In Italien erwacht die Liebe

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Dieser wahnsinnig gut aussehende Fremde soll ihr Ehemann sein? Diese prunkvolle italienische Villa ihr Zuhause? Nach einem schweren Unfall hat Maeve ihr Gedächtnis verloren. Sie weiß nur eins: Sobald Dario Costanzo sie berührt, verspürt sie eine prickelnd erotische Spannung …


  • Erscheinungstag 06.08.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519878
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Um zehn Uhr morgens, auf den Tag genau einen Monat nach dem Unfall, kam der Anruf, den nie zu erhalten Dario Costanzo befürchtet hatte.

„Ich habe Neuigkeiten, signore“, verkündete Arturo Peruzzi, Leiter der Neurologischen Abteilung und Maeves behandelnder Arzt. „Ihre Frau ist heute Morgen aus dem Koma aufgewacht.“

Der nüchternen Stimme des Arztes entnahm Dario, dass dies nicht die einzige Neuigkeit über den Zustand seiner Frau sein würde. Während der letzten Wochen hatte er sich über mögliche Folgeschäden bei schweren Kopfverletzungen informiert. Nichts von dem, was er gelesen hatte, verhieß Gutes. „Aber? Es gibt doch ein Aber, oder, Doktor?“

„Korrekt.“

Dario hatte gedacht, er sei gegen alles gewappnet. Jetzt musste er feststellen, dass dem nicht so war. Bilder von Maeve, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, den Kopf in dicke Bandagen gewickelt, Schläuche, die sie am Leben hielten, stießen frontal zusammen mit jenen, wie sie ausgesehen hatte, bevor alles so schrecklich schiefgegangen war.

Anmutig, schön, elegant.

Wie Sonnenlicht.

Die Seine.

Und jetzt? Er ließ sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen, befürchtete, seine Beine könnten nachgeben. „Sagen Sie es mir.“

„Körperlich wird sie komplett genesen. Natürlich ist sie im Moment noch schwach, doch wir gehen davon aus, dass sie bald entlassen werden kann, um sich zu Hause zu erholen. Das Problem, Signor Costanzo, ist ihr Kopf.“

Dio, nicht das! Da wäre es vielleicht besser gewesen, wenn …

„Nach einem solchen Trauma ist es allerdings keineswegs ungewöhnlich und lange nicht so ernst, wie es klingt.“

Ihm wurde bewusst, dass er sich sofort das Schlimmste ausgemalt hatte, und konzentrierte sich wieder auf die Erklärungen des Neurologen.

„Ihre Frau leidet an retrograder Amnesie, also Gedächtnisverlust. Sie hat keine Erinnerung mehr an ihre … unmittelbare Vergangenheit.“

Peruzzis kurzes Zögern war Dario nicht entgangen, seine Ängste flammten erneut auf. „Was heißt ‚unmittelbar‘?“

„Das ist das Ungewöhnliche. In der Regel bezieht sich die Amnesie auf die Vorfälle vor dem Trauma. Im Falle Ihrer Frau jedoch reicht es sehr viel weiter zurück. Ich muss Ihnen leider sagen, dass sie sich weder an Sie noch an das Leben mit Ihnen erinnert.“

Psychogene Amnesie, hysterische Amnesie – Ausdrücke, die er vor einem Monat nicht einmal gehört hatte, über die er jetzt jedoch alles wusste. „Wollen Sie damit sagen, ihr Gedächtnisverlust ist psychologisch bedingt, nicht physisch?“

„Es scheint so. Die gute Nachricht ist, dass dieser Zustand nicht von Dauer ist. Mit der Zeit wird sie ihr Erinnerungsvermögen zurückgewinnen.“

„Innerhalb welchen Zeitraums?“

„Das lässt sich nicht vorhersagen. Es könnte innerhalb von Minuten geschehen, sobald sie wieder in ihre vertraute Umgebung kommt, es ist jedoch eher wahrscheinlich, dass es Tage oder Wochen dauern wird und die Erinnerungen in Etappen und Bruchstücken zurückkehren. Der Versuch, den Prozess zu beschleunigen, würde nur mehr Schaden anrichten. Niemand wird sie zwingen können, sich zu erinnern. Und genau dieser Punkt bringt mich zu meinem eigentlichen Anliegen, Signor Costanzo. Wir Ärzte haben das uns Mögliche getan, jetzt liegt es bei Ihnen, Ihren Teil zu übernehmen.“

„Wie?“

Diese Frage verfolgte ihn seit einem Monat, ohne dass er eine Antwort gefunden hätte. Wie war es möglich, dass er sich über das Ausmaß ihrer Unzufriedenheit so getäuscht hatte? Wie, nach allem, was sie einander versprochen hatten, hatte sie sich einem anderen Mann zuwenden können? Wie hatte sie so wenig Vertrauen in ihn, ihren Ehemann, setzen können?

