In Rom beginnt das zweite Glück

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Wie oft hat Travis ihr versprochen, nach Italien zu reisen! Zu spät, jetzt steht ihre Ehe vor dem Aus, und Kate ist ohne ihn in Rom. Doch als sie eine Münze in den Trevi-Brunnen wirft und ihren sehnlichsten Wunsch flüstert, glaubt sie zu träumen: Neben ihr steht ihr Noch-Ehemann …


  • Erscheinungstag 29.04.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506533
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Komm schon, Kate. Wir müssen es tun.“

„Nein, das ist viel zu touristisch.“

Widerstrebend folgte Katherine Elizabeth Westbrook ihren beiden Freundinnen durch die Menge zum Trevibrunnen, einem der Wahrzeichen Roms. Das Wasser, das über die wunderschönen Barockskulpturen lief, glitzerte in der Augustsonne, doch sie wollte nicht der Tradition folgen und eine Münze in den Brunnen werfen.

„Nein, ist es nicht.“ Dawn McGill, rothaarig und lebhaft, machte eine wegwerfende Geste. „Das wollen wir doch schon seit einer Ewigkeit tun.“

„Weißt du noch, als wir das erste Mal Drei Münzen im Brunnen gesehen haben?“, fragte Callie Langston. Sie war die Stillste in ihrem Dreiergespann, das sie vor über zwanzig Jahren gebildet hatten, als Kate im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie in die Kleinstadt Easthampton in Massachusetts gezogen war.

Kate lächelte. „Wie könnte ich das vergessen?“

Sie hatten damals eine Pyjamaparty gefeiert und waren schon seit Jahren befreundet gewesen, alle drei hoffnungslose Romantikerinnen und Filmfans. Bei Pizza und Süßigkeiten hatten sie sich drei Videofilme angesehen. Callie hatte sich Die Nacht vor der Hochzeit ausgesucht, Dawn Sabrina und sie Drei Münzen im Brunnen. Die Geschichten von drei Frauen, die in Rom die große Liebe fanden, hatten sie bewogen, sich zu schwören, dass sie eines Tages die Ewige Stadt besuchen und eine Münze in den berühmten Brunnen werfen würden.

Damals hatte Kate den Film geliebt. Als sie noch jung und naiv gewesen war und an Happy Ends geglaubt hatte.

„Der Wunsch geht nur in Erfüllung, wenn wir es alle machen“, beharrte Dawn, unerschütterlich wie immer.

„Stimmt“, pflichtete Callie ihr bei. „Alle für eine …“

„… und eine für alle.“ Kate rang sich ein Lächeln ab. „Okay, wer hat eine Münze für mich?“

„Ich.“ Dawn drückte ihr einen Euro in die Hand, der schon etwas angelaufen war.

Von ihrer Tätigkeit bei der Weltbank wusste Kate, dass man dieses Modell bald durch ein neueres ersetzen würde. Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen.

Das trifft auch auf mein Leben zu, dachte sie und schloss die Finger um die Münze, während schmerzliche Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchten. Von Travis, der mit seiner heißgeliebten alten Harley vor dem Fenster ihres Zimmers im Studentenwohnheim aufgetaucht war. Von ihrer Verlobung an dem Tag, als sie ihm die Flügel an die Air-Force-Uniform gesteckt hatte. Von ihrer Hochzeit zwei Jahre später. Sie dachte an die lang ersehnte Reise nach Italien, die sie wegen seiner Einsätze in Afghanistan, im Irak und unzähligen anderen Krisengebieten immer wieder hatten verschieben müssen.

Kate erinnerte sich auch an all die Tage, an denen sie sich in ihrer Arbeit vergraben hatte, um die ständige Angst um ihren Mann zu verdrängen. Und die langen, einsamen Nächte, in denen sie sich hin- und hergewälzt und gebetet hatte, dass er gesund zurückkehren möge.

