In der Villa der Liebe

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Als Sabena in einer New Yorker Stadtvilla nach dem Kater der exzentrischen Millionärin Katherine Fabian sucht, trifft sie dort den charmanten Jake. Die Privatdetektivin ist sofort angetan von dem gut aussehenden Anwalt. Doch ehe sie ihren Gefühlen nachgibt, muss sie herausfinden, was er mit dem Verschwinden des Tieres zu tun hat. Ein romantisches Rendezvous wäre doch eine gute Gelegenheit, Jake unauffällig auszuhorchen, oder. etwa nicht? Wenn sie sich beim Tanzen in seinen Armen wiegt und er ihr Zärtlichkeiten ins Ohr flüstert …


  • Erscheinungstag 11.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756475
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sabena Murphy sah nicht aus wie eine Privatdetektivin. Sie hatte langes schwarzes Haar, saphirblaue Augen und eine Figur, bei deren Anblick alte Männer sich sofort wieder jung fühlten. Niemand hätte geahnt, dass sie die Inhaberin einer eigenen Detektei war.

An diesem Morgen hatte sie einen vielversprechenden Anruf erhalten. Eine Frau hatte sie in einer sehr dringenden Angelegenheit sehen wollen und ihr eine Adresse in der Park Avenue genannt.

Wenig später stand Sabena vor einem imposanten alten Backsteinhaus. Lass es nicht wieder ein schmutziges Scheidungsverfahren sein, flehte sie im Stillen.

Angesichts der Frau an der Tür legten sich ihre Ängste ein wenig. Sie hatte kurzes graues Haar und eine schlanke Gestalt, obwohl sie bereits um die sechzig sein musste.

„Sie sind sicher Miss Murphy.“ Die Frau reichte ihr die Hand. „Ich bin Martha Lambert. Kommen Sie bitte herein.“

Das Innere des Hauses war so elegant, wie die Fassade bereits angedeutet hatte. Glänzende Holzböden, orientalische Teppiche und Gemälde in schweren Goldrahmen. Ehe Sabena sich genauer umschauen konnte, huschte etwas Schwarzes durch die Diele und verschwand in der Halle.

„Was war das?“, fragte sie verwundert.

„Ein schwarzer Kater. Er ist einer der Gründe, weshalb ich Ihre Dienste benötige.“ Auf Marthas Zügen spiegelten sich gleichermaßen Bitterkeit und Amüsement.

Martha führte Sabena in einen behaglichen Raum, der offenbar als Büro und Wohnzimmer diente.

Nachdem sie Platz genommen hatten, sagte sie: „Ich bin zwar noch nie einem Privatdetektiv begegnet, aber irgendwie war ich der Meinung, Sie wären älter.“

„Ich werde mich bemühen, Ihr Vertrauen zu rechtfertigen. Darf ich fragen, weshalb Ihre Wahl ausgerechnet auf mich gefallen ist?“

Das Lächeln ließ Martha erstaunlich jugendlich wirken. „Auf der High School hatte ich einen Freund namens Murphy. Als ich Ihre Anzeige in den Gelben Seiten las, erwachten alte Erinnerungen. Ein weiterer Pluspunkt war Ihre Bescheidenheit. Die Inserate der großen Agenturen finde ich einfach marktschreierisch“, fügte sie geringschätzig hinzu.

Zum ersten Mal war Sabena froh über ihr geringes Werbebudget. „Was kann ich für Sie tun?“

„Sie sollen eine Katze finden.“

Sabenas Zuversicht schwand. Dieser Auftrag war fast noch schlimmer, als einen untreuen Ehemann zu beschatten.

Ihre Enttäuschung war Martha nicht verborgen geblieben. „Vielleicht gefällt Ihnen der Auftrag besser, wenn Sie die ganze Geschichte kennen. Lucky ist kein gewöhnlicher Kater.“

„Ich bin sicher, dass er Ihnen viel bedeutet“, erwiderte Sabena höflich.

