vorstellen, wie er sie sich zugezogen hatte.

Dieser Mann war eine Kampfmaschine. „Kavian repräsentiert die alte Schule, und zwar in jeder Hinsicht“, hatte ihr Bruder gesagt. Ihr war allerdings nicht klar gewesen, wie sie darauf reagieren würde. Sie fühlte sich, als würde sie viel zu nahe an einem Feuer stehen, ohne zu wissen, wann der Wind drehen würde.

Nun zog Kavian sie noch dichter an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Willst du um Hilfe schreien? Und wenn ja, was glaubst du, passiert dann? Ich bin kein zivilisierter Mann, Amaya. Ich lebe nicht nach euren Regeln. Mir ist egal, wer sich mir in den Weg stellt.“

Sein warmer Atem und seine Worte ließen sie erschauern. Vielleicht war es aber auch nur seine Nähe und die Erinnerung, die diese in ihr weckte. Damals hatte sie nichts getan, doch das hatte an der Umgebung gelegen, wie sie sich einredete.

„Ich glaube dir“, antwortete sie ärgerlich mit unterdrückter Stimme. „Allerdings bezweifle ich, dass es dir gleichgültig wäre, wenn in den Nachrichten darüber berichtet würde. Es wäre ein zu großer Skandal.“

„Willst du es herausfinden?“

Abrupt befreite Amaya sich aus seinem Griff und blickte sich hektisch um. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass das Café ungewöhnlich leer war, denn es war früher Nachmittag. Die wenigen Einheimischen, die dort saßen, blickten demonstrativ weg, als hätte jemand es ihnen befohlen oder sie dafür bezahlt. Und dann bemerkte sie die beiden Bodyguards, ebenfalls in Schwarz gekleidet, am Eingang und den dunklen Geländewagen davor.

Sie sah wieder Kavian an. „Wie lange folgst du mir schon?“

Seine dunklen Augen funkelten. „Seit wir dich vor zehn Tagen in Mont-Tremblant aufgespürt haben. Du hättest nicht dorthin zurückkehren sollen.“

Amaya krauste die Stirn. „Ich war nur drei Tage da.“

„Mont-Tremblant war einer der Lieblingsorte deiner Mutter, als sie die Winter lieber im Schnee verbracht hat. Wahrscheinlich hast du deswegen auch in Montreal studiert. Ich habe immer geahnt, dass du dahin gehst, wenn du an einen der Orte zurückkehrst, an die deine Mutter dich geschleift hat.“

„Wie lange stellst du schon Nachforschungen über mich an?“, stieß sie hervor, woraufhin er ihr ein Lächeln schenkte, das sie an ihrem Verstand zweifeln ließ.

„Ich glaube, du bist noch nicht bereit, das zu hören.“ Nun verriet der Blick seiner grauen Augen noch etwas anderes. „Nicht hier und nicht jetzt.“

„Doch, ich habe ein Recht darauf, das zu erfahren, damit ich mich darauf einstellen kann.“

Fast hätte er gelacht. „Du hast ein Recht darauf, von mir über die Schulter geworfen und von hier weggebracht zu werden.“ Sein rauer Unterton schockierte sie, denn bisher hatte sie Kavian immer nur unnatürlich ruhig und sehr eindringlich sprechen hören. „Mach keinen Fehler. Ich habe schon vor sechs Monaten die Geduld verloren, Amaya.“

„Du drohst mir und wunderst dich dann, dass ich weggelaufen bin?“

„Warum du das getan hast, interessiert mich nicht“, erwiderte Kavian ungerührt. „Du kannst entweder selbst einsteigen, oder ich verfrachte dich in den Wagen.“

„Ich verstehe das nicht.“ Sie machte keinen Hehl aus ihrer Bitterkeit darüber, dass sie vor sechs Monaten in diese Falle gegangen war, und ihrer Angst davor, nie wieder herauszukommen. „Du hättest jede Frau zur Königin haben können. Sicher träumen Millionen davon. Du hättest auch ohne mich eine Allianz mit dem Land meines Bruders bilden können.“

Wieder lächelte er ebenso bezwingend wie gefährlich, und es schien ihr, als würde er alles damit verändern.

