In deinem betörenden Bann

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Sie wollte ihn. Es gab kein Leugnen mehr. Die Versuchung war stärker als sie. Die Versuchung, Ja zu sagen. Ja zu allem, was er ihr anbot. Die Versuchung, einfach die Hand auszustrecken und sich von hier fortführen zu lassen, wohin auch immer er wollte …Abend für Abend tritt Sarah als sexy Nachtclubsängerin auf. Natürlich nur vorübergehend, um ihren Traum von der Opernkarriere zu verwirklichen! Die Avancen der Männer im Publikum ignoriert sie - bis sie Bastiaan Karavalas trifft. Vergebens wehrt sie sich gegen das Verlangen, das der attraktive Millionär in ihr weckt. Und nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht muss sie sich eingestehen, dass sie ihr Herz an ihn verloren hat. Dabei lässt er sie doch sofort fallen, wenn er merkt, dass sie nicht die aufregende Femme fatale ist, für die er sie hält!


  • Erscheinungstag 14.02.2017
  • Bandnummer 2270
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708092
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Und du bist schuld.“ Bastiaans Tante versuchte zu lachen, aber ihre Lippen zitterten. „Schließlich warst du es, der vorgeschlagen hat, dass Philip nach Cap Pierre fährt.“

„Ich dachte, es würde ihm helfen, eine Weile dort in meinem Haus zu wohnen. Ich wollte ihn aus der Schusslinie schaffen, damit er seine Semesterarbeit in Ruhe beenden kann“, verteidigte sich Bastiaan.

Seine Tante seufzte. „Leider Gottes ist er stattdessen vom Regen in die Traufe geraten. Er ist vielleicht Elena Constantis entkommen, aber diese Frau in Frankreich scheint noch viel schlimmer zu sein.“

Bastiaan seufzte. „Leider wird es immer Frauen wie sie geben, die es auf Philip abgesehen haben, ganz gleich, wo er sich aufhält.“

„Wenn er nur nicht so gutmütig wäre! Schade, dass er nicht wenigstens ein bisschen von deiner … Härte besitzt.“ Sie betrachtete ihren Neffen nachdenklich.

„Ich werte das als Kompliment“, erwiderte Bastiaan trocken. „Aber keine Sorge, mit der Zeit wird Philip härter werden.“ Er hatte keine Wahl, genauso wenig, wie Bastiaan sie gehabt hatte.

„Er ist so leicht zu beeindrucken!“, rief seine Tante. „Und so gut aussehend. Kein Wunder, dass sich diese schrecklichen Mädchen alle auf ihn stürzen.“

Und vor allem ist er so reich, ergänzte Bastiaan zynisch – aber im Stillen. Es hatte keinen Sinn, seine Tante noch mehr aufzuregen. In wenigen Monaten würde Philip über ein gewaltiges Vermögen verfügen. An seinem einundzwanzigsten Geburtstag fiel das Erbe seines verstorbenen Vaters an ihn, und dieser Besitz würde weitaus berechnendere Frauen anlocken als nur maßlos verwöhnte Prinzesschen wie Elena Constantis. Die wahre Gefahr drohte von einer ganz anderen Art Frauen.

Und zwar von geldgierigen Frauen, die nur einen Blick auf seinen jungen, attraktiven, schnell zu beeindruckenden und bald sehr reichen Cousin werfen mussten, um zu wissen, dass er leichte Beute für sie war.

Genau das war im Moment das Problem. Die Erste dieser Art hatte ihn anscheinend schon an der Angel. Bastiaan hatte von seiner Haushälterin auf Cap Pierre erfahren, dass Philip alles andere im Kopf hatte, als fleißig an seinen Arbeiten zu sitzen. Er hatte Gefallen daran gefunden, in Pierre-les-Pins herumzustromern, dem nächstgelegenen Ort.

Mehr als das Städtchen selbst faszinierte ihn allerdings der dortige Nachtclub und – noch weniger wünschenswert – vor allem eine der Angestellten.