„Man könnte sagen, er ist Millionen wert“, erklärte Martha bekümmert. „Allerdings nicht für mich. Am besten fange ich von vorn an. Vielleicht haben Sie schon von Katherine Fabian gehört.“

Sabena erinnerte sich an die reiche alte Dame, die vor wenigen Wochen gestorben war. Die Zeitungen hatten tagelang über sie berichtet. „Wenn ich nicht irre, hat sie ihr gesamtes Vermögen ihrer Katze vermacht.“

„Nicht ganz“, korrigierte Martha. „Sie hat der Wohlfahrt große Beträge hinterlassen, das Personal ausgezeichnet versorgt und mich für den Rest meines Lebens unabhängig gemacht. Ich war über zwanzig Jahre ihre Gesellschafterin und Sekretärin.“

„Aber der Hauptteil ihres Besitzes ging an die Katze.“

„Auch das ist nicht ganz richtig. Katherine hat in ihrem Testament verfügt, dass Lucky den Rest seines Lebens in diesem Haus verbringen soll. Nach seinem Tod bekommen ihre Verwandten – zwei Schwestern, ein Bruder und eine Großnichte – das gesamte Erbe.“

„Davon habe ich nichts gelesen“, meinte Sabena.

„Nein, natürlich nicht. Dadurch hätte die Story ja an Reiz verloren.“ Martha seufzte. „Die Presse hat es vorgezogen, Katherine als senile alte Jungfer darzustellen. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war.“

„Sie müssen zugeben, dass es ein ziemlich ungewöhnlicher Letzter Wille ist“, wandte Sabena vorsichtig ein.

„Nun ja, Katherine war exzentrisch. Sie konnte es sich auch leisten. Trotzdem war sie eine faszinierende Frau. Ich will Ihnen etwas über die Fabians erzählen. Katherine hat aus einer bescheidenen Erbschaft ein Vermögen gemacht – im Gegensatz zu ihren Geschwistern, die ihren Anteil mehr oder weniger verschwendet haben. Nichtsdestotrotz sind sie alle recht wohlhabend. Marguerite, eine der Schwestern, hat von ihren drei Ehemännern stattliche Abfindungen erhalten. Sie ist noch immer eine schöne Frau, aber absolut oberflächlich. Ich glaube, ihre Männer waren froh, sie loszuwerden. Wahrscheinlich wird sie dennoch wieder heiraten. Harriet, ihre Schwester, ist da völlig anders. Verglichen mit ihr, ist eine Zitrone zuckersüß.“

„Demnach ist Harriet wohl nicht verheiratet.“

„Sie war es, ihr Mann ist jedoch vor einigen Jahren verstorben. Er war geschäftlich überaus erfolgreich, stand aber daheim völlig unter ihrem Pantoffel. Bei seinem Tod war Harriet sehr gut versorgt.“

„Und was ist mit Miss Fabians Bruder und Großnichte?“, fragte Sabena. „Sind sie ebenfalls gut versorgt?“

„Nicht so wie die Schwestern. Charles Fabian ist ein alternder Playboy, der das Schmarotzertum zur Kunst erhoben hat“, erklärte Martha kühl. „Er findet immer jemanden, der ihn finanziert. Entschuldigen Sie meine unverblümten Worte, aber die Umstände erfordern Offenheit. Es ist keine sonderlich liebenswerte Familie.“

„Einschließlich der Nichte?“

„Nein, ich möchte Emily keinesfalls mit den anderen in einen Topf werfen. Sie ist ein wirklich nettes Mädchen. Katherine hat sie sehr gern gehabt. Ich glaube, Marguerite hat diese enge Beziehung missbilligt.“

„Warum denn?“

„Marguerite ist Emilys Großmutter, obwohl sie darauf besteht, dass das Mädchen sie beim Vornamen nennt. Haben Sie je so etwas Lächerliches gehört? Marguerite will einfach nicht wahrhaben, dass sie alt genug ist, um Großmutter zu sein.“

„Dann war also Emilys Mutter oder Vater Marguerites Tochter oder Sohn.“

„Tochter. Sie und ihr Mann kamen tragischerweise vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben. Emily war damals Anfang zwanzig.“

„Und wie sieht es mit ihren Finanzen aus?“

„Emily hat einen guten Job beim Metropolitan Museum. Außerdem ist sie mit einem aufstrebenden jungen Börsenmakler verlobt.“