„Geduld ist der Schlüssel. Bringen Sie Ihre Frau nach Hause, aber überfordern Sie sie nicht mit einer Unzahl von Menschen. Sie soll sich erst sicher mit Ihnen fühlen.“

„Wie soll das funktionieren, wenn sie sich nicht einmal an mich erinnert?“

„Wenn sie erst kräftiger ist, werden wir ihr sagen, wer Sie sind. Sie sind der einzige nahe Verwandte, sie muss wissen, dass sie nicht allein auf der Welt ist. Schließlich hat sie ein ganzes Jahr ihres Lebens verloren, das ist für jeden Menschen beängstigend. Zeigen Sie ihr, dass sie von Ihnen als die Person geschätzt wird, an die sie sich selbst erinnert. Erst wenn ihr Vertrauen in Sie gewachsen ist, können Sie ihr die anderen Familienmitglieder langsam vorstellen.“

„Zu den anderen Familienmitgliedern gehört auch unser sieben Monate alter Sohn. Was schlagen Sie vor? Soll ich ihn als Kind der Köchin ausgeben?“

Falls der Arzt den Sarkasmus erkannt hatte, ließ er sich nichts anmerken. „Bringen Sie ihn woanders unter“, antwortete er unverblümt. „Sie haben doch eine Schwester, und Ihre Eltern wohnen auch nicht weit entfernt. Jemand wird sich doch sicher eine Weile um den Jungen kümmern können?“

„Sie meinen, ich soll sie täuschen? Wie soll ihr das helfen?“

„Es wird ein enormes Schuldgefühl in ihr auslösen und emotionale Narben hinterlassen, wenn sie erfährt, dass sie die Erinnerung an das eigene Kind verloren hat. Es geht gegen die Natur jeder Mutter zu vergessen, dass sie ein Kind geboren hat. Dies ist der kritischste Faktor, hier müssen Sie extrem vorsichtig vorgehen.“

„Ich verstehe.“ Maeve war aus dem Koma aufgewacht, doch geheilt war sie noch lange nicht. „Sonst noch etwas?“

„Ja. Im Moment müssen Sie davon ausgehen, dass Ihre Ehe nur auf dem Papier besteht. Intimitäten mit einem Mann, der zwar ihr Ehemann ist, aber auch ein völlig Fremder, stellen eine unnötige Komplikation im Heilungsprozess dar.“

Na großartig! Das Eine, was wirklich gut zwischen ihnen gewesen war, musste gestrichen und Sebastiano zu den Verwandten ausgelagert werden. „Gibt es denn nichts, was ich tun kann?“

„Doch, natürlich“, kam es von Peruzzi. „Ihre Frau hat das Erinnerungsvermögen verloren, nicht den Verstand. Sie wird viele Fragen haben. Beantworten Sie diese wahrheitsgemäß. Beschönigen Sie nichts und, vor allem, üben Sie keinen Druck aus. Jede Information ist wie das Teilstück eines Gemäldes auf einer weißen Leinwand. Wenn genügend Teilstücke vorhanden sind, wird sie das Gesamtbild allein vollenden.“

„Und wenn sie etwas erfährt, das ihr unangenehm ist?“

„Dann ist es an Ihnen, signore, ihr Unterstützung anzubieten. Sie muss die Gewissheit haben, dass sie sich auf Sie verlassen kann, ganz gleich, was in der Vergangenheit passiert ist. Werden Sie das schaffen?“

„Ja“, antwortete Dario. Welche andere Wahl hatte er denn schon? „Kann ich sie besuchen?“

„Verbieten kann ich es Ihnen nicht, aber ich rate dringend davon ab. Ihr Erscheinen könnte Konsequenzen haben, die sich nicht vorhersagen lassen. Halten Sie sich daran fest, dass Sie schon bald wieder zusammen sind und Ihre Beziehung erneuern können.“

