In dieser Nacht kann alles geschehen

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In dieser stürmischen Nacht erfüllen sich Daphnes sinnliche Wünsche. Immer wieder führt Logan sie auf den Gipfel der Lust, bis sie erschöpft an seiner breiten Brust einschläft. Doch am nächsten Morgen trifft sie eine traurige Entscheidung: Nie wieder wird sie in Logans Armen zärtliche Stunden der Liebe erleben ...


  • Erscheinungstag 10.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777609
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Daphne Malone legte den Hörer auf und vollführte einen Freudentanz um ihr ungemachtes Bett herum. Sie hatte einen Job! Nicht direkt einen Traumjob, aber immerhin war es ein Anfang.

Sie hüpfte zu ihrem hoffnungslos überfüllten Kleiderschrank und wühlte eine große alte Strandtasche hervor, die unter Bergen von Kleidern begraben war. Mit der anderen Hand kramte sie in dem Kleiderhaufen herum. Welches Kostüm sollte sie anziehen? Vielleicht sollte sie ihre Mutter anrufen und sich von ihr einen Tipp geben lassen. Calandra Malone hatte ihren beiden Töchtern schon früh das Nähen beigebracht, was mit ein Grund dafür war, weshalb Daphne mehr Auswahl hatte, als ihr im Augenblick lieb war.

Also griff sie zum Telefon, tippte die Nummer ihrer Eltern ein und klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Wange, während sie sich eine frische weiße Jeans anzog.

„Mom, ich hab einen Job!“, begrüßte sie ihre Mutter aufgeregt und flocht sich nebenbei das lange Haar zu einem Zopf. „Ich soll heute Nachmittag als Clown bei einem Kindergeburtstag auftreten, drüben, in der Nähe von Commerce. Ist das nicht toll?“

Sie lauschte einen Moment und rollte mit den Augen. „Nein, es ist in der Nähe von Ost-L.A., nicht in Ost-L.A. Ja, Mom, ich weiß, was Kieran über die Gegend sagt, aber ich werde mich in einem ganz normalen Haus bei einer ganz normalen Familie aufhalten. Es sind Freunde von Freunden von Dane.“ Wieder hörte sie kurz zu, bevor sie sagte: „Nein, ich trete vor zehn Siebenjährigen auf, und, ja, selbstverständlich rufe ich dich an, sobald ich zurück bin.“

Daphne sah auf ihre Uhr. „Hör mal, ich weiß nicht, welches Kostüm ich nehmen soll, und ich hab’s eilig. Bitte, Mom, freu dich doch einfach für mich. Damit kann ich wenigstens ein bisschen Geld verdienen, bis ich was Richtiges gefunden hab.“

Sie wollte schon aufgeben, weil ihre Mutter erneut Bedenken bezüglich des Stadtteils äußerte, da kam endlich ein hilfreicher Vorschlag von Callie: „Nimm doch zwei, drei verschiedene Kostüme mit. Wenn du da bist, kannst du besser entscheiden, was passt. Und sei vorsichtig, Kleines.“

Daphne versprach es, legte auf und stopfte ihre drei Lieblingskostüme in die Tasche. Wenn ihre Eltern und ihre drei großen Brüder nur aufhören würden, sie ständig zu bevormunden! Sie war sechsundzwanzig Jahre alt und konnte auf sich selbst aufpassen. Zugegeben, sie wurde von ihrem Bruder Kieran unterstützt, aber doch bloß, bis sie eine feste Stelle gefunden hatte.

Ihre Schwester Becky war ein Jahr jünger als sie, und niemand sagte ihr dauernd, was sie tun und was sie lassen sollte. Nun gut, Becky hatte einen tollen Job, war verheiratet und inzwischen selbst Mutter, wohingegen Daphnes bisherige Jobs allesamt eine Katastrophe gewesen waren und ihr Liebesleben – nicht der Rede wert.

Nein, sie würde sich die Freude über den Auftrag nicht nehmen lassen! Sie schulterte ihre Tasche und ging hinaus zu ihrem alten VW-Käfer, den ihr Bruder Perry liebevoll restauriert hatte. Es war ein fantastischer Spätsommertag, und Daphne war eine unverbesserliche Optimistin, was sollten ihr da die unbegründeten Sorgen ihrer Mutter anhaben?