Und nun waren sie hier in Italien. Sie und Major Travis Westbrook. Was für eine Ironie des Schicksals! Traurigerweise hatte sie nicht einmal gewusst, dass ihr zukünftiger Ex auf dem NATO-Stützpunkt in der Nähe von Venedig stationiert war, bis sie kurz vor ihrer Abreise mit seiner Mutter gesprochen hatte.

Venedig mochte zwar nicht weit von Rom entfernt sein, doch die Kluft zwischen Travis und ihr war unüberbrückbar. Sie waren so oft und so lange getrennt gewesen und hatten sich auseinanderentwickelt. Dem Facebook-Post zufolge, den sie offenbar nicht hatte sehen sollen, hatte Travis sich noch mehr verändert als sie.

Die Hand zur Faust geballt und die Augen geschlossen, ließ Kate ihrer Wut und ihrem Kummer freien Lauf, bevor sie die Münze warf.

Ich wünsche dem Miststück, das auf Facebook damit geprahlt hat, dass es eine Affäre mit meinem Mann hat, die … was auch immer an den Hals!

Sie holte aus und warf. Nicht einmal das Sprudeln des Wassers konnte das Klirren übertönen, als der Euro auf den Rand des Brunnens und zu Boden fiel.

„Du konntest noch nie werfen, Katydid.“

Kate erstarrte und konnte plötzlich nicht mehr atmen. Verzweifelt ließ sie den Blick zu ihren Freundinnen schweifen. Dawns finstere Miene war genauso aufschlussreich wie Callies eisiger Gesichtsausdruck. Kate zwang sich, tief Luft zu holen und sich umzudrehen. Ihre erste Reaktion auf den Anblick ihres Mannes nach mehr als vier Monaten war rein instinktiv. Sie weigerte sich, der ihr so vertrauten Sorge angesichts der Fältchen in seinen Augenwinkeln nachzugeben, und schlug einen bewusst forschen Tonfall an.

„Hallo, Travis. Anscheinend hat deine Mom dir erzählt, dass ich es endlich nach Rom geschafft habe.“

„Das hat sie in der Tat.“ Mit seinen braungrünen Augen betrachtete er ihre Lippen. Einen unwirklichen Moment lang glaubte sie, er könnte versuchen, sie zu küssen. Schnell wich sie ein Stück zurück, während ihre Freundinnen sich an ihre Seite stellten.

Nun ließ er den Blick zu den beiden schweifen. Verriet sein Gesichtsausdruck Bedauern? Oder Belustigung und Argwohn, wenn er, seinen eigenen Worten zufolge, mit den Unbesiegbaren zu tun hatte?

„Wie hast du uns gefunden?“, brachte Kate schließlich hervor.

Nun lächelte Travis jungenhaft, und wieder stürmten die Erinnerungen auf sie ein. An jenen grauen, kalten Novembertag, als sie zu dritt ins Einkaufszentrum hatten aufbrechen wollen. In dem Moment war Dawns Bruder Aaron in der Auffahrt aufgetaucht und hatte ihnen seinen Zimmergenossen vorgestellt, den er zu Thanksgiving mit nach Hause gebracht hatte.

Travis hatte schon bald ein Auge auf sie geworfen. Sie war damals im zweiten Studienjahr am Boston College gewesen, er im vierten Studienjahr an der University of Massachusetts in Amherst. Und nach nur zwei Verabredungen in jenen magischen Thanksgiving-Ferien …

„Es war nicht schwer, dich zu finden“, holten seine Worte sie in die Gegenwart zurück. „Du hast mir oft genug erzählt, dass der Trevibrunnen ganz oben auf deiner Liste für Rom steht.“ Er deutete auf ein belebtes Café auf der anderen Seite der Piazza. „Also habe ich mich da hingesetzt und auf dich gewartet.“

Sie hatte nur ihrem Assistenten David erzählt, in welchem Hotel sie absteigen würde, und der hätte es niemandem verraten. Obwohl sie kein hohes Tier in der Finanzwelt war, hatten ihr Verstand – und der Sicherheitschef ihrer Bank – ihr geraten, sich auf Auslandsreisen bedeckt zu halten. Es war typisch für Travis, dass er sie ausfindig gemacht hatte.