„Aber ich will dich“, erklärte er selbstsicher. „Es läuft also auf dasselbe hinaus.“

Einen Moment lang glaubte Kavian, Amaya würde fliehen, und die ungezähmte, dunkle Seite in ihm wünschte, sie würde es versuchen. Er gehörte nicht zu den westlichen Männern, die nichts sagend und schwach waren, sondern war zu einem Kämpfer erzogen worden. An seinen Händen klebte Blut, denn er hatte Verräter und Rebellen niedergeschlagen. Er hatte sich zu dem gemacht, was er am meisten hasste, denn es war ein notwendiges Übel gewesen, eine Last, die er zum Wohl seines Volkes auf sich zu nehmen bereit gewesen war. Vielleicht verkörperte er selbst das Böse, aber das waren Fragen für eine rastlose Seele, eine lange, dunkle Nacht. Er war noch nie ein guter Mensch gewesen, nur ein entschlossener.

Er würde Amaya nicht nur überall aufspüren, sondern es auch genießen.

Offenbar sah sie es ihm an, denn plötzlich wurde sie blass, seine Prinzessin auf der Flucht, die sich genau dadurch als würdige Königin erwiesen hatte. Die Königin, die er brauchte.

„Lauf ruhig weg“, forderte er sie auf. „Dann siehst du, was passiert.“ Er wusste nicht, was er erwartete, aber es war nicht das trotzige Funkeln in ihren Augen oder ihre angriffslustige Haltung, als würde Amaya mit dem Gedanken spielen, ihm in der Öffentlichkeit einen Kinnhaken zu verpassen. Auch das wäre ihm recht, wenn sie ihn nur berührte.

Amaya war außergewöhnlich hübsch, so hübsch, dass man sie eigentlich behüten und anbeten musste. Genau das hätte er auch getan. Dass sie auch so war – dass sie sich so lange vor ihm hatte verstecken können und ihm die Stirn bot, was viele Männer nicht gewagt hatten –, machte ihn beinah … wütend.

Doch vielleicht war das nicht das richtige Wort. Er reagierte auf sie. Wahrscheinlich bewunderte er sie. Wenn er sie zähmen konnte, würde sie eine würdige Königin werden. Er bezweifelte nicht, dass er es irgendwann schaffen würde.

Hatte er nicht bisher alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte, so gefährlich es auch sein mochte? Was war schon eine Frau im Vergleich zu einem Thron, den er zurückerobert, einer Familie, die er gerächt hatte? Auch wenn es diese Frau war. Ja, es gefiel ihm. Je zorniger sie ihn machte, desto mehr mochte er sie.

Ihre Schönheit hatte ihn von Anfang an überrascht, und seine erste Ahnung, dass er auch ein ganz normaler Mann war, der von denselben Sünden zu Fall gebracht werden konnte wie alle anderen. Es war keine besonders schöne Erkenntnis gewesen. Nur zu gut erinnerte Kavian sich an jenes Treffen mit Rihad al Bakri, dem anderen Mann, der zu der Zeit noch nicht der Herrscher, sondern nur der Thronfolger von Bakrian gewesen war.

„Sie wollen eine Allianz“, hatte er gesagt, als man Rihad in den prunkvollen Thronsaal in der alten Stadt Daar Talaas führte, die aus dem Fels gehauen war und jahrhundertelang als Festung gedient hatte.

„Das stimmt.“

„Und inwiefern kann ich von einem solchen Bündnis profitieren?“

Dann sprach Rihad ausführlich über Politik und drohende Kriege in ihrem Teil der Erde. Und er hatte recht. Die Großmächte um sie her zwangen ihnen durch ihre Machtgier die Herrschaft auf und drohten ihnen anderenfalls mit Raketenangriffen.

„Und ich habe eine Schwester“, fügte er schließlich hinzu.

„Viele Männer haben Schwestern, und nicht alle haben Königreiche, die bedroht sind und militärische Unterstützung brauchen.“

Denn Daar Talaas wurde zwar nicht so unterstützt wie viele seiner Nachbarstaaten und verfügte auch über keine besonders große Armee, war aber seit der Zeit des letzten ottomanischen Sultanats im fünfzehnten Jahrhundert nicht mehr besiegt worden.

„Sie scheinen jemand zu sein, der in Traditionen verhaftet ist.“ Rihad zuckte die Schultern, betrachtete ihn allerdings forschend. „Es gibt sicher keinen besseren Weg, zwei Familien oder zwei Länder miteinander zu vereinen.“

„Sagt der Mann, der nicht angeboten hat, meine Schwester zu heiraten“, erwiderte Kavian. „Obwohl sein Königreich vom Untergang bedroht ist.“

Rihad wies ihn nicht darauf hin, dass er keine Schwester hatte und seine Brüder in dem blutigen Staatsstreich seines Vorgängers ums Leben gekommen waren. Stattdessen überreichte er ihm ein Tablet und startete ein Video.