„Aber sie ist nicht so flüssig wie die anderen, oder?“

„So könnte man es formulieren“, räumte Martha zögernd ein. „Dennoch wäre es für keinen von ihnen ein Opfer, auf das Erbe zu warten.“

„Nichtsdestotrotz muss es eine herbe Enttäuschung für alle gewesen sein. Beabsichtigen sie, das Testament anzufechten?“

„Zunächst schienen sie die Bedingungen zu akzeptieren, obwohl sie einen Anwalt namens Jake Waring engagiert haben – vermutlich, um sich von ihm beraten zu lassen. Eine Klausel in Katherines Testament besagt, dass jeder automatisch enterbt wird, der gegen die Verfügung vorgeht.“

Sabena überlegte. „Es gibt einen einfacheren Weg als einen Prozess. Was, wenn Lucky nicht die sprichwörtlichen neun Leben hätte?“

„Diese Möglichkeit hat Katherine in Betracht gezogen. Sollte Lucky keines natürlichen Todes sterben, verlieren alle Erben ihre Ansprüche. Sie wollte damit gewährleisten, dass keiner die Schuld auf sich nimmt und die anderen ihn dafür entschädigen.“

„Dann verstehe ich nicht, wo das Problem ist“, meinte Sabena. „Miss Fabian scheint alle Aspekte bedacht zu haben.“

„Alle, außer einem. Lucky ist verschwunden.“

„Ich habe ihn doch gerade gesehen“, protestierte Sabena.

„Nein, Sie haben sein Double gesehen.“

„Wie bitte?“

„Als Erstes hat der Anwalt der Fabians Pfotenabdrücke von Lucky genommen. Mr. Waring sagte, falls Lucky sterbe, könnte ich ihn schließlich unbemerkt durch irgendeinen anderen schwarzen Kater ersetzen. Was natürlich stimmt“, räumte Martha ruhig ein. „Eine schwarze Katze sieht aus wie die andere, außer für ihren Besitzer.“

„Warum sollten Sie sich diese Mühe machen? Die Legate an Sie, das Personal und die Wohltätigkeitsorganisationen werden doch vorab ausgezahlt, oder? Ob Lucky nun lange lebt oder nicht, ist für Sie völlig bedeutungslos.“

„Nun ja, nicht ganz. Katherine war klar, dass es nicht genügen würde, Lucky ein lebenslanges Wohnrecht in diesem Haus einzuräumen. Jemand sollte die Verantwortung für sein Wohlergehen tragen, und dazu hat sie mich bestimmt. Falls ich aus irgendwelchen Gründen dazu nicht bereit oder imstande sein sollte, muss ich einen zuverlässigen Ersatz benennen.“

„Wie alt ist Lucky?“

„Ungefähr vier oder fünf Jahre. Er war noch recht jung, als Katherine ihn auf der Straße auflas.“

„Katzen können vierzehn werden, oder?“

„Und älter.“

„Es besteht also die Möglichkeit, dass Sie noch sehr lange hier bleiben müssen“, erwiderte Sabena.

„Jetzt denken Sie schon wie Mr. Waring. Ja, ich könnte hier noch viele Jahre behaglich wohnen. Aber das will ich nicht, egal, was die Erben glauben. Ich fühle mich verpflichtet, Katherines Letzten Willen zu erfüllen. Sie war ebenso meine Freundin wie meine Arbeitgeberin. Allerdings wollte ich nie ohne sie hier bleiben. Ich möchte mir ein Haus auf dem Land kaufen und all das tun, wofür ich nie Zeit hatte – gärtnern, kochen, ausgedehnte Wanderungen unternehmen. Sobald ich einen vertrauenswürdigen Ersatz für mich gefunden hätte, wollte ich meine Pläne verwirklichen. Nun hängt alles in der Schwebe. Zuerst muss Lucky gefunden werden.“

„Der Fall interessiert mich, aber ich will ehrlich zu Ihnen sein. Falls einer der Erben Lucky entführt hat, dürfte er oder sie sich schnellstens des Tieres entledigt haben.“

„Das glaube ich nicht. Bevor das Geld nicht verteilt wurde, würden sie dieses Risiko nicht eingehen. Es könnte schließlich unvorhergesehene Komplikationen geben.“