„Sicher, das sehe ich ein.“ Er hätte lachen mögen, weil es so weit von der Wahrheit entfernt war. „Und danke für Ihre Zeit.“

„Keine Ursache. Ich wünschte, ich könnte den Angehörigen aller meiner Patienten derart gute Nachrichten überbringen. Ich melde mich bei Ihnen, sobald Ihre Frau entlassen werden kann. Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen. Viel Glück, Signor Costanzo.“

Dario hängte den Hörer ein und drehte sich grübelnd zum Fenster. Marietta Pavia, das junge Kindermädchen, das er eingestellt hatte, saß mit ihrem Schützling im Schutz des schattigen Gartens und sang dem Jungen vor. Dass eine Ehefrau ihren Mann vergaß, den sie leid geworden war, konnte man noch nachvollziehen, auch wenn es wenig schmeichelhaft war. Doch wie war es möglich, dass eine Mutter jegliche Erinnerung an ihr erstes Kind aus ihrem Kopf und ihrem Herzen löschte?

Eine Stimme, kultiviert und gebieterisch, ertönte hinter ihm und riss ihn aus seinen Gedanken. „Dem, was ich hören konnte, entnehme ich, dass sich ihr Zustand verändert hat.“

Dario wandte sich zu dem Neuankömmling um. In dem eleganten Kleid, das schwarze Haar zu einem klassischen Chignon aufgesteckt, schimmernde Perlen an Hals und Ohren, sah man Celeste Costanzo ihre neunundfünfzig Jahre nicht an, eher hätte man sie für eine gepflegte Mittvierzigerin gehalten. „Du siehst aus, als wolltest du die Mailänder Modewelt im Sturm erobern, Mutter, und nicht auf einer Insel entspannen.“

„Nur weil man auf Pantelleria nicht im Licht der Öffentlichkeit steht, muss man nicht nachlässig werden, Dario – und wechsle nicht das Thema. Was gibt es Neues?“

„Maeve ist aus dem Koma erwacht. Sie wird sich vollständig erholen.“

„Also wird sie leben?“

„Du solltest nicht so enttäuscht klingen“, erwiderte er trocken. „Immerhin ist sie die Mutter deines Enkels.“

„Sie ist eine Zumutung, und ich verstehe nicht, wieso du sie auch noch verteidigst, nach allem, was vorgefallen ist.“

„Wir können nur vermuten, was vorgefallen ist, Mutter. Von den beiden Menschen, die die Wahrheit kennen, ist der eine tot und der andere hat das Gedächtnis verloren.“

„Ah, das ist also ihre Vorgehensweise? Sie erinnert sich nicht daran, dass sie dich verlassen und deinen Sohn mitnehmen wollte?“ Celeste verzog spöttisch den Mund. „Wie praktisch.“

„Das ist lächerlich, Mutter. Maeve ist nicht in der Verfassung für ein solch kalkuliertes Spiel. Ihre Ärzte sind zu erfahren, um auf so etwas hereinzufallen.“

„Du hältst die Diagnose also für gerechtfertigt?“

„Ja. Du solltest das ebenfalls tun.“

„Ich fürchte, das ist mir nicht möglich, mein Sohn.“

„Ich empfehle dir, es noch einmal zu überdenken, wenn du weiterhin in meinem Heim willkommen sein möchtest“, sagte er kalt.

Celestes Teint wurde blasser. „Ich bin deine Mutter!“

„Und Maeve ist meine Frau.“

„Für wie lange noch? Bis sie wieder wegläuft? Bis Sebastiano auf der anderen Seite der Erdkugel aufwächst und einen anderen Mann Papa nennt? Was wird nötig sein, Dario, damit du erkennst, was für eine Frau sie ist?“

„Sie ist die Frau, die meinen Sohn geboren hat“, knurrte er. Der Ärger, der seit Wochen in ihm brodelte, drohte überzulaufen. „Ich erwarte von dir, dass du damit aufhörst, ihre angeblichen Versäumnisse als Ehefrau und Mutter ständig herauszustellen.“

„Das wird auch nicht nötig sein, mein Lieber“, erwiderte seine Mutter ungerührt. „Das übernimmt sie dann schon selbst.“

Jeder in der Klinik, von der Hilfspflegekraft bis zum Professor, kam, um sich von ihr zu verabschieden.

