In den Armen des sizilianischen Milliardärs

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Augen, so dunkel wie Schokolade und voller Feuer … Als die junge Kristen den sizilianischen Milliardär Sergio Castellano zum ersten Mal seit dem schmerzlichen Ende ihrer Affäre vor vier Jahren wiedertrifft, beginnt ihr Herz verräterisch zu schlagen. Jegliche Ängste und Zweifel sind vergessen, wie im Traum gibt Kristen sich ihrem ehemaligen Geliebten hin. Doch schon nach einer einzigen Nacht in seinen Armen kommt das schreckliche Erwachen. Denn als Sergio entdeckt, dass Kristen ihm ihren gemeinsamen Sohn verschwiegen hat, ist sein Blick plötzlich kalt wie Eis …


  • Erscheinungstag 28.04.2015
  • Bandnummer 2176
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701598
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

GRAFENTOCHTER ANGELT SICH SIZILIANISCHEN MILLIARDÄR!

Die reißerische Schlagzeile des Boulevardblatts sprang Kristen direkt ins Auge, als sie am Kiosk der U-Bahn-Station „Camden Town“ vorbeieilte. Vielleicht war es das Wort sizilianisch, das sie veranlasste, eine der Ausgaben zu kaufen. Wenngleich es ihr nicht in den Sinn kam, dass es tatsächlich um Sergio gehen könnte. Erst als sie sich in der überfüllten Bahn einen Sitzplatz erkämpft hatte und die Zeitschrift aufschlug, sah sie sein Bild. Für ein paar Sekunden hörte ihr Herz auf zu schlagen. Widersprüchliche Gefühle durchströmten sie, als sie den Vater ihres Sohnes auf dem Bild anstarrte. Die Ähnlichkeit zwischen dem dreijährigen Jungen und dem dunkelhäutigen Sizilianer war unverkennbar.

Am liebsten hätte sie die Zeitschrift sofort wieder zugeschlagen, doch ihre Neugier siegte, und ihr Blick wanderte zu der Bildunterschrift.

Lady Felicity Denholm wurde mit ihrem neuen Verlobten gesichtet, dem italienischen Wirtschaftstycoon Sergio Castellano, als das Paar diese Woche dem Londoner Palladium einen Besuch abstattete.

Darunter stand:

Graf Denholm ist höchst erfreut über die bevorstehende Hochzeit seiner jüngsten Tochter mit einem der reichsten Männer Italiens. Die Castellano-Gruppe ist Eigentümer einer internationalen Luxushotelkette. Sergio Castellano leitet den Bereich Immobilienentwicklung, während sein Zwillingsbruder Salvatore das weltberühmte Weingut der Familie auf dem Castellano-Anwesen in Sizilien führt.

Eingezwängt zwischen einem Geschäftsmann mit einer überdimensionalen Aktentasche und einem Teenager mit Rucksack auf dem Rücken schloss Kristen erleichtert die Augen, als die U-Bahn endlich Geschwindigkeit aufnahm. Es wird langsam zur Gewohnheit, durch die Presse von Sergios Heiratsplänen zu erfahren, dachte sie bitter. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie geschockt sie vor vier Jahren gewesen war, nachdem sie von seiner Verlobung mit einer schönen Sizilianerin gelesen hatte – gerade mal zwei Monate nach ihrer Trennung. Offensichtlich hatte die Ehe nicht sonderlich lange gehalten, wenn er nun eine Frau aus dem englischen Adel heiraten wollte.

Auf dem Bild hing Felicity Denholm an Sergios Arm und lächelte triumphierend in die Kamera. Wie ein Raubtier, das gerade fette Beute gemacht hatte. Grimmig verzog Kristen den Mund. Und Sergio sah noch besser aus als früher. Sein schwarzer Smoking betonte die breiten Schultern und den muskulösen Körper. Doch es war sein Gesicht, das Kristen fesselte. Er schien abgenommen zu haben. Seine sonst perfekte markante Kinnpartie wirkte irgendwie härter. Und obwohl er lächelte, wirkte sein Gesichtsausdruck sehr ernst.