„Eine Nachtclubsängerin“, jammerte die Tante jetzt. „Ich kann nicht glauben, dass Philip sich in so eine Frau verliebt hat!“

„Ja, wirklich abgedroschen“, stimmte Bastiaan zu.

„Abgedroschen? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Bastiaan?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich könnte noch eine ganze Menge mehr dazu sagen – aber, was würde das bringen?“ Bastiaan stand auf. Mit seinen eins neunzig war er von beeindruckender Größe und zudem athletisch gebaut. „Keine Sorge …“, sagte er in beruhigendem Tonfall, „… ich werde mich darum kümmern. Ich lasse nicht zu, dass Philip ausgenutzt wird.“

Seine Tante stand ebenfalls auf. Sie griff nach seinem Arm. „Danke, Bastiaan. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Ihre Augen glänzten verdächtig. „Gib gut acht auf meinen Liebling. Er hat keinen Vater mehr, der auf ihn aufpassen kann.“

Er drückte seiner Tante mitfühlend die Hand. Sein Onkel war einem Herzleiden erlegen, als Philip gerade sein Studium begonnen hatte, und Bastiaan wusste, wie sehr der Tod ihres Mannes die Tante getroffen hatte. Und er konnte sich nur allzu gut daran erinnern, wie hart es war, so früh den Vater zu verlieren. Er war nicht viel älter als sein Cousin gewesen, als sein eigener Vater gestorben war.

„Ich passe auf Philip auf, das verspreche ich dir“, versicherte er seiner Tante, während er sie zu ihrem Wagen begleitete. Er blieb stehen, winkte noch einmal und sah ihr nach. Erst als sie sein Anwesen in einem wohlhabenden Athener Vorort verlassen hatte, ging er zurück ins Haus.

Die Sorge seiner Tante war nicht unbegründet. Bis zu Philips einundzwanzigstem Geburtstag war Bastiaan sein Vormund. Er verwaltete das Vermögen, während Philip für seine persönlichen Ausgaben einen mehr als großzügigen Unterhalt bezog.

Normalerweise warf Bastiaan nur hin und wieder einen Blick auf die Ausgaben. Doch in der vergangenen Woche hatte Philip zwanzigtausend Euro auf ein unbekanntes Konto einer Bank in Nizza überwiesen. Es gab keinen vernünftigen Grund für so eine Transaktion – jedenfalls fiel Bastiaan keiner ein.

Es gab für ihn nur eine Erklärung: Diese Nachtclubsängerin, die seinem Cousin schöne Augen machte, war schon dabei, ihre Beute auszunehmen …

Je eher Bastiaan sie loswurde, desto besser. Er seufzte und ging in sein Arbeitszimmer. Wenn er morgen nach Frankreich fliegen wollte, hatte er noch jede Menge Arbeit zu erledigen. Ein Unternehmen wie Karavalas florierte nicht von selbst.

Während er sich an den Schreibtisch setzte und den Computer einschaltete, dachte er noch einmal an das Gespräch mit seiner Tante. Er hatte ihr versichert, dass sein Cousin mit der Zeit härter werden würde – und aus eigener Erfahrung wusste er, dass es stimmte.

Nachdem sein Vater gestorben war, hatte Bastiaan versucht, seine Trauer mit ausschweifenden Partys zu betäuben. Aber die wilde Zeit hatte ein abruptes Ende gefunden.

Eines Abends hatte er wieder einmal literweise Champagner in einem Casino bestellt und mit seinem Geld nur so um sich geworfen. Eine wunderschöne Frau setzte sich zu ihm – Leana. Mit seinen dreiundzwanzig Jahren nahm Bastiaan nur allzu gern an, was sie ihm anbot – ihren verführerischen Körper in seinem Bett mit eingeschlossen. Als sie ihm irgendeine rührselige Geschichte erzählte, warum sie bei dem Casino tief in der Kreide stand, glaubte er ihr jedes Wort. Ohne dass sie ihn fragen musste, stellte er der wunderschönen Frau, die scheinbar so von ihm angetan war, einen großzügigen Scheck aus, damit sie ihre Schulden bezahlen konnte.