Jeder versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Sie hatte einen Autounfall gehabt, ihr Erinnerungsvermögen würde mit der Zeit schon zurückkehren.

So wie auch jeder ihre Fragen, wer die Blumen schickte und die Rechnungen zahlte, ignoriert hatte. Als eine Pflegekraft sich verplapperte und einen „er“ erwähnte, da hatte das junge Ding einen Blick von der Oberschwester zugeworfen bekommen, der die Sahara in eine Eiswüste verwandelt hätte.

„Er“ – wer?, hatte Maeve nachhaken wollen, doch da sie nicht wirklich mit einer Antwort rechnete, fragte sie stattdessen: „Darf ich zumindest erfahren, wohin ich gehe, wenn ich entlassen werde?“

„Aber natürlich, Liebes“, hatte die Oberschwester in jenem Ton geantwortet, den man bei neugierigen kleinen Kindern benutzte. „Dorthin zurück, wo Sie vorher gelebt haben, zu den Menschen, die Sie lieben.“

Wo immer das sein mochte!

Einige Tage vor ihrer Entlassung hatten die Ärzte ihr gesagt, sie würde zur Rekonvaleszenz an einen Ort namens Pantelleria fahren. Sie hatte nie davon gehört.

„Wer wird dort sein?“

„Dario Costanzo …“

Von ihm hatte sie auch noch nie gehört.

„… Ihr Ehemann.“

Und das hatte sie so sprachlos gemacht, dass sie keine Fragen mehr stellte.

Jetzt standen sie alle um die schwarze Limousine herum versammelt und winkten ihr lächelnd mit den besten Wünschen nach. „Sie werden uns fehlen. Schauen Sie doch mal rein, wenn Sie in der Nähe sind. Aber dann auf eigenen Beinen.“

Und plötzlich, nachdem sie sich tagelang gewünscht hatte, der Rund-um-die-Uhr-Bewachung zu entkommen, hatte sie Angst, diese Menschen zu verlassen. Sie gehörten zu „Nach dem Unfall“ und waren ihr einziger Bezug zur Gegenwart. „Vor dem Unfall“ war ein verloren gegangenes Kapitel im Buch ihres Lebens. Dass sie im Zuge stand, es wiederzufinden, und zu dem Mann zurückkehrte, den sie offenbar während dieser Zeit geheiratet hatte, sollte sie mit Vorfreude erfüllen. Stattdessen löste es pure Panik in ihr aus.

Genau wie der Gedanke, sich unter die Menschenmenge am Flughafen mischen zu müssen. Sie hatte sich doch im Spiegel gesehen. Hager und abgezehrt sah sie aus. Ihr Haar, einst lang und dicht, war jetzt kurz geschnitten und verbarg die gezackte Narbe an ihrer linken Schläfe kaum. Die Kleidung schlotterte an ihr, als hätte sie endlos viele Kilos verloren oder litte an einer unaussprechlichen Krankheit.

Doch als die Limousine den Flughafen erreichte, fuhr der Wagen nicht zum Abflugterminal, sondern bog auf ein separates Gelände ein, wo ein Privatflugzeug wartete und ein freundlicher Steward ihr an Bord half.

Wer war ihr Mann, dass sie Anrecht auf solchen Luxus hatte, sie, die einzige Tochter eines Klempners und einer Supermarktkassiererin, aufgewachsen in einem bescheidenen Viertel von Vancouver?

Sich an die Eltern zu erinnern, die ihre Tochter abgöttisch geliebt hatten, ließ Tränen in ihre Augen steigen. Würden sie noch leben, dann führe sie zu ihnen, zurück zu dem kleinen Haus auf der von Ahornbäumen beschatteten Straße, nicht weit entfernt von dem Park, in dem sie als Siebenjährige das Fahrradfahren gelernt hatte. Ihre Mom würde sie verwöhnen und Brombeerkuchen backen, und ihr Vater würde ihr sagen, wie stolz er auf sie war, weil sie etwas aus sich gemacht hatte. Doch die beiden waren tot, ihr Vater verstarb nur wenige Monate nach seiner Pensionierung, ihre Mutter drei Jahre später. In dem kleinen Haus lebten jetzt Fremde.

Und Maeve, von den emotionellen Anstrengungen des Tages erschöpft und für den Start im Ledersessel eines sündhaft luxuriösen Jets angegurtet, befand sich in diesem Moment auf dem Weg in ein Leben, das für sie nichts als ein einziges großes Fragezeichen war.

