In der Oase der Sinnlichkeit

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Was ist mit Zafir geschehen? Lauren kommt fast um vor Sorge, als ihr Liebhaber spurlos aus New York verschwindet. Mutig reist sie in seine Heimat, den Wüstenstaat Behraat, und steht unvermittelt dem neuen Scheich gegenüber: mächtig, feurig - und verhängnisvoll vertraut!


  • Erscheinungstag 15.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739706
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

War er womöglich tot? Wie konnte ein lebensstrotzender Mann wie er sonst urplötzlich verschwinden? Der Mann, dessen Geliebte sie vor zwei Monaten gewesen war …

Die Fragen quälten Lauren Hamby seit Tagen. Wo immer sie ihn nach dem Aufstand in der verwüsteten, einst so farbigen Hauptstadt Behraat suchte, nirgends eine Spur von ihm.

Nun stand sie vor dem jahrhundertealten Handelszentrum und bebte vor Aufregung. Hier würde ihre Suche enden, das spürte sie. Sie kannte nur seinen Namen und wusste, wie er aussah, doch sie würde nicht aufgeben, war entschlossen herauszufinden, was mit dem Mann geschehen war, der ihr so viel bedeutete.

Die gepflegten grünen Parkanlagen um sie herum nahmen sich seltsam aus in der tödlichen Stille, die über der Stadt lastete. Im glitzernden Wasser des Mosaikbeckens spiegelte sich ihr banges Gesicht. Klopfenden Herzens ging sie den gefliesten Weg zwischen dem Pool und dem gemähten Rasen entlang.

Marmorstufen führten zu einer weitläufigen, mit Mosaiken ausgelegten Eingangshalle hinauf, die von einer gewaltigen Kuppel gekrönt wurde. Überall standen Riesenpalmen in mächtigen Übertöpfen.

Hier gab es so viel zu sehen und in sich aufzusaugen. Die Eindrücke und Düfte konnten Laurens Schmerz tagsüber betäuben – nachts überschwemmte die Trauer sie mit Bildern des geliebten Mannes, der in diesem Land aufgewachsen war.

In jedem gut aussehenden, hünenhaften Mann hoffte sie, Zafir zu erkennen. Sie dachte daran, wie stolz er ihr von seinem geliebten Behraat erzählt hatte.

„Kommst du, Lauren?“

Ihr Reporterfreund David hatte die jüngsten Aufstände in der Stadt seit Tagen mit der Kamera festgehalten.

Schnell wandte sie sich ab, als er den Camcorder auf sie richtete. „Hör auf, mich zu filmen, David. Du sollst Dokumentationsmaterial über die Aufstände sammeln – ich gehöre nicht dazu.“

Suchend blickte Lauren zum plätschernden Springbrunnen in der Mitte der Halle. Die Wasserfontänen blitzten in den Lichtstrahlen, die durch die filigranen Öffnungen in der Kuppel fielen, golden auf.

Überall in der marmornen Eingangshalle herrschte verwirrendes Treiben.

Langsam schlenderte Lauren an der Fontäne vorbei zum Empfang. Ein Stück entfernt hielt surrend ein gläserner Aufzug, mehrere Männer stiegen aus.

Auf einmal wurde es still um Lauren. Eine seltsame Anspannung lag in der Luft. Vor dem Aufzug bildete sich eine Gruppe von sechs Männern in landestypischen Gewändern. Einer von ihnen, der Größte, sprach auf Arabisch auf sie ein.

Seine Stimme drang zu Lauren durch, sie klang hart und unnachgiebig – und traf sie doch wie eine Liebkosung.

Aufgeregt wandte sie sich David zu, der die Gruppe hektisch filmte. Dann drehte der Hüne sich um, sodass Lauren ihn von vorne sehen konnte.

Wie versteinert stand sie da, in ihren Ohren rauschte es.

Zafir.

Das landesübliche rot-weiß gemusterte Tuch bedeckte seinen Kopf und ließ seine Züge kantiger wirken. Sein Ton strahlte Autorität und Macht aus, alles an ihm wirkte hart und gnadenlos.

Er war also nicht tot.

Erleichterung durchflutete Lauren, am liebsten wäre sie zu Zafir gestürzt, um ihn zu umarmen, sein Gesicht zu berühren …

Ein Schauer überlief sie.

Zafir war gesund und munter.

