Insel der Träume

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ist es der Zauber der Karibik, dem Morgan erliegt? Oder ist es etwa Liebe? Der attraktive Millionär wollte doch eigentlich nur eine Vernunftehe mit der entzückenden Rosie eingehen. Am weißen Strand seiner Trauminsel aber spürt er plötzlich ein berauschendes Verlangen...


  • Erscheinungstag 05.10.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733786649
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Diese Bibliothek hat ihren Namen wirklich verdient, dachte Rosie, als sie sich in dem beeindruckenden Raum umschaute. Die Wände waren bis unter die Decke mit Büchern bestückt, und die gesamte Einrichtung zeugte von Reichtum und Wohlstand. Mit Kennerblick betrachtete sie die geschickt platzierten Ölgemälde an den eichengetäfelten Wänden – auch sie Zeichen von erlesenem Geschmack und unbegrenzten Mitteln.

Nun, da der Butler sich zurückgezogen hatte, nutzte sie die Gelegenheit, sich mit der Umgebung vertraut zu machen, von der man annahm, dass sie ihr vertraut sei. Sie hatte das Gefühl, ihre Schuldgefühle müssten ihr bereits an der Nasenspitze anzusehen sein. Das ausdruckslose Gesicht des korrekt gekleideten Individuums, das sie hereingebeten hatte, hatte ihr schlechtes Gewissen als misstrauisch interpretiert.

Ihr Verstand riet ihr, sie solle sich nicht verrückt machen. Auch wenn ihre Zwillingsschwester rund einen Zentimeter größer war und sie selbst einen etwas größeren Busen besaß, so war doch niemand je in der Lage gewesen, sie beide auseinanderzuhalten. Nicht einmal ihre Eltern.

Wenn sie doch nur der Bitte ihrer Schwester gegenüber standhaft geblieben wäre! Ihre Schwester hatte eine nette Mischung aus moralischer Erpressung und Charme eingesetzt – aber die Situation hätte natürlich auch im umgekehrten Fall eintreten können, oder? Und hinterher zu jammern brachte ebenfalls nichts.

Gegen ihre Einsicht hatte Rosie sich einverstanden erklärt, bei dieser idiotischen Scharade mitzumachen. Für ein paar Tage so zu tun, als wäre sie ihre eigene Schwester …

Fast zufällig hatte sie herausgefunden, dass ihre Schwester sich auf ihre impulsive Art verlobt hatte. Das allein war schon ein Schock gewesen. Aber noch schockierter war sie, dass ihre Schwester nun einen anderen Mann als ihren Verlobten heiraten wollte. Elizabeth hatte zwar ein ziemlich exzentrisches Wesen, aber das setzte allem noch die Krone auf! Gut, sie waren getrennt voneinander aufgewachsen, hatten nie zusammen irgendwelche Dummheiten ausgeheckt, wie es Zwillinge sonst tun … Wie oft hatte sie das bedauert …

Aber dies? Das war nun wirklich kein dummer Streich, sondern grenzte schon an Betrug.

Es wäre ja ganz hilfreich, wenigstens eine kleine Ahnung vom Charakter des Mannes zu haben, aber ihre Schwester hatte nur recht spärliche Informationen verteilt. Die wenigen Details, mit denen sie herausgerückt war, hatten Rosie nicht gerade in Hochstimmung versetzt. Wenn man Elizabeth glauben konnte, besaß Morgan Urquart einen ziemlich dubiosen, fast finsteren Charakter.

Der nervöse Druck in ihrem Magen nahm zu.

„Warum hast du überhaupt zugestimmt, ihn zu heiraten?“, hatte Rosie sich erkundigt. Gestern war es gewesen, aber es kam ihr bereits wie eine kleine Ewigkeit vor.

Ihre Schwester hatte sie mit ihren bernsteinfarbenen, leicht schräg gestellten Augen groß angesehen.