2. KAPITEL

Der Steward war zwar nicht unbedingt redselig, aber zumindest nicht so verschlossen wie das Krankenhauspersonal, als Maeve danach fragte, wohin man sie bringe.

„Die Insel heißt Pantelleria“, erklärte er, als er Maeve den exquisiten Lunch servierte. „Man nennt sie auch die schwarze Perle des Mittelmeers.“

„Und die Insel gehört zu Italien?“

Sì, signora. Knapp hundert Kilometer der südlichsten Spitze Siziliens vorgelagert und weniger als achtzig Kilometer von Tunesien entfernt. Das liegt in Afrika.“

Den Verstand hatte sie nicht verloren. Sie wusste, wo Afrika war und wo Tunesien lag. Aber Pantelleria? Bei dem Namen klingelte nichts. „Erzählen Sie mir von dieser schwarzen Perle.“

„Ein kleines windiges Eiland, sehr isoliert. Die Straßen sind nicht besonders gut, aber die Reben wachsen dort besonders süß, das Meer ist von einem wunderschönen klaren Blau und die Sonnenuntergänge … magnifico.“

Es hörte sich nach dem Paradies an. Oder nach einem Gefängnis. „Leben dort viele Leute?“

„Außer den Touristen … nein, nicht viele.“

„Habe ich dort lange gelebt?“

Offensichtlich fiel der Wechsel vom Geografischen zum Persönlichen auf wenig fruchtbaren Boden. Mit verschlossener Miene richtete der Stewart sich auf, als würde die Militärparade abgenommen. „Was darf ich Ihnen zu trinken bringen, signora?“

Lächelnd versuchte sie, ihn herauszulocken. „Was trinke ich denn normalerweise?“

Umsonst, er war auf der Hut. „Wir haben Wein, Saft, Milch und acqua minerale frizzante an Bord. Wenn Sie wünschen, serviere ich Ihnen auch gern einen Espresso.“

„Mineralwasser, bitte“, erwiderte sie knapp. Wer immer am Ende dieser Reise auf sie wartete, sollte besser mit offenen Antworten aufwarten können. Diese Geheimnistuerei wurde ihr langsam zu viel.

Doch sämtliche ihrer Fragen verflüchtigten sich, als der Jet schließlich auf dem Boden zum Stehen kam und sie den Mann erblickte, der an der Landebahn stand, um sie zu begrüßen.

Wenn Pantelleria die schwarze Perle des Mittelmeers war, dann war er der Topas-Prinz. Gut ein Meter neunzig groß, dunkelbraun gebrannt und so attraktiv, dass sie den Blick gewaltsam losreißen musste, bevor sie noch anfing zu seibern, nahm er ihre Hände in seine. „Ciao, Maeve. Ich bin dein Mann. Es ist schön, dich wieder zu Hause zu haben. Du siehst gut aus.“

Sein dichtes schwarzes Haar war perfekt geschnitten, er trug Leinenhosen und ein Hemd aus feinster ägyptischer Baumwolle. Im Vergleich zu diesem elegant gekleideten Fremden und augenscheinlichen Besitzer des silbernen Jets kam Maeve sich wie ein zerrupftes Küken und völlig fehl am Platze vor.

Im Stillen musste er Ähnliches denken, denn trotz seiner freundlichen Worte hatte sie das gleiche Mitleid in seinen dunkelgrauen Augen aufblitzen sehen, das sie ihre ganze Kindheit verfolgt und mehr Narben hinterlassen hatte, als jeder Autounfall es je könnte.

Das arme Ding. Mit diesen Zähnen kann sie ja durch Zaunlatten an einem Maiskolben knabbern …

Kein Wunder, dass sie sich hinter all dem Haar versteckt …

Ich würde sie ja zu meiner Party einladen, aber sie passt einfach nicht zu uns …

Ein Kieferorthopäde hatte ihr schließlich zu dem perfekten Lächeln verholfen, hinter dem sie sich versteckte, wenn sie sich unsicher fühlte. „Du musst verzeihen, aber dein Name ist mir entfallen.“

Das musste das Lächerlichste sein, was sie je von sich gegeben hatte. Falls er ebenso dachte, ließ er sich nichts anmerken.