Und schien hier ganz in seinem Element zu sein. Dennoch hatte Lauren seit sechs Wochen nichts von ihm gehört.

Aufgeregt ging sie auf die Gruppe zu. Plötzlich überstürzten sich die Ereignisse. Ein Mann wandte sich zu ihr um und machte die anderen auf sie aufmerksam. Einer nach dem anderen sah sie an.

Lauren wagte kaum zu atmen, ihre Hände bebten. Die Sekunden wurden zur Ewigkeit. Irgendwie brachte sie nur ein hysterisches Lachen zustande.

Dann sah Zafir sie an, und was sie in seinen dunklen Augen las, ließ sie erstarren.

Alles um sie her verschwamm, die explosive Energie, die jeden Moment ihres Beisammenseins bestimmt hatte, schlug sie auch jetzt in ihren Bann.

Doch Zafir schien keineswegs erfreut zu sein, sie zu sehen.

Er war nicht einmal überrascht.

Von Gewissensbissen keine Spur.

Nun packte Lauren die Wut. Seinetwegen hatte sie sich die Seele aus dem Leib geweint, war vor Sorge um diesen Mann fast krank geworden – und er fühlte sich nicht einmal schuldig.

Interessiert verfolgten die Männer, wie Zafir auf sie zukam.

In einigem Abstand hatten sich zwei Sicherheitsleute postiert.

Wieso brauchte Zafir Sicherheitsleute?

Mit jeder Sekunde wuchs ihre Verwirrung.

Die überwältigende Ausstrahlung des Mannes, dessen kraftvollen Körper sie so gut kannte, schien sie zu durchdringen und unter seinen Willen zu zwingen. Dicht vor ihr blieb er stehen und sah sie erschreckend unbeteiligt an.

Majestätisch, fast verabschiedend nickte er ihr zu. „Ms. Hamby, was führt Sie nach Behraat?“

Ihr wurde eiskalt.

Ms. Hamby? Er nannte sie Ms. Hamby? Nach all dem, was zwischen ihnen gewesen war, behandelte er sie wie eine Fremde?

„Ist das alles, was du mir zu sagen hast, nachdem du spurlos verschwunden bist?“, empörte sie sich.

An Zafirs Schläfe pochte eine Ader, doch sein Blick blieb unbeteiligt, so fern und unerforschlich wie die Wüste, von der sie so viel gehört hatte. „Falls Sie ein Anliegen haben, müssen sie einen Termin ausmachen, Ms. Hamby“, erwiderte er höflich, aber leicht gereizt. „Wie jeder andere auch.“

Damit war sie entlassen.

Die eiskalte Abfuhr tat weh – doch Lauren dachte nicht daran, sich so einfach abfertigen zu lassen. „Termin? Das soll wohl ein Scherz sein?“

„Nein. Ich scherze nicht.“ Zafir trat noch näher, und ihr wurde bewusst, dass er nicht ganz so gelassen war, wie er sich gab. Ihr unerwartetes Erscheinen schien ihn aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. „Mach dich nicht lächerlich, Lauren.“

Kein Aufhebens, sollte das heißen.

Die Erkenntnis traf sie wie ein Messerstich.

„Werde erwachsen und denk daran, dass deine Eltern ein wichtiges Amt bekleiden. Keine Tränen, Lauren.“

Das war zu viel. Sie verlor die Beherrschung. Erinnerungen und Bilder schwirrten ihr durch den Kopf. Sie holte aus und versetzte Zafir eine schallende Ohrfeige.

Geräusche von eiligen Schritten durchdrangen den Nebel aus Wut. Ihre Hand schmerzte, sie konnte kaum atmen. Um sie her hagelte es aufgebrachte Befehle auf Arabisch.

Es war, als befände sie sich in einer anderen Welt.

In Zafirs Augen blitzte es drohend auf.

Meine Güte, was hatte sie getan?

Laurens Magen spielte verrückt. Im nächsten Augenblick packte Zafir sie und riss sie an sich … der Duft von Sandelholz hüllte sie ein. „Bist du verrückt geworden …?“

Hinter ihnen wurde aufgeregt auf Arabisch getuschelt, und Zafir gab sie frei. Wütend betrachtete er sie, aber im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt, seine Züge erstarrten zu einer abweisenden Maske.

Vor ihr stand ein Fremder – ein beängstigender, gefährlicher Fremder, der sie verächtlich musterte.