„Wie lange hast du gewartet?“, erkundigte sie sich.

„Seit dem frühen Morgen.“

Dawn stieß einen überraschten Laut aus. „Das muss dich einiges gekostet haben.“

„Reden wir nicht darüber.“ Er blickte wieder Kate an. „Es war jeden Euro wert.“

Verdammt! Wie schaffte er das nur? Ein Lächeln, ein flüchtiger Blickkontakt, und sie hätte ihren Wunsch von eben fast vergessen.

Dann stieg jedoch die Bitterkeit wieder in Kate auf, und ihr Herz krampfte sich zusammen. „Du hast dein Geld vergeudet, Trav. Wir haben gesagt, was zu sagen war, als wir uns mit dem Anwalt getroffen haben.“

„Wohl kaum. Am Tag, nachdem ich von einer geheimen Mission zurückgekommen bin, habe ich die Scheidungspapiere erhalten. Der Termin beim Anwalt war nicht einmal eine Woche danach anberaumt.“

„Und du hast dich auf das Fürsorgegesetz für Militärangehörige berufen, um das Ganze um weitere neunzig Tage hinauszuzögern.“

„Nur weil du …“ Travis verstummte und atmete tief durch. „Komm, Kate. Lass mich dich wenigstens auf ein Glas Wein einladen. Euch drei“, fügte er hinzu.

Dass Dawn und Callie ihre Freundin Kate unbedingt begleiten wollten, wunderte Travis nicht. Er hatte vom ersten Tag an gewusst, dass Kate und ihre beiden Freundinnen sich näher standen als viele Schwestern. So unterschiedlich sie auch sein mochten, sie hatten viele gemeinsame Interessen und waren seelenverwandt.

Und jede von ihnen bedeutete eine Gefahr für die männliche Spezies. Mit ihrem roten Haar, ihren weiblichen Kurven und ihrem Temperament zog Dawn das andere Geschlecht magisch an. Callie war ruhiger, zurückhaltender, eine aufmerksame Zuhörerin, die den Männern das Gefühl vermittelte, dass sie viel klüger waren, als sie es tatsächlich waren.

Aber es war Kate, die an jenem verschneiten Novembertag sein Interesse geweckt hatte. Sie war dick angezogen gewesen, die braunen Augen kaum sichtbar über dem voluminösen Schal, das wellige blonde Haar unter einem Beanie hervorblitzend. Die engen Jeans betonten ihre langen Beine und ihren knackigen Po, doch er spürte sofort, dass sie viel mehr zu bieten hatte. Vielleicht war es der intelligente Ausdruck in ihren Augen. Oder ihr Lächeln, als sie den Schal hinunterzog. Oder ihre Schlagfertigkeit.

Als er an die Uni zurückkehrte, war er jedenfalls im Begriff gewesen, sich in sie zu verlieben. In den folgenden zwei Jahren hatte er sich voll auf sein Studium konzentriert. Es war eine hektische Zeit gewesen, in der sie sich an den Wochenenden immer gegenseitig besuchten und die Sommerferien gemeinsam verbrachten. Danach hatte er seine Grundausbildung bei der Air Force gemacht und war schließlich für die Flugschule genommen worden. Als Kate ihn besuchte, um ihm die Nadel anzustecken, hatte er ihr den Verlobungsring über den Finger gestreift. Nach weiteren zwei Jahren, in denen sie ihr Studium beendete und er seine Flugausbildung fortsetzte, hatte er ihr den Ehering angesteckt.

Dass sie diesen immer noch trug, verschaffte ihm eine tiefe Befriedigung. Kate war seine Partnerin, seine Frau, die Einzige, mit der er je sein Leben hatte verbringen wollen. Und er würde dafür sorgen, dass sie den Ring nicht abnahm.