Er war ein Mann, der wusste, was er wollte. Jemand, der seine Ziele mit unerbittlicher Entschlossenheit verfolgte. Die dunklen, seltsam ausdruckslosen Augen ließen keinen Zweifel daran. Auf den ersten Blick wirkten sie schwarz, doch Kristen wusste, dass sie tatsächlich die Farbe von dunkler Schokolade hatten. Nur in ganz besonderen Momenten wurden sie weich und luden dazu ein, sich in ihren Tiefen zu verlieren.

Die Erinnerungen an den goldenen Sommer in Sizilien vor vier Jahren überwältigten sie fast. Sergio war ihr kurz nach ihrer Ankunft begegnet. Die Anziehungskraft zwischen ihnen hatte sie beide völlig elektrisiert. Sie erinnerte sich an ihren ersten Kuss, als sei es gestern gewesen. Sie hatten die ganze Zeit geredet und gelacht, und plötzlich hatte Sergio seinen Kopf gesenkt und mit den Lippen leicht ihren Mund gestreift. Kristens Magen krampfte sich zusammen, so lebendig war die Erinnerung. Der Kuss war wunderschön gewesen. Sie hatte sofort gewusst, dass sie verliebt war. Und naiv, wie sie damals gewesen war, hatte sie geglaubt, Sergio würde das Gleiche für sie empfinden. Doch für ihn war sie lediglich eine nette Abwechslung von seinem Jetset-Leben gewesen.

Erleichtert seufzte sie, als die Bahn endlich auf die Station zusteuerte, an der sie aussteigen musste. Eilig stopfte sie die Zeitschrift in ihre Tasche und ließ sich vom Strom der Pendler in Richtung Ausgang drängen. Doch der Kloß in ihrem Hals steckte weiterhin fest, als sie schnellen Schrittes auf die Türen des Physiotherapiezentrums zustrebte. Ihre Chefin Stephanie Bower sah ihr besorgt entgegen.

„Lass mich raten – Nico hatte wieder einmal keine Lust auf den Kindergarten?“ Doch Kristen stöhnte nur, während Steph sie mit gerunzelter Stirn musterte. „Oder bist du etwa krank? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

„Fast richtig geraten.“ Die Worte purzelten nur so aus Kristen heraus. „Ich hab Nicos Vater gesehen!“

Steph stieß einen leisen Pfiff aus.

„Das gibt’s nicht! Ich dachte, ihr hättet seit Nicos Geburt keinen Kontakt mehr? Wo hast du ihn gesehen?“

Wortlos reichte Kristen ihr die Zeitschrift.

„Hier.“ Sie deutete auf das Titelseitenfoto.

„Sergio Castellano! Machst du Witze?“ Ungläubig riss Steph die Augen auf. „Verdammt, du meinst es ernst? Aber wie in Gottes Namen hast du es geschafft, an so einen umwerfenden Traummann zu kommen? Ich meine, nicht, dass ich dir das nicht zugetraut hätte“, beeilte sie sich zu versichern. „Du bist eine hübsche Blondine und erregst natürlich Aufmerksamkeit. Aber du bist eine einfache Physiotherapeutin aus Camden. Und er ist ein Multimilliardär, der auf seiner Luxusjacht durch die Welt gondelt. Wo um Himmels willen hast du diesen Typen aufgegabelt?“