Sie legte die Wegbeschreibung auf den Beifahrersitz, stieg ein und setzte sich die Sonnenbrille auf. Dann startete sie den Motor und fuhr los. Sie nahm den Santa-Ana-Freeway bis zur Ausfahrt Atlantic Boulevard. Als sie Polizeisirenen hinter sich hörte, fuhr sie rechts ran und schaute zu, wie fünf Einsatzwagen hintereinander mit Blaulicht und Martinshorn an ihr vorbeirauschten.

Vielleicht saß Kieran in einem der Wagen. Normalerweise kannte sie seinen Dienstplan auswendig, aber die letzten fünf Tage hatte sie die Kinder ihres ältesten Bruders gehütet, sodass sie aus dem Rhythmus war.

Fünf Blocks weiter stellte sie fest, dass die Polizei ausgerechnet die Straße blockierte, in die sie einbiegen musste. Sie sah im Stadtplan nach, wie sie die Straßensperre weiträumig umfahren könnte. Sie musste durch einige Straßen, die alles andere als einladend aussahen, fand aber schließlich die, von der sie in die Sackgasse abbiegen musste, in der ihre Auftraggeber wohnten.

Hier sahen die Häuser freundlich und gepflegt aus. Das Haus, das sie suchte, lag ganz am Ende der Sackgasse, und direkt dahinter schloss sich ein kleiner Park an.

Daphne hielt vor dem Haus, schnappte sich ihre Tasche und stieg aus. Dann nahm sie im Laufschritt die Treppe zum Haus und klopfte.

Eine hochschwangere Frau öffnete. Sie stellte sich als April Ross vor und führte Daphne ins Wohnzimmer, in dem ungefähr hundert Luftballons unter der Decke hingen.

„Entschuldigen Sie“, sagte April, „aber wir sind ein bisschen spät dran, weil die erste Heliumflasche nicht funktionierte und ich sie tauschen musste. Das ist übrigens Natalie, das Geburtstagskind. Nat, hier ist Daphne Malone, unser Partyclown. Bist du so lieb und zeigst ihr das Gästezimmer, damit sie sich umziehen kann?“

April verschnürte den Ballon, der oben auf der Heliumflasche steckte. „Das Gästezimmer hat eine Schiebetür, von der Sie direkt auf die Terrasse kommen, wo die Party stattfindet.“

„Prima, danke, April. Ich beeile mich auch, dann kann ich Ihnen mit den Luftballons helfen.“

„Tausend Dank“, sagte April sichtlich angespannt. „Ich bin heilfroh, dass Sie so kurzfristig einspringen konnten. Ich hatte alles so lange vorher geplant, und dann lässt mich die Agentur hängen.“

„Kein Problem“, sagte Daphne lächelnd. „Und sollten Sie mit mir zufrieden sein, dürfen Sie mich gern weiterempfehlen. Ich kann jeden Auftrag gebrauchen, bis ich etwas in meinem Beruf gefunden habe.“

Sie ging hinter Natalie her, die ihr aufgeregt erzählte, was sie alles für die Party geplant hatte. Sie wollte, dass Daphne die Geburtstagsgäste schminkte, und Daphne war froh, alles dafür mitgebracht zu haben.

Die Party würde ein voller Erfolg werden, keine Frage. Vergnügt summte Daphne vor sich hin und packte ihre Sachen aus. Dann ging sie zur großen Glasschiebetür und zog die Vorhänge vor, denn die ersten Gäste trafen bereits ein.

Sie hörte Kinderlachen und Rufe aus dem Flur. Lächelnd streifte sie ihre Sandalen ab, schlüpfte aus der Jeans und zog sich gerade das T-Shirt aus, als sie ein Geräusch von der Schiebetür hörte.

Erschrocken drehte sie sich um und erblickte einen unrasierten Mann, der gerade dabei war, die Schiebetür von innen zu verriegeln. Daphne ließ ihr T-Shirt fallen und starrte ihn an, ohne einen Ton heraus zu bringen.