„Warum? Weil mir das damals eine gute Idee zu sein schien.“ Sie bemerkte den Ausdruck ihrer Schwester. „Sieh mich nicht so missbilligend an, Rosie. Du hättest auf dieser Party sein sollen. Es war die langweiligste, die ich je erlebt habe, und plötzlich kam er herein … Ich meine, du hättest die Frauen dort sehen müssen – aber er hatte nur Augen für mich“, erklärte sie mit einem leisen Seufzer. „Er kann so charmant sein, wenn er will, und anfangs dachte ich, ich hätte ihn umgehauen. Es war sehr schmeichelhaft.“

Die rot lackierten Finger, die auf die Tischplatte trommelten, waren ein Indiz dafür, wie angespannt Elizabeth innerlich war.

„Danach lief alles wie von selbst. Daddy rechnete sich aus, welchen Vorteil es ihm bringen würde, mit Morgan Urquart verwandt zu sein, und Bill zeigte mir die kalte Schulter, der arme Kerl. Er war von dieser dummen Idee besessen, er wäre nicht reich genug für mich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich würde ihn wieder zu Verstand bringen, wenn ich mich mit Morgan verlobte, und der brauchte eine Frau, wegen dieser komischen Bedingung in seinem Testament. Es war nicht so, dass er in mich verknallt war, weißt du.“ Es hatte sich angehört, als bedauerte sie es.

„Es ist doch eine extrem blöde Idee, sich mit jemandem zu verloben, den man kaum kennt, wenn man in einen anderen verliebt ist.“

Elizabeths frivoler Ausdruck dabei erinnerte Rosie ungemein an ihre Mutter, und sie war eigentlich nicht überrascht über die Eröffnungen ihrer Schwester.

„Ich nehme doch nicht an, du hast Billy Anlass gegeben, an deiner Treue zu ihm zu zweifeln?“, bemerkte sie trocken.

„Bill ist nicht wie die anderen, Rosie …, wirklich“, meinte Eli­zabeth ernst. „Ich habe ihm deutlich gemacht, dass ich mich für sein Vorhaben, zuerst eine Million zu verdienen und mich dann zu heiraten, nicht gerade begeistern kann. Bill kann so unglaublich altmodisch und nobel sein“, erklärte sie mit einem Unterton von Stolz. „Ich dachte, wenn ich mich mit Morgan verlobe, mache ich ihn so eifersüchtig, dass er all seine antiquierten Prinzipien vergisst.“

„Es scheint funktioniert zu haben“, kam Rosies lakonische Antwort.

Elizabeth lachte, aber es lag ein Hauch Verzweiflung darin. „Das Problem ist Morgan.“

„Lass ihn sausen, Elizabeth“, riet ihr Rosie.

Seltsamerweise lachte ihre Schwester schrill, fast hysterisch. „Du verstehst nicht, Rosie. Du hast Morgan nie kennengelernt.“ Sie seufzte. „Zwei Tage deines Lebens, Rosie, mehr möchte ich doch gar nicht. Für mich bedeutet es alles. Vielleicht liege ich falsch, und es macht Morgan nichts aus, wenn man ihn sausen lässt, aber warum dieses Risiko für meine Zukunft eingehen … Bills Zukunft? Wenn er meinetwegen in Teufels Küche käme, würde ich es mir nie vergeben. Es ist einfach nur eine Vorsichtsmaßnahme.“

Rosie hatte wenig Verständnis für diese melodramatischen Ergüsse. „Verdammt noch mal, Elizabeth, der Mann wird Billy kaum über den Haufen schießen, oder?“

„Ich erwarte von ihm etwas Subtileres, das in der Wirkung aber auf das Gleiche hinauslaufen würde“, erklärte Elizabeth geheimnisvoll. „Er muss ja nicht einmal wissen, dass du nicht ich bist. Halt ihn nur hin, und wenn ich aus dem Schlamassel bin, kannst du ihn ja aufklären.“

Bei der Erinnerung an jenes Gespräch wurden Rosies Schuldgefühle wieder stärker. Es kam ihr gemein und abscheulich vor, Morgan Urquart länger falsche Hoffnungen hegen zu lassen, als notwendig war. Elizabeth konnte ihn nie geliebt haben, wenn sie ihn so behandelte. Aber bin ich denn besser? stellte sie sich die Frage.

