In Spanien kam die Liebe

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Stacey liebt Reisen und Kinder. Da kommt das Angebot des verwitweten Spaniers Luis Aldivista, sich als Nanny um seine Zwillinge zu kümmern, wie gerufen. Aber am sonnigen Mittelmeer hat Stacey plötzlich ein Problem: Sie liebt Reisen, Kinder – und den Daddy ihrer Schützlinge …


  • Erscheinungstag 04.03.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521697
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Im internationalen Terminal des Kennedy Airports in New York herrschte wie immer reger Betrieb. Stacey Williams, die in der Nähe des Check-in-Schalters stand und wartete, blickte auf die Uhr. Bis zur verabredeten Zeit waren es noch ein paar Minuten.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit besonders auf Männer mit Kindern. Das gestrige Vorstellungsgespräch bei Luis Aldivista war nur kurz gewesen, trotzdem würde sie ihn und seine Zwillinge sofort wiedererkennen.

Ein dunkelhaariger Mann mit zwei kleinen Jungen geriet in ihr Blickfeld. An seiner Seite war eine Frau, die ein Baby auf dem Arm hielt. Eine leise Wehmut erfasste Stacey. Im Stillen träumte sie davon, eines Tages den Mann ihres Herzens zu finden und eine große Familie zu haben. Sie liebte Kinder, deshalb hatte sie ja den Beruf der Nanny gewählt. Auf fremde Kinder aufzupassen war jedoch nicht das Gleiche, wie eigene zu haben.

Einen Moment später sah sie einen Mann mit zwei Jungen in das Terminal kommen, gefolgt von einem Gepäckträger, der einen Gepäckwagen schob. Es war Luis Aldivista. Wieder fiel ihr auf, dass er wenig Ähnlichkeit mit dem Klischee eines feurigen Spaniers hatte. Sein Haar war hellbraun statt schwarz, und sein kantiges Kinn und die fest zusammengepressten Lippen passten auch nicht zu dem Spanier ihrer Träume, der einer Frau zärtliche Worte ins Ohr flüsterte und ein galanter Liebhaber war.

Jetzt hatte Luis Aldivista sie entdeckt. Es sagte etwas zu seinen Söhnen, und beide schauten gleichzeitig zu ihm auf. Stacey musste über den Ausdruck auf ihren niedlichen Gesichtern lächeln. Würde sie die Zwillinge jemals auseinanderhalten können? Äußerlich glichen sie sich wie ein Ei dem anderen, nur im Wesen unterschieden sie sich. Juan schien viel aufgeschlossener zu als sein Bruder Pablo.

Mit ihrem Koffer im Schlepptau und ihrer Reisetasche über der Schulter ging Stacey auf sie zu. „Hallo, Mr Aldivista“, begrüßte sie ihn.

Er erwiderte ihren Gruß. „Schön, dass Sie pünktlich sind.“

Die Zwillinge klammerten sich an ihn und musterten Stacey misstrauisch.

„Kinder, begrüßt Miss Williams“, forderte ihr Vater sie auf.

„Ich will nicht fliegen“, maulte der eine Zwilling.

„Ich will keinen Babysitter“, protestierte der andere, während er mit abweisender Miene auf Stacey starrte. Ihr wurde klar, dass sie es mit den beiden nicht leicht haben würde. Doch sie wollte die Herausforderung gern annehmen.

Bei ihrem Vorstellungsgespräch stellte Luis Aldivista als Erstes fest, dass sie zu jung für diese Aufgabe sei, auch wenn es sich nur um eine Anstellung als Reisekindermädchen für einen dreiwöchigen Aufenthalt in Spanien handelte. Stacey hatte angesichts seiner kritischen Bemerkungen schon befürchtet, dass er sie gar nicht engagieren würde. Den Ausschlag hatte dann gegeben, dass sie ein Diplom in frühkindlicher Erziehung und Bildung besaß und Seminare in der renommierten Miss Pritchard’s School for Nannies absolviert hatte. Außerdem war sie um einiges älter, als sie aussah. Die Reise war ohnehin eine so kurzfristige Entscheidung gewesen, dass Luis Aldivista kaum eine andere Wahl gehabt hatte.