Im nächsten Augenblick war er auch schon bei ihr und legte ihr die Hand auf den Mund. Daphnes Herz hämmerte wie verrückt. In ihrer Hilflosigkeit griff sie nach ihrem Clownskostüm und hielt es sich, so gut es irgend ging, vor die Brust, um sich wenigstens etwas zu bedecken.

Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Pistole in der anderen Hand des Mannes. Panisch blickte sie in seine auffallend blauen Augen und wollte schreien, doch wie sollte sie?

Ihr Bruder Kieran würde sagen, in einer solchen Situation wäre jede Gegenwehr Wahnsinn, doch Daphne wollte auf keinen Fall kampflos sterben. Sie rammte dem Mann ihren Ellbogen in den Bauch, der aber leider bretthart war. Dann stampfte sie ihm mit aller Wucht auf den Fuß, was ebenso vergebens war, da er Stiefel trug und sie barfuß war.

„Beruhigen Sie sich“, raunte er. „Wer zum Teufel sind Sie?“

„Hmmpf-hmmpf“, antwortete sie nur, da er ihr ja den Mund zuhielt. Sie betrachtete ihn genauer, damit sie ihn später beschreiben konnte – sofern es ein Später gab. Er war groß, deutlich größer als sie mit ihren eins fünfundsechzig, schlank, blond, blaue Augen. Er trug eine ausgeblichene Jeans und ein schwarzes T-Shirt.

Sie bemerkte, dass er aufmerksam auf die Geräusche von draußen lauschte. Natürlich! Die Polizeisperre. Warum hatte sie nicht gleich geschaltet? Daphne begann zu zittern. Er war zweifellos ein Krimineller, womöglich ein flüchtiger Mörder.

In diesem Augenblick zog er sie hinüber zur Glasschiebetür und schob den Vorhang mit der Waffe beiseite. Ihm schien nicht zu gefallen, was er draußen sah, denn er stieß einen Fluch aus, bevor er Daphne gegen die Wand neben der Terrassentür drückte.

„Wo ist April?“, fragte er. Vorsichtig nahm er die Hand von ihrem Mund, da Daphne jedoch Anstalten machte, laut loszuschreien, hielt er ihr die Pistole an die Wange. „Ziehen Sie sich an.“

Daphne zitterte so sehr, dass sie nicht wusste, wie.

Logan Grant hatte nicht damit gerechnet, eine halb nackte Frau in Aprils Gästezimmer vorzufinden – noch dazu eine bildschöne halb nackte Frau. Nach der geplatzten Undercover-Aktion war diese Überraschung das I-Tüpfelchen auf seinem misslungenen Tag.

Zehn Monate hatte Special Agent Grant damit verbracht, sich in dem Drogenring weit genug hochzuarbeiten, um bei der heutigen Lieferung dabei zu sein. Und alles deutete darauf hin, dass sie demnächst die Drahtzieher der Organisation schnappen könnten, hinter denen das FBI seit zwei Jahren her war.

Dann plötzlich war die Hölle los gewesen. Aus allen Richtungen waren Polizeiwagen angerast gekommen, und Logan war gezwungen gewesen, auf die andere Seite zu wechseln. Jetzt hatte Billy Holt, sein „Vorgesetzter“ in der Bande, gesehen, wie er einen anderen von ihnen k. o. geschlagen hatte, womit seine Tarnung dahin war.

Aber Logan wusste bereits zu viel über die nächste große Lieferung, als dass sie ihn einfach laufen lassen konnten. Er stellte eine Gefahr für die Organisation dar, und deshalb suchten sie alle Straßen der Umgebung nach ihm ab.

Er hatte gehofft, sie abschütteln zu können, indem er sich ins Haus seiner Schwester schlich, sich rasierte, frische Sachen anzog und anschließend seine Leute im Büro anrief, damit sie ihn rausholten.

Und obwohl im Leben eines Special Agents fast nie etwas nach Plan lief, hatte selbst Logan selten Tage erlebt, die so gründlich schief gingen wie dieser. Draußen rückte Holts Killerkommando minütlich näher, und er stand hier mit – ja, mit was eigentlich? Mit einer hysterischen, praktisch nackten Frau, die jederzeit loskreischen würde.