Es würde allerdings nicht einfach sein. Er konnte nicht leugnen, dass ihre Ehe den Bach hinuntergegangen war. Seine ständigen Auslandsaufenthalte hatten genauso dazu beigetragen wie sein Versäumnis mit Captain Chamberlain, die er nicht eindringlich genug gewarnt hatte, die Finger von ihm zu lassen. Noch immer hätte er sich dafür in den Hintern treten können, dass er sich so ungeschickt verhalten hatte.

Er hatte keine Entschuldigung dafür, dass er die Frau so dicht an sich herangelassen hatte. Jedenfalls keine, die Kate ihm abgenommen hätte. Außerdem war sie nicht nur intelligent, sondern auch sehr dickköpfig und wog alle Entscheidungen sorgfältig ab. Doch wenn sie sich zu etwas entschieden hatte, war es endgültig.

Diesmal nicht, schwor er sich.

In Massachusetts wurde eine Scheidung erst drei Monate nach einem vorläufigen Scheidungsurteil rechtskräftig. So blieben ihm genau zwei Wochen, um die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken. Entschlossen, die Frau zurückzugewinnen, nach der er sich immer noch sehnte, forderte Travis sie heraus.

„Hast du so große Angst, eine Flasche Wein mit mir zu trinken, Schatz?“

Verächtlich zog Kate die Brauen hoch. „Was glaubst du denn?“ Dann wandte sie sich an ihre Freundinnen. „Geht ruhig schon zur Piazza Navona. Ich komme nach. Oder wir treffen uns im Hotel.“

„Du solltest lieber nicht allein durch Rom laufen“, protestierte Callie.

„Sie wird nicht allein sein“, bemerkte Travis trocken. „Ich verspreche euch, sie aus der Schusslinie zu halten.“

„Ah ja“, meinte Dawn ironisch. „Wir wissen ja, was deine Versprechen wert sind, Westbrook.“

Heroisch verkniff er sich die Bemerkung, dass eine Frau, die zwei Bräutigame vor dem Altar hatte stehen lassen, lieber den Ball flach halten sollte.

„Schon gut“, versicherte Kate ihren selbst ernannten Wachhunden. „Geht ruhig. Wir sehen uns im Hotel.“

Callie zog Dawn fort, die ihm noch einen warnenden Blick zuwarf.

„Zum Glück war keine von ihnen bewaffnet“, sagte Travis. „Ansonsten wäre ich jetzt tot.“

„Du bist noch nicht außer Gefahr. Bis jetzt musste ich zum Glück nicht auf die Selbstverteidigungstechniken zurückgreifen, die du mir beigebracht hast.“

Dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um ihr zu sagen, dass diese Trainingseinheiten zu seinen erotischsten Erinnerungen gehörten.

„Ich versuche, nicht dein erstes Opfer zu werden“, konterte Travis, als sie in Richtung Café gingen. Ohne nachzudenken, legte er Kate die Hand auf den Rücken. Als sie unvermittelt stehen blieb, unterdrückte er einen Fluch und nahm die Hand wieder weg. „Es tut mir leid. Die Macht der Gewohnheit.“

Kate schluckte mühsam, bevor sie sich einen Weg durch die Menge bahnte. Seine Höflichkeit war einer der Charakterzüge, die sie so an ihrem Ehemann schätzte. Er war in einer heruntergekommenen Textilstadt in Massachusetts aufgewachsen, wo Gangs das Straßenbild beherrschten und er seinen Erzählungen zufolge entsprechende Verhaltensweisen entwickelt hatte. Seine Mutter hatte dem allerdings energisch entgegengewirkt und ihm perfekte Manieren beigebracht. Ein Stipendium an der Uni und die Ausbildung bei der Air Force hatten ihm noch mehr Schliff verliehen.