Am Tag, an dem der Scheck gutgeschrieben wurde, verschwand sie auf Nimmerwiedersehen – mit einer Jacht, hatte er später gehört, und einem siebzigjährigen mexikanischen Millionär. Er war nach allen Regeln der Kunst ausgenommen worden.

Es hatte wehgetan, das konnte er nicht leugnen, aber damals hatte er seine Lektion gelernt. Gut, eine sehr kostspielige Lektion, aber wirksam.

Er wollte nicht, dass Philip es auf dieselbe Weise lernen musste. Leana hatte nicht nur ein kleines Vermögen von ihm erschlichen, sie hatte seinem jugendlichen Selbstbewusstsein zudem einen schmerzhaften Dämpfer versetzt. Auch wenn er daran gewachsen war.

Aber anders als Bastiaan war Philip ein Romantiker. Und eine betrügerische Verführerin würde ihm und seinem Selbstwertgefühl mehr Schaden zufügen als seinem Portemonnaie. Doch das würde Bastiaan nicht zulassen.

Nach seiner Erfahrung mit Leana kannte er die Tricks der Frauen, und jetzt, in seinen Dreißigern, betrachtete er ihre scheinbare Zuneigung mit Misstrauen. Seine Augen unter den dunklen Brauen wurden hart. Das würde diese geldgierige Nachtclubsängerin bald am eigenen Leib erfahren.

Sarah stand regungslos im Scheinwerferlicht, während vor der Bühne die Zuschauer an ihren Tischen saßen, sich unterhielten, aßen und tranken.

Ich bin nur hier, um die Gäste zu unterhalten, sagte sie sich – nicht mehr als Hintergrundmusik. Sie nickte Max am Klavier zu, und er spielte die ersten Takte ihrer Nummer. Als sie Luft holte und zu singen begann, hoben sich ihre Brüste. Sie war sich nur allzu bewusst, wie tief ausgeschnitten das Mieder ihres champagnerfarbenen Satinkleids war. Ihr langes Haar fiel über eine nackte Schulter. Das typische Vamp-Image, dachte Sarah zynisch – die sexy Nachtclubsängerin mit ihrem hautengen, aufreizenden Kleid, der dunklen Stimme, den stark geschminkten Augen und den langen blonden Locken.

Aber genau das war ihr Job, oder nicht? Sabine Sablon, die festangestellte Sängerin des Clubs, war ohne Vorwarnung mit einem reichen Kunden verschwunden, und Sarah sprang für sie ein. Es war nicht ihre Idee gewesen, in Sabines Rolle zu schlüpfen, aber der Besitzer des Clubs hatte ihr keine Wahl gelassen. Nur wenn sie für die fehlende Sängerin einsprang, durfte Max tagsüber den Raum und das Klavier nutzen. Und ohne Proberaum und Klavier konnten sie nicht proben … und ohne Proben konnten sie nicht auf dem Provence en Voix-Musikfestival auftreten. Und das Festival war ihre Chance.

Meine letzte Chance, korrigierte sie sich. Die letzte Chance, ihren Traum zu verwirklichen.

Ihren Traum, mehr als eine der unzähligen namenlosen Sopranistinnen zu sein, die die Opernwelt bevölkerten. Eine verzweifelter als die andere, versuchten sie, ihr Können unter Beweis zu stellen. Wenn sie jetzt keinen Erfolg hatte, musste sie sich von dem Traum verabschieden, der sie seit ihrer Teenagerzeit und durch die Jahre auf der Musikschule begleitet hatte.

Sie hatte mit aller Kraft versucht, sich in der harten, extrem konkurrenzbetonten Musikwelt zu behaupten, doch die Zeit arbeitete gegen sie. Inzwischen ging sie auf die dreißig zu, und massenhaft jüngere Sängerinnen folgten nach. Jetzt hing alles von diesem letzten Versuch ab – und wenn sie scheiterte … nun, dann würde sie sich geschlagen geben und sich dem Unterrichten zuwenden.