Daphne stieg ängstlich in den übergroßen Clownsanzug, wobei sie beinahe umkippte, weil ihre Beine ihr nicht gehorchen wollten. Wo steckten ihre drei tollen Beschützer-Brüder, wenn sie sie mal brauchte? In ihrer Familie gab es einen Polizisten, einen Feuerwehrmann und einen Fernfahrer, aber natürlich passierte denen so etwas nicht, sondern ihr!

Zu allem Überfluss griff der Mann mit der Pistole nach dem Reißverschluss an ihrem Anzug und zog ihn hoch. Er hatte wohl gesehen, dass ihre Hände zu sehr zitterten.

„Was ist das denn?“, fragte er und sah sie misstrauisch an.

Wenigstens fühlte Daphne sich etwas wohler, nun, da sie vollständig bekleidet war. „Ein Clownskostüm, Sie Idiot. Ich trete hier bei einer Geburtstagsparty auf. Bei Natalies. Sie, äh, Sie kennen den Namen ihrer Mutter. Sind Sie so was wie ein Freund der Familie?“

Logan bemerkte, wie ihr Blick auf die 9-mm-Luger in seiner Hand fiel. Die Waffe hatte er einem von Billy Holts Männern abgenommen, und sie war deutlich monströser als die Smith & Wesson, die er gewöhnlich trug.

Alles in allem musste er allerdings zugeben, dass sich der weibliche Partyclown erstaunlich gut hielt. Die meisten Frauen wären entweder in Tränen aufgelöst oder schon längst ohnmächtig geworden.

„Na, wir scheinen ja Fortschritte zu machen“, sagte er trocken. „Schaffen Sie es, April irgendwie hier reinzulocken, ohne das ganze Haus zusammenzubrüllen?“

„Glaub ich kaum“, erwiderte Daphne schnippisch. „Sie haben schon mich als Geisel, und ich werde Ihnen bestimmt nicht helfen, eine hochschwangere Frau als zweite zu nehmen.“

„Geisel?“ Logan grinste. „Sie gucken entschieden zu viel fern. Und jetzt schaffen Sie mir April her. Ich erkläre Ihnen ein andermal, was alles anders laufen würde, wollte ich Sie tatsächlich als Geisel nehmen.“

Daphne verstand nur die Hälfte von dem, was er sagte, da sein Killerlächeln sie vollkommen entwaffnete. Was Wunder! Wenn es um Männer ging, hatte sie schon immer einen Hang gehabt, die falschen nett zu finden.

„Holen Sie April“, wiederholte er streng. „Und zwar schnell.“

Daphne öffnete die Tür einen Spalt und hoffte inständig, es möge niemand auf dem Flur sein. Pech – April Ross kam in diesem Moment aus dem Bad nebenan.

„Psst!“, machte Daphne.

April drehte sich zu ihr um und sah sie an. Daphne rollte wild mit den Augen, weil ihr nichts anderes einfiel, um ihre Auftraggeberin zu warnen. Die jedoch schien ihre panische Mimik eher als Zeichen von Wahnsinn zu deuten. „Ja, Daphne? Brauchen Sie irgendwas? Ach ja, und ich wollte Sie fragen, ob Sie später den Kuchen und das Eis mit servieren könnten. Ich denke, die Kinder fänden’s klasse, von einem echten Clown bedient zu werden.“

Daphne wandte sich um und blickte praktisch direkt in den Lauf der Waffe. Sie war ratlos, und so fasste sie Aprils Handgelenk und zog sie ins Zimmer. „Es tut mir ehrlich Leid, April“, flüsterte sie unglücklich, während der Mann die Tür hinter ihnen zustieß.

April sah den Mann an, der hinter Daphne stand, und schien kein bisschen ängstlich. „Logan! Ich hatte dich gar nicht erwartet. Nat wird begeistert sein.“

Daphne blickte von April zu dem Mann und wieder zurück.