„Zum Beispiel?“

„Falls einer der Erben Lucky nicht unversehrt vorweisen kann und als Täter entlarvt wird, werden alle enterbt.“

„Da der Kater auf mysteriöse Weise verschwunden ist, liegt doch der Verdacht nahe, dass er tot ist.“

„Ein guter Anwalt könnte einwenden, dass Lucky einfach entlaufen ist. Und ich versichere Ihnen, Jake Waring ist ein sehr guter Anwalt.“

„Ist denn die Tatsache, dass die Kater vertauscht wurden, nicht Beweis genug, dass Lucky Opfer einer dunklen Machenschaft wurde?“, entgegnete Sabena.

„Der Verdacht würde mehr auf mich als auf die Erben fallen. Deshalb ist die Sache ja so teuflisch.“ Martha wirkte bekümmert. „Ich würde den Rest meines Lebens mit diesem Makel verbringen, und der Täter käme ungeschoren davon. Das Gericht wird die Abwicklung des Testaments nicht ewig aufschieben, zumal es um so viel Geld geht.“ Sie seufzte. „Ich habe kläglich versagt.“

„Sie konnten so etwas nicht ahnen“, tröstete Sabena sie.

„Ich kann es noch immer nicht fassen. Als ich zum ersten Mal den Verdacht hatte, dass dieser Kater nicht Lucky ist, habe ich von ganzem Herzen gehofft, ich würde mich täuschen.“

„Wie ist der Anwalt dahinter gekommen?“, erkundigte Sabena sich neugierig.

„Ich weiß es nicht. Er tauchte eines Tages mit der ganzen Familie hier auf und erklärte, dass sie einen neuen Satz Pfotenabdrücke wünschten.“

„Fanden Sie das nicht sonderbar?“

„An der Sache ist alles bizarr. Die einzige Chance, meinen Ruf zu retten, besteht darin, Lucky so schnell wie möglich aufzuspüren. Sobald das Geld fließt, ist sein Leben beendet.“

„Geben Sie jetzt nicht auf. Wir haben den Kampf noch nicht begonnen.“ Sabena verbarg ihre Zweifel hinter einem Lächeln. „Zunächst brauche ich Hintergrundinformationen über alle Verwandten sowie Personenbeschreibungen.“

Die Türglocke läutete. „Sie können sich gleich selbst ein Bild von ihnen machen. Ich habe die Familie gebeten, heute herzukommen“, erklärte Martha.

„Wie ist Ihnen das gelungen? Ich könnte mir vorstellen, dass das Verhältnis zu den Erben recht gespannt ist.“

„Ich habe ihnen erzählt, ich hätte Schmuck von Katherine gefunden, der im Testament nicht erwähnt wurde. Das hat die Spannungen erheblich gemildert.“

„Hätten Sie die Stücke nicht dem Testamentsvollstrecker aushändigen müssen?“

Martha lächelte. „Es ist Modeschmuck, aber ich bin sicher, ihre Geschwister geben sich der Illusion hin …“ Sie verstummte, als ein Mann an der Tür erschien.

Sabena sah zu ihm hinüber. Ihr anfängliches Interesse verwandelte sich in Erstaunen. Dieser Mann konnte nicht Miss Fabians Bruder sein. Er war jung, in den Dreißigern, und besaß die große, breitschultrige Figur eines Sportlers. Alles an ihm verriet Geld, der elegante dunkle Anzug ebenso wie die Seidenkrawatte. Er musste Emilys Verlobter sein, der Börsenmakler.

Martha widerlegte diese Vermutung, als sie ihn begrüßte. „Ich hatte Sie heute nicht erwartet, Mr. Waring.“

„Hoffentlich störe ich nicht“, erwiderte er höflich. „Einer meiner Klienten rief mich an und bat um meine Anwesenheit.“

Martha nickte. „Ich wette, es war Harriet.“

Ohne sich zu dieser Bemerkung zu äußern, sah der Anwalt zu Sabena hinüber. Seine auffallenden braunen Augen schimmerten fast golden und erinnerten sie flüchtig an einen gefährlichen Tiger. Sabena war es gewöhnt, männliches Interesse zu wecken, aber sein abschätzender Blick bereitete ihr Unbehagen. Jake Waring wäre ein Respekt einflößender Gegner – sowohl im Gerichtssaal als auch außerhalb.