„Hoheit, sollen die Sicherheitsleute die Frau entfernen?“

Hoheit? Sicherheitsleute?

Der Adrenalinschub ebbte ab. Lauren überlief es eiskalt.

Zafir erteilte einen scharfen Befehl auf Arabisch und wandte sich ab.

Kalter Schweiß brach Lauren aus, als sie hektisch um sich blickte. Überall bedrohliches Schweigen … alle beobachteten sie wachsam.

Zwei Männer mit Gewehren nahmen sie unauffällig in die Mitte. „Zafir, warte!“, rief Lauren ihm zu, doch er kehrte ihr bereits den Rücken zu.

Fassungslos verfolgte sie, wie er im Aufzug nach oben verschwand … ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Sie wollte fliehen, doch die Wachen verstellten ihr den Weg.

In welchen Albtraum war sie hier geraten? Wo war David?

Tapfer kämpfte Lauren die aufkommende Panik nieder. Sie drehte sich um und bemerkte einen älteren Mann, der mit einem Sicherheitsmann sprach. „Was geht hier vor?“, wollte sie empört wissen.

Der Mann sah sie kalt an. „Sie haben den Scheich von Behraat angegriffen und sind verhaftet.“

Würdevoll verließ Zafir Al Masood die Besprechung mit dem Hohen Rat. Sein Gesicht spiegelte offenbar wider, wie gereizt er war, denn selbst die streitbarsten Ratsmitglieder beeilten sich, ihm aus dem Weg zu gehen.

Zum ersten Mal nervten ihn die Vorhaltungen des Rates:

Wer war die Frau? Wie konnte eine Westliche, obendrein auch noch eine Amerikanerin, so vertraut mit ihm sein, dass sie ihn geohrfeigt hatte? Versuchte sie, den Zorn der westlichen Welt auf Behraat zu lenken?

Zafir drückte auf den Stoppknopf des Aufzugs. Frustration und Wut beherrschten ihn, er musste sich erst wieder in die Gewalt bekommen.

Die Glaswände reflektierten sein Spiegelbild. Er musste seine Verbitterung schlucken, wie er es seit sechs Jahren tat.

Sah man in ihm seinen Vater, den Großen Rashid Al Masood, der Behraat aus dem dunklen Zeitalter geführt hatte?

Würde man nie vergessen, dass sein Vater ihn nur als Sohn anerkannt hatte, weil er einen Ersatzkronprinzen brauchte, nachdem sein korrupter Halbbruder Tariq einen Umsturz angezettelt hatte?

Früher wäre Zafir froh über das Wissen gewesen, dass Blut seines Vaters auch in seinen Adern floss. Nun musste er sein Leben lang dafür büßen …

Er verwünschte die bestechlichen Mitglieder des Hohen Rats und dessen Macht, den Scheich zu wählen. Hätten die Feiglinge den Mut gehabt, während Tariqs Regentschaft offen Stellung zu beziehen, befände Behraat sich nicht in dieser trostlosen Lage.

Nachdem Rashids strenge Gesetzgebung sich in Schall und Rauch aufgelöst hatte, waren die Ratsmitglieder von Behraat emsig damit beschäftigt gewesen, sich die Taschen mit Tariqs Bestechungsgeldern voll zu schaufeln. Tariq, der die Beziehungen zu Nachbarstaaten vergiftet, Friedensverträge aufgekündigt und Handelsabkommen gebrochen hatte …

Dennoch versuchten die Ratsmitglieder alle erdenklichen Gründe vorzuschieben, um Zafirs Regentschaft infrage zu stellen, indem sie beharrlich den Abfall der Stämme von Behraat ins Feld führten.

Als wäre er es, der diese Fehlentwicklung verursacht hatte, und nicht sein Vater.

Höchste Zeit, die Verantwortlichen zu einer Krisensitzung einzuberufen, um sie mit ihrem Tun zu konfrontieren. Zafir hasste seinen Vater, der ihn wie einen besseren Waisenjungen aufgezogen hatte, aber er durfte die Augen nicht davor verschließen, wie traurig es um Behraat stand. Noch ehe er von seiner königlichen Abstammung erfahren hatte, hatte er sich zu Höherem berufen gefühlt.

Die Gene seines Vaters …

Nicht Liebe oder Stolz hatten ihn geleitet, auch nicht, dass er wusste, wer seine Mutter war, sondern sein angeborenes Pflichtbewusstsein gegenüber Behraat.