„Ich bin auch nicht zu Besuch hier, April. Ich stecke in Schwierigkeiten, und ich brauche deine Hilfe. Dass Nat heute Geburtstag hat, hatte ich vollkommen vergessen. Aber ich mache das wieder gut, versprochen.“

Daphne nahm all ihren Mut zusammen und stellte sich zwischen die beiden. „April, hören Sie nicht auf ihn. Das ist Beihilfe zur Flucht und strafbar.“

Er sah sie schmunzelnd an und fragte: „Haben Sie vergessen, dass ich eine Waffe habe?“

April lachte leise auf. „Also wirklich, Logan, jetzt hör auf, ihr Angst zu machen. Sag mir endlich, was los ist und wieso du aussiehst wie ein Penner.“

„Kann ich nicht. Du musst mir ein Hemd von Mike und seinen Rasierer leihen. Ich kann erst hier weg, wenn ich anders genug aussehe, dass mich die Typen nicht erkennen, die hinter mir her sind.“

Daphne warf sich gegen die Tür. „Freund oder nicht, er muss in einer ziemlich großen Sache stecken, wenn er vor der Polizei wegläuft.“

April blickte sie an. „Sie verstehen da etwas falsch, Daphne. Logan ist die Polizei. Logan, darf ich vorstellen, das ist Daphne Malone. Ich habe sie für die Party engagiert.“

„Sie sind ein Cop?“, fragte Daphne misstrauisch. „Komisch, ich erinnere mich nicht, Ihr Gesicht schon mal gesehen zu haben. Mein Bruder ist bei der Polizei von Los Angeles, und die meisten seiner Kollegen kenne ich von Fotos oder Veranstaltungen.“

„Nein, er ist beim FBI“, klärte April sie auf. „Wird Zeit, dass ich Sie bekannt mache. Daphne, das ist mein verrückter Bruder, Special Agent Logan Grant.“

Daphne kam sich furchtbar dumm vor. „Ach du Schreck!“, seufzte sie. Wieder einmal sollte Kieran Recht behalten, der ihr ständig sagte, alle Fehler, die man nur machen könnte, würde sie garantiert machen. Nichtsdestotrotz änderte sich ihre Einstellung zu dem Mann mit der Waffe schlagartig. Sie starrte ihn voller Bewunderung an.

Und er wurde rot. Er ging zur Glasschiebetür und sah hinaus. „Okay, April, zu deiner Information: Da draußen sind ein paar ziemlich üble Kerle, die mich gern in die Finger bekommen würden. Und sie werden ihre Suche sicher nicht so bald aufgeben. Ich schätze, ein sauberes Hemd wird als Tarnung nicht reichen. Also warte ich, bis sie in Sichtweite sind, und verschwinde durch die Hintertür. So kann ich sie wenigstens vom Haus weglocken.“

„Kommt nicht in Frage!“, protestierte April. „Nats Geburtstagsparty ist im Garten, und ich will nicht, dass zwischen den Kindern die Kugeln fliegen.“

„Verdammt!“ Er begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.

Daphne überlegte. Sie hatte gerade ihren Abschluss als Maskenbildnerin gemacht, noch dazu als Beste ihres Jahrgangs. Ihr Fachgebiet waren Spezialeffekte. Sie könnte Logan Grant so zurechtmachen, dass ihn niemand wieder erkannte – vorausgesetzt sie hatte die richtigen Sachen dabei. In ihrer Tasche befand sich aber nur Theaterschminke für Kinder. Andererseits …

„Ich könnte Ihnen eine kurzfristige Lösung anbieten“, sagte sie und ging zu ihrer Tasche. „Ich habe mehrere Kostüme mitgebracht. Eines davon müsste Ihnen passen, Agent Grant.“

Logan stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ich habe mich schon oft verkleidet, aber nie als Frau und nie als Clown. Alles hat seine Grenze.“

Daphne sah ihn missbilligend an. „Wie Sie meinen. Den Heldentod im Dienst zu sterben, ist natürlich viel nobler.“

April ging zu Daphne und beäugte die Kostümauswahl. „Ich finde Daphnes Vorschlag großartig. Die Leute, die dich suchen, haben keine Ahnung, ob ich einen oder zwei Partyclowns engagiert habe. Wenn du mich fragst, könnte es funktionieren.“

Daphne wurde mulmig. Worauf ließ sie sich hier ein? „Sie müssten sich rasieren, damit ich Sie schminken kann.“

„Vergessen Sie’s. Damit bringe ich euch alle in Gefahr. Und außerdem können Sie mich gar nicht so schminken, dass die mich nicht erkennen“, sagte Logan.