Andererseits, welche Alternative bleibt mir denn, dachte sie bedrückt. Entweder lasse ich meine Zwillingsschwester im Stich, oder aber ich betrüge einen unschuldigen Fremden. Wenn er allerdings nur halb so schrecklich ist, wie Elizabeth angedeutet hat, scheint er ganz und gar nicht unschuldig zu sein!

Der Klang erhobener Stimmen durchbrach ihre Gedanken. Das Klirren von zerbrechendem Glas folgte, dann ein schriller Schrei. Eindeutig von einer Frau. Rosie war alarmiert.

Ihre instinktive Reaktion war, dieser Frau in Bedrängnis zu Hilfe zu eilen. In ihrer Eile stolperte sie mit Elizabeths hohen Pumps über einen der überall herumliegenden Teppiche. Sie wollte schon wieder den Rückzug antreten, da hörte sie Weinen. Mit neuer Entschlossenheit schritt sie weiter in Richtung des Raums, aus dem die Geräusche kamen. Sie betrat das elegante Wohnzimmer, ohne dass einer der beiden Anwesenden es bemerkte.

Gedanken an eine Vergewaltigung verflüchtigten sich wieder, als eine junge Frau in einem teuren Abendkleid sich mit einer grazilen Bewegung aus einer knienden Position vor einem hochgewachsenen Mann erhob. Sie schmiegte sich dicht an ihn.

„Aber, Morgan, Darling, ich weiß, du liebst mich. Ich bin nicht zu jung! Wenn du schon heiraten musst, warum heiratest du nicht mich anstatt dieser dummen Kreatur?“

„Beruhige dich, Ellie.“ Der Mann packte ihre Hände und löste sie von seinem Nacken. „Diese Hochzeit ist eine Art Geschäftsabkommen, wie du sehr gut weißt. Mädchen, die mit siebzehn heiraten, bedauern es normalerweise bald, Darling. Besonders, wenn ihre Ehemänner schon fünfunddreißig sind.“

„Alle erwarten, dass du mich heiratest!“ Die Stimme wurde so schrill, dass Rosie zusammenzuckte. „Wenn dein Großvater mit dem Sterben lange genug gewartet hätte, wäre ich alt genug zum Heiraten, und du brauchtest nicht diese Schlampe aus dieser Aufsteigerfamilie zu nehmen.“

„Ich bin sicher, der alte Herr hätte gern durchgehalten, wenn er geahnt hätte, welche Unannehmlichkeiten er dir hätte ersparen können, Darling.“ Er wandte leicht den Kopf, und Rosie bemerkte, dass er fast nachsichtig lächelte. Und sie bemerkte noch einiges mehr!

Ihr stockte der Atem. Ihre Schwester hatte ihn als gut aussehend bezeichnet, aber auf solch einen tollen Mann war sie wirklich nicht vorbereitet gewesen! Er erinnerte sie an das Bildnis eines mittelalterlichen Ritters, das sie als Kind in einer alten Kirche gesehen hatte: das ebenmäßige, markante Gesicht mit den scharfen Zügen und Augen, die sie im Traum verfolgt hatten.

Aber diese Augen waren nicht aus totem Holz geschnitzt, sondern sehr lebendig und grau, intelligent – und voll von kaltem Spott, als sie ihrem Blick jetzt begegneten. Einiges von dem Mitgefühl, das sie für diesen Mann empfunden hatte, verflüchtigte sich. Wie ein Opfer wirkte er ganz bestimmt nicht. Und mit eigenen Ohren hatte sie zudem gehört, wie er die Ehe als eine geschäftliche Abmachung bezeichnet hatte.