„Schluss mit diesem Benehmen!“, schimpfte er mit den Zwillingen. Er warf einen Blick auf Stacey. „Ich hoffe, dass diese Reise kein Fehler war. Wir sitzen noch nicht einmal im Flugzeug, und schon machen die Kinder Probleme.“

Stacey spürte die Anspannung, die in der Luft lag. „Dann lassen Sie mich die Dinge in die Hand nehmen“, sagte sie betont forsch. „Dafür haben Sie mich schließlich engagiert.“ Sie wandte sich an die Zwillinge. „Sagt mir bitte noch mal eure Namen“, bat sie.

„Juan“, erwiderte der Junge zu ihrer Linken. Dann deutete er auf seinen Bruder. „Das ist Pablo.“

„Bestimmt freut ihr euch schon auf den Flug, oder?“

„Ich will gar nicht fliegen.“

„Und ich will nicht, dass du mitkommst“, sagte Pablo und zog einen Flunsch. „Hannah soll kommen.“ Vorwurfsvoll schaute er auf seinen Vater.

„Hannah kann nicht mitkommen, das habe ich euch doch schon hundert Mal erklärt.“ Luis’ Stimme klang ungeduldig. „Und nun lasst uns gehen.“ Er gab dem Gepäckträger ein Zeichen und ging voran zum Check-in-Schalter der First Class. Wenige Augenblicke später waren alle Gepäckstücke bis auf Luis’ Laptop und Staceys Reisetasche von dem Förderband wegtransportiert worden.

Bisher hatte Stacey kaum Gelegenheit gehabt, mit den Jungen zu plaudern. Sie wollte sich in der Zeit, in der sie auf den Abflug warteten, mit ihnen beschäftigen, damit sie sich gegenseitig besser kennenlernten. Bei ihrem Vorstellungsgespräch war das reguläre Kindermädchen der beiden, Hannah, dabei gewesen. In ihrer Gegenwart hatten die Zwillinge sich einigermaßen anständig benommen. Aber nun waren sie zwei aufsässige Jungen, die den Veränderungen, die auf sie zukamen, unsicher entgegensahen.

Vacation Nannies war Staceys Idee gewesen. Sie und ihre Schwester hatten die kleine Agentur vor fünf Jahren gegründet. Das Konzept sah vor, qualifizierte Kindermädchen an Familien zu vermitteln, die eine zeitlich begrenzte Betreuung für ihre Kinder benötigten, in der Regel auf Urlaubsreisen. Savannah war damals noch aufs College gegangen und hatte zusätzlich einige Kurse absolviert, die für eine Firmengründung nützlich waren.

Schon ein Jahr später hatte sich die Agentur als wahre Goldgrube erwiesen. Stacey und ihre Schwester hatten weitere Kindermädchen in ihre Kartei aufgenommen und waren in ein größeres Büro umgezogen. Heute beschäftigten sie ein Dutzend Kindermädchen und außerdem eine Bürokraft, die sich um organisatorische Dinge kümmerte. Die Agentur besaß einen ausgezeichneten Ruf. Täglich kamen mehr Anfragen, als sie bewältigen konnten.

Stacey musterte die Zwillinge. Die beiden waren keine niedlichen Kleinen wie die Kinder, die sie zuletzt betreut hatte. Sie maulten und zankten und zerrten an der Hand ihres Vaters, als wollten sie sich losreißen und davonrennen.

„Ich muss dringend mit meiner Firma telefonieren“, wandte Luis sich an Stacey. „Kümmern Sie sich bitte um die Kinder. Wir treffen uns dann am Gate.“

Stacey fühlte sich ein wenig überrumpelt, nickte jedoch und nahm die Zwillinge an der Hand. Dabei hatte sie die albtraumhafte Vorstellung, dass die beiden in verschiedenen Richtungen davonliefen und sie verzweifelt versuchte, sie zu finden.

„Ich will nicht mit dir gehen!“, sagte Juan eigensinnig. Oder war es Pablo? Nein, es war Juan. Stacey musste sich etwas einfallen lassen, um sie auseinanderzuhalten.

„Euer Papa kommt gleich nach. Und wir suchen inzwischen den richtigen Flugsteig.“

„Ich will nicht nach Spanien fliegen“, murrte Pablo.

„Bist du schon mal dort gewesen?“, fragte Stacey.