„Auf Sizilien …“, murmelte Kristen leise. Ihr Blick ging verträumt ins Leere. „Ich hatte mir ein Jahr Auszeit von der Universität genommen und wollte mich nur auf mein Gymnastiktraining konzentrieren. Für die nächste Weltmeisterschaft. Aber dann hab ich mir eine ziemlich üble Grippe eingefangen und durfte keinen Sport treiben. Mein Arzt meinte, ich sollte mich eine Weile in warmem Klima aufhalten, bis ich mich komplett erholt habe. Und mein Stiefvater, der gleichzeitig mein Coach war, hat einen Freund, dem eine Villa auf Sizilien gehört. Alan hat die Villa für sechs Monate gemietet, und wir sind zusammen mit meiner Mutter hingeflogen. Sie blieben ein paar Wochen, danach war ich allein.“ Sie lächelte. „Es war das erste Mal, dass ich komplett auf mich gestellt war. Ich studierte damals zwar, wohnte aber immer noch zu Hause, damit ich Alans strenges Trainingsprogramm einhalten konnte. Gymnastik war zu dem Zeitpunkt alles für mich. Doch so langsam bekam ich das Gefühl, dass ich kein anderes Leben mehr hatte. Ich hatte noch nie einen Freund gehabt. Wahrscheinlich war ich darum so angetan von Sergio …“ Wieder schweifte ihr Blick ab. Dann fuhr sie fort. „Das Anwesen der Castellanos lag ganz in der Nähe der Villa. Eines Tages habe ich Sergio am Strand getroffen. Sein Charme war einfach umwerfend. Ich hatte das Gefühl, noch nie einem Mann begegnet zu sein, der so unglaublich sexy war. Er schien sich zu mir hingezogen zu fühlen, und ich konnte mein Glück kaum fassen.“ Kristen verzog das Gesicht. „Ich war ganz schön naiv. Mein Stiefvater bestimmte damals mein ganzes Leben. Er war sehr dominant. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass ich eine Spitzengymnastin werden sollte. Das war sein großer Traum …“ Gedankenverloren schüttelte sie den Kopf. „Bis dahin hatte ich ein sehr behütetes Leben. Doch mit einem Mal, so ganz allein in Sizilien, war ich frei. Frei von Alans Einfluss. Und natürlich hab ich mich kopfüber in eine Affäre mit Sergio gestürzt.“

Steph beobachtete sie belustigt. „Und als der Sommer vorbei war, musstest du nach England zurück und hast festgestellt, dass du schwanger warst, hab ich recht?“

Kristen nickte und schlug die Augen nieder.

„Und Castellano hat dich nicht unterstützt? Du warst schließlich mit seinem Kind schwanger. Wie mies von ihm! Gerade jemand wie er, der Geld ohne Ende hat!“

„Ich hab’s ihm nicht gesagt“, unterbrach Kristen sie, bevor Steph wieder eine ihrer feministischen Hasstiraden gegen Männer loslassen konnte. Ihre Chefin hatte gerade eine anstrengende Scheidung hinter sich, nachdem sie entdeckt hatte, dass ihr Ehemann sie mehrfach betrogen hatte. Seitdem ließ sie kein gutes Haar mehr an Männern.

„Sergio weiß nichts von Nico“, erklärte Kristen. „Er hat während unserer Affäre einige Male durchklingen lassen, dass er nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung ist. Ich wusste, dass er kein Interesse an dem Kind haben würde.“

Was tatsächlich vor vier Jahren passiert war, war einfach zu kompliziert, um es Steph zwischen Tür und Angel zu erklären. Und viel zu schmerzhaft. Noch heute konnte Kristen Nico kaum ansehen, ohne an das andere Baby zu denken, das sie verloren hatte.

Als Kristen wieder aufsah, las Steph den Zeitungsartikel.

„Nicos stinkreicher Vater heiratet also eine gut situierte Prominente“, murmelte sie angewidert. „Die schreiben hier, das Paar wird abwechselnd in seinem Haus auf Sizilien, einem Luxusapartment in Rom und einer Villa hier in London leben. Wenn Sergio und Lady Felicity nicht gerade auf seiner Jacht oder in seinem Privatjet unterwegs sind“, fuhr sie spöttisch fort. „Währenddessen mühst du dich ab, Castellanos Sohn allein großzuziehen. Ohne jegliche finanzielle Hilfe. Also Kristen, ich bitte dich, das geht doch nicht!“

Kristen zuckte die Schultern. „Ich komm schon klar“, verteidigte sie sich. Und musste sich im gleichen Moment eingestehen, dass sie log. Sie verdiente nicht schlecht als Physiotherapeutin. Es reichte zumindest gerade so, um die Lebenskosten zu decken. „Natürlich muss ich mein Geld zusammenhalten, aber bei wem ist das heutzutage nicht so?“

Mitfühlend sah Steph sie an und ließ die Zeitschrift auf den Tresen sinken. „Es geht ja nicht nur darum, dass du finanziell am Kämpfen bist“, sagte sie leise. „Du hast den Tod deiner Mutter noch längst nicht verarbeitet. Und Nico auch nicht. Das ist doch der Grund, warum er neuerdings so viel weint, wenn du ihn zum Kindergarten bringst, oder nicht?“