„Ich heiße Dario.“

„Dario.“ Sie wiederholte den Namen, ließ die Silben über die Zunge rollen, so als könne sie damit ihre Erinnerung in Gang setzen. Es wirkte nicht.

„Lass uns zum Wagen gehen. Der Wind weht heute extrem heiß.“

Er führte sie zu einem Porsche Cayenne. Dieses Mal also keine schwarze Limousine, aber teurer, das wusste sie. Und ja, er hatte recht mit dem Wind. Ihr Haar – oder das, was davon noch übrig war – wiegte sich wie Stoppeln auf einem Weizenfeld, und Schweißtropfen bildeten sich zwischen ihren Brüsten. Dankbar für die Klimaanlage, ließ sie sich auf den Beifahrersitz gleiten. Sie war froh, den letzten Teil ihrer Reise vor sich zu haben. Der Flug hatte zwar keine zwei Stunden gedauert, aber da sie nicht gewusst hatte, was sie erwartete, war sie angespannt wie eine überdrehte Feder gewesen.

Da Dario sich offensichtlich nicht beflissen fühlte, ein Gespräch anzufangen, schaute Maeve hinaus auf die vorbeirauschende Szenerie, still darum flehend, irgendetwas möge ihr bekannt vorkommen. Die Uferstraße um die Insel war eng und gewunden, aber die Gegend war hübsch.

Linkerhand zogen sich Weinstöcke in die Hügel hinauf, von Steinmauern gestützt. Dazwischen wuchsen einzelne Olivenbäume und stellten sich schief dem Wind entgegen. Rechterhand schlugen die Wellen des azurblauen Meeres an schwarzes Lavagestein. Daher hatte die Insel wohl ihren Beinamen.

Irgendwann fuhren sie durch ein bezauberndes Fischerdörfchen. Seltsame würfelähnlich geformte Gebäude mit perforierten Kuppeldächern und tiefen Rillen im Dach standen eng beisammen.

„Um Regenwasser zu sammeln“, erklärte Dario, als die Neugier in Maeve stärker wurde als ihre Angst, das drückende Schweigen zu brechen. „Pantelleria ist eine Vulkaninsel mit vielen unterirdischen Quellen, doch aufgrund des Schwefelgehalts ist das Wasser ungenießbar.“

Leider brachte auch diese Information keinerlei Erinnerung zurück. Die Minuten verstrichen, ohne dass ihr lakonischer Ehemann sich Mühe gegeben hätte, die Unterhaltung in Gang zu halten.

„Dein Steward sagte mir, es sei eine kleine Insel.“

„Sì.“

„Also ist dein Haus nicht weit entfernt?“

„Auf Pantelleria ist nichts weit entfernt. Die Insel ist keine fünfzehn Kilometer lang und nur fünf Kilometer breit.“

„Dann sind wir bald da?“

„Sì.“

„Wie mir gesagt wurde, haben wir vor dem Unfall hier gelebt.“

Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „Sì.“

So jemanden nannte man wohl einen Mann der wenigen Worte! „Und wie lange sind wir verheiratet?“

„Etwas mehr als ein Jahr.“

„Sind wir glücklich?“

Er verspannte sich, eine Falte erschien auf seiner Stirn. „Augenscheinlich nicht.“

Bestürzt starrte sie ihn an. Diesem umwerfenden Mann hatte sie das Eheversprechen gegeben. Sie trug seinen Namen, war abends in seinen Armen eingeschlafen und morgens mit seinen Küssen aufgewacht. Und irgendwie war das alles verschwunden. „Wieso nicht?“

Es waren schlanke kräftige Finger, die jetzt das Lenkrad fester hielten. Ohne Ehering. Wie auch sie keinen Ring trug. „Unsere Lebensumstände waren nicht ideal.“

Es drängte sie, ihn nach dem Warum zu fragen, doch die Distanz in seiner Stimme war selbst für jemanden in ihrem verwirrten Zustand nicht zu überhören. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Landschaft.

Autor

Catherine Spencer
<p>Zum Schreiben kam Catherine Spencer durch einen glücklichen Zufall. Der Wunsch nach Veränderungen weckte in ihr das Verlangen, einen Roman zu verfassen. Als sie zufällig erfuhr, dass Mills &amp; Boon Autorinnen sucht, kam sie zu dem Schluss, diese Möglichkeit sei zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen. Sie wagte den...
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