Der Kleine schüttelte den Kopf. „Hannah soll kommen.“

„Hannah fährt selbst in die Ferien“, erklärte Stacey. Das Kindermädchen der Zwillinge hatte es abgelehnt, sie nach Spanien zu begleiten. Angeblich hatte sie Angst vor dem Fliegen. Im Stillen fragte Stacey sich jedoch, ob sie nicht einfach ein paar Wochen Erholung von den beiden gebraucht hatte.

„Ich will mit Hannah in die Ferien fahren“, sagte Juan trotzig.

„Ihr fliegt nach Spanien, um eure Urgroßmutter zu besuchen und ihren Geburtstag zu feiern, Hannah besucht ihre eigene Familie“, erklärte Stacey. „Und ich komme mit und passe auf euch auf, bis wir wieder zurück sind.“

Beide Jungen zogen einen Flunsch. Stacey musste sich ein Lächeln verkneifen. Irgendwie fand sie die Zwillinge trotz ihres aufsässigen Benehmens süß. Bestimmt würde sie mit ihnen klarkommen, sobald sie sich ein wenig an sie gewöhnt hatten.

Am Flugsteig setzte sie sich mit den Kindern in die Wartezone und hielt nach Luis Aldivista Ausschau. Gestern hatte er noch gezögert, sie zu engagieren, und heute überließ er ihr seine Kinder auf einem so überfüllten Flughafen wie dem Kennedy Airport. Hatte er keine Bedenken, dass sie nicht miteinander klarkommen könnten? Oder war er ein solches Arbeitstier, dass er in erster Linie ans Geschäft und nicht an seine Söhne dachte?

Aufmerksam hörte Luis Aldivista den Ausführungen seines Verkaufsmanagers zu. Es ging um wichtige Geschäftsverhandlungen. Vor einigen Jahren hatte er eine Software im Bereich Medizintechnik entwickelt, die es Ärzten ermöglichte, von ihrer Praxis aus Einblick in die Patientenakten ihrer Belegkrankenhäuser zu nehmen. Die Verkaufszahlen hatten sich rasant entwickelt. Momentan ging es um die Erschließung neuer Märkte, da wollte Luis natürlich auf dem neuesten Stand bleiben.

Luis wünschte, er hätte seine Großmutter davon überzeugen können, dass diese geschäftliche Entwicklung für ihn enorm wichtig war und er nicht nach Spanien kommen konnte. Doch da er ihr einiges schuldig war, hatte er die Einladung nicht ausschlagen können. Seit die Zwillinge auf der Welt waren, hatte sie ihn einige Male in den Staaten besucht. Für die Jungen allerdings war es der erste Aufenthalt an dem Ort, der für ihn immer Heimat bedeuten würde. Dennoch was das Timing denkbar ungünstig.

Nach dem Gespräch mit Jerry ließ er sich von seiner Sekretärin mit dem Forschungs- und Entwicklungsteam verbinden, um zu erfahren, wie es um die neueste Version seiner Software stand. Sie sollte in sechs Wochen auf den Markt kommen, und er wollte täglich auf dem Laufenden gehalten werden.

Nachdem Luis alle Gespräche beendet hatte, holte er sich am Kiosk einen Becher Kaffee und machte sich damit auf den Weg zum Wartebereich.

Er entdeckte seine beiden Jungen mit ihrem neuen Reisekindermädchen sofort. Stacey Williams plauderte freundlich mit ihnen, und zum ersten Mal schienen sie sich zu benehmen. Er hatte schon befürchtet, sie würden ihr davonlaufen, um ihn zu suchen. Welche magischen Kräfte besaß diese Frau, dass sie es schon nach kurzer Zeit geschafft hatte, seine beiden Rabauken unter Kontrolle zu bekommen? Selbst Hannah hatte oft Schwierigkeiten mit ihnen.

Lächelnd blickte sie ihm entgegen. „Ist bei Ihnen in der Firma alles in Ordnung?“

Luis hob die Schultern. „Es ist nicht gerade der günstigste Zeitpunkt für eine Urlaubsreise. Ich werde in der Firma gebraucht.“ Zum Glück hatte er einen zuverlässigen Geschäftsführer, der sich während seiner Abwesenheit um alles kümmern würde. Und natürlich hatte er auch einen Laptop und das Handy bei sich, damit er im Haus seiner Großmutter arbeiten konnte.