„Ich bin heute Morgen anscheinend sehr gefragt.“ Das Lächeln der sinnlich geformten Lippen enthielt weder Wärme noch den trockenen Humor, den sie noch eben bemerkt hatte. Aber sein Blick wanderte über ihren Körper, mit einem Ausdruck, der ihr den Magen zusammenzog.

„Ich störe …“ Sie konnte den Blick nicht von diesem Mund nehmen.

„Stimmt.“ Eine Augenbraue hob sich, während Rosie errötete und die Lider senkte. Elizabeth errötet niemals, erinnerte sie sich, und war sicher, diesem durchdringenden Blick entging kaum etwas.

„Sie!“ Das eine Wort war eine einzige melodramatische Anklage, während das Mädchen herumwirbelte. Es besaß ein hübsches Gesicht, das noch immer die Rundung der Jugend zeigte. Doch jetzt waren die Augen geschwollen und die Wimperntusche verschmiert. „Ich hasse Sie!“

Sie schoss vor, und Rosie begriff zu spät ihre Absicht. Der kräftige Schlag schleuderte ihren Kopf zur Seite, und vor Schmerz traten ihr die Tränen in die Augen.

„Ellie, du wirst dich bei meiner Verlobten entschuldigen! Auf der Stelle!“, forderte er das Mädchen mit harter Stimme auf. „Du benimmst dich wie ein verwöhntes Gör. Und in dieser Aufmachung siehst du lächerlich aus“, fügte er hinzu. „Ich schlage vor, du gehst dir das Gesicht waschen, es sieht aus wie eine Halloweenmaske!“ Der feine Sarkasmus gab dem Teenager den Rest.

„Ich hasse euch beide und sterbe lieber, als dass ich mich entschuldige!“ Sie stürzte aus dem Raum.

„Das war ausgesprochen brutal“, bemerkte Rosie kritisch. Obwohl ihr immer noch die linke Wange brannte, empfand sie doch Mitleid mit dem jungen Mädchen.

„Aber wirkungsvoll.“

Es war eine herzlose Bemerkung, und Rosie gab sich keine Mühe, es zu verbergen. „Du hättest etwas sanfter mit ihr umgehen können“, begann sie hitzig. Aber dann berührte eine Hand ihre brennende Wange, ein Daumen strich über ihr Kinn, und Finger schoben sich in ihr Haar.

„Ich bin überrascht, dass du nicht ihr Blut forderst, sondern dich mit weniger zufriedengibst, wo sie doch in keinster Weise sanft gewesen ist“, meinte er verwundert. Der leichte Druck seiner Finger zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Blick war auf ihre Haare gerichtet, und kurz vertiefte sich die Falte auf seiner Stirn, dann trafen sich ihre Blicke.

Er kann es nicht wissen, sagte sie sich und unterdrückte ein instinktives Bedürfnis, es dem jungen Mädchen nachzumachen. Wie hieß es noch – Ellie? Musste sie sie kennen? Erst jetzt wurden ihr die vielen Fallen bewusst, die auf sie lauerten. Wie hatte sie sich nur auf diesen blöden Plan ihrer Schwester einlassen können!

„Wir waren alle einmal jung.“ Sie versuchte Elizabeths hohes Kichern nachzuahmen, ein Laut, der bei ihrer Schwester durchaus attraktiv klang, sich aber bei ihr wie ein ersticktes Krächzen anhörte.

„Und ist das schon so lange her?“

Seine Stimme klang wie Samt und Bitterschokolade. Sie spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam.

„Ich hatte keine Ahnung, dass du etwas für Schulmädchen übrig hast, Morgan.“

„Ich würde dich wohl kaum heiraten wollen, wenn dem so wäre, oder?“, konterte er und zog spöttisch eine dunkle Augenbraue hoch.

Aus irgendeinem Grund hatte Rosie ihn sich dunkelhaarig vorgestellt, aber seine Haare schimmerten wie altes Gold und reichten ihm fast bis auf den Kragen. „So alt bin ich nun auch noch nicht“, gab sie zurück und zuckte im nächsten Moment zusammen. Flirtete sie etwa?