So verdiente sie ihren Lebensunterhalt, mit einem Teilzeitjob an einer Schule in ihrer Heimatstadt Yorkshire. Doch die Arbeit erfüllte sie nicht. Sie sehnte sich nach der Aufregung und der Freude, vor einem Publikum zu singen.

Darum würde sie sich noch nicht von ihren Träumen verabschieden. Nicht, bevor sie nicht alles bei dem Musikfestival gegeben hatte. Sie wusste, sie ging mit ihrer Musikwahl ein Risiko ein: eine neue Oper, geschrieben von einem unbekannten Komponisten, gesungen von einer ebenso unbekannten Sopranistin, und das Ganze inszeniert mit einem äußerst geringen Budget. Einem Budget, das ihr fast schon fanatischer Dirigent Max bis zum Äußersten gestreckt hatte. Er sparte an allen Ecken und Enden, und dazu gehörte auch der Proberaum.

Und aus diesem Grund stand sie nun jeden Abend bis auf sonntags widerwillig als Sabine Sablon am Mikrofon und zog die Blicke der Männer auf sich. Die Figur war meilenweit von ihrem wahren Ich entfernt. Max konnte ihr noch so oft sagen, dass sie den Job nutzen konnte, um sich besser in ihre Rollen einzufühlen, zum Beispiel in die Kurtisane Violetta aus La Traviata. Aber auf einer Opernbühne wäre eindeutig, dass es sich nur um eine Inszenierung handelte. Hier dagegen dachte jeder, der sie anschaute, sie wäre wirklich Sabine Sablon.

Sarah erschauerte. Großer Gott, wenn irgendjemand aus der Opernszene herausfand, dass sie hier sang, wäre ihr Ruf gründlich ruiniert. Keiner würde sie je wieder ernst nehmen, nicht für eine Sekunde.

Und mit ihrer Rolle in Antons Oper Die Kriegsbraut hatte die Violetta sowieso nichts gemeinsam. Die Kriegsbraut war ein junges Mädchen, das sich in einen schneidigen Soldaten verliebte. Eine stürmische Romanze folgte, Heirat, Rückkehr zur Front – und dann die gefürchteten Neuigkeiten vom Tod ihres frischgebackenen Ehemannes. Ein gebrochenes Herz und ein Kind, das den Platz seines Vaters in einem neuen Krieg einnahm …

Die einfache, brutale und zeitlose Geschichte hatte Sarah vom ersten Augenblick an gefesselt. Wie mag es sich anfühlen, sich Hals über Kopf zu verlieben, so sehr zu leiden? hatte sie überlegt, als sie sich zum ersten Mal mit der Rolle auseinandersetzte. Sie kannte beides nicht – weder sich mit Haut und Haaren zu verlieben noch ein gebrochenes Herz. Ihre einzige ernsthafte Beziehung war im letzten Jahr zu Ende gegangen, als Andrew, ein Cellist, einen Platz in einem berühmten Orchester in Deutschland bekommen hatte.

Sie war so froh gewesen, dass er den Durchbruch geschafft hatte – sie hatte nicht einmal daran gedacht, ihn zurückzuhalten. Ihnen war von Anfang an klar gewesen, dass die Karriere immer vorgehen würde. Vielleicht war das ein Grund, aus dem sie beide sich nie wirklich auf die Beziehung eingelassen hatten. Vor allem Freundschaft und Zuneigung hatten sie verbunden, ihre gemeinsame Leidenschaft galt mehr der Musik als einander.

Doch das bedeutete, dass sie ihre gesamte Fantasie brauchte, um die Rolle der Kriegsbraut überzeugend darzustellen. Jetzt hatte sie das Ende ihres Lieds erreicht. Spärlicher Applaus ertönte. Sie neigte dankend den Kopf und verlagerte das Gewicht auf den hochhackigen Schuhen von einem Fuß auf den anderen. Als sie wieder aufschaute, erfüllte sie plötzlich eine Art Vorahnung, ein seltsames Gefühl, als würde sie beobachtet. Sie hörte, wie Max die ersten Akkorde des nächsten Songs spielte, aber sie ignorierte ihn und ließ den Blick durch den Zuschauerraum schweifen. Max wiederholte die Takte und schaute zu ihr. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie er die Stirn runzelte, aber ihre Aufmerksamkeit galt nicht ihm oder dem Lied, sondern dem Publikum in dem halbdunklen Club.