Stacey wandte ihre Aufmerksamkeit Juan zu, der wieder zu quengeln begann. Luis kannte seine Jungs. Sie würden keine Ruhe geben, bis sie zur Strafe in ihre Zimmer geschickt wurden. Das wirkte immer. Doch wie sollte er das in einem Flugzeug bewerkstelligen? Er konnte nur hoffen, dass sie während des Fluges einschliefen.

Luis setzte sich auf den Sitz neben Pablo, den Stacey für ihn freigehalten hatte. Aufmerksam hörten die Zwillinge zu, was sie ihnen über Flugzeuge erzählte. Luis fand immer noch, dass sie nicht viel älter aussah als ein Teenager, aber sie schien mit Kindern bestens umgehen zu können. Wann hatten seine beiden Jungen zum letzten Mal stillgesessen und so aufmerksam zugehört?

Vielleicht gefiel es ihnen einfach, Stacey anzusehen. Er musste zugeben, dass sie sehr hübsch war. Ihre leuchtend blauen Augen zogen immer wieder seine Blicke an. Das lange blonde Haar hatte sie im Nacken zusammengebunden. Ihre Haut war leicht gebräunt, auf den Wangen lag ein rosiger Schimmer.

Luis riss den Blick von ihr los und schaute auf seine Armbanduhr. Stacey Williams hatte ihn nur als Reisekindermädchen seiner Söhne zu interessieren, nicht als Frau, auch wenn er sie zugegebenermaßen sehr anziehend fand. Er war ihr dankbar, dass sie Hannahs Stelle so kurzfristig übernommen hatte. Er wollte die Jungen nicht ohne Kindermädchen zu seiner Großmutter mitnehmen, und es wäre schwierig gewesen, vor Ort jemanden zu finden, der Englisch sprach.

Da die Zwillinge Flugzeuge beobachten wollten, nahm Stacey sie an der Hand und ging mit ihnen hinüber zu der großen Glasfront. Während sie über die Größe der Maschine staunten, die bereits an ihrem Flugsteig stand, musste Stacey wieder an das denken, was Stephanie ihr gesagt hatte, bevor sie zu ihrem Vorstellungsgespräch mit Luis Aldivista gefahren war.

Seit zwei Jahren war er unter den Top Ten der meistgefragten Junggesellen von New York. Er hatte eine neuartige Software im Bereich Medizintechnik entwickelt, die ihn mit einem Schlag reich gemacht hatte. Aber mit seinem fantastischen Aussehen hätte er es sicher auch ohne Reichtum in die Liste geschafft.

Jetzt allerdings schaute er reichlich verdrossen drein. Stacey fragte sich, ob er jemals lächelte. War er so auf geschäftliche Dinge fixiert, dass er nicht einmal an der Begeisterung seiner Söhne über die Flugzeuge teilhaben wollte?

„Was ist das dort für ein Flieger, Stacey?“, wollte einer der Zwillinge wissen.

Sie beugte sich zu dem Kleinen, bis sie mit ihm auf gleicher Augenhöhe war. Er war einfach zu niedlich mit seinen zerzausten blonden Locken und den strahlenden blauen Augen. „Das ist ein Jumbo Jet. Er heißt so, weil er so riesig ist.“

Sie warf einen Blick auf Luis, der sein Handy ans Ohr hielt und angestrengt ins Gespräch vertieft war. Stacey hätte es ihm am liebsten weggenommen und ihm nahegelegt, sich stattdessen seinen Jungen zu widmen. Er sollte derjenige sein, der ihnen erklärte, wieso Flugzeuge fliegen konnten und wohin in aller Welt sie flogen.

Stacey hatte aber schon Erfahrung mit arbeitswütigen Vätern, die ihre Arbeit über ihre Kinder stellten, und wusste, dass ein Kindermädchen sie nicht überzeugen konnte, sich zu ändern. Sie fragte sich nur, warum diese Männer heirateten und Kinder in die Welt setzten, wenn sie keine Zeit für sie hatten. Falls sie jemals heiraten sollte, würde sie darauf bestehen, dass ihr Mann ihr und den Kindern ein gewisses Maß an Zeit widmete. Falls sie jemals heiraten sollte. Ihr Beruf bot nicht gerade die besten Chancen, alleinstehende Männer kennenzulernen.