Auch das ist eine Ironie des Schicksals, überlegte Kate, während ihr Ehemann ihr unter einer Markise einen Stuhl hervorzog. Mühelos vereinte er mehrere Persönlichkeiten in sich: den Universitätsabsolventen mit Prädikatsexamen, den Gentleman und den Gladiator.

Kate verspürte einen Stich, als sie daran dachte, dass Loyalität ebenfalls eine hervorstechende Charaktereigenschaft ihres Mannes war. Er gehörte zu einer Eliteeinheit, die das modernste Transportflugzeug fliegen durfte. Es war eine hoch dekorierte eingeschworene Gemeinschaft. Hatte Travis deswegen so ein starkes Interesse an Captain Diane Chamberlain entwickelt? Er behauptete es zumindest und schwor, er hätte die intelligente junge Kommunikationsoffizierin nur betreuen wollen.

Kate hätte ihm zu gern geglaubt. Wäre sie sich nicht allzu deutlich der ungeschriebenen Regel bewusst gewesen, dass alles, was im Einsatz passierte, auch dort blieb. Wenn sein ehrgeiziger Protegé in seinem Facebook-Post nicht ins Detail gegangen wäre … Wenn Trav und sie, Kate, sich nicht schon so auseinanderentwickelt hätten …

Genau das aber war die Crux. Durch ihre Berufe hatten sich ihre Wege getrennt. Er war inzwischen Major und sie, die als Foreign Accounts Managerin in der Niederlassung einer großen Bank angefangen hatte, arbeitete inzwischen in der Zentrale der Weltbank in Washington, D.C.

Und nun waren sie hier. Vier ereignisreiche Jahre Beziehung und fünf Jahre Ehe später. Nahezu Fremde an einem kleinen Tisch in der Stadt, die sie immer zusammen hatten besuchen wollen. Während Travis ihnen Wein einschenkte, ließ Kate den Blick über die Piazza schweifen.

„Ich kann nicht glauben, dass wir wirklich in Rom sind“, sagte sie leise.

„Hat lange genug gedauert.“

Forschend betrachtete sie Travis und bemerkte wieder jene Fältchen in seinen Augenwinkeln, die vereinzelten grauen Haare in seiner dunklen Kurzhaarfrisur.

Ohne zu überlegen, streckte sie die Hand aus und strich ihm über die Schläfe. „Hast du etwa schon graue Haare?“

„Allerdings. Kein Wunder, wenn die Gene und der Job einen mit zweiunddreißig zu einem alten Mann machen.“

Kate ließ den Blick tiefer schweifen. Sein blaues Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln betonte seine breiten Schultern, den muskulösen Hals und die gebräunten Arme. Sie ließ die Hand sinken, lehnte sich zurück und nahm verhalten lächelnd das Weinglas von ihm entgegen.

„So hinfällig sehen Sie noch nicht aus, Major Westbrook.“

„Und Sie sehen für einen Senior Investments Accounts Officer verdammt gut aus, Mrs. Westbrook.“

„Für einen leitenden Investments Accounts Officer. Ich wurde vor zwei Monaten befördert.“

„Wer ist gestorben?“

Das war ein geläufiger Witz zwischen ihnen, und Kate lachte. Zum Glück hatte sie für ihre jetzige Position nicht über Leichen gehen müssen. Nach dem Bachelorabschluss in Betriebswirtschaft am Boston College hatte sie ihren Master in Internationaler Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Columbia University gemacht. Jedes Mal, wenn man Travis versetzt hatte, hatte sie in einen Job mit mehr Verantwortung gewechselt und es so schnell an die Spitze gebracht.

„Niemand.“

Travis prostete ihr zu. „Auf den klügsten und bestaussehenden leitenden Investments Accounts Officer der Weltbank.“

Sie stieß mit ihm an, überrascht und dankbar, weil sie so locker miteinander plänkeln konnten. Noch immer hatte sie sich nicht von dem Schock über sein unerwartetes Auftauchen erholt. Obwohl …

Kate trank einen Schluck. Sie hätte zumindest die Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, dass Travis sie ausfindig machen würde, weil ihre geplante Italienreise ebenfalls eine geläufige Anspielung zwischen ihnen gewesen war.