All ihre Sinne waren in Aufruhr. Jemand starrte sie an, ein Mann am hinteren Ende des Raums.

Einen Augenblick vorher war er noch nicht da gewesen, er musste gerade hereingekommen sein. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das seltsame Gefühl zu verdrängen. Männer starrten sie ständig an, und im Publikum herrschte immer ein Kommen und Gehen – allein schon wegen der Kellner. Bis jetzt hatte sie das nie gestört, aber irgendetwas an diesem Mann war anders.

Sie hätte ihn gern deutlicher gesehen, doch das Licht war zu dunkel, und er stand zu weit entfernt. Alles, was sie erkennen konnte, war, dass er einen Smoking trug und ungewöhnlich groß war.

Inzwischen spielte Max das Intro zum dritten Mal, und Sarah wusste, sie musste jetzt singen. Nicht nur, weil sie spürte, wie ungeduldig Max war, sondern weil sie plötzlich unbedingt irgendetwas tun wollte, außer nur den Blicken ausgeliefert im Scheinwerferlicht zu stehen. Sie war sich bewusst, dass jede Kurve ihres Körpers durch das enge, dünne Kleid betont wurde.

Als sie einsetzte, klang ihre Stimme heiserer als je zuvor. Sie senkte die langen künstlichen Wimpern, um ihre Augen zu verbergen. Während sie versuchte, diese fast körperlich spürbaren Blicke auszublenden, zwang sie sich, weiterzusingen.

Sie riss sich zusammen, irgendwie schaffte sie es, fortzufahren. Nach einigen Liedern kam es ihr plötzlich vor, als würde eine Art Druck von ihr abfallen, und nachdem sie den letzten Song beendet hatte, atmete sie erleichtert auf. Während sie die Bühne verließ, setzte leise Musik aus den Boxen ein.

Einer der Kellner kam auf sie zu: „Sarah, an der Bar steht ein Mann, der dir gern einen Drink spendieren würde.“

Sie verzog das Gesicht. So etwas kam öfter vor, aber sie lehnte die Einladungen immer ab.

Der Kellner hielt einen Hunderteuroschein hoch und hob eine Braue. „Er scheint sehr interessiert zu sein.“

„Nun, das Interesse ist einseitig“, erwiderte sie. „Gib ihm am besten das Geld zurück“, ergänzte sie. „Ich möchte nicht, dass er denkt, ich hätte es eingesteckt und würde dann nicht auftauchen.“

Jetzt trat Max zu ihnen. Offenbar hatte er mitbekommen, worum es ging. „Für Männerbekanntschaften hast du keine Zeit.“

Sarah verdrehte die Augen. „Als ob ich sonst Ja sagen würde.“ Einen Moment lang schoss ihr durch den Kopf, ob die Einladung etwas mit der halb verborgenen Gestalt und ihren verstörenden Blicken zu tun haben mochte, aber dann tat sie den Gedanken als absurd ab. Und selbst wenn es so wäre, konnte ihr das ganz egal sein. Sie wollte jetzt nur noch dieses Kleid ausziehen, nach Hause gehen und ins Bett fallen. Max begann jeden Morgen pünktlich mit den Proben für die Oper, und sie brauchte ihren Schlaf.

Gerade als sie sich in ihrer Garderobe auf den Stuhl fallen ließ, die hochhackigen Schuhe von den Füßen schleuderte und die schmerzenden Zehen bewegte, klopfte es einmal kurz an der Tür. Sie konnte gerade noch fragen: „Wer ist da?“, bevor sich die Tür öffnete.