„Und so jung bist du auch niemals gewesen, oder?“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Zu Rosies großer Erleichterung nahm er die Hand von ihrem Gesicht.

Sie war verwundert, dass sie sich schon nach wenigen Minuten von ihm so abgestoßen fühlte. „Wir waren alle einmal jung, aber vielleicht nicht so hemmungslos“, erwiderte sie langsam.

„Nach allem, was ich gehört habe, kannst du ausgesprochen, und dazu in aller Öffentlichkeit, hemmungslos sein.“

Du musst wie Elizabeth denken, rügte sich Rosie. Sie war verärgert über sich, dass ihr dieser Schnitzer unterlaufen war. Die Eskapaden ihrer Schwester wurden seit ihren Teenagertagen nur zu gern von der Presse aufgegriffen. „Das arme Kindchen, hast du ihr vielleicht etwas vorgemacht?“, schnurrte sie zuckersüß. „Sie schien wirklich überzeugt zu sein, dass ihre tiefe Leidenschaft erwidert wird.“

Er lachte kurz und humorlos auf, ging hinüber zum Kamin und drehte sich herum. Die Kälte, mit der er sie ansah, ließ Rosie frösteln. Was hatte ihre Schwester nur getrieben, sich mit diesem Kerl einzulassen? Er war nicht der Typ Mann, der mit sich spielen ließ, das war schon auf den ersten Blick erkennbar.

„Ich hoffe, es ist nicht Eifersucht, was ich in deiner Stimme zu hören glaube!“

„Ich werde versuchen, mich zusammenzunehmen!“, versicherte sie ihm ernst, und er sah sie scharf an.

„Dafür wäre ich dir dankbar.“ In seinen klaren und doch tiefen Augen war plötzlich ein wachsamer Ausdruck zu sehen. „Du scheinst heute Morgen in etwas … ungewöhnlicher Stimmung zu sein, meine Liebe.“

„Ich bin nicht deine Liebe!“ Sie funkelte ihn böse an, vergaß, dass sie Elizabeth sein sollte. Seine überhebliche, herablassende Art reizte sie. Es war für ihn sehr wahrscheinlich am einfachsten, alle Frauen, mit denen er geschlafen hatte, so anzureden! Eliza­beths Worten nach hatte er einen legendären Ruf als Weiberheld.

Sie hatte sich selbst etwas vorgemacht, als sie sich vorgestellt hatte, der Mann müsse in ihre Schwester verliebt sein. Er war kalt wie Eis. Sie hatte angenommen, Elizabeth hätte ihr Verhalten entschuldigen wollen und zweifelsohne übertrieben, als sie von einer Verlobung aus reinen Zweckgründen sprach. Aber nun entschuldigte sie sich stumm bei ihrer Schwester.

Sie musste an die kurze und katastrophale Beziehung ihrer Eltern denken. Eine starke sexuelle Anziehung hatte die beiden zueinander gebracht, zwei Menschen, die sonst nichts miteinander gemeinsam hatten. Am Ende hatten sie zwei Töchter bekommen. Als die Eltern sich trennten, trennten sie auch die Kinder, und jedes wuchs mit einem Elternteil auf. Rosie hatte daher nie eine große Begeisterung für die Institution Ehe entwickeln können.

Rosie war Teil des Gefolges gewesen, mit dem ihre Mutter von einem mondänen Hotel auf der Welt zum nächsten zog. Ihre Eltern hatten sich zum Teil auch getrennt, weil ihr Vater nicht mit dem enormen Erfolg seiner Frau als Malerin zurechtkam. Sie liebte das Rampenlicht, brauchte Bewunderung wie Atemluft.

Bis Rosie zur Schule kam, hatte sie geglaubt, alle Fünfjährigen würden ihr Essen beim Zimmerservice bestellen.