„Meine Schwester“, sagte er nur.

Natürlich war sie hübsch. Doch Kavian war sein ganzes Leben lang von Schönheiten umgeben gewesen und besaß einen großen Harem. Diese Frau war allerdings etwas Besonderes. Es waren ihr perfektes ovales Gesicht und ihre vollen, sinnlichen Lippen, während sie mit Rihad sprach, und das alles andere als folgsam, sondern geradezu herausfordernd.

Es waren ihr dichtes, glänzendes schwarzes Haar, das sie zu einem seitlichen Zopf geflochten hatte, und ihr weißes Top, das einen faszinierenden Kontrast zu ihrem dunklen Teint bildete und erahnen ließ, dass sie wenig Wert auf ihr Äußeres legte. Es waren die sprühende Energie und das Strahlen in ihren leicht schräg gestellten Augen, ihre dichten dunklen Wimpern, die einen Mann veranlassten, näher hinzusehen.

Und es waren ihre Worte und ihre leicht heisere Stimme mit einem Akzent, den er nicht einordnen konnte, ihre lebhafte Mimik und ihre ebensolchen Gesten, denn bei den Frauen, die er kannte, war alles einstudiert. Sie redete so schnell, so leidenschaftlich, dass er sich wider Willen für sie interessierte. Und ihr klares Lachen zum Schluss ließ ihn nach mehr dürsten – nach viel mehr.

„Lass mich raten“, sagte sie ironisch. „Der mächtige König von Bakri ist kein Harry-Potter-Fan.“

Ihm wurde schwindelig, und er musste sich ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht mit ihm sprach, sondern mit ihrem Bruder. Sie infizierte ihn wie mit einem Virus, der alles auslöschte und ihn nur eins denken ließ: Sie gehört mir.

Doch als das Video zu Ende war, hatte er Rihad nur ausdruckslos angelächelt. „Ich weiß nicht, ob ich momentan eine Frau brauche.“ Dann hatten die Verhandlungen begonnen.

Nie hätte er damals für möglich gehalten, dass es ihn hierher führen würde, in dieses unwirtliche Land mit den hohen Kiefern, so hoch im Norden, dass die Kälte des Winters ihn förmlich durchdrang. Er bewunderte Amayas trotzige Haltung. Genau diese machte sie zur perfekten Königin. Er brauchte allerdings auch eine Frau, die ihm gehorchte.

Männer wie sein Vater hatten diese Bedürfnisse gestillt, indem sie sich mehr als eine Frau nahmen – eine für jede erforderliche Rolle. Doch er würde nicht dieselben Fehler begehen. Kavian war davon überzeugt, dass er all diese Eigenschaften bei einer Frau finden würde. Bei dieser Frau.

„Hör mir zu“, sagte Amaya nun, die Hände immer noch in die Hüften gestemmt. „Hättest du das auch damals getan, wäre all das nicht passiert.“

„Das mache ich doch.“ Er hatte es damals in Bakri getan oder es zumindest vorgehabt, und dann war sie weggelaufen. Was für einen Sinn hatte es also, ihr weiter zuzuhören? Ihr Verhalten sagte alles. „Wenn ich dir das nächste Mal mein Ohr leihe, dann in der alten Stadt, in der du in alle Richtungen laufen kannst und nur die Wüste und meine Männer findest. Ich werde dir immer meine Aufmerksamkeit zuwenden, wenn ich muss. Es wird allerdings immer gleich enden, nämlich als sinnloses Unterfangen.“

2. KAPITEL

Dann wandte Kavian sich um und ging zur Tür, wohl wissend, dass alle Ausgänge von seinen Männern bewacht wurden. Das wilde Tier in ihm hoffte, Amaya würde tatsächlich die Flucht ergreifen.

„Wir fahren, Amaya. Wenn du möchtest, dass ich dich zwinge, tue ich das gern. Ich komme nicht aus deiner Welt. Ich folge nur meinen eigenen Regeln.“

Nachdem er die Tür aufgerissen und die Eiseskälte hereingelassen hatte, nickte er den Männern zu. Dann blickte er zurück zu der Frau, der nicht bewusst zu sein schien, dass sie die ganze Zeit ihm gehört hatte. Dass sie mit allem, was sie tat, nur hinauszögerte, was von jeher so sicher gewesen war wie der Lauf der Sonne. So sicher, wie er seinen mörderischen Feind besiegt hatte, um sich den Thron zurückzuholen.

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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