Juan zog ungeduldig an ihrer Hand. „Ich will das Flugzeug von innen sehen. Wann gehen wir rein?“

„Sobald unser Flug aufgerufen wird.“ Stacey deutete auf ein Flugzeug. „Sieh mal, da startet gerade eins. Und das dort wird gleich landen. Wo es wohl herkommt?“

„Vielleicht aus Spanien“, meinte Juan.

„Oder aus Ohio“, setzte Pablo dagegen. „Da fliegt Hannah hin. Ich vermisse sie.“

Stacey beugte sich zu ihm und umarmte ihn kurz. „Bestimmt vermisst sie dich auch. Wenn wir in Spanien sind, schreiben wir ihr einen Brief.“

„Ich kann meinen Namen schreiben“, sagte Juan stolz.

„Prima. Und ich helfe mit dem Rest. Ihr braucht mir nur zu sagen, was ich Hannah schreiben soll.“

Bevor sie noch etwas sagen konnte, verkündete eine Lautsprecherstimme, dass die ersten Passagiere an Bord gehen konnten. Lächelnd blickte sie auf die beiden Jungen. „Kommt, wir dürfen jetzt ins Flugzeug.“

Aufgeregt rannten sie zu ihrem Vater zurück, wobei sie Stacey an der Hand mit sich zogen. „Daddy, wir dürfen ins Flugzeug rein!“, rief einer der Zwillinge aufgeregt.

„Ich habe es gehört.“ Luis stand von dem Sitz auf und nahm seinen Laptop an sich. Er bat Stacey, ihm mit den Kindern zu folgen, und wenige Augenblicke später betraten sie die Erste-Klasse-Kabine.

Sie hatten vier Sitze in einer Reihe, jeweils zwei zu beiden Seiten des Gangs.

„Ich werde mit einem der Zwillinge auf einer Seite sitzen und Sie auf der anderen“, schlug Luis vor. „Später können wir wechseln.“

„Eine gute Idee“, stimmte Stacey ihm zu. Auf diese Weise konnte sie mit jedem der Jungen ein paar Stunden verbringen und so beide besser kennenlernen.

Während des Starts lehnte Luis sich im Sitz zurück und betrachtete sein neues Kindermädchen unauffällig. Sie hatte sich zu Juan gebeugt, der am Fenster saß, und hörte ihm aufmerksam zu, was auch immer er erzählte. Für einen Augenblick wünschte er, das Bild mit der Kamera festhalten zu können. Seine Zwillinge bedeuteten ihm so viel. Er wollte, sie würden ihr Leben lang so glücklich sein, wie Juan in diesem Moment aussah.

In solchen Augenblicken vermisste er Melissa besonders schmerzlich. Es war ihr nicht mehr vergönnt gewesen, ihre beiden Söhne im Arm zu halten. Nicht einmal den ersten Schrei der Zwillinge hatte sie erleben dürfen. Sie war an einem Aneurysma gestorben, bevor sie Pablo zur Welt brachte.

Stacey amüsierte sich über Juan, der neben ihr saß und ihr die Ohren vollplapperte. Hin und wieder schaute sie zu Luis und Pablo hinüber. Der andere Zwilling war entschieden ruhiger. Voller Eifer beschäftigte er sich mit seinem Malbuch.

Sie ließ ihre Blicke zu seinem Vater wandern. Luis hatte seinen Laptop aufgeklappt und studierte angestrengt den Bildschirm. Sein Haar war leicht zerzaust, als hätte er es gerade geistesabwesend mit beiden Händen verstrubbelt.

Warum fielen ihr solche Dinge überhaupt auf? Ihre Aufgabe war es, die Kinder zu beaufsichtigen, nicht deren Vater zu beobachten!

Stacey musste jedoch zugeben, dass Luis Aldivista sie interessierte. Als sie von dem Vorstellungsgespräch bei ihm zurückgekommen war, hatte sie seine Klientenakte besonders sorgfältig studiert. Er war verwitwet und Inhaber einer erfolgreichen Software-Firma. Die restlichen Informationen über ihn hatte sie sich aus dem Internet geholt. Dort hatte sie auch den Artikel gefunden, den Stephanie erwähnt hatte und in dem er als einer der begehrtesten Junggesellen New Yorks gelistet war. Kinder waren dort jedoch nicht erwähnt.