Ihr extrovertiertes Gegenstück hingegen wurde von strengen Kindermädchen und einem Vater erzogen, der Bankier und zumeist abwesend war. Sie war auf eine teure Privatschule geschickt worden und schrammte einige Male nur knapp daran vorbei, hinausgeworfen zu werden. Ihre konventionelle Erziehung hatte bewirkt, dass sie zu einer eleganten Bohemienne geworden war, mit einer Vorliebe für einen bizarren Lebensstil. Erst mit achtzehn hatten sich die beiden Schwestern kennengelernt, zwei völlig Fremde, die einander zum ersten Mal begegneten.

Als Rosie sich entschlossen hatte, endlich ihre Zwillingsschwester kennenzulernen, hatte sie erwartet, eine verwandte Seele zu treffen. Jemanden, der instinktiv fühlte, wie sie empfand. Aber schon nach fünf Minuten musste sie erkennen, es war nur ein frommer Wunsch gewesen. Ihr äußeres Ebenbild hatte innerlich nur sehr wenig mit ihr gemeinsam. Im Gegenteil, in vielen Dingen waren sie sogar sehr verschieden. Aber wie so oft zogen sich auch hier Gegensätze an.

Das war vor vier Jahren gewesen, und wenn immer Rosie in London war, besuchte sie ihre Schwester. Und sie hatte nicht lange gebraucht zu erkennen, dass ihre Zwillingsschwester verblüffend ihrer Mutter glich – sie war ebenso brillant, charmant und extrem ichbezogen.

Morgans Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Ich brauche eine Ehefrau, keine Seelenverwandte.“

„Es gibt Leute, die glauben, beides wäre untrennbar.“

„Ich gehöre nicht zu ihnen“, kam die trockene Antwort.

„Da bin ich völlig anderer Meinung.“ Die Worte ihrer Schwester klangen ihr im Ohr nach. Tu bis Dienstag nichts, was Verdacht erregt, Rosie. Nun, wo sie ihn kennengelernt hatte, konnte sie Elizabeths besondere Vorsicht verstehen. „Solltest du nicht nachsehen, wie es Ellie geht?“

„Willst du mich loswerden, Elizabeth, nachdem du extra hergekommen bist, um mich zu sehen?“

„Sie war ziemlich fertig mit den Nerven.“

„Ein Grund mehr, ihr aus dem Weg zu gehen“, meinte er kaltblütig und begann, auf und ab zu wandern. „Je eher diese verdammte Hochzeit vorüber ist, desto eher sind sie und ihre Mutter wieder aus meinem Haus verschwunden. Das arme Kind kann ja nichts dafür, dass seine Mutter solche Ambitionen hegt und pflegt.“

„Erwarteten denn alle, dass du sie heiratest?“, fragte sie neugierig.

„Mein Vater und ihr Vater sind seit ihrer frühen Jugend Freunde. Sie hatten sich wohl ausgemalt, wie großartig es wäre, wenn ihre beiden Sprösslinge einmal heirateten.“ Es war ihm anzusehen, wie wütend er darüber war. „Die Tatsache, dass beide Väter inzwischen tot und begraben sind, scheint keinen Unterschied zu machen.“

„Mein Beileid“, murmelte sie trocken. Er hörte sich nicht an, als wäre ihm das Herz gebrochen. Wenn er überhaupt eins besaß! Er war der arroganteste Mensch, dem sie je begegnet war. Die letzten Schuldgefühle verflogen. Mr Morgan Urquart brauchte unbedingt einen kräftigen Dämpfer!

Er warf ihr einen scharfen und zugleich nachdenklichen Blick zu und hörte auf, im Raum herumzutigern. „Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit, namentlich der Tod meines Großvaters, schienen diese Idee wieder verstärkt zu haben.“

„Ich finde eine solche Klausel in einem Testament bizarr“, bemerkte sie. „Dich zu enterben, wenn du nicht innerhalb von sechs Monaten nach seinem Tod heiratest!“

„Enterben ist ein starkes Wort. Wenn ich die Auflage des Testaments nicht erfülle, werde ich die Leitung der Firma abgeben oder zumindest mit jemandem teilen müssen.“

„Wie schockierend!“ Als er sie scharf anblickte, zeigte sie ihm ein unschuldsvolles Gesicht. Ironie gehörte nicht gerade zu Eliza­beths Charaktereigenschaften.