Der Mann stellte doch allen Ernstes Daphnes Fähigkeiten infrage! „Seien Sie unbesorgt, Agent Grant. Wenn ich mit Ihnen fertig bin, erkennt Sie nicht mal Ihre eigene Mutter.“

„Hören Sie auf, mich Agent Grant zu nennen, oder wollen Sie uns alle umbringen?“

Daphne hielt sich die Hand vor den Mund. „Entschuldigung. Ich werde mir einen anderen Namen für Sie ausdenken. Wie wär’s mit Vanilli oder Pfannkuchen?“ Ihr Sarkasmus war unüberhörbar.

„Lieber lasse ich mich mit gefesselten Händen aus dem Haus führen“, entgegnete Logan gereizt.

April ging hinaus und kehrte kurz darauf mit einem Rasierapparat und sauberer Unterwäsche zurück, die sie ihrem Bruder unsanft zuwarf.

„Ich brauche eine Hose und ein Hemd“, sagte er.

Daphne und April schüttelten beide den Kopf, und April erklärte ihm: „Geht nicht, die würden sich unter dem Kostüm abdrücken. Deine alten Sachen gibst du mir.“

Er gab’s auf. „Okay, also her mit dem albernen Clownsanzug. Er wird mir wahrscheinlich nicht passen, aber wir versuchen es“, murmelte er und verschwand im Bad nebenan.

Die Frauen tauschten amüsierte Blicke.

„April, Sie sollten rausgehen und die Kinder ein bisschen hinhalten“, sagte Daphne. „Wir erlösen Sie auch so bald wie möglich.“

April nickte und verschwand, während Daphne sich einen Stuhl vor den Spiegel stellte und anfing, ihr Make-up aufzutragen.

Wenige Minuten später trat Logan in einem grellbunten Clownskostüm ins Zimmer. Es hatte einen breiten Rüschenkragen und riesige grüne Knöpfe auf der Vorderseite. Er betrachtete die Frau, die vorübergehend seine Partnerin sein sollte.

„Als ich ein Kind war, schenkte mein Vater mir eine Figur von Bozo, dem Clown“, sagte er. „Sie sehen genauso aus wie die Puppe. Ich muss schon sagen, gute Arbeit. Können Sie mich auch so schminken?“

„Ich versuch’s. Setzen Sie sich hin.“ Sie zeigte auf den Stuhl vorm Spiegel. „Ich möchte nicht über meine Schuhe stolpern.“

Logan sah nach unten auf die gewaltigen Clownsschuhe und musste unweigerlich lachen.

„Tja, es funktioniert doch jedes Mal“, sagte sie. „Jeder lacht, wenn er einen Clown sieht.“

„Apropos Clowns, bei der Junggesellenparty eines Freundes war mal ein Clown, der sich als Stripperin entpuppte. Ich gehe davon aus, dass Sie …“

„Nie und nimmer“, fiel sie ihm ins Wort. Logan Grant setzte in ihr sämtliche Alarmglocken in Gang. Sie hatte Mühe, die Hand ruhig zu halten, während sie ihn schminkte. Und da half es wenig, dass er sie die ganze Zeit ansah.

Logan saß derweil da und dachte daran, wie Daphne Malone vor ihrer Verkleidung ausgesehen hatte. Gut. Verdammt gut sogar. Glücklicherweise war sie nicht sein Typ.

Und nachdem seine erste Ehe sich innerhalb kürzester Zeit als Fehlschlag erwiesen hatte, war Logan sehr wählerisch geworden. Gutes Aussehen allein genügte ihm nicht mehr.

Auf keinen Fall kam für ihn eine Frau infrage, die auch nur entfernt an das H-Wort dachte. Mit Heirat und dem Traum vom häuslichen Glück wollte er nichts mehr zu tun haben.