„Die Kindergärtnerin sagt, er hört auf zu weinen, sobald ich weg bin“, verteidigte Kristen sich. Sie wusste, dass Steph ihr keine Vorwürfe machte, sondern nur besorgt war. Trotzdem hatte Kristen Schuldgefühle. Nicos Schluchzen, wenn sie ihn im Kindergarten absetzte, klang ihr den ganzen Tag in den Ohren. Jedes Mal, wenn sie ging und er ihr mit großen, verweinten Augen nachsah, war ihr, als würde ihr das Herz aus der Brust gerissen. „Was soll ich denn machen?“, fragte sie schließlich müde. „Ich würde ja gern den ganzen Tag zu Hause bleiben, so wie meine Mutter es damals gemacht hat, als ich klein war. Aber ich bin nun mal alleinerziehend und habe keine andere Wahl, als zu arbeiten.“

„Ich finde, du solltest dir ein Sabbatjahr nehmen“, erklärte Steph mit fester Stimme. „Einfach mal ein Jahr Auszeit. Ich würde das bestimmt nicht vorschlagen, wenn ich mir nicht solche Sorgen um dich machen würde. Klar würdest du uns hier im Zentrum total fehlen. Aber ich merke doch, was mit dir los ist. Du brauchst dringend mal Ruhe und Erholung. Und Zeit für Nico!“

Tränen schossen Kristen in die Augen. Steph hatte recht. Und ihre Mutter fehlte ihr furchtbar. Kathleen war nach Nicos Geburt bei Kristen eingezogen und hatte sich um das Baby gekümmert, damit Kristen wieder arbeiten konnte. Vor fünf Monaten hatte sich der schreckliche Unfall ereignet. Kathleen hatte nur kurz im Supermarkt gegenüber etwas besorgen wollen und war beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst worden. Der Polizeibeamte, der Kristen die traurige Nachricht überbracht hatte, hatte gemeint, sie sei sofort tot gewesen. Seitdem vermisste Nico seine geliebte Oma entsetzlich. Kristen konnte es kaum ertragen, wenn er sie wieder einmal fragte, wann sie denn zurückkäme.

Sie seufzte. „Ein schöner Gedanke, aber das kann ich mir leider nicht leisten. Es sei denn, ich gewinne im Lotto.“

„Hier ist dein Lottoschein.“ Steph wedelte mit der Zeitschrift und zeigte auf das Bild von Sergio. „Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, dass er dir ein wenig unter die Arme greift.“

„Nein!“

Kristens energischer Tonfall ließ Steph zusammenzucken. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie Kristen prüfend.

„Ich habe dir doch gesagt …“, fuhr Kristen fort, „… dass Sergio nichts von Nico weiß. Und selbst wenn er weiß, dass er ein Kind hat, wird er nichts mit ihm zu tun haben wollen. Ich werde ihn auf keinen Fall um Geld bitten!“

„Du sollst ja auch keine Riesensummen verlangen. Nur einen kleinen monatlichen Beitrag. Das kann er dir doch nicht abschlagen.“

Tatsächlich würde Kristen nichts lieber tun, als für ein paar Monate ein Haus am Meer mieten und sich ausgiebig Zeit für Nico nehmen. Aber leider konnte sie es sich nicht leisten. Die Raten für ihr Reihenhaus mussten jeden Monat abbezahlt werden.

Nachdem Steph im Nebenraum verschwunden war, versuchte Kristen, sich auf ihre Termine zu konzentrieren. Sie behandelte alle möglichen Sportverletzungen und hatte einen randvollen Terminkalender – wie jeden Tag. Meistens lenkte Arbeit sie von traurigen Gedanken ab. Heute jedoch war alles anders. Selbst während der Pilates-Stunde am Nachmittag, die ihr sonst so viel Spaß machte, konnte sie nicht abschalten. Sie war froh, als ihr Arbeitstag endlich vorbei war.