„Und wie gefällt es dir in Washington?“

„So weit, so gut“, erwiderte sie vorsichtig.

Sie hatte sich die Entscheidung nicht leichtgemacht. Travis hatte es auch als einmalige Chance betrachtet, zumal seine Karriere bis dahin immer an erster Stelle gestanden hatte. Was keiner von ihnen zugeben konnte, war die Tatsache, dass ihr Wechsel nach Washington den Anfang vom Ende bedeutet hatte.

Trotzdem hatten sie sich Mühe gegeben. Er hatte sie dort besucht, und sie war nach Florida geflogen, als man ihm für besondere Verdienste den Silbernen Stern verlieh. Sie war immer so stolz auf ihn gewesen. Oft hatte sie mit den Tränen gekämpft, wenn sie Außenstehenden erzählte, was er machte. Ihr Stolz war allerdings nur ein schwacher Trost gewesen, wenn Travis wieder in ein Kriegsgebiet abberufen wurde.

Dann gab es da noch die geheimen Missionen, über die er nicht sprechen durfte. Wie vermutlich auch die gegenwärtige. Das erste Indiz dafür war die Tatsache, dass er ihre Frage, wie lange er in Italien bleiben würde, nur ausweichend beantwortete.

„Das wissen wir nicht genau. Einen Monat, vielleicht auch länger. Und wie lange bleibst du?“

„Ich fliege am zwanzigsten zurück.“

Travis neigte den Kopf. „Zwei Tage, nachdem unsere Scheidung rechtskräftig wird.“

Kate spielte mit ihrem Glas. Es kostete sie große Mühe zu lächeln. „Ich dachte, es wäre eine gute Ablenkung, mit Dawn und Callie durch Italien zu reisen.“

„Was hältst du davon, es mit mir zu tun?“

Sie zuckte zusammen und hätte dabei fast den Wein verschüttet. „Wie bitte?“

„Lass mich wenigstens diese Schuld begleichen, Kate.“

Entgeistert schüttelte sie den Kopf. „Wir können jetzt nicht mehr zurück, Trav.“

„Stimmt.“ Nun beugte er sich so weit vor, dass sie die goldenen Sprenkel in seinen braunen Augen erkennen konnte. „Aber wir können uns Zeit nehmen, um herauszufinden, ob da noch genug ist, um einen anderen Weg einzuschlagen.“

„Das ist verrückt. So wird es uns noch schwerer fallen, Lebewohl zu sagen.“

„Nein, Kate, das wird es nicht. Ich halte mein Wort.“ Er streckte die Hand aus und umfasste ihr Kinn. „Wenn … falls es dazu kommt, wirst du diese gemeinsame Zeit nicht bereuen, das verspreche ich dir.“

2. KAPITEL

„Kate!“, rief Dawn bestürzt. „Erzähl mir nicht, dass du tatsächlich mit dem Typen losziehst!“

„Ich sagte, ich überlege noch.“ Kate schnitt ein Gesicht. „Ich weiß, diese Reise sollte mir in erster Linie vor Augen führen, dass es auch noch eine Welt ohne Travis Westbrook gibt.“

„Und jetzt soll sie sich wieder um ihn drehen?“

„Vielleicht. Für eine Woche. Oder auch nicht.“

Dawn drehte sich um. Sie lag auf einem der beiden purpurfarben Brokatsofas im Wohnzimmer ihrer Suite in dem luxuriösen Fünfsternehotel, das, von einem Park umgeben, auf einem Hügel lag und einen fantastischen Blick auf die Ewige Stadt bot.