Daphne trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk kritisch, während Logan das Bild von ihr nicht loswurde, wie sie nur in Seidenwäsche im Zimmer gestanden hatte. Sie war eine umwerfende Frau, daran ließ sich nicht rütteln.

Schluss damit! „Sind Sie fertig?“, fragte er.

„Fast.“ Sie beugte sich über ihn und holte etwas vom Bett. Es war ein leuchtend roter Filzhut, an dem buschiges weißes Kunsthaar klebte.

Daphne setzte ihm den Hut auf und schob sorgfältig sein Haar unter die Krempe. „Die Blume auf dem Hut ist mit einer kleinen Wasserpumpe verbunden. Sie betätigen Sie, indem sie den versteckten Knopf an der Krempe drücken. Ich empfehle Ihnen nicht, das bei Kindern zu tun, aber die meisten Mütter finden es ganz lustig.“

Logan stand auf und betrachtete sich im Spiegel. „Ich fasse es nicht, dass ich so unter Leute gehe“, sagte er und hob erst den einen, dann den anderen Fuß, damit Daphne ihm die riesigen Clownsschuhe anziehen konnte.

„Ich kann Ihnen Tränen aufschminken, dann sind Sie ein trauriger Clown“, schlug sie lächelnd vor. „Aber Sie sollten die Stirn nicht runzeln, sonst kriegt das Make-up Risse. Also, wie ich die Sache sehe, rettet Ihnen diese Kostümierung das Leben, deshalb dürfen Sie ruhig aufhören, sich selbst zu bemitleiden.“

Logan sah sie an und hätte gern die Stirn gerunzelt, doch mit der dicken Schminke auf dem Gesicht war jede Mimik ein Kraftakt, den er sich lieber sparte.

„Okay, Special Agent, der Plan ist wie folgt: Ich habe ein paar einfache Tricks vorbereitet, die ich den Kindern vorführe. Sie werden mein Assistent sein. Ich sage einfach, Sie lernen noch. Ach ja, und Natalie möchte, dass ich die Kinder schminke. Sollten Sie darin irgendwelche Erfahrungen haben, können wir die Kleinen in zwei Gruppen teilen, wenn nicht, spielen Sie den Handlanger.“

„Dafür, dass Sie mich nicht kennen, haben Sie erstaunlich viel Spaß daran, sich über mich lustig zu machen. Haben Sie was gegen Ihren Bruder, den Polizisten, und lassen es an mir aus?“

„Ganz und gar nicht. Ich liebe meinen Bruder, alle meine Brüder, um genau zu sein. Kieran ist ein toller Polizist, Dane ein Spitzenfeuerwehrmann und Perry ein untadeliger Fernfahrer. Und sollten Sie das Gefühl haben, ich wollte mich über Sie lustig machen, dann liegt das womöglich daran, dass Sie für jemanden in Ihrer gegenwärtigen Lage ausgesprochen undankbar sind. Ganz zu schweigen davon, dass Sie mit Ihrem Verhalten unbeteiligte Zivilpersonen in Gefahr gebracht haben, was mich nicht eben für Sie einnimmt.“

Das hatte gesessen. „Sie haben Recht“, lenkte er zerknirscht ein. „Von jetzt an werde ich alles tun, was Sie sagen. Ihr Wunsch ist mir Befehl … Bozo.“

Sie sah ihn nicht an, sondern warf ihm eine Tasche zu und ging voraus zur Schiebetür. Logan hatte sich offenbar in ihr geirrt. Von wegen umwerfend!

Andererseits hatte er sich schon auf schlimmere Leute verlassen müssen, also konnte er sich ebenso gut vorübergehend damit abfinden, dass Daphne Malone ihm seine Haut rettete. Er hoffte bloß, das hier würde die kürzeste Kindergeburtstagsparty aller Zeiten werden. Umso mehr, da ihn der Anblick seiner kostümierten Lebensretterin alles andere als kalt ließ.

Himmel, sein Liebesleben musste wahrlich eine Katastrophe sein, wenn er sich schon von einer Frau in einem Clownskostüm angezogen fühlte!