Die U-Bahn war genauso überfüllt wie morgens auf dem Hinweg. Zum Glück gab es heute keine Verspätungen, sodass sie Nico pünktlich aus dem Kindergarten abholen konnte. Er wartete bereits gemeinsam mit den anderen Kindern und hatte den Blick fest auf den Eingang gerichtet. In dem Moment, als er Kristen erspähte, leuchteten seine Augen auf und er lächelte glücklich. Kristens Herz machte einen Sprung.

„Mummy!“ Schnell sprang er auf und lief ihr in die Arme.

„Hallo Tiger. Na, wie war dein Tag?“

Nico antwortete nicht. Doch als Kristen ihn auf den Arm nahm, drückte er sie ganz fest. Sein Haar roch nach Babyshampoo und fühlte sich an ihrer Wange weich wie Seide an. Er war das Kostbarste, was sie hatte. Und sie liebte ihn so sehr, dass sie unvermittelt einen Kloß im Hals spürte.

„Ich hab dich vermisst.“ Mit seinen großen dunklen Augen sah er sie ein wenig vorwurfsvoll an. Nicos Augen hatten die gleiche Farbe wie die seines Vaters. Der Gedanke an Sergio und den Zeitungsartikel gab ihr einen Stich.

„Ich hab dich auch vermisst“, murmelte sie und versuchte, ihrer Stimme einen fröhlichen Klang zu verleihen. „Aber ich wette, du hast den ganzen Tag schön mit deinen Freunden gespielt. Hast du mit Sam wieder eine Sandburg gebaut?“

Nico verzog keine Miene. „Können wir jetzt nach Hause gehen?“

Schuldbewusst presste Kristen die Lippen aufeinander und setzte ihn auf den Boden. Es war offensichtlich, dass es ihm im Kindergarten nicht sonderlich gefiel, auch wenn die Kindergärtnerinnen sie immer wieder beruhigten. Was sollten sie auch zu ihr sagen? „Geh und hol deinen Mantel. Wir können unterwegs noch etwas im Park spielen, wenn du mir versprichst, nicht wieder vom Klettergerüst zu fallen.“

Während sie Nico nachsah, wie er eilig davonlief, traf sie eine Entscheidung. Sie würde Sergio um Hilfe bitten. Sie musste es tun. Für Nico.

Als eine Weile später das Abendessen auf dem Herd köchelte, nahm Kristen noch einmal die Zeitschrift zur Hand, um den Artikel über Sergio noch einmal zu lesen.

Zuverlässigen Quellen zufolge wird das Paar seine Verlobung am heutigen Abend im Hotel Royal in Bayswater feiern. Die Castellano-Gruppe ist seit einigen Monaten Eigentümer des ehrwürdigen Hotels und hat es einer umfangreichen Renovierung unterzogen, bei der weder Kosten noch Mühen gescheut wurden.

Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, noch vor der Verlobungsfeier mit Sergio zu sprechen. Kristen mochte gar nicht daran denken, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass er Vater war. Stirnrunzelnd beobachtete sie Nico, wie er gedankenverloren ein gerahmtes Bild ihrer Mutter betrachtete. Es brach ihr fast das Herz, als sie seinen traurigen Gesichtsausdruck bemerkte.

„Nico, komm, das Abendessen ist fertig“, sagte sie sanft.

„Hab keinen Hunger, Mummy.“

Ich muss mit ihm zum Arzt, wenn er nicht langsam etwas mehr isst, dachte sie besorgt. Trotzdem zwang sie sich zu einem Lächeln. „Iss einfach so viel, wie du kannst, und dann erzähle ich dir etwas Spannendes.“

Nicos Augen leuchteten, und er sprang auf. „Etwas Spannendes?“

Umständlich kletterte auf den Küchenstuhl.

„Ja, ich hab mir überlegt, dass es doch toll wäre, wenn wir beide einen Urlaub am Meer machen. Was sagst du dazu?“

Nicos Strahlen reichte als Antwort. Kristen hatte ihn schon lange nicht mehr richtig lächeln sehen, und sie schwor sich, ihren kleinen Jungen wieder glücklich zu machen. Und wenn das bedeutete, ihren verdammten Stolz herunterzuschlucken und seinen Milliardärsvater um Geld zu bitten.

„Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, warum die Presse Nachrichten über unsere Verlobung verbreitet.“ Felicity Denholm erwiderte Sergios misstrauischen Blick mit einem unschuldigen Lächeln. „Gut, ich gebe es zu, ich habe einem Journalisten erzählt, dass du gerade in London bist, um mit meinem Vater über Geschäfte zu sprechen. Vielleicht habe ich auch erwähnt, dass du heute Abend eine Party gibst. Aber mehr habe ich ganz sicher nicht gesagt!“

Mit übergeschlagenen Beinen saß sie auf der Kante von Sergios Schreibtisch. Ihr enger Rock rutschte immer höher, und sie lachte schrill, was an seinen Nerven zerrte.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wo sie die Geschichte über unsere geplante Hochzeit her haben, aber du weißt ja, wie die Paparazzi die Wahrheit gern verdrehen.“

„In diesem Fall ist nur leider kein Körnchen Wahrheit dran“, stieß Sergio hervor. Er konnte sich kaum noch beherrschen. Es gab nichts, was er mehr hasste, als wenn die Presse in seinem Privatleben herumschnüffelte. Und er bezweifelte, dass Felicity in diesem Fall nicht ein bisschen nachgeholfen hatte.

Mit einer eleganten Bewegung strich sie sich ihre glänzenden, kastanienfarbenen Locken über die Schultern. „Nun ja, wir haben uns in den gleichen Kreisen bewegt, seit du hier in London bist. Und dann sind wir zusammen fotografiert worden, als wir uns zufällig vor dem Theater begegnet sind. Ich schätze mal, daraus haben die Journalisten ihre Schlüsse gezogen.“ Sie änderte ihre Sitzhaltung ein wenig, sodass ihr Rock noch höher rutschte und beugte sich zu Sergio. Ihre roten Lippen umspielte ein verführerisches Lächeln. „Es wäre fast ein wenig schade, die Presse zu enttäuschen, meinst du nicht?“, murmelte sie und lachte kehlig.

Misstrauisch kniff Sergio die Augen zusammen. Denholms Tochter war zweifellos attraktiv. Und für einen Moment war er tatsächlich geneigt, auf ihr zweideutiges Angebot einzugehen, um sie ins Bett zu bekommen. Doch es gab da eine goldene Regel, an die er sich bisher immer gehalten hatte. Vermische niemals Geschäft und Vergnügen miteinander. Und das Immobiliengeschäft mit dem Grafen war weitaus verlockender, als seine Lust mit der reizenden, aber leider furchtbar nervtötenden Felicity zu befriedigen. Sie war ein egoistisches, verzogenes Gör.

Ganz sicher war es kein Zufall, dass sie auf jeder Party erschienen war, zu der er in den letzten Wochen ebenfalls eingeladen war. Sie hatte es darauf angelegt, ihm schöne Augen zu machen. Möglicherweise sogar auf Anraten ihres Vaters hin. Sergio wusste, dass der Graf in Geldschwierigkeiten steckte. Und er war nicht dumm. Von einer Heirat zwischen seiner Tochter und einem Milliardär konnte seine Familie nur profitieren.

Es machte Sergio rasend, dass er keinerlei Beweise für die inszenierte Verlobungsgeschichte in der Zeitung hatte. Die Krönung des Ganzen war der Anruf seines Vaters. Tito beschwerte sich, dass er aus der Zeitung von der Hochzeit seines Sohnes erfahren musste.

„Es war eine Falschmeldung“, beruhigte Sergio seinen Vater. „Du weißt doch, wie die Paparazzi manchmal sind. Wenn ich jemals heiraten sollte, wirst du der Erste sein, der es erfährt. In Ordnung? Aber mach dir besser nicht allzu große Hoffnungen“, fügte er mit ironischem Unterton hinzu.

Natürlich nahm sein Vater das sofort als Anlass, Sergio eine Predigt darüber zu halten, dass er seinen Playboy-Lebensstil endlich aufgeben, sich ein nettes italienisches Mädchen suchen und vor allem einen Erben in die Welt setzen müsse, der den Stammbaum der Castellanos weiterführen würde.