Laurens Gesicht auf dem großen Plasmamonitor ließ Zafir innehalten.

Etwas regte sich in ihm … ein schmerzliches Ziehen in der Brust, das Echo einer tiefen Empfindung, die er sich bis heute nicht erklären konnte.

Wie sie nervös auf der Unterlippe kaute … und ungewöhnlich blass war sie. Unter ihren schönen Augen lagen dunkle Schatten. Das locker gebundene Kopftuch von vorhin war verschwunden, und das dunkle Haar, das ihr seidig in die Stirn fiel, verdeckte das halbe Gesicht. Unter der langärmeligen Baumwolltunika zeichneten sich ihre vollen Brüste ab. Mit gefalteten Händen saß sie würdevoll am Kopfende des Tischs in der Zelle.

Beharrlich und ehrlich, sinnlich und intelligent, so hatte Zafir sie kennengelernt – und war von ihr verzaubert gewesen.

Auf seinen Befehl hatte der Sicherheitsmann sie festgenommen und ihr alles abgenommen, was sie bei sich trug. Wen man als Bedrohung betrachtete, der wurde eingesperrt. Und was man bei Lauren an Beweismitteln sichergestellt hatte, sprach nicht gerade für sie.

Aber obwohl sie ihn anscheinend verraten hatte, konnte er nicht vergessen, wie verletzt sie ihn angesehen hatte. In dem Moment hätte er sie am liebsten geküsst.

„Die Scharade war geplant“, bemerkte Arif, sein Berater. „Die Amerikanerin hat es darauf angelegt, Ihre Schwäche auszunützen und Sie in eine Affäre zu verwickeln. Sie hätten mir gleich nach Ihrer Rückkehr von der Frau berichten müssen, damit …“

„Nein.“

Zafir fuhr sich übers Gesicht, um Laurens Bild zu verbannen.

In seinem Leben war kein Platz für Reue, Schwäche oder Gefühle. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste sich der Verantwortung stellen, die das Schicksal ihm auferlegt hatte.

Es war ein Fehler gewesen, sich mit Lauren einzulassen.

„Warum könnte sie das getan haben?“ Arif war der älteste Freund seines Vaters und jetzt Zafirs engster Verbündeter.

„Sie ist im Handelszentrum mit einem befreundeten Journalisten unterwegs gewesen, der wusste, dass Sie dort sein würden, Hoheit. Ein abgekartetes Spiel“, setzte Arif verächtlich hinzu, der Frauen, Ausländern und Fremden grundsätzlich argwöhnisch gegenüberstand.

Zafir antwortete nicht und überdachte seine Handlungsweise.

Die wenigen Mitglieder seines Stabs, die ihn ins Handelszentrum begleitet hatten, waren zu Stillschweigen verpflichtet worden. Dem Hohen Rat gegenüber hatte er eine Erklärung abgegeben – um des lieben Friedens willen.

In ihrer Zelle presste Lauren trotzig die Lippen zusammen und gab sich Mühe, aufrecht zu sitzen.

„Hat man den Journalisten gefunden?“, fragte Zafir.

Das Schweigen seines Beraters sagte alles.

Zafir schaltete den Monitor ab, um sich der Versuchung in Gestalt dieser Frau zu entziehen.

„Wir müssen das Ganze schleunigst in den Griff bekommen. Wenn das Video den Medien in die Hände fällt … “ Arif brauchte nicht auszusprechen, was dann passieren würde.

„Dann müssten wir uns auf einen neuen landesweiten Aufstand gefasst machen“, schloss Zafir grimmig. Abgesehen von seiner Machtgier hatte Tariq sich als Playboy hervorgetan, und er, Zafir, durfte auf keinen Fall im gleichen Licht erscheinen.

Wenn sie das Video nicht fanden und unbefugtem Zugriff entziehen konnten, würde das neu erwachende Vertrauen der Menschen von Behraat schnell wieder erlöschen.

Schon jetzt stellte der Hohe Rat Zafirs Reformbemühungen infrage und nutzte jede Gelegenheit, Zafirs Image in der Öffentlichkeit zu erschüttern. „Ich rede mit ihr – allein“, erklärte Zafir seinem Berater.

Hatte er zum ersten Mal eine Frau falsch eingeschätzt?

Wie konnte Zafir es wagen, sie verhaften zu lassen?