„Rede du mit ihr, Callie“, forderte Dawn ihre Freundin eindringlich auf. „Erinnere sie daran, wie oft sie und Travis versucht haben, die Kluft zu überbrücken – wenn er mal zu Hause war.“

„Das weiß sie selbst am besten. Außerdem haben wir beide uns auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was Liebe und Ehe angeht.“

Dawn rümpfte die Nase, während Callie Kate forschend ansah. „Und wozu tendierst du? Ja oder nein?“

Seufzend zog diese sich die Spange aus dem Haar und fuhr sich durch die blonden Locken. Eigentlich wollte sie sich eine Kurzhaarfrisur zulegen, ein weiterer Ausdruck ihres neuen Ichs, genauso wie die Kostüme, die sie sich für ihren neuen Job hatte schneidern lassen, und die Dreizimmerwohnung, die sie in Washington gemietet hatte.

„Ich schwanke noch“, räumte sie ein. „Mein Verstand sagt mir, dass es ein Riesenfehler wäre. Wenn ich es als Gewinn einer Investition betrachte, sehe ich nicht, wie ein paar gemeinsame Tage das langfristige Bestehen unserer Ehe sichern können, es sei denn, es kommen neue Unbekannte in die Gleichung.“

„Hör auf, wie eine Bankerin zu denken“, drängte Callie. „Denk wie eine Ehefrau, die entscheiden muss, ob sie ihrem Mann noch eine letzte Chance gibt.“

„Ich kann euch beide doch nicht zu Beginn unseres Urlaubs hängen lassen.“

„Natürlich kannst du das. Klar, ohne dich wird es nicht annähernd so lustig. Doch wir werden es schon schaffen, uns zu unterhalten.“

„Ich habe doch alles bis ins kleinste Detail geplant und mich mit U-Bahn-Plänen, Öffnungszeiten von Museen beschäftigt …“

„Dawn und ich sind große Mädchen. Wir schaffen es schon von A nach B, oder?“

„Ich glaube ja“, meinte Dawn widerstrebend, bevor sie aufstand, um den kleinen Marmortisch herumging und sich neben Kate auf das andere Sofa setzte. Dann zog sie ein Bein an und nahm Kates Hand. „Ohne dich durch Italien zu reisen macht nicht halb so viel Spaß. Aber wir werden schon klarkommen, und ich werde alles daransetzen, dass wir ein paar heiße Italiener kennenlernen. Nimm also auf uns keine Rücksicht. Du musst nur entscheiden, ob du Travis noch eine Chance geben willst, dir das Herz zu brechen.“

„Oh, wenn du es so ausdrückst …“

„Du meine Güte, Dawn!“, rief Callie, bevor sie sich auf der anderen Seite neben Kate setzte und ihre linke Hand nahm.

Als Mädchen hatten sie oft so beieinander gesessen und ferngesehen oder über Jungen gelästert. Als Teenager hatten sie sich Geheimnisse anvertraut und zusammen geträumt. Als Frauen hatten sie Schönes und ihren Kummer miteinander geteilt – in den letzten Jahren allerdings vorwiegend ihren Kummer, wie es schien.

„Für mich klingt es so, als würden dein Verstand und dein Gefühl miteinander ringen“, bemerkte Callie leise. „An deiner Stelle würde ich auf meinen Bauch hören.“

Als die drei Frauen zum Abendessen nach unten kamen, erwartete Travis sie bereits im Außenbereich des Restaurants. Sturmlaternen flackerten, die Tische waren mit weißem Leinen und funkelnden Kristallgläsern gedeckt. Die angestrahlte Kuppel des Petersdoms hob sich in etwa anderthalb Kilometern Entfernung gegen den Sternenhimmel ab und verlieh der Aussicht etwas Magisches.

Autor

Merline Lovelace
Als Tochter eines Luftwaffenoffiziers wuchs Merline auf verschiedenen Militärbasen in aller Welt auf. Unter anderem lebte sie in Neufundland, in Frankreich und in der Hälfte der fünfzig US-Bundesstaaten. So wurde schon als Kind die Lust zu reisen in ihr geweckt und hält bis heute noch an.
Während ihrer eigenen Militärkarriere diente...
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