Luis konnte sich glücklich schätzen, die Zwillinge zu haben. Stacey hoffte, dass die beiden sich später immer gern an diese Reise und ihre spanischen Verwandten erinnern würden. Sie selbst besaß nur vage Erinnerungen an ihre Eltern. Stacey war sechs gewesen, Savannah vier, als sie zu ihrer Großmutter kamen. Grams war damals bereits in den Sechzigern und von Arthritis geplagt. Sie hatten nicht viel besessen und waren auch kaum aus dem Haus gekommen – Urlaubsreisen hatte es nie gegeben. Mit achtzehn war Stacey dann ausgezogen, um sich eine bessere Zukunft zu erarbeiten.

Sie streckte die Beine aus und machte es sich bequem. Hatte sie nicht wieder großes Glück gehabt, dass sie die nächsten drei Wochen in einer spanischen Villa am Meer verbringen durfte? Sie war in Palmerville in West Virginia aufgewachsen und hatte immer vom Meer geträumt. Ihre liebsten Aufträge waren jene, die sie an irgendwelche Strände führten.

Nach einer Weile wurde das Essen serviert. Stacey half Juan, sein Fleisch zu schneiden. Als sie Luis nach Beendigung der Mahlzeit fragte, ob die Jungen nun ihre Plätze tauschen sollten, protestierte Juan sofort. Er wollte nicht bei seinem Vater, sondern bei Stacey sitzen.

Da die Sitze ziemlich breit waren, schlug sie vor, dass die Zwillinge einen teilten, was mit Begeisterung angenommen wurde. Bald waren sie zu dritt damit beschäftigt, ein Puzzle zusammenzusetzen, das Stacey mitgebracht hatte.

Zwischendurch warf sie einen Blick auf ihren neuen Arbeitgeber, für den es nichts anderes zu geben schien als seine Arbeit. Aus Erfahrung wusste sie, dass viele Geschäftsmänner keinen Familiensinn hatten. Sie wollten zwar Kinder, doch hauptsächlich des Ansehens wegen und um Erben für das Familienvermögen zu haben.

So krank ihre Großmutter auch gewesen war, sie hatte für Stacey und ihre Schwester alles getan, was in ihrer Möglichkeit stand. Sie hatte ihnen vorgelesen, hatte sie in die Haushaltsführung eingewiesen und ihnen beigebracht zu kochen und Kleidungsstücke auszubessern. Dabei hatte sie Familiengeschichten von Verwandten erzählt, die schon lange verstorben waren. Für Stacey und ihre Schwester waren diese Erinnerungen sehr wichtig und wertvoll gewesen.

Staceys Gedanken wanderten zu Luis Aldivista. Er hatte erwähnt, dass er als Kind viele Sommer in Spanien verbracht hatte. Zusammen mit seinen Eltern? Oder war er von ihnen abgeschoben worden, weil sie Pläne hatten, bei denen er nur störte?

Vermutlich würde sie es nie erfahren.

Draußen war es bereits dunkel geworden. Am frühen Morgen würden sie in Madrid landen. Besser, wenn die Jungen jetzt ein paar Stunden schliefen. Das Interesse an ihrem Puzzle hatten sie ohnehin verloren. Stacey klappte die Rückenlehne zurück, breitete eine Decke über die Kleinen und gab jedem von ihnen ein Kissen. Innerhalb weniger Augenblicke waren sie eingeschlafen.

Für eine Weile versank Stacey in ihren Gedanken, dann schaute sie wieder zu Luis Aldivista hinüber. Da er immer noch in seine Arbeit vertieft war, konnte sie ihn unbemerkt beobachten. Er sah noch viel besser aus als auf den Fotos, die sie im Internet gesehen hatte.

„Mr Aldivista“, sagte sie leise.

Er wandte den Kopf. „Ja?“

„Ich denke, es wäre ganz gut, wenn wir darüber sprechen, was Sie von dieser Reise erwarten. Soll ich mit den Jungen Ausflüge unternehmen und ihnen Sehenswürdigkeiten zeigen, oder werden wir uns hauptsächlich im Haus Ihrer Großmutter aufhalten?“

„Bei Abuela Maria, nehme ich an, also bei meiner Großmutter.“ Auf seiner Stirn erschienen leichte Falten. „Ich habe keine besonderen Erwartungen. Passen Sie auf die beiden auf und sorgen Sie dafür, dass sie nichts anstellen.“

„Warum sollten sie etwas anstellen?“

„Sie können manchmal richtige Teufelchen sein. Wenn der eine von ihnen etwas Bestimmtes tun will, will der andere genau das Gegenteil. Hannah schränkt deshalb ihre Aktivitäten oft drastisch ein. Sonst gibt es nur ständiges Geschrei.“

Stacey warf einen Blick auf die schlafenden Jungen. Sie sahen eher wie kleine Engel aus. „Ich werde mit den beiden fertig“, meinte sie zuversichtlich. Wie schlimm konnten zwei kleine Kinder schon sein?