Lauren blickte zur Kamera an der Decke ihrer Zelle. Am liebsten hätte sie sich davorgestellt und gefordert, auf der Stelle freigelassen zu werden. Doch die Mühe konnte sie sich sparen.

Ihr Zorn begann sich zu legen, sie fühlte sich hilflos und verlassen.

Suchend blickte sie sich um: nackte weiße Wände, ein kalter Betonfußboden. Sie hatte noch nichts gegessen, und der sterile Geruch im Raum schlug ihr auf den Magen. Das einzige Fenster war mit billigem Kunststoff verbarrikadiert, ein verblichener Plastiktisch mit einem ebenso klapprigen Stuhl davor waren das einzige Mobiliar. Die Kehrseite der prächtigen Empfangshalle, in der sie vor zwei Stunden gestanden hatte.

Selbst wenn Lauren bereit gewesen wäre, das Ganze nur als schrecklichen Irrtum abzutun – die brutale Wirklichkeit hier in der Zelle belehrte sie eines Besseren.

Dennoch gab sie sich gefasst, obwohl ihre Furcht von Minute zu Minute wuchs. Was der alte Mann gesagt hatte, gab ihr zu denken.

Zafir – Scheich von Behraat?

Lauren hatte das Gefühl, einen Albtraum zu durchleben, aus dem sie jeden Moment erwachen würde. Wie sonst sollte sie sich das alles erklären?

Sie schluckte, weil ihre Kehle sich trocken anfühlte. Handy und Rucksack hatte man ihr abgenommen. Sehnsüchtig dachte sie an die Wasserflasche und den Müsliriegel darin.

Die Türverriegelung wurde geöffnet.

Lauren spannte sich an, atmete tief durch.

Zafir betrat den Raum. Unwillkürlich ließ sie sich auf den Stuhl sinken, als sie seine starre Miene bemerkte, stand jedoch schnell wieder auf.

Er hatte seinen Untergebenen befohlen, sie einzusperren. Dass er hier war, bedeutete nichts Gutes.

Nur kurz blickte er zum Kameraauge an der Decke, und das orangefarbene Licht erlosch.

Ein Blick genügte, und die Welt gehorchte.

Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Kalt und erbarmungslos betrachtete er Lauren.

Das lange Gewand hatte er gegen ein weißes Baumwollhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, die seine gebräunten Arme freigaben, und eine dunkle Hose getauscht. Ansonsten war er weiter der abweisende Fremde, den sie törichterweise geohrfeigt hatte.

Der Zafir, den sie in New York gekannt hatte, war ihr ein Rätsel gewesen, aber er war ihr so freundlich und sympathisch erschienen … bei ihm hatte Lauren sich vom ersten Moment an sicher gefühlt.

Zwar hatte er sich nicht gerade umgänglich gezeigt, als sie in der Notaufnahme aneinandergeraten waren, doch er hatte sich wie ein Gentleman verhalten. Sogar gelacht hatte er mit ihr.

War das alles nur Schau gewesen, um sie ins Bett zu kriegen?

Zafir kam näher und lehnte sich so an die Wand, dass Lauren zu ihm aufsehen musste. Ihr Magen zog sich zusammen, doch sie dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.

Entschlossen stand sie auf, trat hinter den Stuhl und nahm die gleiche Haltung wie Zafir ein.

Er sah sie durchdringend an. „Warum bist du hier, Lauren?“

„Frag das lieber deine Handlanger.“ Sie packte die Stuhllehne, weil ihre Finger bebten, und warf stolz den Kopf zurück. „Verzeihung. Ich hätte sagen sollen: deine Gefängniswärter.“

Wie arrogant er die Brauen hochzog! Warum war ihr nicht schon damals aufgefallen, dass diesem Mann Macht und Autorität nur so aus jeder Pore strömte? „Jetzt ist nicht der richtige Moment für Spielchen um Wahrheit und Lüge.“

„Du bist es, der die Wahrheit ins Spiel gebracht hat“, hielt sie ihm vor. „Stimmt es, was der Mann gesagt hat?“

Eine Ewigkeit verging. Zafir sah sie nur an – was einem Ja gleichkam.

Der Schatten, der von Anfang an über ihnen gehangen hatte … Jetzt begriff Lauren.