In der Annahme, es handle sich um Max, der ihr etwas Dringendes mitteilen wollte, schaute sie auf. Stattdessen stand dort ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte.

Und seine Erscheinung raubte ihr den Atem.

2. KAPITEL

Bastiaan nahm den Anblick der Frau in sich auf, die vor dem großen Spiegel saß. Sie hatte das Licht der Glühbirnen um den Spiegel im Rücken, ebenso wie vorhin auf der Bühne das Scheinwerferlicht. Ihr Gesicht blieb im Schatten.

Doch das schmälerte ihre Wirkung nicht, sondern unterstrich sie nur. Im Zuschauerraum hatte er bewusst einen Platz am hinteren Ende gewählt. Er wollte sie in aller Ruhe begutachten. Aber er hatte nur einen Augenblick gebraucht, um zu sehen, dass die Sängerin auf der Bühne etwas an sich hatte, das eindeutig eine Gefahr für seinen jungen, leicht zu beeindruckenden Cousin bedeutete.

Verführerisch war das erste Wort, das ihm bei ihrem Anblick in den Sinn kam. In einem tief ausgeschnittenen, hautengen Satinkleid, das ihren geschmeidigen, sinnlichen Körper mehr betonte als verhüllte, hatte sie im Scheinwerferlicht gestanden, die Finger um das Mikrofon geschlossen. Das blonde, wellige Haar fiel ihr über eine nackte Schulter und ließ sie wie einen Vamp aus den Vierzigerjahren aussehen.

Die Lippen waren leuchtend rot geschminkt, die Augen mit schwarzem Kajal umrandet und halb verborgen von langen künstlichen Wimpern. Doch jetzt, aus der Nähe, sah sie sogar noch verführerischer aus.

Kein Wunder, dass Philip hingerissen ist!

Erstaunt bemerkte er, dass ihre Wangen sich unter seinem musternden Blick röteten. Seltsam … dachte er, doch dann sah er, wie ihre Lippen schmal wurden. Sie errötete also nicht vor Verlegenheit. Das war einer Frau wie ihr wahrscheinlich seit der Pubertät nicht mehr passiert. Sie war verärgert.

Warum? fragte er sich. Üblicherweise waren Frauen nicht verärgert, wenn er ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte. Ganz im Gegenteil. Bei dieser Sängerin kam es ihm doppelt ungewöhnlich vor, denn in ihrem Beruf musste sie männliche Bewunderer in ihrer Garderobe gewohnt sein.

Hatte sie seinen Cousin hierhin eingeladen? Bei dem Gedanken stieg Zorn in Bastiaan auf. Wie weit war sie mit ihm gegangen?

Aber ganz gleich, wie weit – er würde dem Ganzen einen Riegel vorschieben. Welche rührselige Geschichte sie seinem Cousin erzählt haben mochte, jetzt war Schluss damit.

Sie sah ihn immer noch an, die scharlachroten Lippen nach wie vor eine schmale Linie. Ihre Augen blitzten auf. „Oui?“, fragte sie spitz.

„Hat der Kellner Ihnen meine Einladung nicht ausgerichtet?“

Sie hob die geschwungenen Brauen. „Das waren Sie?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Es tut mir leid, aber ich nehme keine Einladungen von Gästen des Clubs an.“

Ihr Ton klang herablassend und löste einen erneuten Anflug von Ärger in Bastiaan aus. Er war es nicht gewohnt, dass man geringschätzig mit ihm sprach – erst recht keine Frau. Und bei einer Nachtclubsängerin, deren beruflicher Erfolg von der Anerkennung anderer abhing, war es absolut unangemessen.

Vielleicht hatte sie es nicht länger nötig, ihr Publikum zu umschmeicheln. Wartete etwa schon eine andere, bequemere Geldquelle auf sie? Sein Ärger wuchs, aber er ließ es sich nicht anmerken. Noch nicht. Im Moment hatte er vor, sie zu entwaffnen. Erst danach würde er sie vernichten. „Dann erlauben Sie mir, Sie stattdessen zum Abendessen einzuladen.“ Bewusst verlieh er seiner Stimme den sanften Klang, der ihn bisher immer ans Ziel gebracht hatte.