„Papa, du hast doch bereits eine Enkelin“, erinnerte Sergio ihn an Salvatores kleine Tochter Rosa.

„Das weiß ich selbst“, wetterte Tito. „Aber Rosa wird nicht die ganze Verantwortung für das Unternehmen übernehmen können. Dafür brauchen wir einen Mann! Und Salvatore ist Witwer und wird wohl keine Kinder mehr zeugen. Darum setze ich all meine Hoffnungen in dich, mein Junge!“

Sergio wusste, dass er für seinen Vater eine Enttäuschung war. Aber das war noch längst kein Grund, sich eine Braut zu suchen. Er wollte nicht heiraten. Es war einfach nicht sein Ding. Und eigentlich müsste sein Vater nach seiner eigenen gescheiterten Ehe mit Sergios Mutter doch Verständnis dafür haben. Seine Söhne litten noch heute unter all dem Hass und der Bitterkeit in ihrer Familie.

Angestrengt bemühte er sich, die düsteren Gedanken an seine Kindheit abzuschütteln, und legte die Beine auf den Schreibtisch, auf dem Felicity sich noch immer verführerisch räkelte. Es verwunderte ihn ein wenig, dass er nicht einen Funken Interesse an ihr verspürte. In letzter Zeit schien er grundsätzlich kein Interesse mehr an bedeutungslosem Sex zu haben. Was für eine Art Sex will ich dann? Sergio grübelte. Er hatte kein Interesse an Beziehungen, die emotionale Verwicklungen beinhalteten. Er lebte für seine Arbeit. Sie war seine Leidenschaft. Wenngleich er sich insgeheim eingestehen musste, dass es ihm dabei vor allem darum ging, seinem Vater etwas zu beweisen. Er wollte ihm beweisen, dass er ein ebenso guter Sohn war wie sein Zwillingsbruder Salvatore.

Von Frauen brauchte er nichts weiter als körperliche Befriedigung. Warum also fühle ich mich in letzter Zeit so rastlos? Wonach suche ich? Ich habe doch alles, wovon man nur träumen kann.

„Ich werde heute Abend bei der Party eine kleine Rede halten“, erklärte Sergio, während Felicity erneut vor ihm posierte. „Es werden eine Menge Leute von der Presse da sein, und ich werde die Gelegenheit nutzen, ihnen reinen Wein einzuschenken, was uns angeht.“

Felicity legte den Kopf schräg und schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln.

„Oder du fällst jetzt hier auf dem Schreibtisch über mich her“, lockte sie. „Und dann … wer weiß? Dann ist es vielleicht gar nicht mehr nötig, die Meldung zu revidieren.“

So altmodisch das auch sein mochte, aber Sergio bevorzugte es, wenn er die Frau verführte und nicht andersherum. „Interessanter Vorschlag“, antwortete er gelangweilt und erhob sich von seinem Stuhl, um die Tür für sie zu öffnen. „Ich fürchte nur, ich muss ablehnen.“

Angesichts seiner Abfuhr stieg der jungen Engländerin die Röte ins Gesicht. Hastig glitt sie vom Schreibtisch und zog ihren Rock zurecht. „Jetzt verstehe ich auch, warum alle sagen, du hättest ein Herz aus Eis!“

Sergio warf ihr ein amüsiertes Lächeln zu. „Na, dann haben sie ja scheinbar alle recht. Gut, dass du das herausgefunden hast.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr, als Felicity keine Anstalten machte, sein Büro zu verlassen. „Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe noch zu arbeiten.“

Von innen wirkte das Hotel Royal noch prächtiger als von außen. Es war nicht zu übersehen, dass sein neuer Besitzer, die Castellano-Gruppe, enormen Aufwand betrieben hatte, um das Hotel in einen Fünf-Sterne-Palast zu verwandeln. Die Gäste waren ebenso glamourös wie die Innenausstattung. Als Kristen langsam durch die elegante Lobby ging, realisierte sie, dass sie mit ihrem einfachen schwarzen Rock und der weißen Bluse fast unangenehm auffiel. Man sah sofort, dass es keine Designerstücke waren. Hinzu kam, dass sie in ihren neuen Stilettos kaum laufen konnte.