Martha folgte seinem Blick. „Das ist Sabena Murphy, die Tochter einer lieben Freundin von mir. Sie ist zu Besuch in der Stadt.“

Sabena bewunderte insgeheim die Erfindungsgabe der älteren Frau, wünschte jedoch, sie hätten Zeit gehabt, die Geschichte vorher abzustimmen. Insbesondere da Jake das Thema aufgriff.

„Woher kommen Sie, Miss Murphy?“

Er war überaus scharfsichtig. Ein kurzer Blick auf ihre linke Hand hatte ihm verraten, dass sie ledig war. „Aus einem kleinen Ort in Wisconsin. Sie haben sicher noch nie davon gehört.“

„Stellen Sie mich auf die Probe.“

„Pear Blossom.“ Es war der erste Name, der ihr in den Sinn kam.

„Birnenblüte? Wie ungewöhnlich. Ich wusste gar nicht, dass man dort Birnen anbaut.“

„Was bedeuten schon Namen?“, konterte sie betont heiter. „In Los Angeles sind bestimmt auch nicht alle Leute Engel.“

„Komisch, dass Sie Kalifornien erwähnen. Wenn ich mich nicht täusche, gibt es dort nämlich ein Pear Blossom.“

Also daher kannte sie den Namen! Eine lange verdrängte Erinnerung aus ihrer Kindheit an der Westküste. Warum interessierte er sich überhaupt für ihre Herkunft? Vermutlich war die Neigung zum Kreuzverhör berufsbedingt.

„Möchten Sie einen Kaffee, Mr. Waring?“, warf Martha ein.

„Wenn es nicht zu viel Mühe macht.“

„Keineswegs. Ich bitte Greta, uns welchen zu bringen.“

Während Martha den Klingelzug neben dem Fenster betätigte, fragte Jake Sabena: „Wo wohnen Sie?“

Bevor sie antworten konnte, verkündete Martha: „Marguerite und Harriet sind da.“

Die Türglocke läutete, und einen Moment später wurden zwei Frauen ins Wohnzimmer geführt. Sie waren in der gleichen Altersgruppe, doch damit endete die Ähnlichkeit auch schon.

Marguerite war noch immer sehr attraktiv. Raffinierte Schönheitsoperationen hatten ihr ein faltenfreies Gesicht bewahrt, und dank strikter Diät verfügte sie über eine makellose Figur. Das blonde Haar war meisterlich getönt.

Harriet war das genaue Gegenteil von Marguerite. Sie war unscheinbar und untersetzt, ihr dunkles Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Der schmale Mund und die strengen Gesichtszüge ließen Rückschlüsse auf ihren Charakter zu.

„Was ist mit dem Schmuck?“, fragte sie Martha unumwunden. „Warum wurden wir nicht früher über seine Existenz informiert?“

„Schön, dass du hier bist, Harriet“, antwortete Martha ironisch. „Hallo, Marguerite. Möchtet ihr nicht Platz nehmen? Der Kaffee wird gleich serviert.“

„Wechsel nicht das Thema“, befahl Harriet. „Hier passieren sehr merkwürdige Dinge. Wenn gerade mal nichts verschwindet, taucht plötzlich etwas auf. Du bist entweder unfähig oder unehrlich.“

Marthas Augen glitzerten gefährlich. „Da du deinen Anwalt mitgebracht hast, solltest du dich am besten nach den Strafen für Verleumdung erkundigen.“

„Ich schlage vor, wir beruhigen uns alle, meine Damen“, warf Jake ein. „Sie sehen heute ganz bezaubernd aus, Marguerite. Ist die Frisur neu?“

Sie blühte unter seinem Kompliment sichtlich auf. „Ich habe einen neuen Coiffeur. Gefällt es Ihnen wirklich?“

„Was soll der Unsinn?“, beschwerte Harriet sich mürrisch. „Wir sind hier, um Katherines Schmuck zu sehen, und du machst dich zur Närrin wegen eines Mannes, der halb so alt ist wie du.“

„Ich bevorzuge nun mal jüngere Männer. Sie haben eine himmlische Ausdauer.“ Marguerite lächelte kokett.