Sie errötete erneut. Doch diesmal presste sie nicht verärgert die Lippen zusammen. Stattdessen lächelte sie kurz. Nicht mehr als höflich, erkannte Bastiaan. „Vielen Dank, aber nein. Und jetzt …“ Wieder zuckte das schmale Lächeln um ihren Mund, und Bastiaan begriff, dass sie das Gespräch beenden wollte. „Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss mich umziehen.“ Sie sah ihn an und wartete offensichtlich darauf, dass er ging.

Er kümmerte sich nicht darum, sondern hob fragend eine Augenbraue. „Haben Sie schon eine andere Verabredung?“

Etwas zuckte in ihren Augen auf, und sie veränderten die Farbe. Bastiaan hatte angenommen, sie wären grau, aber plötzlich funkelten sie fast grünlich. „Nein“, sagte sie bestimmt. „Aber selbst wenn es so wäre, Monsieur, glaube ich nicht, dass es Sie irgendetwas anginge.“ Sie lächelte noch einmal, doch diesmal weniger höflich.

Falls es sich um meinen Cousin handeln sollte, Mademoiselle, würde es mich allerdings etwas angehen … Wieder ließ Bastiaan sich seinen aufkeimenden Ärger nicht anmerken. „Aber darf ich fragen, warum Sie meine Einladung dann ablehnen?“ Erneut gab er seiner Stimme den verführerischen Klang, der normalerweise so gut bei Frauen ankam. Es war ihm noch nie passiert, dass jemand seine Einladung abgelehnt hatte.

Sie starrte ihn an, das Grün war inzwischen aus ihren Augen verschwunden. Sie blickte ihn auf eine Weise an, wie er noch nie angeschaut worden war. Als könnte sie nicht glauben, was sie sah. Oder hörte.

Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke, doch dann senkte sie die langen Wimpern und verbarg ihre Augen. Sie holte Luft. „Monsieur, zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass ich auch keine Einladungen zum Abendessen von Clubgästen annehme.“ Ihr Ton war nicht länger herablassend, sondern endgültig.

Er ignorierte es. „Ich hatte nicht vor, hier zu essen“, sagte er. „Ich wollte mit Ihnen ins Le Tombleur gehen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte sie überrascht. Le Tombleur war momentan das angesagteste Restaurant an der Côte d’Azur, und Bastiaan war sicher, dass sie sich die Chance nicht entgehen lassen würde. Außerdem hatte er damit klargestellt, dass er über genügend Kapital verfügte, um für sie interessant zu sein. Schließlich wollte sie ihre Zeit bestimmt nicht mit jemandem vergeuden, der nicht mit seinem Cousin mithalten konnte.

Wenn sie wüsste, dass mein Vermögen weitaus größer ist als Philips, hätte sie garantiert längst Ja gesagt, dachte Bastiaan zynisch.

Aber an Philips Geld konnte sie natürlich viel leichter herankommen. Zumindest ging sie wahrscheinlich davon aus. Und wenn sie wirklich vorhatte, sich Philip zu angeln, würde sie vorsichtig sein. Wenn sein Cousin entdeckte, dass sie sich mit anderen Männern traf, könnte sie ihn verlieren.

Ein Gedanke schoss Bastiaan durch den Kopf. Sie war äußerst verführerisch – selbst er konnte ihre Anziehungskraft nicht leugnen. Sollte er sie vielleicht auf diese Weise von Philip fortlocken? Doch er verwarf die Idee sofort wieder. Natürlich würde er sich nicht selbst mit einer Frau wie ihr einlassen.

„Monsieur“, sagte sie nun, jede Silbe betonend, „wie ich bereits sagte, ich muss Ihre sehr … großzügige … Einladung ablehnen.“

War das ein ironischer Unterton gewesen? Ihm kam der Gedanke, dass sie sich eine ganz andere Meinung über ihn gebildet hatte, als er beabsichtigt hatte. Plötzlich betrachtete er sie mit neuem Interesse. Steckte womöglich mehr hinter der Frau, die ihn mit einem seltsamen Ausdruck durch ihre absurd auffälligen künstlichen Wimpern ansah?