„Ich könnte natürlich dagegen verstoßen“, meinte er und ließ sich elegant in den Lehnstuhl fallen. „Aber die Firma hätte darunter zu leiden, und die Familie würde in Stücke gerissen werden bei dem Bemühen, sie zu retten. Insgesamt gesehen ist es einfacher, dich zu heiraten, und sehr wahrscheinlich auch billiger. Ach, übrigens, ich habe den Ehevertrag mitgebracht, damit du ihn deinem Anwalt zeigen kannst. Die Bedingungen sind sehr großzügig.“

„Davon bin ich überzeugt“, meinte sie höflich. Diese kalte Arroganz! Gefühle sind ihm wohl zu gewöhnlich, dachte sie zornerfüllt. „Wäre es nicht ebenso einfach gewesen, Ellie zu heiraten? Warum ausgerechnet mich?“

„Für derlei Überlegungen ist es zu spät.“

„Bei einem solch generösen zukünftigen Ehemann?“ Sie lachte schrill, ihrer Rolle entsprechend. „Ich bin nur neugierig. Sie scheint dich anzubeten. Ist es nicht das, was sich jeder Mann wünscht? Eine Frau, die ihn bedingungslos anbetet?“

Die leichte Amüsiertheit verschwand schlagartig. „Eine verliebte Frau verlangt eine Menge Aufmerksamkeit, und außerdem mag ich Ellie viel zu sehr, um sie zu heiraten.“

Seine lässige Beleidigung ließ ihre Empörung wachsen. „Darf ich daraus schließen, dass du mich nicht magst?“

„Spielt das denn eine Rolle? Ich kenne dich, Elizabeth. Du bist die ideale Ehefrau für mich“, bemerkte er mit gewisser Müdigkeit in der Stimme.

Der Blick seiner grauen Augen irritierte sie. „Es braucht Zeit, jemanden kennenzulernen.“

„Ich habe über alles, was dich betrifft, ein Dossier angelegt, meine Liebe. Ich kenne all deine Geheimnisse. Schau nicht so bestürzt. Ich bin nicht so leicht zu schockieren, und ich habe auch nicht Ausschau nach einem Dummchen gehalten“, erklärte er locker. „Ich will eine Frau, die die Rolle der Gastgeberin und Hausherrin ausfüllt – du kannst beides. Du weißt dich anzuziehen und zu benehmen, und ich glaube, du kannst auch sehr tolerant sein, was gewisse … Ablenkungen betrifft. Ich bin sicher, du wirst nichts tun, was mir peinlich sein könnte.“

Die Warnung, die hinter seinen glatten, sanften Worten steckte, war für Rosie unüberhörbar.

„Du hast dich offensichtlich eingehend mit der Angelegenheit befasst“, sagte sie. „Und was ist, wenn du dich verliebst?“ Sie konnte dieser Frage einfach nicht widerstehen. „Man sollte realistisch sein, wenn man einen solch großen Schritt tut“, erklärte sie ernst.

„Realistisch gesehen ist die Möglichkeit, dass ich mich in irgendjemanden verliebe, gleich null“, erwiderte er mit atemberaubendem Selbstbewusstsein. „Da du in dieser Hinsicht ja das genaue Gegenteil von mir bist, bin ich sicher, du wirst es kompensieren können. Und wenn ich sage, dass ich mich nicht verliebe, schließt es dich mit ein, Elizabeth“, fügte er mit kühler Abweisung hinzu. „Ich hege nicht den Wunsch, in deine Fantasiewelt aufgenommen zu werden.“

„Daran würde ich nicht einmal im Traum denken.“

Er verzog nur spöttisch eine dunkle Augenbraue.