Vor lauter Dankbarkeit wäre sie ihrer Nachbarin fast um den Hals gefallen, als diese sich sofort bereit erklärt hatte, auf Nico aufzupassen. Nachdem Kristen beschlossen hatte, mit Sergio zu sprechen, ging alles ganz schnell. Im Handumdrehen hatte sie sich umgezogen und die U-Bahn nach Bayswater bestiegen.

Fast erwartete sie, dass der Portier sie nach dem Grund ihres Besuchs fragen würde, doch an der Rezeption war viel los. Niemand schien Notiz von ihr zu nehmen, als sie unsicheren Schrittes die Eingangshalle durchquerte. Möglicherweise würde Sergio es ablehnen, mit ihr zu sprechen, wenn sie sich ankündigte. Also musste sie ihn überraschen. In der Zeitschrift hatte gestanden, er würde in seiner privaten Penthouse-Suite wohnen.

Als der Aufzug sie zur obersten Etage fuhr, schlug ihr Herz ganz weit oben im Hals. Es war eine völlig verrückte Idee, einfach hier aufzutauchen. Und dann der Gedanke an Sergios Reaktion, wenn sie ihm erzählte, dass er einen dreijährigen Sohn hatte. Lediglich Nicos Vorfreude auf den versprochenen Urlaub verlieh ihr die nötige Entschlossenheit. Sonst hätte sie längst auf dem Absatz kehrtgemacht.

Oben angekommen, lief sie durch unzählige Korridore mit weichem, grauen Teppichbelag, der ihre Schritte dämpfte. Sie wusste nicht, wo genau Sergios Suite lag. Als sie wieder um eine Ecke bog, stand sie vor einer großen Doppeltür. Ein Schild an der Wand daneben sagte ihr, dass sich dahinter der Princess-Elizabeth-Gesellschaftsraum verbarg.

Aus einer Seitentür kam ein Kellner mit einem Tablett Champagnergläser. Als er Kristen sah, drückte er ihr das Tablett in die Hände. „Steh doch hier nicht so rum!“, fuhr er sie an. „Gleich kommt die Ansprache, und die Hälfte der Gäste hat noch keinen Champagner!“

„Oh, ich bin nicht hier …“, begann sie zu erklären, doch der Kellner hörte ihr schon gar nicht mehr zu, sondern öffnete die Türen und schob sie in den Raum.

„Beeil dich, Mr Castellano ist sehr unzufrieden über die Verzögerung.“

„Aber …“ Kristen brach ab, denn der Kellner war bereits in der Menge verschwunden. Als sie sich in dem prunkvollen Saal umsah, begriff sie, warum er sie verwechselt hatte. Ihr Outfit sah fast genauso aus wie die Kostüme der Kellnerinnen. Darum hatte er sie für eine Angestellte gehalten.

Aber zumindest war sie hier endlich richtig. Hier irgendwo musste sich Sergio herumtreiben.

Ihr Herz machte einen Satz, als sie den großen, breitschultrigen Mann am anderen Ende des Saals erspähte. Sein kurzes schwarzes Haar glänzte im Licht der Kronleuchter. Es waren nicht nur seine Größe und sein gutes Aussehen, die ihn von der Menge abhoben. Selbst aus der Entfernung bemerkte Kristen sein Charisma, seine Stärke und seine Macht, die alle anderen Männer um ihn herum verblassen ließen.

Das attraktive Äußere, das milliardenschwere Vermögen und seine unverhohlene Männlichkeit erregten sichtlich die Aufmerksamkeit der weiblichen Gäste. Doch trotz seines Lächelns und seiner scheinbar entspannten Lässigkeit entging Kristen seine Unruhe nicht. Sein umherschweifender Blick wirkte rastlos. Als würde er jemanden suchen. Einen Moment hielt sie die Luft an. Er kann doch gar nicht wissen, dass ich hier bin, versuchte sie sich zu beruhigen. Allerdings hatten sie auch vor vier Jahren schon eine fast telepathisch anmutende Verbindung zueinander gehabt.

Autor

Chantelle Shaw
<p>Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs. Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills &amp; Boon,...
Mehr erfahren