Er trat vorsichtig hinter ihr auf die Terrasse und blickte sich verstohlen um. Da waren sie! Er wusste ja, dass Billy Holts Leute nicht so schnell aufgaben.

2. KAPITEL

Seinen Plan, ungesehen mit Aprils Auto entkommen zu können, konnte Logan vergessen. Einer von Holts Männern kam die Straße entlang und blickte über jeden Zaun und hinter jede Hecke. Ein Polizeiwagen hielt neben ihm, und der Fahrer sprach ihn an. Der Polizist schien keinen Verdacht zu schöpfen, denn er fuhr weiter.

Logan blieb also nichts anderes übrig, als eine Weile mitzuspielen. Immerhin schaffte er es bis auf die Terrasse, ohne über die großen Schuhe zu stolpern. Daphne hatte die Kinder bereits im Halbkreis um sich herum platziert, und sie blickten erwartungsvoll zu ihr auf.

Logan musste prompt an den ersten heftigen Krach mit seiner Exfrau denken. Er hatte gesagt, dass er Kinder wollte, und sie hatte davon nichts hören wollen. Jetzt blickte er ein wenig neidisch auf die Frauen, die vom Pool aus glücklich zu ihren Kindern sahen. Und er fühlte sich noch schrecklicher dabei, dass er sie alle durch seine Anwesenheit in höchste Gefahr brachte.

In diesem Augenblick bemerkte er einen von Billy Holts Männern, der aus dem an das Grundstück angrenzenden Park kam. Er sollte Mike dringend raten, wenigstens einen Zaun zwischen Garten und Park zu ziehen.

Ein wenig unsicher watschelte er zu Daphne und stellte sich zwischen sie und den Mann, der zweifellos die neueste Automatikwaffe bei sich hatte.

Daphne schien nicht mitzubekommen, dass sie beobachtet wurden. Sie holte fünf Plastikkegel aus ihrer Tasche und begann, erst mit dreien und dann mit allen fünfen zu jonglieren. Als sie dabei zufällig den Fremden entdeckte, der vom Parkrand aus zusah, kam sie aus dem Rhythmus und ließ die Kegel fallen.

Logan hob sie auf, warf sie einen nach dem anderen in die Luft und jonglierte sie deutlich länger als Daphne.

Die Kinder applaudierten begeistert.

„He, stiehl mir nicht die Schau“, schimpfte Daphne und stemmte die Hände in die Hüften. Die Kleinen und ihre Mütter lachten und riefen Daphne zu, sie solle ihm die Kegel doch wegnehmen.

„Nein, nein, ist schon okay“, sagte Daphne. „Ich mache euch lieber Zaubertricks vor. Die sind viel cooler als Jonglierübungen.“

„Wie heißt du?“, rief ein kleiner Junge.

„Ich heiße Bozo, und das hier ist Buzzy. Er redet nicht gern, müsst ihr wissen. Aber ich finde, er hat noch einen Applaus verdient, weil er so toll jongliert.“

Die Kleinen klatschten. Logan fand, dass sie sehr geistesgegenwärtig reagiert hatte. Immerhin könnte der Mann, der sie beobachtete, seine Stimme erkennen. Daher war es klug gewesen, dass Daphne ihn kurzerhand zu einem stummen Clown gemacht hatte.

Leider waren ihre Zaubertricks dürftig. Es dauerte nicht lange, da drängelte Logan sich ungeduldig an ihren Platz und nahm ihr Münze und Spielkarten ab.

Daphne verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit einem ihrer überdimensionalen Schuhe auf den Boden. Die Zuschauer dachten, auch das wäre Teil des Spiels, dabei war sie wirklich verärgert. Was bildete er sich denn ein?

Zwar musste sie zugeben, dass Logan Grant ein begnadeter Zauberer war, aber das hier blieb dennoch ihr Auftritt. Und nun hielt er die Kinder geschlagene fünfzehn Minuten in seinem Bann. Sie hatte es bisher höchstens auf fünf Minuten pro Nummer gebracht. Andererseits war das Partyclown-Spielen ja auch nicht ihre wahre Profession. Ihre Talente lagen eindeutig beim Make-up.

Autor

Roz Denny Fox
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