Das reichte. Rosie vergaß, Elizabeth zu sein, die solchen Situationen die Spannung nahm, indem sie lachte, aber niemals auf Konfrontationskurs ging.

„Ich war noch nie verliebt“, verkündete sie und presste die Lippen zusammen. „Aber wenn ich mich jemals in einen Mann verlieben sollte, dann wird er das genaue Gegenteil von dir sein! Hab also keine Angst – es ist reichlich unwahrscheinlich, dass ich mich in dich verliebe!“

Doch dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie ja ihre Schwester war. Beinahe hätte sie laut aufgestöhnt. „Ich meine …, ich bin niemals richtig verliebt gewesen“, versuchte sie verzweifelt ihren Schnitzer wiedergutzumachen.

„Und das nach so vielen Versuchen“, spottete er.

Rosie errötete. Wie viele Dinge mochte er über ihre Schwester wissen, die sie nicht wusste? Frechheit siegt, dachte sie dann.

„Ich bin überrascht, dass du mich als Kandidatin ausgewählt hast – du musst schließlich mein Vorleben kennen!“

„Genau deswegen habe ich dich ausgesucht, Elizabeth“, konterte er. „Ich denke, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass du dich verzweifelt verliebst. Du liebst Luxus und einen gewissen Lebensstil. Beides kann ich dir bieten. Physisch gesehen wirst du wohl deine Befriedigung bekommen …, es ist nicht so, dass ich Treue verlange, nur Diskretion.“

Unerwartet griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest. Er betrachtete ihre Innenfläche, drehte sie dann herum und besah sich ihre schlichten, unpolierten Nägel. Die Ansicht schien ihn zu faszinieren. Die leichte Berührung reichte aus, dass Rosie plötzlich der Kopf schwirrte.

„Wenn das Kind alt genug ist …“ Er brach ab und sah sie fragend an, als sie einen erstickten Laut von sich gab.

Totale Verwirrung lähmte sie. Ihre Schwester hatte ihr praktischerweise ein paar wichtige Details vorenthalten. Aber dann machte sie sich klar, sie würde mit diesem Mann nicht vor den Altar treten. Keine übertriebenen Reaktionen, Rosie! ermahnte sie sich.

Sie lachte kurz auf. Immerhin war er nicht unfehlbar. Elizabeth als Zuchtstute? Ihr fehlten die mütterlichen Instinkte, so wie sie ihrer Mutter gefehlt hatten, die sich in schöner Regelmäßigkeit darüber ausgelassen hatte, welch eine schreckliche Tortur das Kinderkriegen war.

„Ich scheine dich zu amüsieren.“

Rosie versuchte sich zusammenzureißen, aber es gelang ihr nicht ganz. Sie lachte kurz auf. Es war ein warmer, anziehender Laut. Ein Lachen, wie Morgan es noch nie von Elizabeth gehört hatte. In der Tiefe seiner kühlen grauen Augen flackerte etwas auf, verschwand aber sogleich wieder.

„Es ist nur so …, es fällt mir schwer, mich als Mutter zu sehen“, blieb sie so nahe wie möglich an der Wahrheit.

„Ich heirate in erster Linie, um einen Erben zu zeugen.“

„Und ich dachte, der Hauptgrund wäre, den letzten Wunsch deines verstorbenen Großvaters zu erfüllen und die Kontrolle über das Urquart-Imperium zu behalten?“, fragte sie mit gespielter Unschuld.

Autor

Kim Lawrence
Kim Lawrence, deren Vorfahren aus England und Irland stammen, ist in Nordwales groß geworden. Nach der Hochzeit kehrten sie und ihr Mann in ihre Heimat zurück, wo sie auch ihre beiden Söhne zur Welt brachte. Auf der kleinen Insel Anlesey, lebt Kim nun mit ihren Lieben auf einer kleinen Farm,...
Mehr erfahren