„Du bist widerwärtig“, tadelte ihre Schwester.

„Arme Harriet. Ist es nicht schrecklich, so gehemmt zu sein? Ein ausgeglichenes Sexleben würde Wunder bei dir wirken.“

Harriets Gesicht färbte sich rot. „Ich finde diese Bemerkung höchst geschmacklos.“

Während Jake sich bemühte, seine Heiterkeit zu verbergen, brachte die Haushälterin ein großes Silbertablett mit Geschirr und einer Schale Gebäck herein. Martha schenkte gerade den Kaffee ein, als Charles Fabian, der Bruder, eintraf. Er war ein distinguiert aussehender Mann, hatte silbergraue Schläfen und die einschmeichelnden Gebaren eines Staubsaugervertreters. Sabena schloss sich insgeheim Marthas Urteil über die Familie an. Sie waren eher peinliche Karikaturen ihrer selbst.

Charles fasste sofort Sabena ins Auge. „Und wer ist diese junge Schönheit?“

Harriet geduldete sich mühsam, bis Martha die Vorstellung übernommen hatte, dann fragte sie erneut nach dem Schmuck. „Dies ist kein Höflichkeitsbesuch.“

„Ich dachte, wir warten auf Emily“, meinte Martha.

„Ist das nötig?“, wandte Harriet sich an Jake.

Er zuckte die Schultern. „Sie ist eine der Erben.“

„Dann sollte sie wie wir pünktlich sein.“

„Auf die paar Minuten kommt es doch nicht an“, versuchte er, sie zu beschwichtigen.

„Sicher, Sie werden ja auch für Ihre Zeit bezahlt“, konterte Harriet boshaft. „Ihnen wäre es nur recht, wenn wir den ganzen Tag hier herumsitzen würden.“

Jakes Miene wurde abweisend, aber seine Stimme klang weiterhin freundlich. „Sie waren diejenige, die mich heute hergebeten hat, Mrs. Sheridan – obwohl ich wirklich nicht weiß, warum.“

„Um unsere Interessen zu schützen. Dafür zahlen wir schließlich Ihr astronomisches Honorar. Sie sollen gewährleisten, dass uns Martha alles aushändigt.“

„Das kann ich nicht. Der Schmuck ist Teil des Nachlasses.“

„Katherine hat zweifellos gewollt, dass wir ihn bekommen“, beharrte Harriet.

Wenig später traf Emily ein. Die Ähnlichkeit mit ihrer Großmutter war unverkennbar, obwohl Emilys langes, glattes Haar hellbraun war und sie ihren faltenlosen Teint der Jugend verdankte und nicht den Künsten eines Schönheitschirurgen.

„Entschuldigt die Verspätung. Ich konnte einfach kein Taxi finden.“ Ihr Blick fiel auf Jake. „Was ist los? Ist Lucky wieder da?“

„Der dumme Kater ist endgültig verschwunden“, erwiderte Marguerite. „Ich begreife nicht, warum das Gericht das nicht akzeptiert und uns unser Geld gibt. Ich plane eine Europareise.“ Der letzte Teil ihrer Äußerung war an Jake gerichtet.

„So einfach ist das nicht“, erklärte er.

Harriet presste die schmalen Lippen zusammen. „Anwälte zögern gern die Fälle hinaus, um ihre fetten Gebühren zu rechtfertigen.“

Sabena fragte sich, wann Jakes Geduld erschöpft sein würde. Man brauchte Nerven aus Stahl, um angesichts solcher Provokationen nicht zu explodieren. Als sie jedoch seinem Blick begegnete, erkannte sie, dass er kein gewöhnlicher Mann war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er je die Beherrschung verlor – auch nicht beim Liebesspiel. Die Idee, dass dieser feste Mund zärtlich küssen oder leidenschaftliche Koseworte flüstern könnte, war völlig abwegig.

Errötend senkte sie den Kopf, weil sie plötzlich das unbehagliche Gefühl hatte, dass Jake ihre Gedanken lesen könnte.