„Ich hoffe es. Nicht, dass sie das Haus meiner Großmutter auf den Kopf stellen.“

„Ich bin selbst noch nie in Spanien gewesen. Es wäre schön, wenn wir die Umgebung kennenlernen könnten. Bestimmt würden Ihre Jungen gern einige der alten Schlösser und Festungen sehen.“

Luis blickte auf seinen Laptop, seufzte und schloss ihn. „Die Batterie ist leer“, murmelte er. Dann wandte er sich wieder Stacey zu. „Der Besitz meiner Großmutter liegt direkt am Meer. Die Jungen werden am Strand genug Möglichkeiten zum Spielen finden. Dort lassen sie sich am besten beaufsichtigen.“

„Werden Sie viel Zeit mit ihnen verbringen?“

„Das kann ich nicht versprechen. Erst muss ich sehen, wie die Dinge in der Firma laufen.“

„Die beiden sprechen kein Spanisch, oder?“

Er schüttelte den Kopf.

„Aber Sie sprechen es?“

„Natürlich. Schließlich habe ich seit meiner Kindheit jeden Sommer in Spanien verbracht, bis ich aufs College ging und den Sommer über arbeiten musste.“

„Denken Sie nicht, dass es für Ihre Zwillinge einfacher wäre, wenn Sie jeden Tag eine gewisse Zeit mit ihnen verbringen würden?“

„Dafür habe ich Sie engagiert, Miss Williams. Fühlen Sie sich der Aufgabe nicht gewachsen? Dann hätten Sie es vor dem Abflug sagen sollen.“

„Ich bin durchaus in der Lage, Ihre Kinder zu betreuen. Ich dachte nur …“

„Fürs Denken werden Sie nicht bezahlt. Bitte beschränken Sie sich auf die Aufgaben, für die ich Sie engagiert habe.“

Staceys Enthusiasmus erlitt einen Dämpfer. Sie brachte ein höfliches Lächeln zustande, doch am liebsten hätte sie Luis geschüttelt.

Sie lehnte sich zurück und versuchte, ebenfalls zu schlafen. Von früheren Transatlantikflügen wusste sie, dass die ersten Tage in Europa wegen der Zeitverschiebung immer sehr ermüdend waren. Ein wenig Schlaf würde nicht schaden.

Als sie in Madrid landeten, waren die Jungen quengelig. Obendrein hatten sie nur kurz Zeit, um ihren Anschlussflug an die Küste zu erreichen. Es dauerte ewig, bis sie durch den Zoll waren, trotzdem schafften sie es noch rechtzeitig zu dem Flieger nach Alicante. Dort angekommen bat Luis Stacey, auf die Jungen aufzupassen, während er das Gepäck und den Leihwagen holte.

Müde und leicht verängstigt von den fremden Eindrücken klammerten die Zwillinge sich an Stacey und wollten wieder nach Hause.

Um sie abzulenken, erkundigte sie sich nach deren Urgroßmutter. „Habt ihr sie schon mal kennengelernt?“

„Sie hat uns besucht, als wir klein waren“, antwortete Juan.

Stacey lächelte. Für sie waren die Jungen immer noch klein.

„Sie hat immer gut gerochen“, erinnerte Pablo sich.

„Dann freut ihr euch sicher schon, sie wiederzusehen.“

Autor

Barbara Mc Mahon
Barbara McMahon wuchs in einer Kleinstadt in Virginia auf. Ihr großer Traum war es, zu reisen und die Welt kennenzulernen. Nach ihrem College-Abschluss wurde sie zunächst Stewardess und verbrachte einige Jahre damit, die exotischsten Länder zu erforschen. Um sich später möglichst genau an diese Reisen erinnern zu können, schreib Barbara...
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