Ihr fiel ein, wie gequält – und stolz – er von Behraat gesprochen hatte, dessen aufstrebende Entwicklung die Regierung des Scheichs bewirkt habe. Sie dachte an die Sorge in Zafirs Augen, als im Fernsehen berichtet wurde, der alte Scheich liege weiterhin im Koma.

Selbst da hatte sie gespürt, dass Zafir auf Zeit spielte.

Er zuckte die Schultern … und stellte ihre Welt auf den Kopf. „Ja.“

Das eine knappe Wort wog schwer, schien Riesendimensionen anzunehmen – und machte ihr klar, was sie angerichtet hatte.

Laurens Kehle wurde trocken, sie begann zu beben. Die Geschichten, die sie von David über die Herrscherfamilie Behraats gehört hatte, fügten sich nun zu einem logischen Ganzen zusammen – und erschütterten das Wenige, das sie über Zafir zu wissen geglaubt hatte.

Erschauernd sagte sie: „Wenn du der neue Scheich bist, bist du …“

„Der Mann, der seinen Bruder verhaften ließ, um die Herrschaft über Behraat zu übernehmen – der Mann, der seinen Sieg am Abend vor dem Tod seines Bruders feierte.“ Erschreckend hohl hallten seine Worte in dem kahlen Raum wider. „Also nimm dich in Acht, Lauren. Einen Fehler hast du bereits begangen. Beim zweiten könnte ich weniger nachsichtig sein.“

2. KAPITEL

Nachsichtig? Empört sah Lauren ihn an. „Du hast einfach deine Häscher auf mich losgelassen, Zafir – ohne mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen!“

„Von jedem anderen wärst du grausamer bestraft worden.“

„Ich habe dich geohrfeigt – das ist kein Kapitalverbrechen.“

„Du hast mich vor dem Hohen Rat geohrfeigt. Und der vertritt die Auffassung, dass Frauen nach Hause gehören, wo sie vor der Welt sicher sind … und den eigenen Schwächen.“

Von Nachsicht konnte keine Rede sein. Zafirs Ton war unüberhörbar feindselig.

„Das ist finsterstes Mittelalter“, entrüstete Lauren sich.

„Sei froh, dass ich dir recht gebe. Genau wie Männer sind auch Frauen zu Täuschung und Intrigen fähig.“

„Du bist also nicht nur Scheich, sondern auch Frauenhasser? Ich wüsste nicht, was ich schlimmer fände.“

Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. „Wir sind hier nicht in New York, Lauren. Und ich bin kein gewöhnlicher Mann.“

„Nein, das bist du wirklich nicht“, flüsterte sie. Das hatte sie schon in New York erkannt.

Als mittelständischer Unternehmer im Im- und Exportgeschäft hatte er sich ihr vorgestellt, der sich im turbulenten politischen Klima Behraats mühsam behauptete. Das Aufblitzen von Interesse in den Augen des umwerfenden Fremden bei ihrem Anblick – der halbwegs attraktiven Notaufnahmeschwester, die sich mit ihrem Durchschnittsdasein abgefunden hatte – war ihr zu Kopf gestiegen.

Das erklärte zumindest, warum sie seine Lügen für bare Münze genommen hatte.

Stattdessen war Zafir ein skrupelloser Herrscher, der seinem Vorgänger die Macht entrissen hatte, falls den Medien zu glauben war. Er war die Verkörperung von Macht und Ehrgeiz und allem, was Lauren verachtete – und ganz und gar nicht der entwurzelte Mann, für den sie ihn gehalten hatte.

Die triste Umgebung verschwamm vor Laurens Augen. Matt ließ sie sich auf den Stuhl sinken, legte den Kopf auf die Knie und zwang sich langsam und tief zu atmen.

Plötzlich begann ihre Haut zu prickeln, ein vertrauter exotischer Duft hüllte sie ein. Dicht vor ihr stand Zafir und legte ihr die Hand in den Nacken.

„Lauren?“ Sie erschauerte. „Tu nicht so, als würdest du dir etwas aus mir machen!“

Komisch, aber er klang betroffen – oder bildete sie es sich nur ein? Als sie ihn ansah, war seine Miene ausdruckslos. Ehe sie sich rühren konnte, stemmte er die Arme so neben ihr auf den Tisch, dass sie gefangen war. „Wusstest du es?“

„Was meinst du?“, stieß sie ratlos hervor. Zafirs Nähe brachte sie völlig durcheinander.

Autor

Tara Pammi
<p>Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte! Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...
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