„Hör bitte mit diesen Sticheleien auf“, sagte Marguerite zu ihrer Schwester. „Vergiss nicht, Jake ist auf unserer Seite.“

„Davon habe ich bislang nichts gemerkt“, meinte Harriet mürrisch.

„Immerhin hat er entdeckt, dass die Kater vertauscht wurden“, erinnerte sie Charles. „In einem Punkt stimme ich dir allerdings zu. Ich sehe auch nicht ein, warum uns das Geld verweigert wird. Katherines Kater ist Geschichte.“

„Sehr richtig. Worauf warten Sie noch – dass uns der Entführer eines der Ohren von diesem kleinen Biest schickt?“, fragte Harriet zynisch.

„Ich hoffe aufrichtig, das wird nicht passieren.“ Jake schaute sie unbeeindruckt an. „Das würde nämlich bedeuten, dass er getötet wurde, und dann würde keiner von Ihnen auch nur einen Cent erben.“

Entsetzt sahen die Geschwister einander an. Charles sprach für alle. „Moment mal! Wir wissen alle, dass er fortgelaufen ist. Katzen sind dumm – im Gegensatz zu Martha. Sie hat sich ein anderes Tier beschafft, damit sie sich hier weitere zehn Jahre oder länger durchschnorren kann.“

Harriet stieß einen verächtlichen Laut aus. „Wenn sich jemand mit Schnorren auskennt, dann du, Charles.“

Emily presste die Hände auf die Ohren. „Ich will nichts mehr hören! Habt ihr mich dafür von der Arbeit weggeholt?“

„Das Kind hat recht.“ Marguerite seufzte. „Ob gut oder schlecht, wir stecken alle in der Sache.“

Meint sie das wörtlich? überlegte Sabena. Der Job würde nicht leicht werden.

„Wir sind wegen Katherines Schmuck hier“, fuhr Marguerite fort. Ihre Augen funkelten in froher Erwartung.

„Welchen Schmuck?“ Emily war verwirrt.

„Das wollen wir herausfinden“, verkündete Harriet. „Es sei denn, Martha zögert die Sache noch weiter hinaus.“

„Im Gegenteil.“ Martha erhob sich und ging zum Schreibtisch. Sie schloss eine der Schubladen auf und entnahm ihr eine Lederschatulle. Lächelnd deponierte sie sie auf dem Tisch. „Ich brenne darauf, euch den Inhalt zu zeigen.“

In ihrer Hast, an den Tisch zu gelangen, stießen sich die drei Geschwister fast um. Marguerite war die Schnellste. Sie öffnete den Deckel und starrte gierig auf die Ansammlung von Broschen, Ringen und Armbändern.

Nachdem sie einige Stücke begutachtet hatte, rief sie empört: „Das ist Modeschmuck!“

Unverhohlene Enttäuschung spiegelte sich auf Harriets Gesicht. „Wertloses Zeug!“

„Seid nicht so voreilig.“ Charles betrachtete eine mit dunkelroten Steinen verzierte Nadel. „Das könnten Rubine sein.“

„Es sind Granate“, erklärte Martha. „Ich habe Katherine diese Brosche geschenkt.“

„Also wusstest du, dass es sich um Imitationen handelt“, beschwerte Marguerite sich wütend. „Du hast uns absichtlich falsche Hoffnungen gemacht.“

„Diesen Schmuck hat Katherine jeden Tag getragen. Ich dachte, er hätte einen Erinnerungswert für euch.“

Inzwischen hatte sich auch Emily dem Tisch genähert. „Ich hätte gern das kleine goldene Medaillon, das sie immer getragen hat.“ Sie schaute Jake fragend an. „Wäre das möglich?“

Seine abweisenden Züge wurden weich. „Ich kannte Miss Fabian zwar nicht, aber ich bin sicher, dass sie es so gewollt hätte.“

Sabena ertappte sich dabei, dass sie sich wünschte, er möge sie so ansehen, und rief sich sofort zur Ordnung. Jake Waring wurde dafür bezahlt, ihre Bemühungen zu vereiteln, das durfte sie nie vergessen.