Jetzt wirken die Augen wieder mehr grün als grau, stellte er fest – und ärgerte sich sofort, dass er sich durch dieses eigenartige Farbspiel so ablenken ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke erneut, und Bastiaan war, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten.

„Bist du fertig? Können wir gehen?“ Eine Stimme von der Tür her riss ihn aus seinen Gedanken.

Bastiaan sah sich um. Ein junger Mann in einem Abendanzug hatte die Tür aufgestoßen und lehnte im Türrahmen. Seine Worte waren eindeutig an Sabine gerichtet gewesen, aber als er jetzt bemerkte, dass sie nicht allein war, sah er Bastiaan an.

Er runzelte die Stirn und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber Sabine Sablon kam ihm zuvor. „Der Herr wollte gerade gehen“, verkündete sie.

Ihre Stimme klang kühl, doch Bastiaan kannte sich mit Frauen gut genug aus, um zu wissen, dass der Eindruck täuschte. Sie war längst nicht so gelassen, wie sie tat. Und er wusste auch genau, was der Grund dafür war …

Bastiaan empfand eine wohltuende Befriedigung. Oh, diese weltgewandte Nachtclubsängerin mit ihrem hautengen Kleid, dem übertriebenen Make-up und ihrem Vamp-Gehabe! Sie konnte noch so kühl und gelassen tun, aber ein Blitzen in ihren Augen hatte ihm gezeigt, dass ihr vorgetäuschtes Desinteresse an ihm genau das war: vorgetäuscht.

Er betrachtete den Mann an der Tür genauer. Er kam ihm vage bekannt vor. Einen Augenblick später fiel ihm ein, warum. Er war der Pianist, der die Sängerin vorhin begleitet hatte.

Bastiaan ertappte sich dabei, wie er überlegte, ob ihre Vertrautheit auf eine intimere Beziehung schließen ließ, doch dann verwarf er den Gedanken. Männlicher Instinkt sagte ihm, dass die Vorlieben des Pianisten nicht dem weiblichen Geschlecht galten.

Seine Zufriedenheit wuchs, und damit nahm gleichzeitig die Abneigung gegen den Störenfried ab. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Opfer zu. „Dann werde ich mich jetzt verabschieden, Mademoiselle“, sagte er. Er bemühte sich nicht, seine Belustigung zu verbergen, als wäre ihre Zurückweisung nicht mehr als ein kleiner weiblicher Trick, den er genau durchschaute – aber bereit war hinzunehmen. „Bis bald.“ Ohne den Pianisten zu beachten, verließ er die Garderobe.

„Ein Glück, dass du mich gerettet hast“, hörte er hinter sich den Ausruf der Sängerin. In ihrer Stimme lag deutliche Erleichterung, aber auch ein leichtes Zittern. Bastiaans Zufriedenheit wuchs weiter. Das war gut! Ja, sie reagierte auf ihn.

Er verließ den Nachtclub durch den Hinterausgang, wo er sein Auto geparkt hatte. Er stieg in den flachen Sportwagen und startete den Motor.

Ein Glück, dass du mich gerettet hast, hatte sie gesagt, diese berechnende Schlange, die versuchte, seinem Cousin das Geld aus der Tasche zu ziehen. Bastiaan presste die Lippen zusammen und trat das Gaspedal durch, als er auf die Autobahn nach Monaco fuhr. Dort besaß er ein Apartment, in dem er heute die Nacht verbringen würde.

Nun, in dem Punkt irrte sie sich, und zwar gründlich.

Niemand wird dich vor mir retten.

„Gib mir zwei Minuten, dann können wir gehen“, sagte Sarah.

Sie versuchte immer noch, ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, nach außen so kühl und gelassen zu bleiben – aber ihr Instinkt hatte ihr gesagt, dass es lebenswichtig war.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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