Harriet wühlte ungeniert in der Schatulle. „Für diese Onyxohrringe hätte ich vielleicht Verwendung.“

„Man legt echte Juwelen nur zu besonderen Anlässen an.“ Marguerite hielt die Granatbrosche gegen das Licht. „Der Kram könnte sich als durchaus nützlich erweisen.“

Es tat Sabena weh, den Schmerz und Abscheu in Marthas Augen zu sehen. Sie wandte sich ab, um sich frischen Kaffee einzugießen.

„Testamente bringen in Menschen die schlechtesten Seiten zum Vorschein“, sagte eine leise Stimme.

Jake stand direkt neben ihr und blickte sie fast genauso mitfühlend an wie vorhin Emily. Sabena erwärmte sich instinktiv für ihn. Wie hatte sie ihn nur für unsensibel halten können?

„Kannten Sie Katherine Fabian gut?“, fragte er.

Sabena blickte auf ihre Tasse. „Nein, ich bin ihr nie begegnet.“

„Verstehe.“

Der sonderbare Unterton veranlasste sie, den Kopf zu heben. Der Moment der Vertrautheit war vorüber.

„Sie wirkten gerade ein wenig verärgert“, fuhr er fort. „Da dachte ich, Sie hätten Miss Fabian vielleicht auch eines dieser Schmuckstücke geschenkt.“

„Ich war wegen Martha verärgert. Sie hat Katherine aufrichtig gemocht. Es bricht ihr das Herz, mit ansehen zu müssen, wie diese Aasgeier die von ihrer Schwester so geschätzten Stücke als wertlos abtun. Gibt es denn kein Taktgefühl mehr?“

„Martha hat sie absichtlich an der Nase herumgeführt“, erinnerte er sie. „Sie wussten, dass die Schatulle nur Modeschmuck enthält, oder?“

Sabena begegnete ruhig seinem Blick. „Ich habe den Kasten nie zuvor gesehen.“

Emily gesellte sich zu ihnen. Sie deutete auf das Medaillon um ihren Hals. „Ist es nicht wunderhübsch? Ich werde Tante Katherines Bild auf einer Seite und Dons auf der anderen befestigen. Mein Verlobter“, fügte sie an Sabena gewandt hinzu.

„Es ist wirklich schön“, bestätigte Sabena. „Hoffentlich haben Sie viel Freude daran.“

Emily schaute Jake zögernd an. „Ich finde, Martha sollte auch ein Andenken haben.“

„Da stimme ich Ihnen zu.“

„Würden Sie mit ihnen reden? Tante Harriet und die anderen würden Tobsuchtsanfälle bekommen, wenn ich es ihnen vorschlage, obwohl es um nichts Wertvolles geht. Sie sind der Einzige, der sie bändigen kann. Die anderen sind überzeugt, dass Martha für das Testament verantwortlich ist, aber wenn Sie Tante Katherine gekannt hätten, wüssten Sie, dass niemand sie beeinflussen konnte.“

„Verspüren Sie denn keine Feindseligkeit gegen Martha?“, fragte Sabena. „Schließlich hat sie bereits vom Letzten Willen Ihrer Tante profitiert und Sie nicht.“

„Ich verstehe die Gefühle meiner Familie“, erwiderte Emily vorsichtig. „Sie sind wesentlich älter als ich, daher ist es für sie schwerer, auf das Geld zu warten. Trotzdem sollten wir Martha nicht darunter leiden lassen. Sie war Tante Katherine viele Jahre treu ergeben.“

„Demnach glauben Sie nicht, dass sie die Kater vertauscht hat“, sagte Sabena.

„Was Emily glaubt, ist völlig unwichtig“, mischte Jake sich ein. „Die Angelegenheit wird vor Gericht entschieden.“

Emily lächelte ihn dankbar an. „Ich will noch kurz telefonieren, dann muss ich zurück zur Arbeit.“

Als sie fort war, zerkrümelte Sabena unauffällig einen Keks und hielt ihre klebrigen Finger hoch. „Ich sollte mir die Hände waschen.“

Jake sah sie prüfend an. „Sie sind nicht zufällig Anwältin, oder?“

„Nein. Warum fragen Sie?“

„Das war ein gutes Kreuzverhör, dem Sie Emily unterzogen haben.“

Autor

Tracy Sinclair
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